RE: Ankunft im neuen Leben
Ein neues Leben.
Nun. Ein neues neues Leben wohl eher, denn schon zum zweiten Mal hatte er alles umgekrempelt. Das erste Mal war gewesen, als ihm jemand, den er bestohlen hatte, ihm geraten hatte, aus seinem hübschen Gesicht Kapital zu schlagen. Zuerst war er zu stolz gewesen. Sich verkaufen an alte eklige Kerle? Niemals!
Aber irgendwann war der Groschen gefallen. Diebe wurden nicht alt. Und er würde nicht ewig so nett aussehen. Also hatte er neu angefangen.
Der zweite Neuanfang fand genau jetzt statt. Der inzwischen umbenannte junge Mann lehnte mit angewinkeltem Bein auf der Kutschbank und hatte einen Arm um die hübsche Frau an seiner Seite gelegt. Auf der anderen Hand ruhte sein eigener Kopf, der aus dem Fenster sah. Diesen gelangweilten Gesichtsausdruck hatte er ständig.
Narcissus – passend zum Namen – kam meist rüber wie ein arroganter kleiner Prinz, besonders wenn er sich über die Provinz beschwerte. Ein wenig war er in seiner Rolle wohl versunken, aber immer noch aufmerksamer, als man es einem wie ihm zutraute. Und als Mann für gewisse Stunden musste man das auch sein. Das Leben als amüsante Gesellschaft konnte politischer werden, als man denkt.
„Armes Prinzesschen“, schnurrte er und fuhr der verehrungswürdigen Aglaia, seiner Herrin, seiner Muse, seiner Geliebten, über die Schulter, als er ihren glühenden Blick einfing. Sie verstanden ohne Worte und sein eigener Blick versprach ihr eine Macht, die ihr die Kälte schon aus den Knochen trieb. Manchmal fragte er sich, warum er sich zu dieser Reise hatte überreden lassen. Aber bei diesem Gesicht hatte er wirklich nie eine Chance gehabt. Zudem hatte er in ihrem Haus immer gut verdient. So gut, dass er bisher jede Chance auf einen „Exklusivkunden mit besonderen Zuwendungen“ (heute nennt man so etwas Sugardaddy) ausgeschlagen hatte. Und vielleicht auch ein wenig aus empfundener Schuld, immerhin hatten sie und ihre Mutter ihm… so ziemlich alles beigebracht. Außer seinen flinken Fingerübungen natürlich, da machte ihm keiner was vor.
Natürlich schmeichelte ihm die anschmiegsame Art von Aglaia. Man mochte geneigt sein, ihn für sonst was zu halten, wo er doch auch (wenn auch nicht nur) mit Männern schlief. Aber zumindest für sie war er noch ein echter Kerl. Zumindest Manns genug, um nicht zum ersten Mal in sein Lager zu steigen.
„Hm, ganz nette Häuser hier. Wenns nicht so kalt wär, würd ich sagen, wir sind in der Vorstadt“, spottete er, als er auch schon das Haus ins Auge bekam, welches die Familie von Rom aus in Auftrag gegeben hatte.
„Oh verfickt nochmal, ist es das?“
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