RE: Convivium publicum zu Saturnalia
Meine Hand lag noch immer auf seiner Schulter, als Calum anfing, zu berichten. Er sagte nicht viel, aber das, was er sagte, hätte mich kaum schwerer treffen können. “Caradoc…? wiederholte ich mit bleischwerer Stimme und ich merkte, dass ich leicht wankte. Man hätte mir genausogut einen Dolch in die Brust rammen können, es hätte nicht viel Unterschied gemacht zu diesen Worten. Mit einem Mal war mir übel und schwindelig, und ich musste tief durchatmen, um meine auftreibenden Gefühle niederzukämpfen. Unter allen Menschen, wie konnte man jemandem wie Caradoc so etwas antun? Auf einem heiligen Fest? Wo der Schleier zwischen dieser Welt und der Anderswelt ohnehin schon so dünn war, dass man leicht hindurchtreten konnte? “Aber wie…? Warum..? Ich verstehe nicht…?" Mein Verstand versuchte, zu verarbeiten, was nicht zu verarbeiten war. Bilder schwemmten meinen Kopf, Bilder der Vergangenheit. Cathbad war meistens eher streng und enttäuscht mir gegenüber, aber Caradoc, er war die Liebenswürdigkeit überhaupt. Ich konnte mich nicht an ein einziges Mal erinnern, wo er laut oder ungerecht oder gewalttätig gewesen wäre, wo ich vor ihm Angst gehabt hätte oder mir seinen Tod auch nur gedanklich oder kurz gewünscht hätte. Und dass er umgebracht worden war, das war mehr, als mein Verstand gerade fassen konnte.
Ich ließ Calum los und ging stöhnend einen Schritt rückwärts, wo ich auf die Wand des Hauses hinter mir traf. Das war gut, ich drehte mich seitlich und stütze mich mit einem Arm ab, da die Welt weiterhin schwankte. Ich wollte mir eigentlich keine Blöße geben, aber ich konnte das alles nicht so schnell, wie ich gewollt hätte. Ich brauchte ein paar Atemzüge, um die Übelkeit hinunterzukämpfen und die ungeweinten Tränen dort zu lassen, wo sie hingehörten: Ungeweint. Nach ein paar Atemzügen hatte ich mich wieder unter Kontrolle und konnte meinen Bruder ansehen.
“Dundavan geht es also gut? Und du bist hier in Sicherheit? Ja, ich musste das noch einmal hören. “Ich hätte hier sein sollen. Wenn ich da gewesen wäre...“ Gut, ich hatte keine Ahnung, wie viele Römer gekommen waren, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, versagt zu haben, Caradoc im Stich gelassen zu haben, weil ich nicht da gewesen war.
“Ich will alles wissen. Wann hast du…? Ich meine, wo können wir reden? Bei Dunduvan?“ Verdammt, ich musste das alles verarbeiten.
Das Lachen und Grölen, das vom nahen Festplatz herüberwehte, erschien mir mit einem Mal unerträglich. Wie konnten sie hier fröhlich feiern, während sie Caradoc ermordet hatten?
Falke
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