(12-21-2022, 04:40 PM)Tiberius Furius Saturninus schrieb: Saturninus hörte mit unbewegter Miene zu; obgleich er keine Toga heute trug, jeder Zoll ein Furier, ein Patrizier; die Arme verschränkt stand er da. Obwohl ihm nichts anzumerken war, litt er innerlich. Genau solch eine Situation hatte er vermeiden wollen. Deshalb hatte er Gabinia Clara gebeten, auf ihren Bruder einzuwirken. Denn die Blicke zwischen dem Gabinius und seiner Cousine waren ihm nicht entgangen. Er hatte sie aber auf den Spaziergang gehen lassen, weil er erstens Gabinius Secundus durchaus vertraute und zweitens gehofft hatte, dass die Vernunft siegen würde.
Doch da gab es keinerlei Vernunft. Weder in Stella, seiner sonst so gescheiten und belesenen Cousine. Und schon gar nicht in jenem blonden ... Barbaren, denn das war er; das sah man schon daran, dass er trotz seiner Toga die chattische Haartracht nie abgelegt hatte. Ja, ein Barbar. Nur ein Barbar konnte so unvernünftig und vermessen sein, das zu fordern, was ihm nicht zustand: Die Hand einer edlen Furia, einer Frau, deren Familie Konsule und Senatoren gestellt hatte.
Auch wenn es der Wahrheit entsprechen sollte, was Gabinius über seine Herkunft sagte: Was gingen einen römischen Patrizier die Adligen eines Barbarenstammes an? Nicht einmal ein König, also ein Herrscher eines ausländischen Königtums wäre ihnen ebenbürtig gewesen.
Saturninus hatte Stellas Vater auf dem Sterbebett versprechen müssen, sie niemals gegen ihren Willen zu vermählen. Das akzeptierte er.
Doch man konnte ihn auch nicht zwingen, Stella jemandem zu geben. Den Iulius hatte sie nicht haben wollen und sonst keinen. Dann blieb sie eben eine Witwe. Alleine.
All diese Gedanken gingen Furius Saturninus durch den Kopf, während er schwieg. Dann blickte er Gabinius und Stella an. Es war ein dunkler etwas rätselhafter Blick, in dem tausend Jahre Hochmut lagen. Er sprach langsam:
"Ich werde meine Zustimmung zu dieser Vermählung nicht geben. Falls so etwas wie eine Verlobung stattgefunden hat, dann ist sie selbstverständlich rechtlich nicht verbindlich"
Nun schaute er einzig Stella an. Er hatte seine Cousine lieb. Es tat ihm weh, ihr weh tun zu müssen, als würde er sich mit einem Messer schneiden. Aber da sie vergessen zu haben schien, wer und was sie war, musste er, Saturninus, für sie beide daran denken. Stella würde wütend sein, doch er hoffte, dass sie eines Tages erkennen würde, dass er Recht gehabt hatte:
"Ich bin keinesfalls aufgebracht oder zornig auf dich, Stella. Ich hätte verhindern müssen, was geschah, in dem ich dich von Gabinius ferngehalten hätte. Das war mein Fehler, und das bedaure ich"
Tiberius stand mit verschränkten Armen reglos da, und schaute uns mit einem dunklen Blick an, als er uns anhörte. Was ihm alles durch den Kopf ging, konnte ich nur vermuten. Dann sagte er, dass er seine Zustimmung zu unserer Heirat nicht geben wird und unsere Verlobung rechtlich nicht verbindlich ist. Seine Ablehnung habe ich über mich stoisch ergehen lassen und sagte gelassen, innerlich aber sehr betroffen...
"Es ist aber so, Cousin Tiberius, ich habe mich für Publius Gabinius Secundus entschieden, ich liebe ihn und bin stolz auf ihn...", dabei schaute ich Sonnwin liebevoll an. Dann dachte ich kurz nach,
"Und eigentlich...", nun sah ich Tiberius herausfordernd an.
" Auch Patrizier und Plebejer dürfen heiraten, es ist nicht verboten."
Ich hatte ja erwartet, dass Tiberius auf unsere Bekenntnis so reagieren würde, aber als er sagte, das es sein Fehler war, mich von Gabinius nicht ferngehalten zu haben, da wurde ich bleich und starrte meinen Cousin mit den eiskalten Augen an.
"Was fällt dir ein, meinen Retter zu beleidigen, ohne ihn wäre ich nicht mehr da ..., aber, so wie ich dich jetzt so herablassend erlebe, wäre es vielleicht dir lieber ..."
Zitat:Publius Gabinius Secundus schrieb:
Auch ich besaß Haltung, und ich ließ mir nicht anmerken, wie sehr der Furier mich kränkte. Vielleicht wusste man es, wenn man mich kannte, ein kurzes Aufflackern in den Augen, die sich verdunkelten.
Leid tat es mir für Stella. Sie war so froh, so hoffnungsvoll gewesen. Es war, als würde man eine kleine Flamme austreten.
"Furius Saturninus, ich nehme deine Entscheidung zur Kenntnis. Sie soll nicht zwischen uns stehen: Nach wie vor bist du mein geschätzter Nachbar und Gastfreund"
ich sagte nicht, dass ich die Entscheidung jemals akzeptieren würde. Für verliebte junge Leute, deren Familien gegen ihre Verbindung war, gab es noch andere Möglichkeiten. Auch Arminius der Cherusker, der die Römer bezwungen hatte, hatte seine Braut rauben müssen.
Ich trat zu Stella hin und sagte:
"Gedenke des Senecas Worte. Stärker als jedes Schicksal ist die Seele, meine einzige Fridila", mehr sagte ich nicht. Doch ich wusste, dass mein Albenmädchen Seelenstärke brauchen würde. Sie würde es sein, die Entbehrungen, Streit und Kummer aushalten musste, wenn wir zusammen sein wollten. Das schmerzte mich zutiefst. Und sie musste mir vertrauen.
Heute war ich Gabinius Secundus. Wir würden am Abend das Apfelfest beenden und die Nachbarn verabschieden.
Ab morgen jedoch würde ich Sonnwin Sonnmarssohn sein.
Sonnwin war sehr intelligent und diplomatisch und konnte sich besser als ich beherrschen. Obwohl ich sah, wie seine Augen sich verdunkelten, ließ er sich nicht anmerken, wie schlimm Tiberius ihn kränkte und betonte sogar, dass er Furius Saturninus, als sein Nachbar und Gastfreund schätzt.
Dann trat er zu mir und sagte, ich sollte an Senecas Worte denken:
"Stärker als jedes Schicksal ist die Seele, meine einzige Fridila"
"Ja, mein Friudel, ich werde immer an diese Worte denken...", flüsterte ich leise und berührte sanft seine Hand, und er konnte in meinen Augen lesen, was ich ihm sagen wollte:
Im Auge spricht die Träne:
Wie ich nach dir mich sehne!
Mein Wollen, Denken, Sinnen,
Es will in deins verrinnen.
So webt in stummen Zeichen
Sich Botschaft sondergleichen;
Von Herz zu Herzen geht sie,
Doch nur wer liebt, versteht sie. *
*Emanuel Geibel (1815 - 1884),