Pytheas kam so schnell wie er konnte. Er hatte seine Sonden dabei, doch als er einen Blick auf die Plazenta warf, die die Hebamme in einer Schüssel aufbewahrte, bemerkte er, dass diese komplett aussah, und somit die Nachgeburt vollendet worden war.
Etwas erstaunt sah er dann das junge Mädchen an, das gerade der frischgebackenen Mutter wohlduftende Milch einflößte - unverheiratete Jungfrauen hielt man gewöhnlich von Geburten fern, um sie nicht zu erschrecken - aber dieses Mädchen schien ganz und gar gelassen und konzentriert in dem, was sie tat.
Er nickte ihr zu, dann schaute er nach den beiden Neugeborenen (also doch Zwillinge!,wie er vermutet hatte, nachdem der Urin der schwangeren Fabata kein bisschen süß geschmeckt hatte und somit keingefährlich großes Baby zu erwarten gewesen war), die gesäubert und gewickelt worden waren. Sie lagen auf einem Kissen bei ihrer Mutter.
Da die Hebamme (Pytheas nahm an, dass es die alte Hebamme gewesen war) sich diese Mühe gemacht hatte, war wohl keines der Kinder deformiert oder gar mit fehlenden Gliedmaßen geboren worden. Denn warum sollte man der Mutter das Herz brechen, wenn man das Kleine später aussetzen würde?
Wenn Iuventia Fabata es wünschte, konnte er die Kleinen aber auch noch untersuchen.
Jetzt lächelte er seine Vermieterin an:
"Der Segen der Iuno mit dir, Frau Wirtin. Du hast ein hübsches Zwillingspärchen zur Welt gebracht. Ist denn ein Sohn dabei? Ich darf doch....",
er legte zwei Finger auf Fabatas periphere Arterie am Handgelenk, und einen Moment stahl sich Besorgnis in seine grauen Augen. Der Puls war fliegend wie das Flattern eines kleinen Vogels; die Gebärende hatte doch viel Blut verloren. Ab und zu schloss die Römerin die Augen, als würde ihr Geist davondriften, und sie war weiß wie eine Marmorwand:
"Eine Leibbinde aus frisch geschorene Wolle, die mit Essig und mit Rosenöl getränkt ist“, ordnete er ein gängiges Mittel gegen Blutfluss an:
"Außerdem sollten ihre Beine eng aneinander gewickelt werden. Und hier im Zimmer ist es zu warm. Öffnet die Fenster eine Weile, aber achtet darauf, dass weder Mutter noch die Kinder im Durchzug liegen. Die kühle Luft zieht die Gefäße im Leib zusammen, so dass die Blutung nachlassen kann. Auch der Druck der Binde tut das. Und die werte Iuventia Fabata sollte ihre Beine hochlagern"
Er selbst griff nach einem Kissen und schob es Fabata unter die Waden.
Dann wandte sich der Medicus, da er den Ehemann nirgends gesehen hatte, an das junge Mädchen, welches jetzt die Ranghöchste im Hause zu sein schien:
" Kannst du bitte auch für eine besondere Diät sorgen, junge Herrin?", fragte er und schrieb alles säuberlich auf eine Wachstafel:
geschorene Wolle, Essig, Rosenöl für die Binde, täglich wechseln bis weniger Blut
fließt
Nahrung: Rote Beete, Karotten, Fenchel, Mangold oder Ölrauke gedünstet mit Salz und Öl
Alle Arten von Nüssen und Kernen, rotes Fleisch in Maßen
Aufguss von Bockshornklee, Fenchel, Anis und Kümmel so viel die Wöchnerin trinken mag |
Die Wachstafel reichte er ihr:
"Und um sich in ihrem Wochenbett zu erholen, benötigt die werte Iuventia Fabata Pflege und Ruhe", er zögerte, doch dann sagte er:
"Ich weiß, dass sie sehr fleißig ist und von früh bis spät arbeitet. Das geht jetzt nicht. Habt ihr außer Samira"... er wusste, dass
Samira selbst leidend war:
"Noch eine andere Hilfe im Haus?"