RE: Im Moor - Das Tor zur Anderswelt und zu den Göttern
Ich durfte nicht wie ein Soldat sterben. Diese Gnade wurde mir nicht erwiesen. Wie ein Opferstier führte mich der Silurer ins Moor. Und ich musste gestehen, dass mir das Blut in den Adern gerann, als auch die Andrastepriesterin Latein mit mir sprach. Die Milde des Nichtverstehens blieb mir verwehrt.
Die Priesterin war eine Dienerin der fürchterlichsten Kriegsgöttin der Kelten. Unaussprechliche Opfer wurden Andraste dargebracht, und die Rituale selbst waren von solcher Bestialität, dass selbst hartgesottene Legionäre erbleichten, wenn sie von ihnen vernahmen. Konnte man, was selten genug vorkam, den Andrastepriesterinnen ein Opfer noch lebendig entreißen, musste man ihm den Gnadentod geben, so grausam war es zugerichtet.
Ich sah mich um, und ich nahm mir vor, wie ein Römer zu sterben und nicht zu winseln wie ein Weib. Schmerz war mir nicht fremd; oft hatte ich ihn anderen zugefügt. Ich hatte die Feinde des Reiches verfolgt. Wenn sie in meiner Gewalt waren, hatte ich nur Spott für sie. Und ich hatte Frauen, weil ich sie nicht männlich besitzen konnte, gequält. Und ich hatte Sklaven meinem Pferd vorgeworfen, damit es sie mit seinen Hufen zertrample.
Aber nun ermordete mich die Priesterin, in dem sie mir die Kehle langsam durchtrennte und dann ihr Opfermesser über meinen Brustkorb zog, damit ich die Tortur auch gründlich auskosten sollte. Einen Betäubungstrank wie man ihnen Opfertieren gab, hatte man mir nicht gereicht. Aus den Tiefen meiner Eingeweiden quoll das Stöhnen einer geschundenen Kreatur, so sehr ich es verhindern wollte. Und die ganze Zeit über, während sie mich zerstückelte, erzählte mir die Rothaarige, dass ich, dass mein Fleisch, mein Blut und auch mein Geist Andraste schon gehörten. Sie bat um einen Sieg für ihr Volk.
Ihr werdet nicht siegen, dachte ich, aber da begann mein Verstand auch schon meinen Körper zu fliehen.
Geboren zu Rom, gestorben zu Isurium. Es wurde also wahr. Hier im düsteren Moor endete das Leben des Tribun Ovidius, der doch das Leben bis zur bitteren Neige ausgekostet hätte, durch die Hand einer Barbarin. Hätte man mir meine Vexillation gelassen, so hätte ich doch noch meine Vision erfüllen können. Das Imperium war morsch. Ich hatte es retten wollen. Ich schwöre bei den Manen, es war mir nie um mich gegangen, sondern immer nur um die Patria. Rom. Unsterbliches Rom.
Ich war tot. Einen Moment lang schloss sich über mir das Moor, und das Jenseits war grau und gesichtslos. Der Tod war nichts. Und die Zeit zwischen zwei Mal Nichts, die nannten wir Leben. Es war eigentlich zum Totlachen.
Siehst du, Priesterin, es gab gar keine Götter, wollte ich triumphieren. Es hat sie nie gegeben, und deine Andraste...
Da rührte sich etwas in der Dunkelheit. Etwas kam aus dem Abgrund. In aller Ewigkeit.
Nein.
Nein.
O bitte, bitte nicht, nein.
.
![[Bild: 3_24_08_22_4_37_11.png]](https://adlerchronik.de/gallery/3_24_08_22_4_37_11.png)
versetzt zur Legio IX Hispania
|