RE: Kleines Gästezimmer im zweiten Stock
Der Römer kam wieder zu sich. Ein leises Stöhnen drang aus seiner Kehle, seine Finger zuckten, als er sich der Fesseln bewusst wurde. Blut sickerte aus einer Wunde an seiner Stirn und trübte seinen Blick, doch seine Stimme blieb erstaunlich fest, als glaubte er noch immer, er hätte eine Chance, Isurium lebend zu verlassen.
Er spann sich eine Geschichte zusammen, um seine eigene Haut zu retten. Er sprach von einer Stundung der Tribute und von einer Strafe für seinen Dolmetscher, der sich angeblich an den Frauen der Brigantes vergiffen habe. Madoc hörte ihm zu, nicht aus Interesse, sondern um zu sehen, wie lange der Römer an seinen Illusionen festhielt, bevor er begriff, dass Worte ihn nicht retten würden.
"Brigant?" Ein kaltes Lächeln huschte über Madocs Gesicht, als er sich näher an den Gefangenen lehnte. "Da irrst du dich, Römer. Ich bin ein Silurer. Ich habe keine Veranlassung, dich zu befreien. Außerdem, deine Männer sind bereits alle tot." Seine Stimme war ruhig, doch in ihr lag unmissverständliche Verachtung.
Er richtete sich auf und warf einen kurzen Blick zu Rhian. Ihre Schultern waren angespannt und ihr Rücken durchgedrückt, als wollte sie sich nichts anmerken lassen. Doch Madoc sah es, die Spannung in ihren Fingern und das unstete Flackern in ihrem Blick. Sie wollte den Römer tot sehen. Vielleicht hasste sie ihn, vielleicht hasste sie sich auch selbst. Und vielleicht hasste sie auch ihn, Madoc, weil er ihr die Entscheidung nicht abnahm. Doch es lag nicht an ihr, dieses Urteil zu fällen.
Anwen, die Priesterin, die mit ihnen in den Norden gekommen war, trat näher. Ihre Augen waren kalt und unergründlich wie ein stiller See. Sie betrachtete den Römer mit einer Unerschütterlichkeit, die keinen Zweifel ließ – sie wusste, was die Götter verlangten. Ihr Blick glitt zu Rhian, als wolle sie ihr Zeit lassen, als wolle sie sehen, ob sie selbst es aussprechen würde. Doch Madoc erkannte längst, dass Anwen ihre Entscheidung bereits getroffen hatte.
Sein Blick ging zurück zu dem Römer. "Du glaubst wirklich, dass du nach allem, was du heute getan hast, einfach wieder hinausmarschieren kannst? Nachdem du die Königin der Brigantes zu deiner Hure machen wolltest?" Seine Stimme war ruhig, doch in ihr lag eine Kälte, die kein Mitleid zuließ. "Nein, Römer. Du irrst dich. Du bist kein Tribun mehr, der noch irgendein Versprechen einlösen könnte. Du bist nichts weiter als Futter für die Götter – und du gehörst ihr." Mit einer knappen Bewegung seines Kinns deutete er auf die Priesterin. Seine Finger ruhten locker auf dem Griff seines Schwertes – nicht aus Furcht, sondern aus Bereitschaft. Das Urteil war längst gesprochen.
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