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Officium | Glück, Kummer und Gleichmut
02-15-2025, 03:10 PM,
Beitrag #7
RE: Officium | Glück, Kummer und Gleichmut
Unser Herr dachte gar nicht daran, seinen Dienst für Aphrodite zu unterbrechen, was mich zwar nicht in Verlegenheit brachte, aber mich auch nicht kalt ließ, war ich doch weder ein Eunuch noch eine Marmorstatue. Ich weinte aus Liebeskummer, doch auch, weil ich sah, dass Plautius Leander einer anderen freiwillig hinstreute, was er meiner liebsten Domina verwehrte. Doch weshalb nur? Wollte er denn keine ehelichen Kinder? Noch war es mir ein Rätsel, und hätte ich das Tor der rätselliebenden Sphynx durchschreiten müssen, mit Haut und Haar hätte sie mich verschlungen, da ich keine Antwort wusste. 
Ich erhob mich, da mein Herr mich auf die Beine zog. Die Vereinigung mit Innogen hatte er unterbrochen. Eine Flut von Vorwürfen gegen meine liebste Domina prasselte nun herab: dass sie nur Abscheu und Angst vor ihm empfände, ihm stets nur das gezeigt hätte und dass es ihm nicht gefiele, eine Frau gegen ihren Willen in sein Bett zu zerren. Er, noch vom Liebesspiel erhitzt, öffnete sich mehr, als er es jemals zuvor getan hatte. Unwissend, ängstlich und geziert nannte er sie, und ich zuckte unter jedem Wort zusammen, als hätte er mich damit geschlagen, denn für mich war sie ja lieblich, rein und perfekt.
Innogen war es kalt, und sie wollte sich ihr Kleid anziehen, doch da ihr Dominus sie zurück hielt, wickelte es sie um sich wie eine Decke. Es tat mir Leid, da sie um meiner Tränen Willen frieren musste, und ich nickte ihr kurz und traurig zu; ich hoffte sehr, dass sie nicht böse wäre.
Dann fuhr Plautius Leander jedoch schon fort, mir zu berichten, was er mit der Sklavin feierte: Geerbt hatte er, reich war er nun, nach Londinium würde er in absehbarer Zeit reisen müssen, um nach dem Rechten zu sehen, und, dass sagte er nicht explizit, vielleicht würde er sich von Norbana Orestilla zumindest räumlich trennen, wenn nicht sie gar unberührt nach Hause schicken so wie auch der göttliche Augustus seine erste Frau noch jungfräulich retournierte. Das er die Wahrheit sprach, was die Bürgerstöchter anging, deren Väter ein Auge zudrücken würden, wenn es um des Plautius Abstammung ging, wusste ich gut; es hatte sich herumgesprochen, dass selbst die hochmütigen Furier eine der ihren an einen einflussreichen Freigelassenen verheiratet hatten. Geld adelte sozusagen von alleine!
Von denen mich nicht alle ansehen werden, als wäre ich der Wolf aus der Fabel und sie das Lamm, das gefressen werden soll?“, endete er, als er über die heiratswilligen Quiritentöchter von Londinium sprach.
Nun kannte ich des Rätsels Lösung. Nicht Kälte war es, sondern der Wunsch, niemanden in sein Bett zu zwingen, der sich dorthin nicht freiwillig begab. Selbst mit seinen Sklavinnen hielt er es so; denn Innogen schien zu lieben, was der Herr ihr geben konnte; nicht um Geschenke oder Gunstbeweise gab sie sich ihm hin, wie viele Mädchen das in einem Haushalt taten, sondern aus Freude. Die Anzeichen, ihre rote Wangen, ihre glänzenden Augen, waren eindeutig, und Innogen selbst einer goldgelockten Aphrodite gleich.  Und der Herr war ein stattlicher Mann. 
Ich hatte früh gelernt, dass jeder Mann und jede Frau etwas besaß, das man lieben konnte, und wenn man Zuneigung fühlte, die vom Herzen kam, dann konnte auch der Leib daran  großes Vergnügen finden. Dieses Etwas zu suchen, war zuweilen notwendig, denn nicht jeder Mensch reizte meine Sinne sofort.
 Auch Plautius Leander war verletzt worden, erkannte ich. Ich begann ihm aber herzlich zugetan zu sein, in seine Redlichkeit und Güte.
Ich stand jetzt zwischen meiner liebsten Domina und meinem gütigen Dominus. Beide waren sie gute Menschen, aber keiner von ihnen schien einzulenken, so wie das Wasser das Feuer löschte und das Feuer vom Wasser gelöscht wurde, fanden ihre Charaktere nicht zusammen.
 Ich hätte mir gewünscht, dass Orestilla sehen würde, was ich nun sah, einen nicht mehr ganz jungen, aber männlichen und gut gebauten Körper, kluge Augen in einem ruhigen Gesicht und keinen, der grausam mit seinen Anvertrauten verfahren wollte.

"Ich gratuliere Dir, o Dominus zu deinem unverhofften Reichtum. Bitte sei auch mit Domina Orestilla so aufrichtig, wie du es in den vergangenen Minuten warst. Ich werde ihr sagen, was ich nun erfahren habe - nur wenn du es mir gestattest, selbstverständlich-  damit sie später mit dir sprechen kann. Denn was immer du glaubst, sie verabscheut dich keineswegs.
Der Gedanke, dass sie mich aus dem Schlafzimmer weisen sollte, er stammte von mir. Ich gab meiner lieben Domina schlechten Rat. Ich dachte nämlich, ihre Tugend würde dich beeindrucken. Doch sehe ich, dass du die nie angezeifelt hast o Herr. Was du wünschst, ist ein Leichtes, und doch vielleicht schwieriger, als nur tugendhaft zu sein: Vertrauen und einen ersten Schritt"

Ich hatte gestanden, dass ich seine Frau liebte, doch der Herr zürnte mir nicht. Stattdessen lud er mich ein, mit ihnen den Liebesdienst zu teilen, um mich zu trösten. In mir war so viel unerfüllte Liebe, die mich schon so lange bedrückte. Ich hatte wochenlang niemanden anderen mehr angesehen als Domina Norbana Orestilla.
Die Liebe hatte mir den Verstand geraubt, mich krank gemacht, mich schlafen und singen vergessen lassen.
Nun war da aber mein Herr, der zu mir nicht sprach, als sei ich ein unbotmäßiger Sklave, sondern als wäre er der Zentaur Chairon, der einen der Heroen mit mildem Sinn belehrte.
Und da war bei ihm noch Innogen, die hübsch war wie die goldlockige Aphrodite selbst.
Meine Tränen versiegten. 
Ich lächelte der jungen Frau scheu und fragend zugleich zu. Ich war einer von ihnen, sie war eine von uns. Ich hatte bisher kaum mit ihr ein Wort gewechselt, obwohl ich unter anderen Umständen gerne einen Scherz gemacht oder mit den Mädchen geschäkert hätte. Ich hatte überhaupt mit wenigen der Plautiersklaven gesprochen, da ich Tag und Nacht damit beschäftigt gewesen war, an meine liebste Domina zu denken. Hätte Innogen Anzeichen von Abwehr oder Abscheu gezeigt, ich hätte um Erlaubnis gebeten, mich doch zurückziehen zu dürfen.

Ich ließ das Nitrum Nitrum sein und der Marmor musste warten, als ich nun mit einem Lächeln meine Tunika ablegte. Ich war weder so groß noch so breitschultrig wie der Herr; wir Schauspieler hielten uns fast mager, damit wir auch glaubhaft in weibliche Rollen schlüpfen konnten.  Aber das ich ein Mann war, war nicht zu übersehen. Meine Jugend brach sich mit aller Macht Bahn, und ich empfing Freude und spendete dem Dominus und Innogen mit wahrer Inbrunst welche, wobei ich beiden schöne und anmutige Dinge sagte, denn ganz aus meiner Haut konnte ich nicht schlüpfen. Wie hatte es Herr Leander einst genannt? Blumig....

"Zwecklos bekriegter,
Nimmer besiegter
Eros, Allsieger der Schlacht.
Deiner Künste
Falsche Gespinnste
Schlagen in Fesseln den unschuldigen Sinn.
Zwecklos bekriegter
Eros, Allsieger der Schlacht.
Kein Entfliehen
Kann entziehen
Selbst die Götter deiner Macht!*


*Sim off: Sophokles, um 495 bis 405 v. Chr.
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934

[Bild: 1_26_01_24_4_43_25.jpeg]
[Bild: 3_15_08_22_9_43_44.png]
"Scheinsklave" Norbana Orestilla
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RE: Officium | Glück, Kummer und Gleichmut - von Nicander - 02-15-2025, 03:10 PM

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