RE: Officium | Glück, Kummer und Gleichmut
Wie sollte man so denn Coitus haben? Leander konnte zwar viel, aber sowas verdarb auch selbst dem lüsternsten Satyr noch die Stimmung.
“Och, nein…!“ jammerte Innogen, als er sich mit schwindender Erektion zurückzog und erst einmal ganz langsam mit der Hand über das Gesicht fuhr. Da kam ein liebeskranker Sklave, um ihm zu sagen, dass er nicht romantisch genug mit einem Kind war, das ihn körperlich nicht anziehend fand – was inzwischen durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte. Und dann wollte er verkauft werden. Dieser Unfug war langsam anstrengender, als es die Sache wert war.
“Ich entbinde dich von gar nichts, da ich dir keinen Auftrag erteilt habe. Es war eine Erlaubnis, mehr nicht. Und wenn ihr die nicht nutzen wollt, dann nutzt ihr sie eben nicht. Es ist mir gleich.“
Leander ging zu Nicander und zog ihn an einem Arm wieder auf die Beine, weil er diese unterwürfige Haltung auf Knien nicht leiden konnte. “Und ich bin ganz sicher für Orestilla weder Wasser noch Sonne noch sonst etwas. Ich habe mehrere Versuche unternommen, mich ihr zu nähern. Jedes Mal ist ihre Reaktion geprägt von Abscheu meiner Berührung gegenüber – wobei ich da inzwischen denke, dass sie einfach bei überhaupt niemandem Lust empfindet – und riesiger Angst. Und ernsthaft, ich hab es schon mehrfach jetzt gesagt, daran habe ich nicht das geringste Interesse. Um ehrlich zu sein, finde ich es das Gegenteil von anziehend. Es birgt für mich keinerlei Reiz, dieses unwissende, ängstliche und gezierte, und ich empfinde es ehrlich gesagt als ziemliche Beleidigung, für was für eine Art von Mann sie mich hält, dass sie denkt, es würde mir gefallen, sie trotz ihrer Angst in mein Bett zu führen und mir einfach zu nehmen, woran sie nicht die geringste Lust empfindet. Nicht mit mir, und mit dir wohl ebenfalls nicht. Aber gut, es war ein Versuch, und dieser ist gescheitert.“
Innogen hatte sich ihr Kleid wieder geholt, weil ihr so nackt kalt wurde, aber Leander hielt sie davon ab, sich anzuziehen. Das hier war eine Unterbrechung, kein Ende. Also nahm sie es wie eine Decke und kuschelte sich so ein wenig ein.
“Plautius Montanus hat mir ein Geschenk gemacht, das ich gerade mit Innogen gefeiert habe, als du hereingekommen bist. Ich bin jetzt kein einfacher Fregelassener mehr, der im städtischen Archiv arbeitet und froh und dankbar sein muss, eine Römerin zur Frau zu haben, selbst so eine, die ihn ablehnt und Angst vor ihm hat. Aber jetzt bin ich der Besitzer einer Großtöpferei und zweier großer Mietshäuser in Londinium, ebenso wie der gewaltigen Stadtvilla dort mit all den dazugehörigen Sklaven, Klienten und Angestellten.“
Leander ließ diese Nachricht zu Nicander durchdringen. Der Sklave war zu emotional, aber nicht dumm. Er würde sehr schnell errechnen können, dass Leander auf einen Schlag ein verdammt reicher Mann geworden war.
“Ich werde auch nach Londinium reisen, um dort alles in Augenschein zu nehmen und die ersten Dinge zu regeln, und über kurz oder lang werde ich auch dorthin ziehen. Was denkst du also, wie lange es dauert, bis es sich herumspricht, dass es einen neuen, sehr reichen Plautier in Londinium gibt, dessen Frau kein Kind erwartet? Und wie lange es dann dauern wird, bis diverse ärmere Familien versuchen werden, mir ihre hübschen Töchter vorzustellen? Von denen mich nicht alle ansehen werden, als wäre ich der Wolf aus der Fabel und sie das Lamm, das gefressen werden soll?“
Und auch diese Sache ließ Leander bei Nicander kurz ankommen.
“Ich muss dich nicht wegschicken, Nicander, und ich werde ganz sicher nicht noch mehr von den kindischen Forderungen meiner Ehefrau bedienen, die alles Sexuelle ablehnt, keine Ahnung vom Umgang mit Geld hat und das einzig aufrechte Lächeln, das ich je an ihr gesehen habe, nun, dir geschenkt hat. Sofern sie erwachsen werden und diese Ehe erhalten will, liegt der Ball in ihrem Feld. Ich aber werde keine weitere Energie dahin verschwenden, ein Kind, das nicht weiß, was es will, von mir zu überzeugen.“
Ja, da hatte sich ein wenig angestaut in Leander. Durchaus. Aber jetzt, nachdem diese Ehe nicht länger die einzige Option war, die er hatte, konnte er dem auch Luft machen und es raus lassen. Und es fühlte sich gut an, das los zu werden. Aber es stimmte. Er musste Orestilla nicht überzeugen, bei ihm zu bleiben. Im Gegenteil, sie sollte wohl besser anfangen, ihn davon zu überzeugen, warum er sie als Ehefrau behalten sollte.
Und da Leanders Stimmung sich dadurch durchaus hob, konnte er auch etwas Mitleid für Nicander empfinden, der wohl durchaus schweren Liebeskummer hatte. Wogegen Leanders Erfahrung nach ein Mittel besonders gut half: “Nachdem das alles nun gesagt ist. Willst du dich uns anschließen?“
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