RE: [In der Nähe der Casa Liciniana] Die Lieblinge der Götter sterben früh.
Ich wollte jetzt nicht mit ihr streiten, nur weil sie warum auch immer darauf beharren wollte, ich wäre verantwortlich. Ein schöner Verantwortlicher wäre ich, wo ich immer wieder längere Zeit weg war. Aber Alan war damit fein, und ich war damit fein, eben nicht verantwortlich für irgendwas zu sein. Und das war es, was zählte. Und nicht, was jemand anderes dachte oder meinte, besser zu wissen.
“Da es sein Stall und sein Geld ist und damit auch seine Hühner, kann ich das nicht entscheiden“, meinte ich nur noch einmal, weil ich ganz sicher nicht einfach losziehen würde, mehr Hühner zu kaufen, ohne mit Alan darüber wenigstens zu sprechen. Und je mehr Siofra da gerade auf mich eindrang, umso weniger Lust hatte ich ehrlicherweise, genau das zu tun. Ich mochte es nicht, wenn man mich bedrängte.
Wir gingen also los und sie überlegte laut, vielleicht doch mit den Dorfältesten einmal zu reden. Als sie erwähnte, dass sie Ehefrau und Mutter sein könnte, zuckte ich innerlich ganz leicht zusammen und hoffte ganz stark, dass sie nicht mich als anständigen Jungen in Erwägung zog, der um ihre Hand anhielt. Ich wollte mich nicht binden und keine Familie gründen, darin war ich durchaus sehr entschlossen, auch jetzt noch. Und wenn ich es gewollt hätte, dann klang es bei Siofra furchtbar kompliziert. Um die Hand anhalten. Vorher vermutlich noch ausführlich werben, während sich der Gegenpart zierte. Ich hatte durchaus nichts gegen eine schöne Werbung mit ein wenig Gesang oder einem Gedicht und ich musste auch zugeben, dass ich sicher auch schon das ein oder andere Mädchenherz so erobert und später gebrochen hatte. Aber Liebe sollte meiner Meinung nach leicht sein. Sie sollte beflügeln und das Herz bis zum Hals schlagen lassen. Sie sollte wild sein und verrückt. Ohne Gedanken an jähzornige Väter, deren Zustimmung man brauchte. Man heiratete ja nicht den Vater oder die Mutter.
“Bald ist Beltane, dann kannst du dieses Jahr mit den anderen Mädchen um die Feuer tanzen. Dann wird sicher ein junger Mann auch auf dich aufmerksam, wenn du das willst.“ Da war es definitiv am leichtesten, jemanden kennen zu lernen. Und gleich zuzusehen, ob denn auch wirklich alles passte und nicht nur das Aussehen. Das Leben war zu kurz, um es mit schlechtem Sex zu verbringen. Glücklicherweise hatten wir Kelten da eine sehr viel gesündere Einstellung dazu als die Römer.
Ich machte einen Schwenk von der Hauptstraße weg hinein in das Neubaugebiet, vorbei an diesen schrecklich riesigen Monstren von Gebäuden, die die Römer errichtet hatten hin zu den etwas niedrigeren und einfacheren Bauten. Ich musste nicht lange suchen, bis auch schon Wegweiser zu der nächsten Taverne auftauchten. Die Römer liebten es, überall Penisse drauf zu pinseln, die Zielsicher zu Bordellen und Schenken führten. Der hier hatte sogar Flügel. Ich folgte also dem Zeichen, während Siofra weiter erzählte. “Und wer hütet dann die Schafe, während du webst? Hast du noch Geschwister?“ Schafe konnte man nicht einfach so allein lassen. Unter uns Kelten war es quasi ein beliebter Sport, Vieh zu stehlen, auch wenn Kühe da sehr, sehr viel prestigeträchtiger waren als Schafe. Aber neben den Räubern auf zwei Beinen gab es ja auch noch die auf vier Beinen oder die mit Flügeln. Und spätestens, wenn im Frühjahr die Lämmer kamen, musste ein Hirte verdammt gut aufpassen, damit nicht Wölfe, Adler und manchmal sogar Füchse oder streunende Hunde sie gleich wieder auffraßen. Und natürlich brauchten viele Tiere auch Hilfe, weil das Kamm falsch saß und der Hirte bei der Geburt helfen musste und es aus der Mutter herausziehen. Hirten hatten ziemlich gut zu tun.
Wir kamen eindeutig vor einer Schenke an. Das Gebäude war niedrig mit einem breiten Eingang, aus dem man schon Stimmen und Lachen hören konnte und ab und zu einen Blick auf ein bestenfalls halbbekleidetes Sklavenmädchen werfen konnte, das mit Krügen und Bechern hantierte und immer wieder mal schrill lachte. Mir war nicht ganz wohl bei der Sache, weshalb ich Nimue von meiner Schulter nahm und den Korb an Siofra reichte, damit ich beide Hände frei hatte. “Du solltest in meiner Nähe bleiben, wenn wir reingehen. Und nimm bitte Nimue, damit ich meine Hände frei habe. Nur für den Fall, dass es ungemütlich werden sollte.“
Falke
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