RE: [In der Nähe der Casa Liciniana] Die Lieblinge der Götter sterben früh.
“Hast du gehört, Nimue, sie findet dich hübsch“ meinte ich verschwörerisch zu dem Huhn, das weiter fröhlich vor sich hin gackerte. Vielleicht konnte ein wenig Scherzen die Situation ja auch auflockern und das Mädchen vor mir etwas aufmuntern, so dass sie nicht mehr weinte. Weinen war wie gesagt ziemlich unfair, weil man da so wenig dagegen unternehmen konnte.
Und glücklicherweise wollte Siofra – so hieß sie nämlich – nicht zum roten Mond, um dort Arbeit zu finden, sondern ihren Vater. Ich schaute sie noch einmal kurz an. “Das mit deiner Mutter tut mir sehr leid. Möge Mannanan Mac Lir sie sicher nach Mag Mell führen oder in Emain Ablach unter den Apfelbäumen wandeln lassen, bis sie bereit ist, erneut geboren zu werden“, sprach ich einen kleinen Kondolenzsegen aus. Wohin der Geist eines Toten gebracht wurde, das entschieden die Götter. Meistens die Morrigan, die die Schlachtopfer auserwählte, aber ich nahm mal an, dass Siofras Mutter daheim und nicht im Kampf gestorben war, weshalb eher der Meeresgott Mannanan sie geholt haben dürfte. Und der beste Platz, wo man in der Anderswelt sein konnte, war sicher Mag Mell mit seinen heilenden Quellen, dem Freibier und den magischen Schweinen, die nach dem Schlachten, braten und Essen ihres verjüngenden Specks einfach wieder erschienen. Der zweitbeste war dann die Insel der Äpfel, wo es… Äpfel gab. Naja, es konnte nicht überall magischen Speck und Freibier geben.
“Ich weiß schon, wo das ist. Aber wie sicher bist du dir, dass dein Vater da ist? Ist er denn ein reicher Römer?“ Sie hatte zumindest dunkles Haar, was es auch bei uns Kelten gab, aber eben auch bei den Römern. Sie selber sprach mit mir ja keltisch und sah jetzt auch nicht reich aus. Aber es gab einige Römer, die sich Geliebte unter den Keltinnen suchten, ohne die Frauen ehrbar zu heiraten. Wie die Kelten diese Frauen mehrheitlich nannten, sagte ich lieber nicht.
Falke
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