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Tablinum | Zwischen Gestern und Morgen - Nicander und NO
01-23-2025, 03:35 PM,
Beitrag #8
RE: Tablinum | Zwischen Gestern und Morgen - Nicander und NO
Eros, der göttliche Jüngling, der Schlingel, der Gott der Liebesraserei, er hatte seine Hand im Spiel. Es wäre so einfach gewesen. Alles schrie in mir, nun die geliebte Herrin in meine Arme zu nehmen und meine Lippen auf ihre zu drücken, und es kostete mich die übermenschliche Anstrengung eines Sisyphos, den Fels, den ich losgetreten hatte, nicht weiterrollen zu lassen. 
Nur eines tat ich: Ich nahm ihre rechte Hand und küsste ganz andächtig ihren Handrücken. Meine süße Domina! Wie zart und jungfräulich ihre liebe Hand war. Zum Sterben war es, zum Sterben. Aber auch wenn man uns Schauspieler für infam erklärt und mit infamen Handlungen vertraut, wer meint denn, dass uns die Natur kein großes Herz gegeben hätte? Ein Herz, das so sehr liebte, dass es für die Geliebte nur Gutes wünschte. 
"Das werde ich bald schon, liebste Domina", flüsterte ich: "Doch nicht hier am hellen Tage und jetzt im Tablinum des Dominus, wo uns so viele missgünstige Blicke treffen könnten. Da wäre keine Poesie: Nur ein Kuss und eine Hure wären da. Die Muse Erato würde weinend entfliehen. Und Norbana Orestilla in Schande in ihr Vaterhaus zurückkehren müssen"
Noch erhob ich mich nicht, weil ich nicht konnte. Ich musste meine Gedanken weg von Norbana Orestilla auf etwas lenken, das nicht Eros Kraft entfesselte. An den Herren und seine Paragraphen vielleicht? Nicht einmal die Erinnerung an Plautius Leanders sachliche Miene  kühlte mir der Lenden Feuer. Erst der Gedanke an den Hunger, den Cassia und ich erlitten, als wir in Londinium strandeten, dämpfte meine Sinnlichkeit. Limos, der schreckliche Gott, der in den Einöden Skythiens haust, bohrender Hunger nämlich,  hatte mich in die Situation gebracht, mich als Sklaven auszugeben.....
Ich stand jetzt auf und legte einen Finger auf meinen Mund. Ich hoffte, dass mein Blick beredeter war als alle meine betörenden Worte zuvor. Ich liebte, und ich wollte, dass Norbana Orestilla mit Zuversicht in ihre Zukunft blickte:

"Sei getrost, liebste Domina. Zwei Männer lieben dich, jeder auf seine Weise, doch. Dein würdiger Gemahl  und dein armer Nicander! Das ist viel mehr als anderen deinen Geschlechtes vergönnt sein mag" 

Unter anderen Umständen hätte ich nun die Bühne verlassen. Aber das stand mir nicht zu. Ein Sklave musste ja warten, bis er wieder weggeschickt wurde.
[Bild: 1_26_01_24_4_43_25.jpeg]
[Bild: 3_15_08_22_9_43_44.png]
"Scheinsklave" Norbana Orestilla
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RE: Tablinum | Zwischen Gestern und Morgen - Nicander und NO - von Nicander - 01-23-2025, 03:35 PM

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