RE: Tablinum | Zwischen Gestern und Morgen - Nicander und NO
"Aha," erwiderte ich zögerlich auf Nicanders Versicherung, dass Leanders Leiden nicht allzu groß gewesen seien und ich ihn keineswegs verletzt hätte. Er liebt mich, versicherte er mir – auf seine Weise. "Ja, wirklich? Er liebt mich wirklich?" fragte ich leise, noch immer unsicher. Doch wenn er es sagte, wollte ich ihm glauben.
Ich ließ ihn weitersprechen, unfähig, meinen Blick von ihm abzuwenden. Seine Worte waren ungewöhnlich, beinahe unverschämt, und dennoch ... sie klangen so wahr. Eine seltsame Wärme stieg in mir auf, während ich ihn beobachtete, wie er dort vor mir kniete, ganz in seiner eigenen Welt, zu der er mich einlud, Schritt für Schritt ein Teil zu werden.
Als er von der 'Weisheit des Leibes' sprach, beschleunigte sich mein Herzschlag. Ich fühlte mich auf seltsame Weise angesprochen, als hätte er einen verborgenen Teil von mir berührt, den ich selbst kaum zu fassen wagte. Seine Metaphern waren vielleicht überschwänglich, doch sie erschufen Bilder, die in mir ein Verlangen weckten – nicht nur nach Wissen, sondern nach Nähe.
Ich senkte den Blick und betrachtete ihn, wie er dort kniete. Sein Gesicht war erfüllt von Aufrichtigkeit. Es war, als würde er mir eine Wahrheit offenbaren, die ich längst geahnt, aber niemals auszusprechen gewagt hatte.
"Nicander," sagte ich schließlich leise, beinahe zärtlich, und legte meine Hand auf seine Schulter. "Vielleicht hast du recht. Manche Dinge lassen sich nicht allein mit Worten begreifen."
Unsere Blicke trafen sich, und in seinen Augen las ich etwas, das mich gleichermaßen verunsicherte und anzog.
Zögernd zog ich meine Hand zurück und ließ sie in meinen Schoß sinken, unsicher, ob ich ihm gerade zu viel Hoffnung gemacht hatte. Doch die Wahrheit war, dass ich selbst nicht mehr wusste, wo mein Verstand endete und mein Herz begann.
"Zeig es mir," flüsterte ich schließlich, fast gegen meinen eigenen Willen. "Nicht wie ein Lehrer, sondern wie ein Poet. Zeig mir, was du mit dieser Weisheit des Leibes meinst."
Meine Stimme zitterte, aber ich meinte jedes Wort, wie ich es sagte. Ich spürte, wie dieser Moment eine Grenze überschritt, eine, die ich vielleicht nicht mehr zurücknehmen konnte. Und das Überraschende war: Ich wollte sie auch nicht mehr zurücknehmen.
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Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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