Das war interessant.
Ich lag wie meistens auf dem Boden und starrte zur Decke hinauf, da ich gerade nicht wirklich was zu tun hatte. Nicht, dass ich etwas zu tun haben wollte. Trotzdem lag ich auf dem Boden, da der ehrlicher war als das Bett.
Ich hatte diesen Monat sehr oft meine Kinder gesehen. Deirdre war mit dem Schmied auf und davon und hatte die Kinder in den Armen ihrer Kinderfrau zurückgelassen. Die beteuerte zwar, dass die zwei wiederkommen würden, aber ehrlicherweise war mir das ziemlich egal. So quatschten mir die beiden schon nicht rein, wenn ich meine Kinder sah. Die Amme war dabei ein notwendiges Übel, da die zwei noch dann und wann an der Zitze hingen. Aber immerhin saßen und bewegten sie sich schon und fingen an, ein paar Laute von sich zu geben, die wohl die urtümlichste der Sprachen darstellte. Wahrscheinlich verstand ich sie deshalb ziemlich gut, auch wenn ihr Horizont gerade verdammt begrenzt war und sie keinen Gedanken länger als einen Augenblick behalten konnten. Ich hatte keine Ahnung, wie ich so erkennen sollte, welcher von den beiden zu Größe bestimmt war und welcher eben nur ein Anhang war.
Der kleine Halbrömer war da schon weit verständiger und redete bei den Besuchen sehr viel mit mir, auch wenn er mich eigentlich überhaupt nicht interessierte. Er würde auch bei Deirdre bleiben, wenn ich meine Söhne holen würde. Aber aus einem mir unerfindlichen Grund schien er mich wohl gut leiden zu können, wenn sie alle bei mir zu Besuch waren.
Aber das war nicht der interessante Teil. Was interessant war, war, dass die Götter gerade sehr schweigsam waren. Seit Wochen hatten sie mir kein neues Opfer mehr gezeigt. Vielleicht lag es daran, dass das letzte so lange gelebt hatte? Ich hatte den Göttern an
Samhain das von ihnen gewollte Opfer gebracht und den Sonnenhirsch für sie erlegt und hoch in die Bäume gehangen, wie es sich gehörte, und seine Witwe entführt und mit mir tiefer in den Wald genommen. Ich hatte sie entgegen meiner sonstigen Gewohnheit nicht betäubt, auch wenn sie deshalb ziemlich viel geschrien und sich gewehrt hatte. Anfangs zumindest. Aber diesmal war der Mann das Opfer gewesen und sie eher sowas wie die Belohnung für den Opfernden. Ich war mit ihr bestimmt fünf Tage in einer Höhle, bevor ein Angriff von ihr mich doch dazu zwang, ihr meine neueste Mixtur zu verabreichen. Danach lebte sie noch einmal fünf Tage, bis sie es irgendwie geschafft hatte, sich selbst zu ersticken. Aber auch so war es ein Rekord für mich, so eine lange Zeit. Und ich nahm an, dass die Götter deshalb gerade schwiegen und mich hier in Ruhe auf dem Boden liegen ließen.
Oder fast. Denn jemand klopfte an meine Tür. Eine junge Frau. Nicht von hier, ihrer Wortwahl nach.
Mein Kopf ruckte hoch, um die Tür ansehen zu können, und meine Stirn legte sich in Falten. Sie konnte nicht in böser Absicht da sein. Und sie jammerte auch nicht, also suchte sie keinen Heiler. Was also tat sie an meiner Tür?
Eine schnelle, fließende Bewegung und ich stand und war an der Tür, die ich nur weit genug öffnete, um mir ansehen zu können, wer das war.
Das Mädchen vor mir war jung und nicht von hier. Hübsch, wenn auch nicht übertrieben hübsch, rote Haare. Dunkle Augen? Das war interessant. Ich legte den Kopf schief.
“Was willst du?“ fragte ich, anstatt sie einfach nur niederzustarren, bis sie wieder ging. Vielleicht verweichlichte mich das Leben in dieser Hütte auch.