RE: Tablinum | Zwischen Gestern und Morgen - Nicander und NO
Nicander saß zu meinen Füßen, und obwohl ich ihn schon so oft in dieser Haltung gesehen hatte, wirkte er heute anders. Sein Gesicht war ernst, seine Bewegungen bedacht, als er mit seiner Erzählung begann. Seine Stimme, warm und ruhig, schien den Raum auszufüllen, und ich fand mich plötzlich dabei, ihn mit offenem Mund anzustarren. Ich hing förmlich an seinen Lippen, wie ein Kind, dem man Geschichten von Riesen und Dämonen erzählt.
"Das kann nicht wahr sein," flüsterte ich und schüttelte ungläubig den Kopf. Doch seine Augen waren sanft und voller Mitgefühl, Sie ließen keinen Zweifel an der Aufrichtigkeit seiner Worte. Mein Atem stockte, als er weiter sprach, und eine Hitze stieg in mir auf – eine Mischung aus Verlegenheit, Scham und etwas, das ich nicht einordnen konnte.
"Ich... ich habe das alles ausgelöst?" Meine Stimme klang brüchig, und ich presste eine Hand gegen meine Lippen, als könnte ich die zitternden Worte damit zurückhalten. Ich fühlte mich klein und verletzlich, als Nicander mit einem nachdenklichen Blick erklärte, wie sehr mein Mann mich lieben und begehren musste, um überhaupt in einen solchen Zustand zu geraten.
Seine Worte bohrten sich wie heiße Nadeln in mein Herz. "Er liebt mich?" flüsterte ich. Mir versagte fast die Stimme. Tränen stiegen mir in die Augen, und ich blinzelte hastig, doch der Kloß in meinem Hals blieb. "Ich... ich hätte das nie gedacht."
Ich senkte den Blick und verschränkte die Finger ineinander, während Nicander seine Hände durch die Luft gleiten ließ, um seine Erklärungen zu unterstreichen. Seine Bewegungen hatten etwas Hypnotisches, etwas Tröstendes, doch das Bild, das er zeichnete, war so fremd, so überwältigend.
"Er hat... Schmerzen gehabt? Wegen mir?" Ein Schauder lief mir über den Rücken, und ich schnappte nach Luft. Das Gewicht dieser Erkenntnis war fast zu viel. Mein Mann, der mich nicht überfordern wollte, der so viel Zärtlichkeit gezeigt hatte – und ich hatte ihm nicht einmal danken können.
Als Nicander von der Sklavin sprach, spürte ich einen Stich, doch seine Erklärung ließ mich erstarren. Es war nicht aus Demütigung geschehen, sondern... aus Notwendigkeit? Ich biss mir auf die Unterlippe und wagte es nicht, ihn anzusehen. "Das... das klingt absurd," brachte ich schließlich hervor, doch Nicanders Gesichtsausdruck blieb ruhig, fast väterlich.
Und dann sagte er es – mein Mann habe ihm all das gestanden, mit Tränen in den Augen. Für einen Moment vergaß ich zu atmen. Mein Kopf hob sich ruckartig, und ich starrte Nicander an, unfähig, die Worte zu begreifen. "Er... hat geweint?" fragte ich, meine Stimme ein leises Zittern. "Warum? Wegen mir? Habe ich ihn so verletzt?"
Meine Brust zog sich zusammen, und ich war den Tränen näher, als ich es mir je erlaubt hätte. Der Gedanke, dass Leander – mein Leander, der mir bis vor kurzem ein Fremder gewesen war – so sehr um mich gerungen hatte, ließ mich innerlich erbeben.
Nicanders Worte über sanfte Küsse und Umarmungen, über Berührungen und das Erkunden der verborgenen Winkel eines anderen Körpers, ließen meinen Kopf heben. Mein Herz schlug schneller, und meine Hände verkrampften sich in meinem Schoß. Ich hatte das Gefühl, als ob ich eine Tür öffnen würde, hinter der ein ganzes Universum lag, das ich nie zuvor betreten hatte.
"Und... und so fühlt es sich wirklich an?" fragte ich mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Unsicherheit. Meine Stimme war kaum mehr als ein Hauch, und ich konnte nicht verhindern, dass meine Lippen zitterten.
Ich lehnte mich leicht vor, suchte in seinen Augen nach weiteren Antworten. Mein Kopf war ein Wirbel aus Gefühlen – Scham, Neugier, und eine unerwartete Sehnsucht. "Erzähl mir mehr," bat ich schließlich und schluckte hart, um die Tränen zurückzuhalten, die noch immer in meinen Augen brannten.
Nicanders Worte hatten etwas in mir geweckt, das ich nicht mehr ignorieren konnte. Ein kleines Feuer, das ich zunächst kaum bemerkt hatte, flackerte nun auf und wärmte mich auf eine Weise, die ich nie für möglich gehalten hätte. "Ich muss es verstehen," murmelte ich, meine Augen suchten sein Gesicht. "Ich will es verstehen. Bitte!"
![[Bild: 3_15_08_22_9_37_19.png]](https://adlerchronik.de/gallery/3_15_08_22_9_37_19.png)
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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