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Im Moor - Das Tor zur Anderswelt und zu den Göttern
01-08-2025, 10:51 AM,
Beitrag #7
RE: Im Moor - Das Tor zur Anderswelt und zu den Göttern
Cormac an meiner Seite war wahrscheinlich ein Spiegelbild meines Gesichtsausdrucks - verkniffen, ernst und darauf bedacht nicht zu emotional zu wirken, auch wenn es einem den Magen umdrehte. Declan war so jung und unsicher und hatte in den letzten Tagen oft geweint. Auch die Frage "Warum ich, Vater?" hatte mich tief ins Herz getroffen, denn es war keine wirkliche Wahl für mich gewesen und wer wusste schon, warum die Götter dieses oder jenes taten oder wollten. Die Götter hatten ihre Hand auf Declan gelegt und forderten ihn ein - ob ich das nun wollte oder nicht. Immerhin waren Anwen und Cathbad nicht grausam zu dem Jungen und wiegten ihn in Sicherheit, ehe sie ihm den berauschenden Trank gaben, der das Opfer zumindest ein wenig humaner für meinen Sohn machen würde.

Ich hörte, wie Cormac scharf die Luft einsog, als sie seinen Bruder erdrosselten und ich legte automatisch meine Hand auf seine Schulter um ihn an seinem Platz zu halten. Aus dem Augenwinkel nur nahm ich wahr, wie meine Knöchel weiß hervortraten. Hielt ich wirklich meinen älteren Sohn an seinem Platz oder mich an ihm fest? Schwer zu sagen, aber Cormac wehrte sich nur einige Sekunden gegen meinen Griff, ehe er nachgab und an seinem Fleck stehenblieb. Als nächstes trat die Priesterin vor und schlug Declan auf den Kopf. Das Geräusch erschien mir ohrenbetäubend in der Stille. Es war nicht meine erste Erfahrung mit dem Tod und auch nicht das erste Kind, das ich sterben sah. Ich hatte gegen andere Stämme gekämpft und das Grauen auf dem Schlachtfeld und vor allem das Nachspiel eines Überfalls hautnah miterlebt. Aber nur danebenzustehen in der Stille und dies mitanzusehen fühlte sich irgendwie falsch an. 

Auch die Menge an Zuschauern, die als Zeugen mitgekommen waren, standen teils mit versteinerten Mienen da, teils schluchzten einige Weiber oder wandten sich ganz ab. Ein Luxus, den ich mir nicht gönnen konnte. Der dritte Tod wurde vollzogen und das Blut quoll hervor und der kupferne Geruch erfüllte die modrige Moorluft und drang mir in die Nase und legte sich wie ein metallener Geschmack auf meine Zunge. Ich atmete flach, damit mir nicht übel wurde, aber Cormac hielt sich den Mund zu. Er kannte den Geruch solcher Mengen an Blut noch nicht, da er für die letzten Scharmützel vor zwei Jahren noch zu jung gewesen war. Starr blickte ich auf die Szenerie, als mit einem letzten Griff mein Sohn ins Wasser gestoßen wurde und im Moor versank. "Reiß dich zusammen" zischte ich meinem Älteren leise zu, der zu weinen angefangen hatte. Dies war nicht der Ort und Zeitpunkt Declan zu beweinen, der auf dem Weg zu den Göttern war. 

Ein angsterfülltes Raunen und ein Aufschrecken vor allem von den Frauen ging durch die Menge, als sich Nebel und ein kalter Wind breit machte und die Fackeln zum Flackern brachte. Die Götter schauten auf uns herab in diesem Moment. Als letzter kniete auch ich vor der Göttin, die mir wie ein blutroter Schemen erschien und mich mit dem Blut meines Sohnes zeichnete. "Dein Wille soll geschehen, Andraste. Was immer du von mir verlangst, will ich für mein Volk und mein Land geben" sprach ich laut und resolut. Aus starrem und performativem Verhalten war Ergriffenheit in diesem heiligen Moment und aus Anwen war die Personifikation Andrastes geworden, deren rotes Kleid im Wind wallte und überirrdisch und bedrohlich aussah.
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
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RE: Im Moor - Das Tor zur Anderswelt und zu den Göttern - von Cahir - 01-08-2025, 10:51 AM

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