RE: Im Moor - Das Tor zur Anderswelt und zu den Göttern
Das Moor lag still und schwer unter einer grauen Decke aus Nebel, der alles verhüllte, wie ein altes, schweigendes Geheimnis. Anwen stand am Rand des heiligen Kreises, wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt. Ihr rotes Haar, das sie gewöhnlich in einem langen Zopf gebunden trug, hing nun wild und ungebändigt über ihre Schultern und wirkte wie lodernde Flammen, die sich mit den feuchten Schwaden um sie herum mischten. Das Haar war zerzaust und strahlte in der Morgendämmerung eine ungezähmte Energie aus, die selbst die mutigsten Männer verunsicherte.
Ihr Gesicht war von grauer Asche bedeckt, eine schützende und ehrerbietige Schicht, die sie vor Beginn des Rituals sorgfältig aufgetragen hatte. Die Asche verlieh ihrer Haut eine blasse, fast geisterhafte Anmutung, als wäre sie selbst eine Botin der Anderswelt. Inmitten dieses grauen Schleiers war das Zeichen der Göttin auf ihre Stirn gemalt – ein kunstvoller Wirbel, der an die alten Symbole der Macht und des Krieges erinnerte, die Andraste innewohnten.
Ihre blauen Augen leuchteten kühl und durchdringend unter dem grauen Schleier der Asche. Der Kontrast zwischen ihrem wilden, flammend roten Haar und diesen klaren, unendlich tiefen Augen verstärkte die geheimnisvolle Aura, die sie umgab.
Sie beobachtete den Zug, der sich langsam näherte – König Cahir, der seinen Sohn fest umklammerte, die Schatten der Götter und der Menschen im Rücken. Dies war der neunte Tag, der von Cathbad und ihr als jener bestimmt worden war, an dem Andraste ihr Opfer erhalten sollte.
Anwens Hände ruhten ruhig in den Falten ihres Gewands, doch ihr Inneres schien zu flüstern, zu warnen, und sie spürte das Brennen von etwas Unausweichlichem. Declan. Cahirs Sohn. Selbst sie war zerrissen. Als ihr zu Ohren gekommen war, welchen seiner Söhne der König für das Opfer erwählt hatte, hatte sie zunächst gezögert und wollte schon Widerspruch einlegen. Für gewöhnlich war ein Opfer an die Göttin jung, kräftig und gesund, ein vollwertiges Zeichen der Ehrerbietung. Doch sie spürte auch die Wahl der Götter in diesem schwachen Körper – schwach seit jenem Sturz, seit die Anderswelt ihre Hand auf ihn gelegt hatte. Ein solches Zeichen der Götter konnte sie nicht ignorieren, und dennoch lastete es auf ihr, wie die Schwere des Moors auf diesem Ort.
"Götterbote", flüsterte ich in Gedanken. Ein Götterbote, heilig wie die Unsterblichen. Ein Ehrenplatz erwartete ihn im Reich der Ahnen und Geister. Und doch… es schmeckte nach Asche. Die Nebel legten sich kühl um ihre Arme, als sie ihm entgegen trat, das Horn mit dem vorbereiteten Trank in den Händen, der eine Kraft entfaltet, die den Geist des Jungen weit öffnen würde und ihn ruhig und empfänglich für die Zeichen und Visionen der Götter machen sollte. Declan, blass und stumm, mit nur einem flackernden Blick voller Unschuld in ihren Augen. Vorsichtig reichte sie ihm das Horn.
"Trink, mein Kind," sagte sie sanft. "Die Göttin Andraste wird dich bald empfangen. Trinke, damit dein inneres Auge die Götter sehen kann, bevor du zu ihnen trittst."
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