Rückkehr von Valentinus
Nicht nach zehn, sondern erst nach 14 Tagen kehrte Valentinus nach Iscalis zurück. Er hatte seine Aufgabe gründlich erledigt. Es war dem stets freundlichen, hilfsbereiten Mann bitter geworden, denn am Ende seiner Recherche würde nur Unheil auf einen anderen Bürger, einen jungen Mann warten. Obwohl: Durfte er sich noch Bürger nennen?
Nachdem Valentinus zuhause den Reisestaub abgewaschen, sich umgekleidet und hastig etwas gegessen hatte, begab er sich zu seinem Princeps Officii. Der sagte seinen Angestellten, dass er nicht gestört werden wollte und hörte sich Valentinus Bericht an:
"Ich war in Calleva Atrebatum, Princeps Officii. Ich hörte mich um, und die Tarutier waren auch einigen älteren Leuten im Handelsviertel noch bekannt. Ihre Nachbarn sagten über sie Gutes. Sie waren rechtschaffende Leute gewesen. Auch an ihren Sohn erinnerten sich manche, den kleinen Lucius. Ihr Stolz und ihre Freude...."
Valentinus war für Saturninus Geschmack zu kitschig, und der Furius winkte ab:
" Gut, er ist schließlich ihr Sohn"
Valentinus nickte: "Das war er. Lucius Tarutius Corvus wurde im vierten Jahr der Statthalterschaft von Suetonius Paulinus geboren. Also vor 18 Jahren. Im Alter von elf Jahren raffte ihn ein Leiden dahin. Schwindsucht meinte eine Nachbarin"
Saturninus schwieg. Seine Hand fuhr sich vor die Stirn: " Dann...", begann er langsam.
" Lucius Tarutius Corvus gebürtig in Calleva Atrebatum ist ein Toter, Princeps Officii. Er ist bereits vor sechs Jahren verstorben"
"Also ist unser Corvus nicht jener Corvus" Saturninus merkte selbst, wie schwer ihm die Schlussfolgerung fiel. Verdammt! Was als vager Verdacht begonnen hatte, war nun gewiss. Der Junge war ein Hochstapler, nein, noch schlimmer, er hatte sich das römische Bürgerrecht widerrechtlich angeeignet. Aber warum nur? Es gab durchaus Übersetzer, die keine Römer waren. Die hatten vielleicht nicht solch einen schönen Titel, aber dafür riskierten sie nicht den Kopf für ... für was? Für eine Stelle in der Verwaltung? Oder gab es da noch mehr?
Es existierte kaum etwas, bei was der Furius so empfindlich reagierte wie bei echtem oder vermeintlichen Verrat. Da war er nicht wieder zu erkennen. Da glich er einem dunklen Panther, der aus dem Käfig der Täuschung entwich und die ungetreuen Wärter riss. Seine Miene versteinerte.
"Ich nehme an, du hast Beweise für diese Ungeheuerlichkeit?"
" Der Tod des Jungen wurde beim Bürgermeisteramt in Calleva gemeldet. Ich habe beglaubigte Abschriften aller Dokumente dabei"
"Und die Tarutier?"
"Die Eltern sind beide auch verstorben. Der Vater im gleichen Jahr, die Witwe ein Jahr darauf. Mehr am Leben gebliebene Kinder hatten sie nicht, soweit ich recherchieren konnte"
"Wie praktisch, dass wenn sich jemand eine Identität aneignen möchte, alle tot sind", sagte Saturninus fast spöttisch:
" Wir werden herausfinden, Valentinus, was Corvus verbirgt und wenn ich ihn Stück für Stück auseinander nehmen muss. Denn nun liegt die Schwertklinge schon auf seinem Nacken und nur mein Wohlwollen kann ihn noch retten"
Valentinus nickte wieder. Das erste Mal in Ausübung seines Dienstes wünschte er sich weit, weit fort.