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Am Brunnen vor dem Tore - Einweihung des Grazienbrunnens
08-21-2024, 01:35 PM,
Beitrag #29
RE: Am Brunnen vor dem Tore - Einweihung des Grazienbrunnens
(08-15-2024, 08:22 AM)Licinianus Owain schrieb:
Ich legte meinen Arm um Deirdre, da sie einen der Zwillinge trug und der kleine Aidan die Hand seiner Mutter beanspruchte. Rhea, die uns direkt folgte, trug den anderen Zwilling.
Noch einmal warf ich einen Blick auf mein Werk, bevor ich dem Furier gegenübertrat. Wahrscheinlich wusste außer mir niemand, welche besondere Bedeutung diese drei Grazien für mich hatten. Für die meisten Betrachter stellten sie nur drei Jungfrauen dar. Bei näherem Hinsehen konnte man vielleicht bei der mittleren Statue Aglaias Züge erkennen. Doch die anderen beiden schienen für die meisten Betrachter womöglich nur Allerweltsgesichter zu sein. Doch das stimmte nicht! Dieser Brunnen verkörperte meine Vergangenheit, meine Gegenwart und meine Zukunft. Die linke der drei Statuen trug nämlich die Züge meiner ersten Frau Bryn, deren Gesicht ich aus meinen Erinnerungen geformt hatte. Sie war damals mit mir und vielen anderen aus unserem Dorf verschleppt und versklavt worden. Ich hatte keine Ahnung, was aus ihr geworden war, ob sie tot war oder noch lebte. Ich trug sie, so wie sie in meiner Erinnerung war, in meinem Herzen mit mir. Auch heute noch. Bryn war meine Vergangenheit, die unwiederbringlich verloren war. 
Eigentlich sollte auch Aglaia zu meiner Vergangenheit gehören. Doch unsere Trennung erschien mir auch nach Monaten immer noch so frisch zu sein. Ich war eben noch nicht komplett über sie hinweggekommen. Es gab noch immer etwas in meinem Herzen, das für sie brannte. Also repräsentierte sie meine Gegenwart. Die dritte und rechte Statue, die ich als letztes vollendet hatte, trug Deirdres Züge, denn sie war meine Zukunft. Natürlich hatte ich niemandem davon erzählt. Nicht einmal Deirdre. Es sollte eine Überraschung für sie werden. Auch Furius Saturninus wusste nur von Aglaias Statue.
Schließlich traten wir dem Furier und seiner Familie gegenüber. Seine Frau schien die Strapazen der Geburt gut überstanden zu haben. Eine der furischen Sklavinnen trug den Säugling - Furius Carus! Sie war wohl seine Amme. Eine andere, ein junges Mädchen, trug die kleine Tochter des Furius auf ihrem Arm. "Salve Furius Saturninus! Was für ein schöner Tag für diesen Anlass! Meinen Glückwunsch noch zur Geburt deines Sohnes!" Dem edlen Spender des Brunnens schien die Menschenmenge nicht viel auszumachen. Er schlief gerade recht friedlich auf dem Arm seiner Amme.
"Salve Furia Serena! Es freut mich, dich wiederzusehen! Auch dir meine Glückwünsche zur Geburt deines Sohnes!"


Nun war die Zeit für die Eröffnungsrede gekommen. Saturninus holte Licinianus Owain zu sich. Zum Zeichen, dass sein Herr sprechen wollte, schwenkte Scaevus ein großes, weißes Tuch. Es trat einigermaßen Ruhe ein, wobei die, die wirklich zuhöten wollten, nach vorne kamen, diejenigen, die beschäftigt waren, sich zu vergnügen, zumindest etwas leiser wurden. Saturninus hatte eine geschulte Stimme, doch die Akustik auf dem Forum war nicht die Beste. Daher war die Rede nicht allzu lange, denn der Furius hatte keine Lust, am nächsten Morgen mit Halsschmerzen aufzuwachen. Einen Löffel Honig hatte er schon früh am Morgen gegessen, um , wie die Schauspieler glaubten, damit seine Kehle zu schmieren:

" Bürger und Einwohner von Iscalis,
ich danke euch für euer zahlreiches Erscheinen.
Lasst mich ein paar Worte zu euch sprechen:

Wasser war schon immer Leben. Meine Vorfahren siedelten als eine der ersten Römer am Tiber, aber auch andere Nationen schlugen an den Ufern des weiten Meeres und an Flüssen und Seen ihre Wohnsitze auf. Wasser hat uns – außer der Tatsache, dass alle Lebewesen Wasser trinken müssen, um zu leben –  durch die Schiffahrt stets verbunden.

Aber schon seit längerem haben wir Menschen uns nicht allein auf natürliche Meere, Flüsse und Bäche verlassen.
Wir ersannen Kanäle, wir ersannen Aquädukte und wir ersannen Brunnen, um uns am köstlichen Nass zu laben, um Wege zu eröffnen und Wohlstand zu bringen.
Doch nicht nur Lebensnotwendiges, sondern auch das Streben nach Schönheit vereint alle Menschen unter der Sonne"


Saturninus nahm nun Owains Arm und streckte ihn nach oben, als sei dieser ein preisgekrönter Sportler:

" Hier an dieser Stelle möchte ich dem Künstler danken, der die Bronzeplastiken der schönen Göttinnen so meisterhaft gestaltet hat: Licinianus Owen! Er ist ein Sohn dieses Landes, keltischen Blutes, doch seine Sinne wurden verfeinert und seine Fertigkeit zu höchstem Ausdruck gebracht durch römische Bildung und römische Kunst.
Wir alle danken Dir, werter Licinianus Owen!"

Saturninus ließ den Arm des Kunstschmiedes los, um in den Applaus mit einzustimmen:

"Ich habe diesen Brunnen und dieses Fest im Namen meines Sohnes Aulus Furius Carus gestiftet. Denn ich möchte, wie es sich geziemt, meine Freude und die Gunst, die mir die Unsterblichen mit seiner Geburt erwiesen, mit euch allen, der Bürgerschaft teilen.

So hoffe ich sehr, dass dieser Grazienbrunnen euch hier auf dem Forum willkommen sein wird, um den Durst der Wartenden zu stillen...“
damit spielte Saturninus darauf an, dass sich ab und eine Schlange vor der Provinzialverwaltung bildete, und einige lachten:

„...und ihr Auge mit Anmut zu erfeuen. O unsterbliche Grazien, schenkt euren Segen dem Brunnen, der euch gewidmet und nach euch benannt ist"

Und nach Aglaia, dachte Saturninus.

Der Furius gab das Zeichen: Wasser Marsch! Mit hellem Sprudeln schoss es aus dem Rohr unterhalb der tanzenden Füße der Grazien hinaus in das Becken. Die Zuschauer jubelten. Und der Jubel wurde noch größer, als sich das Wasser plötzlich in süßen Wein verwandelte. 
Schon drängten viele, zu kosten. Die nächsten zwei Stunden sollte das mit dem Wein auch so bleiben.
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Honoratior von Iscalis
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