Von den Gedanken ihres Ehemanns wusste Rhian zu diesem Zeitpunkt nichts, dass er sie später noch auf ihr Verhalten ansprechen würde. In diesem Moment genoss sie seine Nähe sichtlich und erhob sich auf ihre Zehenspitzen, wobei ihre Lippen zart seine bärtige Wange berührten. Ein gar scheues Küsschen auf seiner Wange platzierten. Nein. Mehr getraute sie sich einfach nicht zu. Noch nicht. Vielleicht, wenn sie dann später unter sich waren. Bei dem Gedanken an die bevorstehende Hochzeitsnacht musste Rhian dann doch etwas schlucken. Wie würde sich diese Hochzeitsnacht gestalten? Wieviele Zeugen hatte Cahir geladen dem
Spektakel aus nächster Nähe beizuwohnen? Immerhin würden sie diese Nacht nicht wie das alte Volk im Freien vollziehen. Als Jungfräuliche Jägerin und Hirschkönig. Ob sich Cahir etwa schon derart mit den Römern identiziert hatte, dass er dieses Ritual nach römischer Sitte ausüben wollte? Nein! Daran wollte und durfte Rhian keinerlei weitere Gedanken verschwenden. Zum Glück wurde in diesem Moment der Ochse angeschnitten und die ersten beiden rosig gebratenen Scheiben erhielten das glückliche Brautpaar. Mit einem sanften Lächeln auf ihren Lippen kostete Rhian von der ersten Scheibe des Ochsen und nickte dann unmerklich. Ja, dieses Stück Fleisch schmeckte wahrlich köstlich. Bissen für Bissen, dazwischen ein Schluck Wasser und Rhian war dann auch, wohl in den Augen ihres frischgebackenen Mannes zu langsam, fertig mit ihrem Mahl. Kaum hatte sie das Besteck fein säuberlich auf den Teller gelegt, erhob sich Cahir auch schon und rief nach einem Burschen, der ihm sein Pferd bringen sollte. Doch dazwischen trat noch Brenna an den Tisch heran und reichte Cahir eine Schale. Eine Schale mit Kräutern für die Göttin. Bei dieser Geste senkte Rhian leicht ihr Haupt und lächelte sanft vor sich hin. Die große Göttin würde ihre schützende Hand über sie alle strecken und sie beschützen und vor bösem Unheil bewahren. Auf die erklärenden Worte ihres Gatten lächelte Rhian und blickte mit jenem Lächeln auf den Lippen zu dem Älteren empor.
“Die Göttin wird uns zürnen wenn wir ihr kein Opfer darbringen, mein Gemahl.“
Murmelte Rhian mit ihrer ruhigen, sanften Stimme. Als der Bursche den Apfelschimmel näher führte, so dass Cahir aufsteigen konnte. Dann ließ sie sich von ihm ebenfalls auf den Rücken des Pferdes helfen und hielt sich sogleich an ihm fest. Mit sanftem Schenkeldruck setzte sich der Vierbeiner in Bewegung und Cahir lenkte das Pferd sicher und vorsichtig durch die Menge. An ihrem gemeinsamen Haus angekommen rutschte Rhian sogleich vom Rücken des Pferdes und Cahir vollzog das Ritual. Auch Rhian sprach einige vertrauliche Worte an die große Göttin. Dann schütteten die Frischvermählten die kleine Grube mit Erde zu und die junge Frau blickte mit geröteten Wangen zu Cahir empor. Der nun wohl auch nicht mehr länger warten wollte und Rhian seinen stürmischen Angriff auf ihre Lippen spürte. Wie er gierig ihre Lippen mit den seinigen bedeckte und sie sich im nächsten Moment auf Händen getragen, in das Haus gebracht fühlte.
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