RE: Am Brunnen vor dem Tore - Einweihung des Grazienbrunnens
Das letzte Treffen mit dem Furier lag inzwischen schon mehrere Wochen zurück. Er, der sich selbst zum Beschützer des keltischen Dorfes ernannt hatte, war zuletzt in meiner Hütte zu Gast gewesen, als er auf dem Weg nach Cheddar überfallen worden war und einige Blessuren davongetragen hatte. Natürlich hatte ich mich um ihn gekümmert und seine Wunden versorgt. Dies hatte dazu beigetragen, dass sich unser Verhältnis, das zu dieser Zeit nicht zum Besten gestanden hatte, wieder etwas verbesserte. Bei dieser Gelegenheit hatte ich auch etwas über das junge Mädchen aus Iwerddon erfahren, das bei mir einige Zeit gewohnt hatte und das der Römer für meine Nichte aus Hibernia hielt.
Heute nun machte ich mich auf Einladung des Furiers auf den Weg nach Iscalis. Als Dorfälteste war es an mir, das Dorf, in dem ich nun schon seit so vielen Jahren lebte, zu vertreten. Natürlich trug ich auch heute wieder mein bestes Kleid – ein dunkelblaues Gewand und den dazu passenden dunkelblauen Umhang. Hywel, ein Bauer aus Cheddar, der einen Wagen und ein Ochsengespann besaß, war wieder so freundlich gewesen und brachte mich nach Iscalis.
Ich war beileibe nicht die Einzige, die Cheddar bei den Feierlichkeiten zur Einweihung des neuen Brunnens vertrat. Auf Hywels Wagen hatten noch einige andere Dorfbewohner Platz gefunden. Owain, der Schmied, der die drei Statuen geschaffen hatte, war natürlich auch mitgekommen. Der ehemalige römische Sklave kam heuer auf einen, nun ja nicht ganz so stattlichen Pferd daher geritten. In seiner Begleitung fanden sich auch Deirdre (ihre Kinder, samt Kinderfrau saßen mit auf den Wagen), was ich durchaus begrüßte. Dass ihre Kinder von verschiedenen Männern stammten, erregte zwar manch biederes Gemüt im Dorf. Sie war nun eben so, wie die Götter sie gemacht hatten und erfüllte nur ihre Bestimmung. Doch vielleicht würde sie sich nun nur noch auf den Schmied konzentrieren, wenn er sie nun regelmäßig beackerte. Die Römerin, in die er heillos verliebt gewesen war und die ihn fallen gelassen hatte, wollte von Anfang an nicht recht zu ihm passen. Nun hielt der Entwurzelte sich an eine, die ebenfalls entwurzelt und hier gestrandet war. Zusammen gaben sie ein schönes Paar ab, wie ich fand.
Nach einer langen, holprigen Fahrt waren wir endlich in Iscalis angekommen. Der edle Spender des Brunnens und seine Familie waren natürlich bereits anwesend. Wie ich gehört hatte, handelte es sich dabei nicht um Furius Saturninus selbst, sondern um seinen Sohn, der erst wenige Wochen alt war und nun friedlich an der Brust seiner Amme saugte. Mein erster Gang, nachdem mir Hywel vom Wagen geholfen hatte, war natürlich der zu dem Furier, sonst war er am Ende wieder beleidigt. In dieser Beziehung war er wie ein kleines Kind, das stets im Mittelpunkt stehen wollte.
"Salve, verehrter Furius Saturninus! Es freut mich, dass wir uns bei diesem schönen Anlass wiedersehen!" rief ich lächelnd, als ich ihm entgegentrat. Dann fiel mein Blick auf seine Frau, die die Geburt ihres Sohnes scheinbar gut überstanden hatte. "Salve, verehrte Furia Serena, meine herzlichsten Glückwünsche zur Geburt eures Sohnes! Mögen die Götter, eure und unsere, ihn stets beschützen!" Insgeheim hielt ich auch noch Ausschau nach Niamh und hoffte, sie würde sich auch im Gefolge des Furiers befinden. Schließlich war sie ja nun sein Eigentum, auch wenn sie nichts davon ahnte.
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