RE: Niamhs Hütte
Ich hatte mir Zeit gelassen, nach Cheddar zu gehen. Ich hatte damit keine Eile und auch sonst keinen Grund, besonders zielstrebig zu sein, sondern nutzte die Zeit lieber, die Impulse in meinem Inneren zu ordnen.
Ich mochte es nicht, von Cinead getrennt zu sein. Also, nicht dass ich es immer bemerkt hätte, wenn es so war, aber wenn ich nichts zu tun hatte und es wirklich mitbekam, dass er weg war, mochte ich das nicht. Noch weniger mochte ich das Wissen, dass Cathbad bei den Priesterinnen war. Dass er noch lebte und dort wie eine Spinne im Netz seine kleinen Fäden spann, während er sich huldigen ließ, und ich ihn nicht umbringen durfte. Oh, letzteres löste sehr starke Impulse in mir aus. So starke Impulse, dass ich auf dem Weg nach Cheddar doch aufgehalten wurde in der Nähe eines kleinen Dorfes im Wald. Beeren, die über das Moos kullerten und rotblondes Haar im Wind.
Trotzdem fühlte ich mich nicht so gut, wie ich mich fühlen sollte, als ich schließlich nach Cheddar gelangte. Ich überlegte, kurz bei meinen Söhnen vorbeizusehen, verwarf es allerdings auf später, da ich mit meiner jetzigen Laune keine Lust hatte, ihre Mutter zu bespaßen, was diese allerdings in ihrer Unersättlichkeit sicher einfordern würde. Wenn sie nicht schon dabei war, es bei diversen anderen einzufordern. Oh, eifersüchtig war ich deshalb nicht, sollte sie ruhig das ganze Dorf vögeln, wenn es sie befriedigte. Das störte mich nicht. Solange die Kerle meine Kinder nicht verdarben.
Ich wusste, dass Louarn für Niamh eine Hütte gebaut und dass das Mädchen sie verlassen hatte. Ich wusste, wo diese Hütte war und lenkte mein Pferd genau dort hin, um nachzusehen, ob sie noch immer verlassen war, oder ob das Dorf sie sich zu eigen gemacht hatte. Allerdings war dies nicht der Fall, niemand hinderte mich, als ich dort anhielt und mein Pferd festband, und niemand hinderte mich, als ich zur Tür ging und diese öffnete.
Drinnen roch es nach Erde, aber nicht nach Leben. Die Gerüche von Schweiß, Essen, Feuer, alle waren sie kalt und alt. Die letzten Monate war hier außer den Ratten und Mardern, die überall waren, niemand gewesen. Sehr gut.
Ich trat ein und sah mich um. Ein Bett war da, das Stroh noch gut und roch nur alt, aber nicht schimmelig. Eine kalte Feuerstelle, ein Kessel, ein Tisch, ein Stuhl. Mehr, als ich brauchte, aber ich würde mich nicht beschweren. Und… ein Zauber? Subtil, wie ein leises Lied, das jemand in einem benachbarten Raum spielte, gedämpft und lieblich, aber trotzdem deutlich erkennbar. Es war alte Magie. Ursprüngliche Magie. Älter als das, mit dem die Druiden und Priesterinnen normalerweise herumpfuschten, Teil des alten Gewebes der Welt, der Feen und Gnome. Wilde Magie. Unzähmbar und doch… gezähmt.
Ich suchte nach der Quelle, ließ meinen Blick über die Möbel, den Boden, die Balken gleiten. Nichts, nichts, bis… da! Eine kleine Schleife, eingewoben in die Zweige des Daches. Ein einfaches Band, bunt und mit einem leichten Muster gewebt. Ich fasste vorsichtig hin, um es zu berühren, und zog mit einem Zischen meine Hand zurück, als der Zauber meine Fingerspitzen streifte.
Oh, Louarn, was hattest du getan? Wusste der Idiot überhaupt, was er getan hatte? Ich glaubte nicht, dass er sich dessen gewahr würde. Oh, ich könnte den Zauber brechen, wenn ich wollte. Ich wusste, dass ich mächtiger war, aber ich war mir nicht sicher, ob das klug wäre.
Eine Stimme riss mich aus meiner Betrachtung und den dazugehörigen Überlegungen.
“Haia? Wer bist du?“
Ich blickte den Mann an. Etwas älter, graue Haare im noch blass roten Bart, von Wetter gegerbtes Gesicht, einfältiger Blick, Hände voller Schrammen, Geruch nach Holz. Ein Handwerker. Oh, ich war nicht so dumm, die zu unterschätzen, ein Hammer war ein Hammer, und jemand, der gewohnt war, Holz zu hämmern, konnte das auch mit Schädeln. Aber dem Handwerker fehlte der Killerinstinkt des Jägers und die Reflexe des Kriegers. Weshalb ich mich einfach vor ihn hinstellte und ihn anstarrte. Menschen war es unangenehm, wenn jemand, der diesen Killerinstinkt und die entsprechenden Reflexe hatte, sie anschaute.
“D-das ist Niamhs Hütte.“
“Niamh ist gegangen. Jetzt ist es meine Hütte.“
“A-aber...“ Ich starrte weiter, trat näher. “D-das muss das Dorf entscheiden. Hier kann nicht einfach jeder kommen und...“
“Ich bin nicht jeder.“
“Wir müssen das erst im Rat besprechen!“
“Tut das“, sagte ich nur ruhig und war inzwischen auch an der Tür angelangt, die ich dem ungebetenen Besucher nun vor der Nase schloss. Angst vor Konsequenzen hatte ich wenig. Die alte Magie, die hier gewirkt worden war, wissentlich oder unwissentlich, würde definitiv für Sicherheit sorgen. Und für die restliche Sicherheit konnte ich notfalls selbst sorgen. Sofern sich tatsächlich irgendjemand finden würde, der ernsthaft Einwände erheben würde, was ich bezweifelte.
Falke
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