Forum

[Alun]

Ich folgte dem jungen Sekretär ins Vorzimmer und blieb vor dem Stehpult stehen. Nysa hingegen, die mir gefolgt war, bedeutete ich, sich solange auf den Hocker in der Ecke zu setzen.

"Mein Name ist Lucius Tarutius Corvus und ja, ich möchte mich um eine Stelle bei der Zivilverwaltung bewerben." Ich kramte meine Unterlagen hervor, unter denen sich auch Sabinius Empfehlungsschreiben befand. "Ich  kam vor etwa vier Monaten aus Londinium nach Iscalis. Eigentlich wollte ich mich bei der Legion einschreiben, weil mein Vater und mein Ziehvater ebenfalls dort gedient haben. Allerdings war ich mir meiner Sache noch nicht so sicher, da ich Zweifel daran hatte, ein guter Soldat zu werden. Mir liegt die Organisation und Planung von Dingen mehr. Ebenso die Buchführung. Als ich am schwarzen Brett eine Anzeige sah, in der der ehrenwerte Sabimius Merula einen Vilicus suchte, wollte ich dort mein Glück versuchen. So führte ich in der Zeit, in der er aufgrund seiner Operation und der darauffolgenden Heilungsphase unabkömmlich war, seinen Haushalt. Hier ist sein Empfehlungsschreiben." Ich legte ihm den Papyrus vor, den der Sabinius erst am Morgen selbst geschrieben hatte.

Empfehlungsschreiben für Lucius Tarutius Corvus Nach meiner vollständigen Genesung hat sich unser  Vilicus dazu entschlossen, eine neue berufliche  Herausforderung zu suchen. Ein Schritt, den ich als  sein bisheriger Arbeitgeber einerseits sehr bedauere,  aber Lucius Tarutius Corvus dennoch wärmstens  weiterempfehlen kann. In den letzten vier Monaten war Lucius Tarutius Corvus  in der Position als Vilicus  in meinem Haus tätig.  Dabei hat er seine Aufgaben stets  zu meiner vollsten  Zufriedenheit und mit großem Elan und viel  Engagement bewältigt. Ich habe ihn als  verantwortungsvollen und immer zuverlässigen  Angestellten kennen und schätzen gelernt. Lucius Tarutius Corvus  genießt bis heute einen  hervorragenden Ruf in meinem Haus. Nach meiner  Operation und während meiner Rekonvaleszenz  hat er mit großer Weitsicht den Haushalt geführt  und sehr ordentlich und mit großer Sorgfalt meine Buchführung getätigt. Mit der erforderlichen Strenge  hat er über den Einsatz und die Arbeit unserer Sklaven  gewacht. Ich halte ihn für die Position in der Verwaltung für  bestens geeignet und empfehle ihn jederzeit für eine  Beschäftigung in diesem Bereich. Für Fragen stehe ich  gerne zur Verfügung. Mögen die Unsterblichen jederzeit über unsere Stadt wachen! Vale bene, Marcus Sabinius Merula

[Tiberius Furius Saturninus]

Iscalis war überschaubar genug, so dass Valentinus den Namen "Sabinius Merula" kannte, das war der für Kaiser und Vaterland verkrüppelte Veteran, der einmal hier gewesen und ein Stück Land im Namen des Kaisers hatte zugewiesen bekommen. Valentinus Vorgesetzter hatte damals den Sabinius mit Achtung behandelt. Daher sagte der Sekretär:
"Bitte wartet einen Moment. Ich werde dem Princeps Officii Bescheid sagen, dass Du von Excenturio Sabinius kommst. Mögt ihr solange etwas trinken? Wasser? Posca? einheimisches Bier? Wein?", er winkte einen Staatssklaven herbei, dem konnten sie ihre Wünsche sagten.

Valentinus zögerte ein wenig, bevor er hinzufügte: "Falls du heute keinen Erfolg hast, Bürger,  versuche es in ein paar Wochen noch einmal. Im Moment haben alle sehr viel um die Ohren"

Der Legat Augusti war gekommen. Das bedeutete, dass sein Chef nicht die beste Laune hatte, wie er Tarutius zu verstehen gab. Valentinus schaute etwas unglücklich ob dieser Tatsache drein. Er hatte immer gute Laune, und Stress tangierte ihn nicht im Geringsten.

Allerdings hatte der Stellenbewerber keine Gelegenheit, etwas zu trinken. Valentinus verschwand im Büro, kam kurz darauf wieder heraus. Seine Wangen waren gerötet: "Wenn es dir gelingt, dich kurz zu fassen, dann kannst du vorsprechen, Bürger. Bitte tritt ein", sagte er in entschuldigendem Tonfall.

Valentinus hatte lediglich Saturninus Worte wiederholt. Dieser saß an seinem Tisch, legte nun die Rolle nieder, die er gelesen hatte und machte eine Bewegung, Tarutius Corvus  zu sich herzuwinken.

[Nysa]

Erleichtert, dass ich mich nicht einer Leibesvisitation unterziehen musste, folgte ich meinem neuen Dominus. Leiglich seine Tasche mit seinen Kleidern und mein Beutel mit meinen wenigen Habseligkeiten hatte ich draußen lassen müssen. Hoffentlich würde nichts gestohlen werden!
Der junge Mann von der Verwaltung, der sich als Valentinus vorstellte, brachte uns in eine Schreibstube. Ich fand ihn sehr nett und lächelte kurz, als ich an ihm vorüber ging.
Der Raum war nicht besonders groß. Ich nahm auf dem kleinen Hocker in der Ecke Platz - so wie es der Dominus wünschte. Von dort konnte ich gut die Unterhaltung der beiden folgen.
Als der Sekretär uns etwas zu trinken anbieten wollte, hielt ich mich natürlich zurück. Der Dominus würde darüber entscheiden, ob  und was ich trinken würde. Aber Ich hoffte sehr, er würde nicht ablehnen, denn ich hatte Durst!

[Alun]

Natürlich war Sabinius Merula hier bei der Verwaltung ein Begriff. Gut für mich, denn dadurch wuchsen vielleicht meine Chancen, eine Stelle zu bekommen. Zumal er mir ein sehr zuvorkommendes Empfehlungsschreiben für mich verfasst hatte. Der Sekretär wollte sich sofort an seinen Vorgesetzten, dem Princeps Officii persönlich wenden. Allerding konnte es gut sein, dass er heute keine Zeit für mich hatte, weil er viel zu tun hatte. In der Stadt kursierte das Gerücht, dass der Statthalter Iscalis demnächst einen Besuch abstatten wolle. Umso wichtiger war es, hier eine Stelle zu bekommen! Zuvor bot er mir und Nysa noch etwas zu trinken an. Ich sah kurz zu ihr. Aber sie machte keinerlei Anstalten, ob sie etwas zu trinken mochte. Allerdings fiel mir dann ein, dass sie sich wohl zieren könnte, weil sie es gewohnt war, ihre Bedürfnisse nicht laut auszusprechen.

"Oh, etwas Posca für mich, wenn es keine Umstände macht. Und für meine Sklavin etwas Wasser, bitte." Damit konnte ich sicher nichts falsch machen. Natürlich hatte ich lieber ein Bier getrunken. Aber dann hätte ich gleich zugeben können, dass ich in Wirklichkeit kein Römer war.
Der Sekretär verschwand in einem Zimmer und der Sklave lief und besorgte uns etwas zu trinken. Kurze Zeit später erschien Valentinus wieder und meinte, ich könne eintreten, wen ich mich kurz fassen könne. Das war meine Chance! "Ja, danke! Ich werde mich kurz fassen!" sagte ich und trat ein.

An einem Schreibtisch saß er dann, der Princeps Officii. Das musste Furius Saturninus sein, von dem der Sabinius erzählt hatte.
"Salve Furius Saturninus! Mein Name ist Lucius Tarutius Corvus und ich möchte mich um eine Stelle in der Verwaltung bewerben. Mein letzter Arbeitgeber Sabinius Merula war so freundlich und mir ein Empfehlungsschreiben mitgegeben," sagte ich. Letzteres dürfte ihm wahrscheinlich bereits vorliegen, denn eich nahm an, dass der Sekretär es ihm gegeben hatte.

[Tiberius Furius Saturninus]

"Salve Bürger Tarutius, nimm bitte Platz" Saturninus wies auf den armlehnenlosen Stuhl vor seinem Schreibtisch, während er das Empfehlungsschreiben studierte. Auch er kannte Sabinius Merula. Nicht nur von Amt wegen, sondern er war der Gatte einer der besten Freundinnen seiner Gemahlin, nämlich der Accia Prisca, die zwar eine Bohnenstange doch dabei von gutmütigem Charakter war.  Die Frage, ob Tarutius wirklich Bürger war, stellte sich ihm daher nicht. Niemand hätte es außerdem gewagt, sich das anzumaßen, wollte er nicht auf dem Marktplatz vor aller Augen zu Tode gepeitscht werden. 
"Du stammst aus Iscalis und bist hier geboren?  Durchaus eindrucksvoll, diese Empfehlung. Ich kenne den Excenturio Sabinius, der sie dir schrieb, persönlich. Aber ...", er wies um sich: "Ich habe schon mehr Schreiber, als es gut tut. Es hätte auch gerade keiner Zeit, dich einzuarbeiten"

Er musterte ihn aus seinen dunklen Augen. Dann unterbrach ihn Valentinus, der ihm eine Tabula direkt vor die Nase hielt. Saturninus griff autromatisch nach ihr und las sie:

"Diese Frau draußen möchte vor Gericht? Erstens muss sie sich da wegen eines Termins an den Sekretär des LAPP wenden, nicht an mich. Es sei denn, sie stammt aus Cheddar. 
Nein, tut sie nicht? Zweitens muss sie sich sowieso von einem Römer vertreten lassen. Um was geht es? Mord meinst du, sie sprach aber gar kein Latein? Himmel, Valentinus! Wimmel das Weib ab! Schicke sie nach Hause! Deine Gutmütigkeit bringt mich noch ins Grab!", 

er wandte sich wieder Tarutius Corvus zu: 

"Verzeihe die Unterbrechung. Diese Barbaren stellen nichts als Ansprüche. Nun zu dir:
Wenn du also kein profunder Kenner der Verwaltungsgesetze bist oder sonst über Kenntnisse verfügst, die wir dringend gebrauchen könnten, so heißt meine Antwort leider Nein. Schönen Tag noch, Bürger"

[Alun]

Ich nahm Platz, während der Furius sich mein Empfehlungsschreiben ansah. Ich musste gestehen, nun war ich ein wenig nervös. Nicht etwa aus Furcht, er könne mich entlarven. Vielmehr aus Angst, er könne mich einfach wieder wegschicken.

Kurz darauf fragte er mich, ob ich hier geboren sei. "Äh nein, ich wurde in Calleva Atrebatum geboren. Dort hatte mein Vater ein Haus. Nach dem Tod meiner Eltern wuchs ich bei meiner Tante und ihrem Mann in Londinium auf…" 

Eigentlich hatte ich noch erzählen wollen, weshalb ich nach Iscalis gekommen war. Aber dazu kam es nicht mehr, denn er machte mir klar, dass er mich nicht gebrauchen konnte und auch gar keine Zeit für mich hätte. Er musterte mich noch eine Weile, bis der Sekretär plötzlich hereinschneite und dem Furius eine Tabula entgegenstreckte. Ich war mir sicher, dass ich hier keinen Fuß fassen würde und dass alles, was ich mir vorgestellt hatte, gerade den Bach hinunter ging. In meiner Enttäuschung hörte ich zunächst nur mit einem Ohr zu. Aber als ich begriff, dass es um eine Frau ging, die etwas vorbringen wollte, aber kein Latein sprach. Als ich das hörte, begann es in meinem Kopf zu rattern. Was konnte ich tun, um den Furier doch noch davon zu überzeugen, dass ich nützlich für ihn war? Aber dann begann er schon wieder weiter zu sprechen wollte mich schon fortschicken.
"Äh nein! Bitte! Ich spreche die Sprache der Einheimischen! Vielleicht kann ich dir ja bei dieser Frau helfen. Ich bitte dich, gib mir eine Chance!" bat ich, denn ich wusste, was alles davon abhing, hier eine Stelle zu bekommen.

[Tiberius Furius Saturninus]

Die Atrebaten, ein keltisches Volk, war schon seit Zeiten ihres Königs Tiberius Claudius Cogidumnus, Rom gegenüber loyal gewesen, was die Römer jedoch nicht daran gehindert hatte, nach Tod dieses Königs ihr Stammesgebiet in das Imperium einzugliedern. Calleva Attrebatum war schon lange ein römisches Städtchen, länger als Iscalis. Saturninus nickte daher wohlwollend, wie auch zu Londinium. Der junge Mann hatte mehr von der Provinz gesehen, als er selbst. Doch gerade konnte er keinen Schreiber brauchen...
dann unterbrach ihn Valentinus jedoch mit dem bedeutungslosen Anliegen eines Keltenweibes, und Tarutius Corvus bot an, zu übersetzen.
Ein zweisprachiger römischer Bürger weckte Saturninus Interesse. Und er weckte gleichzeitig - kein generelles, ein wenig nur - Misstrauen:
"Du sprichst die hiesige Sprache? So gut, dass du die Aussage eines Britanniers sofort in Latein niederschreiben könntest?"
Es gab einen gewöhnlichen Übersetzer, der manchmal gerufen wurde, der jedoch nicht gut Latein schrieb. Die Keltensprache hatte, soweit es der Furius mitbekommen hatte, ihre Tücken. Eine Tücke war, dass keine Lehrbücher existierten. Man griff also auf Einheimische zurück, die aber nicht immer vertrauenswürdig waren:
"Der Excenturio Sabinius Merula hat in seiner Empfehlung keine Sprachkenntnisse erwähnt. Wie kommst du dazu, die Sprache der Einheimischen zu sprechen, Bürger Tarutius?"

[Alun]

Nachdem ich Furius verraten hatte, dass ich des Keltischen mächtig war, schlug mir sofort so etwas wie Misstrauen entgegen. Ein Römer, der keltisch sprach, traf man auch nicht alle Tage. Eigentlich kannte ich überhaupt keinen, der ansatzweise vewrsucht hatte, unsere Sprache zu erlernen. Warum sollten sie auch? Schließlich waren sie ja auch die Herren und wir die Unterworfenen! Also lag es an uns, uns anzupassen! Mir selbst bereitete es auch etwas Kopfzerbrechen, denn schließlich hatte ich eines meiner Geheimnisse preisgegeben. Doch es musste sein, denn zu dem Misstrauen des Furiers kam nun auch noch weiteres Interesse an mir. Also musste ich ihm jetzt auch eine sinnvolle Erklärung dafür geben. Vielleicht schaffte ich es ja doch noch, dass er mir die Chance auf eine Anstellung gab.

"Ja, der Excenturio erwähnt meine Sprachkenntnisse nicht, weil er davon nichts wusste, denn es war nie relevant für ihn." Ich wollte ihm hier nicht auch noch von Merulas Abneigung gegen alles Keltische erzählen müssen und dass ich ihn in gewisser Weise hintergangen hatte. Allerdings hatte er mich auch nie danach gefragt, ob ich keltische Wurzeln hatte.
"Meine Mutter war Atrebatin. Von ihr habe ich die Sprache gelernt und ja, ich spreche sie so gut, dass ich beide Sprachen in die jeweils andere übersetzen kann. Also ja, ich auch die Aussage eines Britanniers aufschreiben." Und wenn Valentinius die arme Frau nicht schon davongejagt hatte, konnte ich es ihm sogar  meine Fähigkeiten auf der Stelle beweisen! Es lag also alles in den Händen des Princeps officii!

[Tiberius Furius Saturninus]

"Atrebatin, so so. War dein Vater ein Veteran der Hilfstruppen, der für sich und seine Nachkommen das Bürgerrecht bekommen hat oder waren er und deine Mutter von Geburt an römische Bürger?", fragte Saturninus, der sich plötzlich viel mehr für Tarutius Hintergrund interessierte:

" Hast du eine Abschrift deiner Bürgerrechtsurkunde mitgebracht? Keine Sorge, wenn nicht, fordern wir sie in  Calleva Attrebatum an. Das kann allerdings ein wenig dauern, was aber in diesem Fall unerheblich ist.
Schreiber habe ich genug, doch einen Dolmetscher, der nicht nur Britonisch sprechen, sondern auch Latein in Schrift beherrscht, könnte ich gut brauchen. Es ist sogar eine verantwortungsvolle Stellung. Du müsstest bei unserem allergnädigsten Kaiser und dem höchsten Iuppiter schwören müssen, dass du getreu übersetzt, nichts dazu dichtest oder weglässt. 
Machen wir einfach eine Probe. Valentinus, sage der Keltin, sie darf eintreten und bringe sie vor mich"
Valentinus schaute fragend, und Saturninus winkte ab: "Es ist nicht gesagt, dass ich ihr Anliegen bearbeite oder gar den Statthalter mit irgendwelchen Barbarinnen  belästige, Valentinus"
Es ging dem Princeps Officii nur darum, zu sehen, wie sich der junge Mann anstellte.



Valentinus verschwand und kam kurze Zeit später mit einer Frau in den Vierzigern zurück. 

Sie trug ihr Haar sorgfältig gekämmt, hatte einen verzierten Ring um den Hals und ihre Kleidung war zwar an manchen Stellen geflickt, aber sauber und ordentlich. Ihre blauen Augen waren groß und seelenvoll. Sie legte beide Hände auf ihre Brust und deutete eine Verneigung an. 
 Niemand von den Togaträgern sah jedoch aus, als könnte er Mitgefühl mit ihr haben und ihr wegen ihres toten Sohnes Gerechtigkeit verschaffen. Und sie konnte sich nicht einmal verständigen.

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 Bildnachweis: Nikolai Triik, Public domain, via Wikimedia Commons

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[Alun]

Als ich dem Römer erzählte, meine Mutter sei Atrebatin gewesen, wurde er plötzlich hellhöriger. Nun wollte er es genau wissen! 
"Mein Vater und meine Mutter waren römische Bürger von Geburt an," antwortete ich. Er fragte mich weiter nach einer Bürgerrechtsurkunde, um sicher zu gehen, dass ich ihn nicht etwas anschwindelte. Aber ich hatte lange genug mit falschem Namen unter Römern gelebt, so dass mich dieses Misstrauen nicht mehr nervös machte. Cathbad hatte damals an alles gedacht, als er mich zu Lucius Tarutius Corvus gemacht hatte. Er hatte scheinbar überall seine Leute. Nur so hatte ich es mir damals erklären können, dass alles so unkompliziert vonstattengegangen war, als ich damals zum armen römischen Waisenjungen geworden war, dessen Mutter gestorben war und der von seiner Tante und ihrem Mann in Londinium aufgenommen worden war. Einen Herzschlag lang starrte ich ihn an, bis ich endlich zu sprechen begann. "Oh, das ist nicht nötig. Ich habe sie hier bei mir."  Ich begann unter meiner Tunika zu suchen, fand aber nichts. "Ach ja, sie muss draußen bei meinen Sachen sein," meinte ich und sah ihn entschuldigend an.

Da die Urkunde nun scheinbar doch nicht so wichtig, erklärte er mir, dass er zwar über genügend Schreiber verfügte, aber dringend vertrauenswürdige Dolmetscher brauchte, die auch schreiben konnten. Da war sie nun gekommen meine Stunde!
"Es wäre mir eine Ehre, wenn ich dir auf diese Weise dienen könnte!" entgegnete ich erfreut, als er den jungen Sekretär anwies, die Keltin eintreten zu lassen. Dass dies keine Garantie war, das Anliegen der Frau tatsächlich zu bearbeiten, stellte der Römer vorher klar. Doch ich würde mein Bestes versuchen, ihr zu helfen und damit auch mir selbst!

Kurz darauf trat eine ältere Frau mit zaghaften Schritten ein, die locker meine eigene Mutter hätte sein können. Sie trug die übliche Kleidung der einheimischen Frauen und hatte sich darüber hinaus sogar noch Schmuck angelegt, was die meisten Frauen nur zu besonderen Anlässen taten. Es musste also um etwas Wichtiges gehen, dachte ich mir. Sie deutete eine Verneigung an, schwieg aber, da sie die Sprache des Römers nicht verstand. Ihre blauen Augen sahen sich um und ich fand, dass darin so etwas wie Ernüchterung und sogar Hoffnungslosigkeit lagen. Aber vielleicht konnte ich ihr ein wenig von dem zurückgeben, was sie verloren hatte. 
"Cyfarchion! Beth yw eich pryder?*" sprach ich sie an und wartete darauf, wie sie reagieren und was sie antworten würde.

* Sei gegrüßt! Was ist dein Anliegen?