Willkommen im Forum, Bitte Anmelden oder Registrieren

Die alte Schmiede am Dorfrand
05-19-2023, 11:17 AM,
Beitrag #91
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Ich hatte mich geirrt. Ihm ging es mitnichten um Sex. Ihm ging es nur um Macht und darum, mir weh zu tun. Warum? Die frage war wahrscheinlich vollkommen sinnlos, aber sie kam mir trotzdem in den Kopf. Ich war Latinerin, und ich kam aus Rom. Ich hielt mich an die Gesetze, ich glaubte an Rom und das Imperium, ich respektierte den Kaiser und war keinerlei Bedrohung. Für niemanden. Und zumindest einen Teil davon wusste der Tribun auch. Warum also tat er mir das an?
Er stieß mich so hart gegen die Wand der Hütte, dass ich keine Luft mehr bekam, und drängte seine Rüstung so gegen mich, dass es schmerzte. Tränen standen in meinen Augen und ich hatte Angst. Wirkliche Angst. Ich wollte sie niederkämpfen und versuchen, die Sache hier zu überleben, aber ich war ganz gelähmt und gar nicht ganz da. Ich war… wo anders. Als würde ich die Situation nur von außen betrachten und wär gar nicht wirklich da.
Das Arschloch biss mir in die Lippe, und ich schmeckte Blut. Ich wimmerte, als er nach mir griff und am Kleid riss, um darunter zu kommen. Ich betrachtete eine Spinnwebe in der Ecke. Das Dach hatte irgendwo wohl eine winzige Lücke, denn ein Sonnenstrahl fiel darauf. Ich schaute, wie das Licht darauf glitzerte, und wie die Spinne langsam aber sicher eine gefangene Fliege einsponn. Ich wusste, wie die Fliege sich fühlte.

Und dann war es vorbei, ohne dass er in mich eingedrungen wäre. Er stieß mich zu Boden und ich blieb dort so liegen, wie ich hingefallen war und rührte mich nicht. Ich hörte seine Drohung, dass ich niemandem erzählen sollte, was vorgefallen war. Er hat keinen hochgekriegt, dachte ich, und ein irres Lachen wollte meine Kehle hochsteigen. Aber ich behielt es drin und blieb einfach weiter so liegen, ohne mich zu rühren oder mich zu bewegen. Mein Körper zitterte leicht und meine Lippe blutete, aber ich war mir nicht einmal sicher, ob ich atmete, während ich einfach da lag und meinen Geist in dieses willkommene Nichts fallen ließ.
[Bild: 15_14_01_23_5_20_11.png]
Zitieren
 
05-19-2023, 12:04 PM,
Beitrag #92
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
(05-18-2023, 09:47 PM)Owain schrieb: Inzwischen war wahrscheinlich das ganze Dorf auf den Beinen. Frauen schrien, als man sie aus ihren Häusern scheuchte. Kinder weinten, weil sie die Angst ihrer Eltern spürten und nicht verstanden, was um sie herum gerade passierte. Ich sah in die Gesichter meiner Nachbarn, die wie angewurzelt da standen. Nein, sie waren nicht angewurzelt! Es war eine Art Schockstarre, in die sie gefallen waren, angesichts der Brutalität, mit der die Soldaten vorgingen. "Bitte helft mir! Sie wollen Beute machen! Schmuck und Waffen! Wenn ich ihnen dabei nicht helfe, dann tun sie meiner Frau etwas an!" rief ich ihnen in meiner Verzweiflung auf keltisch zu. Doch nichts geschah. Keine Regung, kein Laut, nichts!

Es erschien mir wie eine gefühlte Ewigkeit, als plötzlich die Frau des Schumachers vortrat, ihren goldenen Armreif abstreifte, den sie wahrscheinlich zur Hochzeit erhalten hatte, und ihn wortlos vor mir ablegte. Ihr Mann kam wenig später und legte sein Messer, mit dem er normalerweise das
 Leder zuschnitt, dazu. Nach und nach taten es einige andern ihnen gleich, so das mehrer Messer, Armreifen, Ohrringe und eine kunstvoll verzierte Fibel vor mir lag. Bei diesem Anblick musste ich schlucken, denn ich war den Tränen nah.


Zunächst lachten die Legionäre höhnisch, als sie das Jammern von Owain hörten, doch schon bald wurde sie ernster. Irgendwann wich ihr erstaunen in Faszination, was die Barbaren alles zu Tage förderten. Plinius den Sklaven im Schlepptau und Arrius mit der Beute machten kehrt als das Signal des Lituus erklang. Trotz der Beute ärgerte sich Arrius, er war nicht zum Schuss gekommen. „Schade zu gerne hätte ich dem Jammerlappen nach meiner Einlage noch einen Ast eingeschoben und ihn so seiner Schlampe präsentiert.“ "Beruhige dich du kommst bald zum Zug“.
Tribun wir haben einiges an Beute“, meldete Plinius. „Doch nicht von dem hier“, dabei zog er heftig an dem Seil, so das der Sklave diesmal auf dem Boden landete. „Ne die netten Leute aus dem Dorf spendeten es freiwillig nach seinem Gejammere“. „Wo das ist gibt es sicher noch mehr und wie freuen die sich, wenn sie anschließend einen Schuldigen für ihr Unglück haben“. Der Legionär lachte voller boshafter Schadenfreude mit seinem Kameraden. "Sollen wir nun das Dorf durchsuchen", gierig hörte sich die Frage von Plinius an. 
[Bild: 3_24_08_22_4_34_35.png]
Zitieren
 
05-19-2023, 04:47 PM,
Beitrag #93
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Ich hatte mich wieder aufgerappelt und stand auf meinen Füßen. Kurz danach zog der Legionär wieder ruckartig am Seil, das mir um den Hals gelegt worden war. Ich stolperte wieder nach vorne und lief weiter. Die beiden Legionäre trieben mich weiter durchs Dorf, um noch mehr Beute zu machen. Wieder bat ich die Leute mir zu helfen und sie halfen mit dem Wenigen, was sie hatten. Diese beiden Deppen machten große Augen, als die Leute kamen und etwas gaben. Doch ich hatte immer noch die Befürchtung, dass all diese Kleinodien noch lange nicht genug waren.
Plötzlich erklang ein Signal, was die beiden dazu veranlasste, zurück zur Schmide zu gehen, mich zogen sie dabei hinter sich her. Dabei machte es ihnen besonderen Spaß, das Seil unvorhergesehen ruckartig zu ziegen, so dass ich fast jedes Mal stolpern musste. Sie redeten davon, was sie mir oder wahrscheinlch auch Aglaia antun wollten. Hatten sie denn nicht schon genug?
Der Tribun war aus der Schmiede herausgetreten. Doch von Aglaia war nichts zu sehen. Wieder zerrte der Dreckskerl an dem Seil. Diesmal um einiges heftiger, so das ich diesmal stürzte uns der Länge nach hinfiel. Ich versuchte erst gar nicht mehr auf die Füße zu kommen. Wenn ich aufstehen sollte, mussten sie mich eben einfach hochziehen.Bis dahin blieb ich bewegungslos am Boden liegen.
Wieder schlugen diese Dreckskerle ihrem Anführer vor, noch einmal das ganze Dorf zu durchsuchen. Sie waren immer noch nicht zufrieden, mit dem was sie eingesammelt hatten!"Lasst sie in Ruhe, ihr Schweine!" schluchzte ich verzweifelt. Sie hatten diesen Leuten doch schon genug abgepresst. Hier gab es nichts mehr zu holen!
Zitieren
 
05-19-2023, 10:36 PM,
Beitrag #94
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Meine Männer kamen zurück. Sie hatten den Sklaven dabei, der sich kaum mehr auf den Beinen hielt. Was er heulte, interessierte mich nicht.
Doch sie brachten Beute an. Sie hatten Armringe und Spangen, Fibeln und etwas Schmuck dabei. Soweit ich es auf den ersten Blick einschätzte, war einiges aus Gold darunter.

"Vexillation zu mir - wir ziehen ab“, befahl ich: 
"Die Beute wird nach Rang aufgeteilt. Meinen Anteil stifte ich den Milites Plinius, Arrius und drei weiteren Soldaten, die sich heute besonders bewährt haben“

Ich belohnte die fünf Männer, die sich am brutalsten gezeigt hatten. Darüber machte ich mir keine Illusionen. Doch genau solche nutzten mir für meine Zwecke.

Ich holte den Übersetzer herbei. Er sollte das, was ich nun zu sagen hatte, für die Barbaren übersetzen. Es war mir wichtig, dass sie alles verstanden. Was sie nicht verstehen wollten, würde der herzzerreißende Anblick der griechischen Hure und ihres Sklaven deutlich machen. 

"Untertanen aus Cheddar! Dies war eine Strafaktion der Erhabenen Zweiten Legion. Der Grund für eure Strafe waren zwei Graffiti mit romfeindlichem Inhalt, die jemand beim Forum Iscalis hingeschmiert hat. 
Ihr wisst jetzt, was wir fähig sind zu tun. Sollte zukünftig ein Kelte einen Römer auch nur schief anschauen, kommen wir wieder. 
Dann nehmen wir uns das nächste Haus vor. 
Dann nehmen wir nicht nur euren Tand, sondern auch eure Ernte, euer Vieh und eure Kinder. 
Es wäre also für euch gesünder, allen euren Landsleuten einzuschärfen, keine Dummheiten mehr zu machen -  Abmarsch!“

Einer der der Legionäre mit einer gewaltigen Warze am Kinn deutete noch einmal zur Hütte des Schmieds.
"Und die Frau, Tribun?“, fragte er gierig.
Ich tat so als wäre ich gutgelaunt und klopfte dem Soldaten auf die Schulter:
"Albinus nicht wahr? Ich denke, der Frau wurde für heute genug Samen eingepflanzt.  Wenn das Kind behaart und rotfüchsig wird, so ist es von ihrem Sklaven. Wenn es gutaussehend und stark zur Welt kommt, so ist es von mir. Wir wollen ihr doch keines mit einer Warze verpassen“  Ich lachte und Albinus lachte und seine Kameraden lachten ebenfalls.

Ich warf einen Blick zur Tür. Nur Aglaia wusste, wie falsch meine Rede war. Aber sie würde klug genug sein, zu schweigen.

Aus dem Weg aus Cheddar hinaus sah ich, dass jemand an eine der gekalkten Hüttenwände mit Blut den Namen meiner Sondereinsatztruppe „Vexillatio T. O. D.“  gepinselt hatte. Das Blut war bereits geronnen. Die Schrift hatte sich rostbraun verfärbt. Wir marschierten vorbei. Hinter uns blieben Tränen und Leid zurück.
[Bild: 3_24_08_22_4_37_11.png]
[Bild: 15_30_07_23_12_47_47.png]
Zitieren
 
05-20-2023, 03:52 PM,
Beitrag #95
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Plinius starrte die Wand an. „Das ist ja nun so was von dreist. Die wollen unbedingt, dass wir sie erneut besuchen.Dann hält mich aber keiner mehr zurück, die Weiber sind dann fällig. Wetten, ich schaffe die meisten“.
Wir sollten ein Lied dichten für den Einmarsch. Etwas einprägsames, was für alle Zeiten in ihren Köpfen bleibt.“Gute Idee damit gleichzeitig der Name unseres Tribun in aller Mund bleibt.“ Pläne schmiedend marschierte die Legionäre der Vexillation in Richtung Kaserne.
[Bild: 3_24_08_22_4_34_35.png]
Zitieren
 
05-20-2023, 04:46 PM,
Beitrag #96
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Dort, wo ich hingestürzt war, blieb ich bewegungslos liegen, da ich befürchten musste, dass diese Dreckschweine noch lange nicht mit mir fertig waren. Tritte und Schläge hatte ich einstecken müssen. Ich wollte gar nicht wissen, was noch käme. Aber was mir am meisten Angst bereitete, was sie Aglaia noch alles antun würden. Dass diese Mistkröte von Tribun sie inzwischen vergewaltigt hatte, davon ging ich aus. So wie ich ihn einschätzte, würde er trotz der Beute, die seine Soldaten gemacht hatten, nicht zufrieden sein. 
Doch wider erwarten, befahl er seinen Männer abzuziehen. Doch zuvor erklärte er, wie sie die Beute unter sich aufteilen würden. Die beiden Drecksäcke, die mich wie ihren Hund durchs Dorf geschleift hatten, sollten wohl das Meiste davon abbekommen. Hoffentlich erstickten sie daran und verreckten elendig!
Außerdem ließ er den Leuten von Cheddar mitteilen, dass sie wieder kommen würden, falls wir auch nur einen Drecksrömer schief anschauen würden. Dann rühmte er sich noch, dass er bereits genug Samen in Aglaia eingepflanzt hätte, als einer seiner Männer fragte, ob sie jetzt an der Reihe wären.  
Dann drang noch das Geräusch von marschierenden römischen Soldaten an mein Ohr, als sie endlich abzogen. Ich schaute nicht auf, sondern blieb liegen und vergoss Tränen der Wut und Verzweiflung. Wie oft musste ich so etwas noch miterleben? Doch eines wusste ich, das nächste Mal würden die Leute von Cheddar gewappnet sein!
Zitieren
 
05-20-2023, 09:17 PM,
Beitrag #97
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Die Zeit tropfte zäh wie Honig. Der Boden war rau und staubig, und doch blieb ich reglos liegen. Wie durch einen Schleier drangen die Geräusche heran. Lachen. Ein Cornicen. Das Stampfen genagelter Sohlen auf dem Grund. Dann Stille. Weinen. Stimmen.

Ich wusste nicht, wie lange ich da lag, bis mein Geist und mein Körper wieder eins waren. Nur ganz langsam rappelte ich mich auf. Mein Mund schmeckte nach Rost und Staub, meine Lippe war geschwollen. Am Boden entdeckte ich einen halb geronnenen Blutfleck, wo das Blut hingetropft war. Ich machte einen wackeligen schritt davon weg und stürzte dabei fast. Meine Beine fühlten sich nicht an wie meine Beine.
Owain. Er war nicht zurückgekommen. Auch keiner der Legionäre, aber er eben auch nicht. Hatten sie ihn getötet? Warum war er nicht da? Hatte er nicht gesagt, er würde mich beschützen? Wo war er? Ich machte noch einen wackeligen schritt und fiel beinahe gegen den Amboss, wo ich mich erst einmal festhielt. Mir war übel und schwindelig und ich zitterte noch immer so heftig. Ich wusste, ich hatte eine Schock, aber dieses Wissen nützte so rein gar nichts, um etwas dagegen zu unternehmen.
Nein, Aglaia, du wirst das hier überleben und dich jetzt nicht deinem Schicksal überlassen! Das sagte ich mir immer wieder, während ich mich mit einem wackeligen Schritt nach dem nächsten zur Tür begab und dort erstmal stehen bleiben musste, um mich festzuhalten. Ich weinte, ich merkte es. Ich wollte gerne stark sein, aber im Moment ging es nicht, und ich war nicht bereit für das, was ich vielleicht hinter dieser Tür finden würde. Vielleicht hatten sie Owain getötet. Vielleicht auch andere. Vielleicht starb er gerade jetzt an einem Kreuz, von dem ich ihn niemals allein herunterholen würde können. Oder vielleicht auch noch schlimmeres.
Ich stand da, hielt mich fest und schluchzte eine Weile, zitterte so sehr, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte, bis ich mich selber zwang, das hier durchzustehen. Was immer es sein würde, ich war am Leben und leidlich unverletzt. Ich würde nach Iscalis gehen. Ich würde… ich wusste nicht, was ich würde. Ob Saturninus mir helfen würde? Konnte er mir überhaupt helfen? Und hatte er mich wirklich gern? Auch gern genug, um deshalb der Legion ans Bein zu pinkeln? Ich wusste es nicht. Ich wusste im Moment gar nichts mehr. Ich wollte gerade nur noch heim zu meiner Mama, auch wenn die ganz und gar nicht der mütterliche Typ war. Und mich waschen. Ich wollte mich waschen, bis meine Haut abfiel und nichts mehr von diesem ekelhaften Typ an mir war.
Aber dafür musste ich zuerst die Tür öffnen. Ich schluckte noch einmal, dann riss ich sie auf. Das Licht der Sonne blendete mich, und draußen standen einige Leute herum. Einige weinten. Ich trat in den Türrahmen und sah jemanden auf dem Boden liegen. Blondes Haar. Nein. Die Hände waren hinter dem Rücken gefesselt und eine Schlinge lag um seinen Hals. Nein, nein, nein.
“Owen“, hörte ich meine eigene Stimme kratzig und dünn, dann brach ich auf meine Knie zusammen und schluchzte nur noch.
[Bild: 15_14_01_23_5_20_11.png]
Zitieren
 
05-21-2023, 12:24 AM,
Beitrag #98
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Eine bedrückende Stille lag über dem Dorf, nachdem die Legionäre und ihr Tribun abgezogen waren.  Niemand traute sich, etwas zu sagen oder wagte es, sich zu bewegen. Nur das leise Wimmern einiger Frauen und das der kleineren Kinder durchbrach diese Stille. Ich konnte nicht sagen, wie lange ich dort lag. Einfach liegen bleiben und nie wieder aufstehen müssen! Das klang verlockend. Vielleicht lag darin die Lösung.
 
Ich fürchtete mich vor dieser Stille. Sie ließ nichts Gutes vermuten. Vielleicht war das auch der Grund, warum ich nicht versuchte, mich wieder aufzurappeln und nach etwas zu suchen, womit ich die Fesseln durchschneiden konnte. Nein, ich konnte nicht! Ich wollte nicht akzeptieren, was passiert war. Ich wollte nicht aufstehen, um erkennen zu müssen, was sie Aglaia und den Leuten im Dorf angetan hatten. Solange ich nichts wusste, war es nicht real, sagte ich mir.

Doch die Welt blieb nicht stehen. Sie drehte sich weiter und die Zeit zerrann, Minute um Minute und Sekunde um Sekunde. Eine Stimme, die einer anderen glich, die ich einmal gekannt und lieben gelernt hatte, rief meinen Namen. Darauf folgte ein herzzerreißendes Schluchzen, was mich so sehr berührte, dass auch ich zu schluchzen begann. "Aglaia."

Plötzlich spürte ich eine Berührung an meinen Händen. Ich begann  am ganzen Körper zu zittern, weil ich glaubte, sie seien zurückgekommen "Nein, bitte!", wimmerte ich. Ein kurzer Ruck, das kühle Metall. Meine Hände waren wieder frei. 

"Alles ist gut, Junge! Komm, steh auf!" Es war der Schuster, der meine Fesseln durchschnitten hatte und mir nun half, aufzustehen. Es fühlte sich seltsam an, wieder aufrecht zu stehen. Ich fürchtete, mich nicht lange auf den Beinen halten zu können. Der Schuster hielt mich am Arm und blieb bei mir. Dann sah ich sie! Sie war vor der Tür auf ihre Knie gesunken und schluchzte. Mit der Hilfe des Schusters machte ich einige Schritte auf sie zu und ließ mich auch auf die Knie sinken, um sie in meine Arme zu schließen. "Aglaia, es tut mir so leid! Es tut mir so leid!" schluchzte ich. Ich hatte sie nicht vor dem Schlimmsten bewahren können!
Zitieren
 
05-21-2023, 04:45 PM,
Beitrag #99
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Er war tot. Ich weigerte mich, diese Tatsache anzuerkennen, aber es musste so sein. Ich hatte gesehen, wie er dagelegen hatte, und eine andere Erklärung, warum er nicht zu mir gekommen war, gab es nicht. Ich saß da auf meinen Knien und weinte einfach wegen der Sinnlosigkeit und des Grauens und wohl auch der Schmerzen in meinem Körper und konnte mich nicht bewegen. Ich wollte mich zwingen, aufzustehen und weiter zu machen, hier wegzugehen und nie wieder zu kommen, mich in Sicherheit zu begeben, aber im Moment konnte ich einfach nicht. Owain war tot, und es gab so gar keinen Grund, der mich über diese Tatsache hätte trösten können.

Jemand kam und berührte mich, und wie im Reflex schlug ich panisch um mich, um mich dem Griff zu entziehen, während Bilder von diesem schrecklichen Tribun durch meinen Geist schwirrten. Erst nach dieser Sekunde des Erschreckens erkannte ich Owain, der ziemlich lebendig hier vor mir kniete, sich entschuldigte und mich in den Arm nehmen wollte.
Meine Gefühle gerieten völlig aus den Fugen, und ich stürzte nach vorn in seine Arme und an seine Brust und klammerte mich verzweifelt an ihm fest, um weiter zu heulen, diesmal halb aus Schmerz und halb aus Erleichterung, aber nichts desto trotz heftig, bis ich keine Luft mehr zu bekommen schien. Eine Weile drehte sich alles in meinem Kopf, bis ich wieder ruhig genug war, um Luft zu bekommen. Ich wischte mir die Nase und bereute es sofort, weil ich meine Lippe berührte, die schmerzhaft an den Biss erinnerte.
Ich löste mich grade weit genug von Owain, dass ich ihn ansehen konnte. “Bring mich weg hier“ sagte ich ihm. “Bitte. Ich will nach Iscalis.“
[Bild: 15_14_01_23_5_20_11.png]
Zitieren
 
05-21-2023, 07:35 PM,
Beitrag #100
RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Sie schlug erst um sich, als ich sie berührte. Aber deshalb ließ ich sie nicht los. Bald realisierte sie, dass ich es war, der sie in den Arm genommen hatte. Sie stürzte sich auf mich und sie klammerte sich ganz fest an mich. Bitterliche Tränen vergoss sie.
Ich war so verzweifelt, dass ich nicht verhindern konnte, was ihr zugestoßen war. Sie sah schlimm aus. Ihre Lippe blutete. Dieses Schwein hatte sie geschlagen und ich wollte gar nicht daran denken, was er ihr noch alles angetan hatte. Ich schrie vor Wut und der Gewissheit, dass ich alleine gegen diese Schweine nichts ausrichten konnte. Doch ich trachtete nach Rache! Ich wollte Genugtuung in irgendeiner Form. Wenn irgendwann einer diese Drecksäcke mir nachts begegnen solltr, dann war er sowas von fällig!
Aus meinem Schrein wurde ein Wimmern. Ganz egal, was sie davon hielt, aber von nun an würde ich sie nirgends mehr alleine hingehen lassen! Ganz gleich, wohin sie auch unterwegs war. Keiner würde es mehr wagen, ihr etwas anzutun! Das schwor ich mir hier und jetzt!


Eine ganze Weile hatten wir so aneinander geklammert da gesessen und hatten einfach nur hemmungslos geheult und geschrien. Die Leute um uns herum hatten uns wahrscheinlich die ganze Zeit angestarrt. Sie selbst standen teils immer noch unter Schock. In den kommenden Tagen würde ich mich ihnen stellen müssen. Ich stand tief in ihrer Schuld und ich hatte keine Ahnung, wie ich ihnen das jemals wieder vergelten sollte.

Aglaia löste sich etwas von mir, so dass ihre verheulten Augen mich einfangen konnten. Sie wollte nur noch hier fort. Zurück nach Iscalis. Ich nickte ihr zu. Das hier war nicht ihre Welt. Das hatte ich nun begriffen. "Ja, sofort. Ich hole Maultier." 
Ich stand auf und bemerkte erst jetzt, dass ich immer noch das Seil um den Hals liegen hatte. Ich zerrte daran, um die Schlinge so weit zu lockern, damit ich sie über den Kopf streifen konnte. Dann warf ich es angewidert weg und ging zum Maultier, das immer noch brav da stand, wo Aglaia es am Tag zuvor festgebunden hatte. Das arme Tier hatte sicher Hunger und Durst. Doch hier gab es nichts, was ich ihm hätte geben können. Ich führte es zu Aglaia und hob sie vorsichtig vom Boden auf. Dann setzte sie auf den Rücken des Tieres und führte es auf den Weg. Dann stieg auch ich auf, zog sie noch etwas näher an mich heran und hielt sie ganz fest. Dann ritten wir los nach Iscalis.
Zitieren
 


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 5 Gast/Gäste