03-09-2023, 05:58 PM,
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RE: Bibliotheca | Eine kleine Rechtsberatung
Ich hatte das Gefühl, dass Furius Saturninus eigentlich gar keinen Rechtsanwalt wollte, sondern mehr einen Freund, der ihm zuhörte, wie schrecklich alles war. Nur war ich dafür der falsche. Ich kannte mich mit Recht und Gesetz aus. Wenn jemand klagen wollte, dann war ich der richtige Ansprechpartner. Wenn jemand kämpfen wollte, sein Recht durchsetzen wollte, sich in dem Gegner verbeißen. Ja, darin war ich gut, auch wenn man mir das nicht zutraute. Aber der Furier wollte im Grunde gar nichts machen und sich auf der Nase herumtanzen lassen und noch nicht einmal die mildesten Maßnahmen ergreifen. Wie sollte ich ihm da wirklich helfen?
“Dann hoffe ich, dass ihr Diebstahl am Familienvermögen klein ausgefallen ist“, meinte ich nur möglichst diplomatisch und paffte weiter an meiner Pfeife. Bei uns im Haus hätte sie da keine Freude gehabt, da ich aus gutem Grund mein Geld in diversen Wechseln und Büchern aufbewahrte und eben nicht in Münzen, die jeder einfach mitnehmen konnte. Oder Schmuck. Meine Frau hatte Unmengen von dem Zeug gehabt, das an ihre Familie zurückgebracht hatte werden müssen, abzüglich dessen, was sie ihren Töchtern vermacht hatte. Fürchterliche Verschwendung.
“Das Kind wäre sui iuris. Sofern die Mutter unter der Cura Furiosi stehen würde, hättest du zunächst die Cura minorum für ihr Kind, was eben die vollständige Kontrolle in allen Belangen bis zur Volljährigkeit mit einschließt – das heißt bis zum Alter von fünfundzwanzig, wobei ihm ein Mitspracherecht ab der Erreichung der Mündigkeit mit vierzehn eingeräumt werden würde – und insbesondere die wirtschaftliche Sorge. Da eine Mutter, die als verrückt gilt, keine Entscheidungen für ihr Kind treffen kann, könnte sie auch keinen Vater benennen oder gar ihr Einverständnis dem Praetor mitteilen, wenn er das Kind unter seine Patria Potestas androgieren möchte. Du könntest das als solches also gänzlich verhindern.
Sofern du sie einfach gewähren lässt, musst du mit der Möglichkeit rechnen, dass sie dem Praetor oder einem Statthalter, wo auch immer sie hingeht, ihren Fall so darlegen, dass er der Vater ist und sie zum einen eine gültige Ehe hätten oder sein Einverständnis zu eben jener vor der Geburt erlangen – wobei dann die Zeit zwischen Hochzeit und Geburt relevant werden könnte – und er das Kind unter seine Patria Potestas androgiert, so dass es dir damit entzogen ist.“
Ich überlegte einen Moment, ehe ich meine Frage stellte, denn ich hatte wirklich den Eindruck, dass der Furier eigentlich nicht kämpfen wollte. “Werter Furius Saturninus, verzeih, wenn ich jetzt einmal offen bin als ein Mann, der schon ziemlich viel gesehen und gehört hat in seiner Zeit. Willst du denn überhaupt diese Ehe zwischen den beiden verhindern? Denn wenn ja, kann ich dir nur die Weisheit der Alten mitgeben, dass man sich die Hände nicht waschen kann, wenn man sie nicht nass macht.“
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03-11-2023, 11:33 AM,
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RE: Bibliotheca | Eine kleine Rechtsberatung
" Wenn sie nicht wieder herkommt, wäre es mir gleich, was mit ihr und ihrem womöglichen Kind geschieht", sagte Saturninus:
"Um bei deinem Bild zu bleiben: Wenn man Hände wäscht, werden sie nass. Wenn man unter einer Gewitterwolke steht, die sich jeden Moment entladen kann, sollte man ausgerechnet dort das Händewaschen sein lassen. Ich wünsche keinen öffentlichen Prozess gegen meine Cousine. Nichts was irgendjemandem irgend etwas in die Hand gibt, uns allesamt der Schändlichkeit anzuklagen"
Er sprach von gewissen Kreisen in Rom selbst, der geliebten Vaterstadt, die er vermutlich nicht wieder betreten würde. Es gab Gründe, warum eine hochpatrizische Familie in einer Provinzstadt am äußersten Rande des Imperiums lebte und nicht in der Hauptstadt*:
"Ich werde deinem anwaltlichen Rat folgen und beim Praetor die Cura Furiosi über Stella beantragen"
Ganz gleich wie er entschied. Ab diesem Zeitpunkt hatten die politischen und persönlichen Gegner etwas in der Hand für die Schlammschlacht. Iulius Cato würde sich nicht mehr einkriegen; der Furius konnte sich lebhaft den Hohn vorstellen. Auch wenn Cato ein lasterhafter Mann war: Keine Iulia war ihm abgängig:
"Stella hat eine Leibsklavin, Sylvana. ich habe sie in Ketten legen lassen. Müsste sie aussagen oder kann ich darauf verzichten? Stellas Flucht wäre Beweis genug für deren Irrsinn, oder?"
Saturninus war sich sehr bewusst darüber, was eine Zeugenaussage für eine Sklavin bedeutete. Es widerstrebte ihm. Sylvana war verstockt wie ihre Herrin und er selbst hatte sie bestraft, aber eine Dienerin für ihre unverbrüchliche Treue brutal foltern zu lassen, stand gegen Prinzipien, für die er selbst eintrat:
So oder so, ich bedanke mich herzlich für deine Zeit und deine Mühe. Wenn du einmal etwas von mir benötigst, verehrter Plautius Seneca - du weißt schon, eine Hand wäscht die andere"
* Das wird hier berichtet
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03-12-2023, 02:33 PM,
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RE: Bibliotheca | Eine kleine Rechtsberatung
“Beim Statthalter, in der Provinz übernimmt der Statthalter diese Position“, gab ich meinem Klienten noch mit, als der sich zu einer Entscheidung durchgerungen hatte. Und ich musste zugeben, dass ich doch erleichtert war, dass er wenigstens irgendwas unternehmen wollte, um seine Position zu sichern. Als Anwalt hatte man nur bedingt Einfluss darauf, was die Menschen mit dem eigenen Rat so anstellten, und es war da manchmal schwer, zu sehen, wie sie sich selbst sabotierten. Und man hinterher noch mehr Arbeit hatte, das alles wieder hinzubiegen. Wenn das ging.
Aber gut, Furius Saturninus würde sich selbst zumindest ein wenig vor seiner liebesblinden Cousine schützen, und sollte das Mädchen gegen ihn vorgehen wollen in Zukunft, würde sie es sehr schwer haben. Sofern sie wieder auftauchte und mit ihrem Liebhaber nicht einfach irgendwo unter neuem Namen untertauchte. Solange kein Zensus anstand oder sie in rechtliche Schwierigkeiten gerieten, konnte man sich ja gut als Peregrinus ausgeben und einfach von der Bildfläche verschwinden. Nur welcher Römer wollte sowas schon? Die meisten bevorzugten da doch den endgültigeren Ausweg durch das Schwert. Aber gut, Frauen, die verstand ich sowieso nicht.
“Denkst du denn, dass irgendjemand deinem Antrag entgegentritt und behaupten würde, deine Cousine sei nicht verrückt? Wen du als Zeugen für deine Behauptung ihres Wahnsinns beiholst, bleibt ganz dir überlassen. Es kann dich niemand zwingen, da die Sklavin dafür zu benennen, zumal Sklaven ohnehin nicht gegen ihre Herren aussagen dürfen. Solange deine Cousine in ihrem Wahn niemanden ermordet, kannst du die Sklavin einfach angekettet lassen und mit ihr machen, was du willst. Mit der Cura Furiosi geht sie dann ohnehin treuhänderisch in deinen Besitz über, so dass du noch mehr Handhabe über sie hast als durch die tutela mulierum. Du könntest sie also sogar verkaufen oder in die Minen schicken, wenn du das dann möchtest.“
Ich zuckte die Schultern. Ich hätte wenig Bedarf für eine Sklavin, die ihre Herrin von so einem Unfug nicht abzuhalten versucht hätte. Und da sie in Ketten lag, nahm ich an, dass sie sogar noch mehr angestellt hatte.
Den Gefallen wiederum nahm ich gerne an. Wahrscheinlich würde cih ihn nie gebrauchen, da ich schlicht selten irgend etwas brauchte. Aber besser einen haben und nicht brauchen, als anders herum.
“Nun, ich helfe gerne, wenn ich kann. Ich mag das römische Recht und rede gerne darüber“, sagte ich also, als Furius Saturninus den Abschied einleitete.
“Möchtest du noch etwas von dem Firlefanz, den Leander entgegen aller Anweisung trotzdem gebracht hat, bevor du dich wieder auf den Weg machst?“ erinnerte ich mich an meine Gastgeberpflichten, ohne gleichzeitig auf den Tadel an Leander zu verzichten. Denn ja, ich erinnerte mich durchaus noch daran, dass wir gesagt hatten, nichts essen zu wollen, er es aber mal wieder besser gemeint hatte.
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03-14-2023, 05:00 PM,
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RE: Bibliotheca | Eine kleine Rechtsberatung
"Natürlich", antwortete Saturninus, während ihm Plautius Seneca mit der ebenso unbestechlichen wie unbarmherzigen Logik eines Rechtsgelehrten immer weitere mögliche Schicksale für die letzte Furierin offenbarte: Die Minen. Sklaverei.
"Sie ist nicht auf...diese Weise wahnsinnig. Sie wird keinen umbringen", versicherte er:
"Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass jemand Stellas Partei ergreift - und das obwohl sie auch ihn beleidigt hat. Um es deutlicher zu machen und ich hoffe, dass das unter uns bleibt, das ganze Gespräch...", Plautius traf ein rascher Blick. Er sollte sich mal nicht täuschen. Saturninus war nur in Bezug auf Stella - Blut ist dicker als Wasser etc - sentimental:
" Der Militärtribun Iulius Cato und ich kennen uns schon seit unserer Kindheit. Wir waren früher Konkurrenten - du weißt ja wie das ist: Die Erwachsenen sehen ganz gerne, wenn Jungen miteinander im Wettstreit stehen. Das formt Charakter und Durchsetzungsvermögen. Wir sind nun beide in Iscalis, und leider ist daraus eine handfeste Abneigung geworden. Unter anderem auch deshalb, weil Stella den Patrizier als Bewerber um ihre Hand nicht haben wollte",
Saturninus zuckte die Schultern. Der andere Grund war ein kleiner Streit um die Gunst eines gutaussehenden Wagenlenkers, der jedoch in seinem, Saturninus, Besitz war. Aber das war nicht wirklich ein angemessenes Thema in eher konservativen Kreisen:
" Zumindest habe ich ihn zu meiner Verlobung eingeladen, und ich hoffe sehr, dass er die Einladung annimmt. Ich wünsche eine Versöhnung. Würde Cato jedoch Stella verteidigen und die Geschichte verbreiten, hätten wir einen Skandal. Und dann würde man sich auch anderswo nach fast zwei Jahren der Unsichtbarkeit wieder an die Gens Furia erinnern",
Anderswo, sagte er. Und er meinte Rom.
Eine kurze Pause entstand, die von Plautius Seneca mit dem Hinweis auf die von seinem Hausverwalter gebrachten Leckereien gefüllt wurde.
"Ich möchte nichts, danke. So deliziös es auch aussieht. Ich habe schon befürchtet, dass mir das höchst unangenehme Thema später auf den Magen schlägt und zuhause gegessen. Aber darf mein Scaevus ein wenig davon haben?", Saturninus deutete auf seinen Schreiber.
Der Sklave hatte alles Besprochene mit der linken Hand in Spiegelschrift stenographiert, was einen Beobachter meist irritierte. Doch ab und zu hatte er einen sehnsüchtigen Blick auf das Tablett geworfen.
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03-15-2023, 09:21 PM,
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RE: Bibliotheca | Eine kleine Rechtsberatung
Oh, Götter, vor Politik und Querelen blieb man wohl nicht einmal in der äußersten Provinz verschont. Furius Saturninus hatte also einen Rivalen, der sich von seiner Cousine zwar zurückgesetzt fühlte, aber dem Furier dennoch einen Strick drehen könnte. Scheinbar waren die Menschen überall gleich: Heimtückisch, egoistisch und ehrpusslig. Vielleicht musste ich doch noch auf eine einsame Insel ziehen. Wobei Leander mit seinem Genörgel in dem Fall vermutlich auch nicht besser wäre. Ein Elend, dass man zwar ohne Freunde leben konnte, aber nicht ohne Sklaven oder Nachbarn.
“Nun, wenn er sieht, dass seine frühere Angebetete jetzt weit unter Stand mit einem beinahe-Peregrinen durchgebrannt ist, ist er vielleicht auch froh, diesem Damoklesschwert entgangen zu sein.“ Denn auch, wenn ich das freilich nicht sagte, war ja klar, dass eine Frau, die ihre eigene Familie nicht respektierte und eigensinnig durchbrannte, vermutlich vor einem Ehemann auch nicht Halt gemacht hätte und ihm mit ziemlicher Sicherheit Hörner aufgesetzt hätte. Und diese Schande wäre wohl schlimmer gewesen als ein abgelehnter Antrag.
“Je nach dem, wie gut deine Verbindung zum Statthalter ist, musst du dein Problem ja nicht öffentlich machen. Das geht auch sehr diskret, wenn der Statthalter mitspielt. Du brauchst keinen großen Prozess mit vielen Zeugen und geschworenen und all dem. Du benötigst nur das entsprechende Schriftstück, dass dich zum Curator und deine Cousine zur Furiosa macht. Und da es sich um eine Frau handelt, sollte er dir da doch am ehesten zustimmen, ohne großes Aufhebens drum zu machen. Bei einem Mann in Ämtern wäre das etwas anderes, aber so? Du machst einfach eine Reise nach Londinium – oder wo auch immer der Statthalter grade ist – und lässt dir das Dokument geben, und dieser Iulius Cato muss es gar nicht erfahren.“
Es sagte ja niemand, dass hier in Iscalis deshalb öffentlich verhandelt werden musste. Gerade bei Dingen, die die Familie betrafen und bei der Frauen involviert waren, waren die meisten Statthalter und Praetoren doch so pietätvoll, die Sache diskret und leise zu regeln. Sogar Mörderinnen wurden häufig genug ihren Familien übergeben, damit diese sie diskret zuhause erwürgen konnten und die Schande so in Grenzen gehalten wurde.
Als Furius Saturninus dann für seinen Sklaven fragte, machte ich eine joviale Handbewegung. “Selbstverständlich. Hier im Haus soll niemand hungern.“
Leander nahm das Stichwort gleich auf und griff nach dem Tablett, um es mit langjähriger Übung dem soeben genannten Scaevus zu präsentieren.
“Bitte sehr. Wir haben frisches Brot mit Moretum, mit Pinienkernen gefüllte Eier, Datteln mit Speck und Käse, etwas fein aufgeschnittenes Fleisch in einer süßen Sauce und glasierte Möhren und Pastinaken. Nimm dir, was dein Herz begehrt“, präsentierte er das Essen, während ich mich zum einen fragte, wieviel das gekostet hatte, und zum anderen, woher das Thermopolium hier in Iscalis DATTELN hatte. Ich dachte besser weder über das eine, noch über das andere zu sehr nach.
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03-16-2023, 04:18 PM,
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RE: Bibliotheca | Eine kleine Rechtsberatung
Saturninus hob den Kopf und einen Moment lang traf den Plautius ein prüfender Blick: "Meine Cousine ist kein Damoklesschwert", sprach er mit einer gewissen Schärfe in seiner Stimme: "Furia Stella ist sehr schön. Sie ist gebildet. Die Gens Furia ist ehrwürdiger als die Iulia, die überhaupt erst mit dem göttlichen Iulius Caesar ins Licht der Geschichte getreten ist, wenn man es genau nimmt. Cato wäre ihrer nicht würdig gewesen"
Eigentlich war Stella zu gut für fast jeden. Um so schmerzhafter, dass sie sich unter Wert verschenkt hatte. Doch so sehr er sich selber darüber aufregte - kein anderer durfte das einfach so tun:
"Ich kannte nur den Vorgänger des Statthalters persönlich" Saturninus war als Princeps Officii der Vorsteher seiner hiesigen Zivilverwaltung :
"Es gab noch keinen Grund, weshalb der Neue hierher nach Iscalis gekommen wäre. Doch er ist ein Sohn des Consulars Claudius Menecrates und damit fast so etwas wie mein zukünftiger Verwandter, also werde ich wohl auf ihn, sein Wohlwollen und seine Diskretion zählen können. Ich danke Dir für diese Beratung, nun sehe ich klarer",
er lächelte Seneca zu: "Und ich danke dir für deine Freundlichkeit gegenüber meinem Schreiber. Du hast den Herren gehört, Scaevus, suche dir also etwas von den Speisen aus"
Der junge Sklave verbeugte sich in Plautius Senecas Richtung. Dann holte er sich unter den Delikatessen eine Dattel und schob sie sich beinahe andächtig in den Mund. Datteln! Wie lange hatte er so etwas nicht mehr zu essen bekommen.
Saturninus schaute Plautius Seneca an: "Wenigstens einer, der sich heute freut", sagte er leise:
"Schon Cicero hat schon gesagt, dass ein Mann nur einen Garten und eine Bibliothek zum leben braucht, um zufrieden zu sein. Ich wünsche dir die ersehnte Ruhe und das Glück, an deinen Werken zu arbeiten. Vale bene, ehrenwerter Plautius Seneca"
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