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Normale Version: Bibliotheca | Eine kleine Rechtsberatung
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Natürlich hatte ich noch irgendwo im Hinterkopf, dass heute Furius Saturninus vorbeikommen wollte. Aber gerade im Moment, als er dann tatsächlich kam, war ich gerade in eine kleine Diskussion mit Leander verwickelt. Naja, was hieß Diskussion? Ich wollte noch schnell nur einen Absatz schreiben, und er hatte meinen Stylus verlegt – behauptete er zumindest, ich war ziemlich sicher, dass er ihn versteckt hatte, damit ich eben nicht jetzt ins Schreiben geriet. Ich war also gerade dabei, mich mit meinem Pfeifchen ein wenig zu beruhigen und ihn böse anzufunkeln, als Hector hereinkam und Furius Saturninus hereinführte.
Verdammt, dann musste ich mich jetzt zusammenreißen und konnte nicht aus lauter Frust meinem lieben Leander den Rauch ins Gesicht pusten, auch wenn ich gerne wollte. Ich brummelte nur kurz in Leanders Richtung, der sehr unschuldig tat, ehe ich mich meinen Gästen zuwandte.
“Salve, Furius Saturninus. Nimm doch bitte auch gleich Platz.“


[Bild: leanderplautiajndro.png]
Leander nutzte auch gleich die Gelegenheit, indem er an die wichtigen Kleinigkeiten dachte, die sein Dominus mal wieder vergaß. “Ich werde ein paar Erfrischungen bringen. Bevorzugst du roten oder weißen Wein, verehrter Furius? Oder lieber einen honiggesüßten Posca?“




Er wartete die Antwort ab, ehe er sich dann auch aus der Bibliothek kurz verabschiedete und damit meinem Pfeifenrauch entging. Cleverer Kerl. Ich war trotzdem grummelig, ließ mir aber nichts anmerken. Ich wollte nicht mehr daran denken und mich lieber meinem Gast widmen.
“Ich hoffe, du fühlst dich wohl, deine Frage in einer Bibliotheca zu stellen anstatt in einem Tablinum. Aber ich bevorzuge hier meinen bequemen Sessel, und außerdem kann ich so auch nachschlagen, falls deine Frage doch komplizierter sein sollte“, meinte ich ein wenig erklärend, während ich mich auch schon in meinem Lieblingssessel niederließ und meinem Gast so den anderen Sessel oder die einfache Sella als Auswahl übrig ließ. War das vielleicht nicht ganz so gastlich? Bestimmt. Aber das war halt MEIN Sessel! Und bei dem hörte jede Freundschaft einfach auch auf. Zumal der andere Korbsessel auch bequem war und der Holzstuhl eben ein normaler Klappstuhl war, wie ihn sogar die Aedilen benutzten, womit er nicht schlecht sein konnte.
>>> Saturninus blieb verwundert stehen, da er jetzt die berühmte Pfeife des Plautius Seneca einmal in Aktion sah. Plautius glich damit in seinem Augen einem unbekannten Gott, dem gerade Weihrauch dargebracht wurde. Hoffentlich war der Gott wenigstens gnädig gestimmt.

 Der Furier gab seinem Sklaven einen Wink, den Klappstuhl umzudrehen, der außer einem Korbsessel zur Verfügung stand.  Dort ließ er sich nieder und stützte die Ellenbogen auf die Lehne. Er fand das bequem; mochte man ihn auch bäurisch schimpfen:

"Salve Plautius Seneca, danke dass du mich so schnell empfangen konntest. Du bist gerade am Rauchen, sehe ich? Riecht nicht schlecht. Ein wenig wie in einem Tempel, dünkt mir.

Für mich nichts zu trinken oder zu essen. Und die Bibliothek ist ein sehr angemessener Ort,",

 Saturninus Augen blickten nun ernst:

"Ich bin leider heute nicht zu meinem Vergnügen hier - so sehr ich das Vergnügen deiner Gesellschaft schätze, verehrter Plautius Seneca. Ich hoffe, dass wir uns an einem anderen Tag wegen angenehmerer Dinge wiedersehen.
Ich werde mich ja mit einem Mündel von Consularius Claudius Menecrates verloben. Ich würde mich freuen, wenn du die Gesellschaft mit deiner Präsenz beehrt., Du hast eine Einladung. Aber genauso gut habe ich Verständnis, wenn du dir nichts daraus machst"

des Plautius Ansicht über gesellschaftiche Verpflichtungen im Allgemeinen und das weibliche Geschlecht im Besonderen kannte er ja; und er grinste einen Moment:

"Wenn du bereit bist, steige ich sofort ein", sagte er. 


[Bild: Scaevus-2-1.png]
Scaevus warf indes einen bedauernden Blick zur Tür, durch die Leander gerade verschwunden war.
“Dabei ist gar kein Weihrauch enthalten. Ist eine Mischung aus Petroselinon, Kirsche und noch irgendwas, das ich vergessen habe. Soll Gallensteinen vorbeugen“, erklärte ich mein Pfeifchen, auch wenn die Wahrheit weniger die Gallensteine waren, sondern mehr, dass es gut schmeckte und grade da war.

Der Furier setzte sich, kam dann aber gleich erst einmal auf die Einladung zu sprechen. Ich hatte gehofft, das ganze Thema einfach totschweigen zu können, denn ich hatte nicht vor, mich im hiesigen Sozialleben, wie es so schön hieß, einzufügen und wieder dasselbe hier anzufangen, was ich in Rom grade aufgegeben hatte. Denn ich wusste, wozu sowas führte: Klienten, weitere Feiern und weitere Bittschriften. Und außerdem, es war eine Verlobung! Ich musste nicht Zeuge sein, wie ein weiterer, junger Mann sein Schicksal besiegelte und sein Glück für ein paar hübscher Beine aus dem Fenster lag – sofern die Braut sowas überhaupt hatte.
Aber so viel Glück war mir wohl einfach nicht vergönnt. Zum Glück war Leander grade nicht da, der sonst sicherlich wieder irgendwas schrecklich Dummes gesagt hätte, wie dass ich gerne kommen würde oder sowas. “Ich weiß die Einladung sehr zu schätzen, geehrter Furius Saturninus, und sei dir sicher, dass du meine besten Wünsche für deine Verlobung und spätere Ehe hast“ – die miteinschlossen, dass sich sein Eheweib anders als meines sehr bald zu einem ruhigen Leben allein auf dem Land entscheiden möge, so dass der arme Mann Zeit für alles wichtige hatte, ohne den Stress eines Eheweibes um sich – “aber ich denke, so eine Feier ist eher etwas für die jungen Leute, die noch Kontakte knüpfen, um in ihrer Karriere voranzukommen, und weniger für alte Brummbären wie mich.“ Ja, das war wahr UND diplomatisch. Ich war recht stolz auf mich.

“Aber lass uns von deinem Fall reden. Worum geht es denn?“

In dem Moment kam auch Leander wieder zurück, der natürlich mal wieder alle Wünsche galant ignoriert hatte und trotzdem ein Tablett dabei hatte, auf dem ein Krug stand und ein Teller mit allerlei Kleinigkeiten, von denen ich nicht einmal eine Ahnung haben wollte, woher er die hatte, da wir noch keine Köchin hatten. Wahrscheinlich hatte er mit der Betreiberin des nahen Thermopoliums was am Laufen oder so. Aber immerhin stellte er das Tablett auf meinen Lesetisch am Rand – dieser Schuft! Da waren DATTELN mit Speck dabei, die ich bis hier her riechen konnte – und nicht direkt zu uns, während er sich still wie ein Schatten dazustellte und einfach wartete, ob sich jemand von uns doch erweichen ließ, etwas zu wollen.
"Mein zukünftiger Schwiegervater ist auch nicht mehr der Jüngste, und meine Tante Calva dito", erwiderte Saturninus: "Aber ich respektiere deinen Wunsch, Dich ganz dem Privatleben zu verschreiben. Um so dankbarer bin ich Dir, dass Du mich zu diesem Vieraugengespräch eingeladen hast"

Dem war wirklich so, und deshalb wollte er geradewegs auf das Thema lossteuern, als Senecas Leander mit einer Fülle Leckereien auf einem Tablett erschien. Das brachte den Furius zum Schmunzeln:

"Sklaven", sagte er mit jenem Unterton, mit dem man manchmal auch über die kleinen Streiche der Kinder im Haus sprach:
"Was wären wir ohne sie?"

Nach wie vor aß er aber nichts:
"Es geht um meine Cousine Furia Stella. Sie war als ganz junge Frau in einer Manusehe verheiratet, und ihr Mann ist früh gestorben, weshalb sie dann wieder ins Haus ihres Vaters zurückkehrte. Die Ehe war kinderlos.  Ihr Vater wiederum bestimmte auf dem Totenbett mich zu ihrem Vormund. Es ging ihm wohl darum, dass seine unerfahrene junge Tochter nicht alleine stände mit der Verwaltung ihres Vermögens. Eine Bedingung hat er mir auferlegt: Stella sollte nie gegen ihren Willen verheiratet werden. Ich habe ihr durchaus einige standesgemäße Partien vorgeschlagen, doch sie hat sie immer verschmäht. Als sie in das entsprechende Alter gekommen ist, habe ich die Strafsteuer bezahlt. Da ich den Willen ihres Vaters tat, hätte ich sie nie gezwungen"
Saturninus machte eine Pause. Scaevus schrieb noch nicht; das würde er erst tun, wenn Plautius Seneca etwas dazu sagte:
"Nun gut, vor einigen Monaten kam ein gewisser Gabinius Secundus in die Stadt, um das Veteranenland seines Vaters zu bewirtschaften. Der Vater war bei der Flotte, und hat erst nach seiner ehrenvollen Entlassung das Bürgerrecht für sich und seine Kinder erhalten. Sie sind germanischen Ursprungs; den Namen Gabinius hat erst der Vater angenommen.
 
Dieser Gabinius hat Stella auf dem Marktplatz das Leben gerettet, in dem er einen wilden Stier oder Ochsen gebändigt hat, der sich losgerissen hatte. Leider ist meine Cousine eine zwar gebildete, jedoch schwärmerisch veranlagte Frau und glaubte dann, dass sie sich in Gabinius verliebt hätte. 

Beide haben mir gesagt, dass sie heiraten wollen. Das hatte ich verboten. Stella bekam Hausarrest, damit sie zur Vernunft kommt", Saturninus legte die Hände aufeinander, so dass die Fingerknöchel weiß hervortraten:
"Das Ende vom Lied: Sie sind zusammen durchgebrannt. Ich lasse sie suchen, aber bisher habe ich nichts Offizielles unternommen. Sie scheinen wie vom Erdboden verschluckt"

Saturninus hob den Kopf und nun schaute er finster drein:
"Gabinius weiß es vielleicht nicht, aber Stella ist labil und von zarter Gesundheit. Wenn ihr was zustößt, bringe ich ihn um"
“Du meinst eine Manus-freie Ehe“, korrigierte ich den jungen Furius, weil alles andere keinen Sinn machte. Abgesehen davon, dass schon zu Zeiten der ausgehenden Republik kaum mehr Manus-Ehen geschlossen worden waren und das ein Relikt aus den Anfängen und der Königszeit war, wäre seine Cousine nicht länger seine Cousine, wenn sie in einer Manus-Ehe verheiratet gewesen wäre. Sie wäre – rechtlich gesehen – zur Tochter ihres Ehemannes geworden und damit bedingterweise ihrer ursprünglichen Familie entrissen. Sie hätte nicht unter die Gewalt ihres Vaters zurückkehren und von ihm erben können, wenn er sie nicht später wieder zurück-androgiert hätte, was ein wahnsinniger Verwaltungsakt vor dem Prätor gewesen wäre. Ebenfalls mit ein Grund, warum Manus-ehen fast nie praktiziert wurden. Sie machten die Sache nur unnötig kompliziert, enterbten die Frau de facto, was ihre ursprüngliche Familie anging, machten sie dafür aber zur Erbin ihres Ehemannes. Und eine Scheidung unter solchen Umständen war ein rechtlicher Albtraum. Das einzige, was noch schlimmer war, waren die ganzen Riten, die bei einer confarreatischen Ehe noch dranhingen, aber selbst da überließ kein Vater von auch nur halbem Verstand seine Tochter einfach einem Ehemann.

Der Rest der Begleitumstände war rechtlich eher weniger interessant. Sie hatte sich also in einen Kerl unter ihrem Stand verliebt und war mit ihm durchgebrannt. Sowas kam vor, wenn man Frauen zu sehr verhätschelte. Mit ein Grund, warum ich meine Töchter beide recht rasch verheiratet hatte. In einer Ehe waren sie beschäftigt und kamen nicht auf solche idiotischen Ideen.
“Nun, solange niemand diesen Verführer verteidigen würde, könntest du das tun. Oder wenn du sie inflagranti erwischt, wobei du dann besser einen Zeugen dabeihaben solltest, der bezeugt, dass du es tun musstest, um die Familienehre zu rächen und den Schänder zu bestrafen“, sinnierte ich halb ernst, halb im Scherz, als der Furier sagte, er wolle den Mann töten. Aber ja, sowas kam reichlich oft vor, und wer würde schon Anklage erheben in einem solchen Fall? Vorausgesetzt, die Cousine war nicht heimlich als Lupa verschrien und daher selbst unredlich. Aber sogar der göttliche Augustus hatte in seiner Ehegesetzgebung durchaus einige Fälle vorgesehen, in welcher der Vater den Liebhaber der Tochter erschlagen durfte. Als Tutor hatte er dieses Recht jetzt nicht unbedingt, aber das konnte man vor Gericht hinreichend darlegen im Fall der Fälle, dass eben jene Sorge vom Vater an den Tutor ebenfalls übergegangen sei.

“Aber sag mir, Furius, was du zu tun gedenkst, damit ich weiß, in welche Richtung mein Ratschlag für dich gehen soll. Ich nehme nicht an, dass du gekommen bist, weil Mord an diesem Germanen das einzige ist, woran du denkst, oder?“ Wissen konnte man sowas schließlich nie.
"Hatte ich Manus gesagt?", fragte Saturninus und griff sich an den Kopf: 
"Da siehst du, wie mich die ganze Sache aufregt. Und ja, dies ist schon meine erste Frage: Kann sich Gabinius, falls er und Stella es schaffen, sich ein Jahr versteckt zu halten, an ihr Manus ersitzen? Oder ist das nicht möglich, weil  auch keine gültige Ehe besteht? Wenn ich davon ausgehe, dass sie durchgebrannt sind, kann man das als Wille zur Ehe werten? Oder wäre es besser, davon auszugehen, dass Gabinius meine Cousine entführt und einer unbescholtenen Bürgerin Gewalt angetan hat? 
Ich hoffe sehr, dass es Stella gut geht. Und nein, wenn ich sie unversehrt zurück bekomme, will ich die Kanaille auch nicht umbringen. Zumal mich dann wohl seine Schwester und ihre Germanensippe verfolgen würde. Das sind Wilde, die bestehen auf Blutrache", zumindest  wollte er Gabinius nicht erledigen, wenn er ihn und Stella NICHT in flagranti zusammen auf dem Lager sah, in diesem Fall hätte er nämlich für nichts garantieren können:
" Was ich also möchte? Ich möchte Stella wieder haben. Sie würde ich zurück nach Tusculum auf unseren Stammsitz schicken. Meine Männer fahnden bereits nach ihnen, und ich hoffe, dass sie sie aufstöbern. Gabinius soll nur das erleiden, was auch das Gesetz für ihn vorsehen würde. Was wäre das im besten Fall?"
Er schaute Plautius Seneca interessiert an. Wäre die Strafe zu wenig, konnte man sie immer noch händisch nachkorrigieren.
“Sie ist Witwe, die bis dahin einen untadeligen Lebenswandel hatte und er hat sie verführt. Das ist wohl unstreitig, unbeachtet der Begleitumstände. Daher kann er nach Lex Iulia de adulteriis coercendis in jedem Falle auf stuprum angeklagt werden, und eine Verteidigung dagegen dürfte wohl reichlich schwer fallen. Immerhin hat er sie ja offensichtlich verführt. Das würde bedeuten, dass er die Hälfte seines Vermögens verliert und auf eine Insel verbannt wird. Allerdings könnte deine Cousine dann auch als Mittäterin in Betracht kommen, was hieße, dass sie dann auf eine andere Insel verbannt werden würde und ein Drittel ihres Vermögens an den Staat einbüßt.“
Ich nahm ein paar Züge aus meiner Pfeife, während ich vor mich hinsinnierte. “Ist sie hingegen das Opfer, käme auch eine Anklage nach Lex Iulia de vi infrage. Dann wäre er ihr Vergewaltiger, und würde entsprechend dem Gesetz zum Tod verurteilt. Ich müsste nochmal genau nachsehen, aber ich glaube, wilde Tiere in der Arena ist da das übliche, keine schlichte Enthauptung. Seit spätestens Caligula sind ja solche Dinge immer sehr beliebt. Allerdings könnte es dann dazu kommen, dass deine Cousine gefragt wird, ob sie ihrem Vergewaltiger vergeben möchte, indem sie ihn heiratet, wodurch die vorherige Gewalt dann zu einem ehelichen Akt – wir Juristen nennen es – geheilt wird. Allerdings möchtest du eben das ja nicht, und als ihr Tutor hast sowieso nur du das Recht, für sie vor Gericht zu sprechen. Frauen ist sowas ja genau wegen solcher Dinge zurecht verboten.

Ersitzen kann er sich das Recht an ihr nicht, da keine gültige Ehe ohne Konsens zustande kommen kann. Sie hat ihren Konsens zwar durch Handlung erklärt, aber als Frau kann sie so eine Entscheidung nicht alleine treffen. Wenn sie klug ist, versucht sie, nach Londinium zum Statthalter zu kommen und in seiner Eigenschaft als stellvertretender Prätor für diese Provinz sein Einverständnis zur Ehe zu bekommen. Durch ein ordentliches Gerichtsurteil könnte deine Stimme da schlicht durch die des Prätors ersetzt werden. Aber ich nehme mal an, dass weder der Germane, noch deine Cousine über solche Feinheiten Bescheid weiß. Solange sie also keinen gerichtlichen Beschluss haben, der ihr die Ehe erlaubt, kann das keine gültige Ehe sein, und du hast jedes Recht, mindestens zu fordern, dass er irgendwo auf einer einsamen Insel versauert, wo sie nicht hingehen darf, da er sonst getötet würde, weil er gegen sein Urteil, sie nicht mehr zu sehen, verstößt.
Unschön wird die ganze Geschichte natürlich, wenn er es in der Zwischenzeit schafft, sie zu schwängern. Ein uneheliches Kind ist zwar kein Weltuntergang, aber an dem Ruf deiner Cousine könnte das ziemlich zehren.“


Ich überlegte noch weiter, was noch in Betracht kommen könnte. Immerhin kamen hier verschiedene Dinge zusammen. "Du könntest auch eine Klage wegen Plagium, also Entführung mit böswilliger Absicht, in Betracht ziehen. Da wäre die Strafe üblicherweise für einen humilior wie den Plebeier die Kreuzigung oder eine Verurteilung zu den Minen. Wär das nicht irgendwie ironisch, wenn er dafür hier in der Bleimine die nächsten zehn Jahre arbeiten müsste, sofern er so lange lebt?"
Saturninus stützte sein Kinn auf seine Hände: "In welche Niederungen menschlicher Verhaltungsweisen muss man da steigen", sagte er ehrlich erschüttert: "Eine Insel für Gabinius wäre nicht schlecht, aber für Stella: Nein. Und sie würde schon lautstark verkünden, dass sie ganz und gar freiwillig mit dem Mann mitgegangen ist. Und natürlich würde sie ihn heiraten, um ihn vor wilden Tieren oder sonst was zu retten. Das ist es ja gerade! Dann hätte sie ihren Willen.
Ich weiß nicht, ob der Praetor....", sich so gegen mich stellen würde, wollte er sagen, aber der nächste Satz machte ihn noch nachdenklicher. Dabei war der Sachverhalt naheliegend, wenn zwei Verliebte türmten:
"Falls meine Cousine schwanger wird - was wäre das dann für ein Kind?", fragte er: " Verzeih mein Unwissen, doch ich kann nur sagen, dass bei den Frauen meiner Familie solche ... Auswüchse bis dato einfach noch nie vorgekommen sind.
Und Kreuzigung oder Minen für Gabinius, so sehr mich der Gedanke belustigt;- Stella und Clara - Clara ist Gabinius Schwester und entschieden zu vorlaut für eine junge Frau - würden keine Ruhe geben, mich als den bösen herzlosen Haustyrannen anzuprangern. Ich möchte einfach nur Ruhe und Harmonie unter meinem Dach."
er seufzte:
"All das wäre doch ein gefundenes Fressen für die Klatschmäuler?", ein neuer Gedanke kam ihm und er fragte:
"Könnte ich Stella nicht einfach verstoßen? Und ihr verbieten, jemals wieder nach Iscalis zurück zu kommen? Wäre sie dann die Konkubine von Gabinius? Und würde ihr Vermögen an mich oder an den Staat fallen?"
Es war nicht ganz einfach, dem Furier zu helfen, da er viel zu nachsichtig mit seiner Cousine war. Sie hatte die Familienehre beschmutzt und tanzte ihm offen auf der Nase herum, und er machte sich Sorgen, dass sein Ruf leiden könnte, wenn sie sich über ihn beschwerte? Verkehrte Welt. Sie sollte froh sein, wenn er sie nicht erdrosselte. Ich würde das mit meinen Töchtern machen, wenn die solchen Unfug treiben würden. Naja, gut, vielleicht auch nicht, aber den Hintern mit einer Gerte versohlen und sie dann auf eine Insel verbannen, ganz sicher.
Aber dieser Wein war wohl schon längst verschüttet worden, so dass man jetzt nur noch aufwischen konnte. “Falls deine Cousine schwanger wird, bekommt sie ein uneheliches Kind. Es wird Plebeier werden, da der Vater Plebeier ist, auch wenn es deinen Familiennamen trägt. Es wird weder vom Vater, noch von der Mutter voll erbberechtigt sein sondern wie ein außenstehender Dritter erben. Es wird keine Priesterämter anstreben können oder eine senatorische Karriere. Und natürlich wird es dem Ruf deiner Familie nicht gerade zuträglich sein. Aber mit etwas Glück wird es nur ein Mädchen, das man dann eben bald verheiratet.“ Ja, Mädchen waren da etwas einfacher, die wurden geschichtlich eher vergessen. Uneheliche Söhne hingegen waren da eine andere Sache. Allerdings kamen die so häufig vor, dass wir Römer dafür einen eigenen Praenomen erfunden hatten: Spurius. Der nichts anderes bedeutete als eben Bastard oder Hurenkind.
“Da du nicht ihr Vater bist, sondern nur ihr Vormund, ist das mit dem verstoßen nicht ganz so eindeutig. Also, natürlich könntest du das machen, wenn du sie gänzlich aufgeben willst. Wer sollte dich deshalb anklagen und worauf? Sie hat keine Ansprüche. Man könnte sogar argumentieren, dass sie ihren Besitzungen durch ihre Flucht gänzlich und freiwillig entsagt hat. Wenn du auf Nummer sicher gehen willst, dass sie nicht doch noch auf irgendwelche Ideen kommt, indem sie einen Fürsprecher findet, der gegen dich Klage führt, kannst du sie auch für verrückt erklären lassen. Wenn du die cura furiosi über sie erlangst, dann geht ihr Eigentum treuhänderisch ganz auf dich über und du erbst es schließlich mit ihrem Tod. Das Ganze würde das Verbrechen des Gabinius auch noch etwas abscheulicher machen, da er eine Person entführt und verführt haben würde, die nicht in der Lage ist, die Konsequenzen ihres Handelns abzuschätzen. Zudem würde sie absolut unfähig, eine Ehe eingehen zu können. Selbst der Statthalter könnte sie also nicht erlauben, da sie als Person niemals fähig sein wird. Allerdings ist dieser Zustand recht endgültig und es würde eines weiteren Gerichtsurteiles bedürfen, das sie für geheilt erklärt, sollte sie irgendwann wieder zu sich kommen.
Das hätte ebenfalls den Vorteil, dass sie weder Einspruch einlegen kann, wenn du gegen den Gabinius vorgehst, noch ihn dann von seiner Strafe irgendwie befreien könnte, noch Gefahr einer Mittäterschaft laufen würde.

Aber wie gesagt, das alles würde sowieso nur gelten, wenn du Angst hast, jemand könnte dich verklagen. Wenn sie verschwunden ist und verschwunden bleibt, und du ihr Vermögen einfach übernimmst, wer könnte denn dagegen klagen?“
Saturninus nickte und dachte an eine schwangere Stella. Wenn sie im Kindbett sterben würde?  Das hätte die Lösung seines Problems sein können, aber zu seiner Überraschung fühlte er nicht so, sondern eine tiefe Besorgnis. So viele Frauen kamen bei der Geburt eines Kindes um. Und Stella war zart und mit diesem Wilden unterwegs. Irgendwann während ihres Streits hatte Stella ihn einmal gefragt, ob es ihm lieber wäre, wenn sie tot sei. Diese Frage konnte er jetzt verneinen.
"Sie wird zumindest in Britannia keinen finden, der sie verteidigt - es sei denn, sie überzeugt dich, werter Plautius Seneca", erwiderte Saturninus und schenkte ihm einen raschen, prüfenden Blick. Mochte sein, dass der Rechtsgelehrte ihn für einen Schwächling hielt. 
Er war nicht Lucius Verginius und Stella keine Verginia.  Er und Stella waren beinahe die letzten ihrer Familie.  Seit Saturninus siebzehn Jahre alt war, hatte es nur tote Furier gegeben, auf dem Schlachtfeld oder zum Suizid gezwungen. Er war nun hier in Iscalis, und er war es bitter Leid. 
"Ich denke ja, ich werde sie verstoßen, da sie ihr Heim böswillig verlassen hat. Sie ist verrückt - verrückt aus Liebe. Aber wiederum nicht so verrückt, als dass sie nicht einen Großteil ihres Barvermögens mit sich genommen hat, um für sich und ihren Liebhaber zu sorgen. All ihr sonstiges Handeln ist durchaus konsequent und nicht wahnsinnig"
Vermutlich würden Gabinius und Stella wegen des Geldes, falls das der Falsche mitbekam, eher von Räubern als von ihm erschlagen werden:
"Aber ich werde die Möglichkeit, sie als wahnsinnig zu erklären im Hinterkopf behalten, falls sie die Frechheit besitzt, ihr restliches Vermögen in Anspruch nehmen zu wollen.  Eine junge ehrbare Frau, die ein unstetes Leben mit einem Halbgermanen ihrem sicheren römischen Heim und ihrer Familie vorzieht, kann ja nur den Verstand verloren haben. Danke für diesen Hinweis"
Eine weitere Frage kam ihm in den Sinn: "Wer hätte die Gewalt über solch ein uneheliches Kind? Was würde geschehen, wenn Gabinius es anerkennt oder gar adoptieren möchte? Würde es dann nicht ein Gabinier werden so wie mein Kind mit meiner Sklavin Brigantia ein Furius sein wird?"
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