01-25-2025, 10:44 PM,
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Furiana Nivis
Flüchtling aus Éire
   
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RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Ich lächelte, als Saturnus auf mich zueilte, voller Begeisterung und mit einer Freude, die ansteckend war – oder zumindest sein sollte. Er wirbelte mich herum. Seine Stimme war übersprudelnd vor Aufregung. Er hatte ein Boot gefunden. Ein Boot, das uns nach an Róimh bringen würde. An Róimh. Allein das Wort ließ mein Inneres beben.
Ich zwang mich, ihm zuzuhören, zwang mich, seine Worte mit einem Nicken zu begleiten. "Ein Boot?", fragte ich, mehr, um ihm zu zeigen, dass ich da war, als aus echtem Interesse. "Das klingt … großartig, mo chroí ." Meine Stimme klang ruhig, sogar warm. Aber in meinem Inneren wuchs die Angst, die so greifbar war, wie das Gewicht seines Armes, der mich umschlang. Ich liebte ihn. Daran bestand kein Zweifel. Und ich wusste, dass er in dieser kleinen Hütte niemals zufrieden sein würde, auch wenn er es nicht sagte. Sein Herz gehörte an Róimh, so wie meines diesem Land gehörte – den grünen Wiesen, dem Meer und dem Wind, der über die Hügel jagte.
"Wenn du meinst, dass wir gehen sollten", sagte ich schließlich und hob meinen Blick zu ihm, "dann werde ich bei dir sein. Wohin auch immer wir gehen."
Aber als ich allein unsere wenigen Dinge zusammenpackte, fühlte ich den Abschied in meinen Knochen. Jede Bewegung wurde schwerer, jeder Blick auf die vertrauten Dinge, die wir zurücklassen würden, schmerzte. Diese Hütte war unser Schutz gewesen, unser Ort, an dem die Welt uns vergessen hatte. Wie könnte ich je darauf hoffen, dass an Róimh uns das Gleiche bieten würde?
Ich folgte ihm, wie ich es seit unserer Flucht immer getan hatte. Doch kurz vor dem Waldrand hielt ich inne. Ich drehte mich um und blickte ein letztes Mal auf die Hütte. Der Morgen war still, nur das entfernte Rauschen der Wellen drang zu mir durch.
"Leb wohl", flüsterte ich, während meine Hand unwillkürlich auf meinen Bauch glitt. Was für ein Leben würde mein Kind führen, weit weg von den grünen Hügeln Éires, die mein Innerstes prägten? Die Tränen kamen plötzlich, heiß und ungefragt. Ich wischte sie fort, bevor Saturnus sie sehen konnte. Er durfte nicht wissen, wie sehr es mir das Herz brach, fortzugehen. Mit einem letzten Blick auf die Hütte wandte ich mich um, dann ritten wir davon.
"Zeig mir dieses Boot, Saturnus", sagte ich, als wir die Küste erreicht hatten. Das Boot war vollkommen aus Holz und auf ihm waren seltsame Zeichen gemalt. Es machte nicht gerade den Eindruck, als könne es einer größeren Welle standhalten. "Sollten wir nicht lieber ein Curragh nehmen, das uns sicher übers Meer bringen wird?" Mit den Booten, aus einem leichten Holzgerippe, das mit Leder überzogen und mit Harz getränkt worden war, trotzen die Fischer oft den schlimmsten Launen des offenen Meeres.
~~~
Das Verschwinden der Königin und ihres Sklaven hatte das Land in Aufruhr versetzt. Niamh, die strahlende Herrscherin, war während der Jagd spurlos verschwunden, und niemand wusste, ob sie freiwillig gegangen war oder ob ein Verbrechen geschehen war. Súileabhán, ihr einstiger Verlobter und Anführer ihrer Krieger, bemerkte ihr Fehlen noch vor dem Ende der Jagd. Er ließ keine Zeit verstreichen. Boten wurden ausgesandt, um das ganze Land zu alarmieren, während die besten Späher und Krieger beauftragt wurden, die Königin und ihren Sklaven aufzuspüren. Doch trotz tagelanger Suche blieb jede Spur verborgen, als hätte der Nebel sie verschluckt. Gerüchte machten die Runde – von Entführern, die mit dem Schiff geflohen waren, bis hin zu Geschichten über eine magische Verwandlung.
Mit der Zeit begann das Volk unruhig zu werden. Ohne eine Königin geriet die Ordnung ins Wanken, und schließlich, nach Wochen ohne ein Lebenszeichen von Niamh, erhob Súileabhán selbst Anspruch auf die Königswürde. Als neuer Herrscher übernahm er die Verantwortung, das Land zu stabilisieren.
Ein halbes Jahr nach ihrem Verschwinden entschied Súileabhán, mit seinen Kriegern durch das Land zu reiten, um seine Macht zu demonstrieren und das Vertrauen seines Volkes zu stärken. Niamhs treue Hunde begleiteten ihn auf diesem Zug, als stumme Erinnerung an die einstige Königin.
Als sie eines Tages die Küste erreichten, brach plötzlich Unruhe unter den Hunden aus. Die Tiere hatten die Nase tief am Boden, zogen an den Leinen und schnappten aufgeregt nach der salzigen Meeresluft. Súileabhán beobachtete sie mit wachsendem Interesse. "Was ist los mit ihnen?" murmelte er, als die Tiere sich nicht beruhigen ließen.
Der Sklave, der die Hunde hielt, schüttelte den Kopf. "Ich weiß es nicht, Herr. Aber sie haben eine Fährte aufgenommen. Sie ziehen alle in dieselbe Richtung."
Súileabhán folgte den Tieren, die unermüdlich vorwärts strebten, bis sie eine abgelegene Stelle am Strand erreichten. Zwischen rauen Felsen und einem alten hölzernen Boot, stand eine Frau und ein Mann, mit dunklem Haar und vollem Bart. Ihre Gestalt war aufrecht, wie ein Abbild der Königin. Doch der Kleidung nach war sie eine einfache Bäuerin. Ihr langes rotes Haar leuchtete im hellen Schein der Sonne.
"Niamh…" Súileabháns Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch die Hunde stürzten sich bellend auf sie zu, schwänzelnd und heulend vor Freude. Die Frau hob den Kopf, und für einen Moment trafen sich ihre Blicke.
Es war tatsächlich Niamh. Doch in ihren Augen lag ein Ausdruck, der Súileabhán innehalten ließ. Es war nicht mehr die stolze Königin, die vor ihm stand, sondern eine Frau, die eine lange, beschwerliche Reise hinter sich hatte – und doch strahlte sie etwas aus, das ihn verstörte. Hoffnung. Glück. Ihr sanfter Ausdruck erstarb und wich einem erschrockenen Blick, als sie realisierte, dass man sie entdeckt hatte.Schützend hielt sie ihre Hände vor ihre deutlich gewölbten Bauch und wandt sich hektisch an den Mann, der bei ihr war - den Sklaven, dem sie den Namen Suibhne gegeben hatte.
Auch der Sklave wirkte verändert. In seinem Auge lag ein Leuchten, das Súileabhán nur schwer ertragen konnte.
Die Hunde drängten sich an ihre alte Herrin, schnüffelten aufgeregt an ihrer Kleidung, sprangen an ihr hoch, als hätten sie sie nie verloren. Niamh kniete nieder, streichelte die Tiere und murmelte leise Worte, die das Heulen der Hunde besänftigten.
Súileabhán saß wie erstarrt auf seinem Pferd, unfähig, den Blick von ihr abzuwenden. In diesem Moment begriff er die Wahrheit. Das war keine Entführung gewesen. Es war eine Flucht – eine Flucht aus einer Welt, die sie nicht mehr wollte. Sein Kiefer mahlte, seine Hände verkrampften sich um die Zügel. Wie konnte sie es wagen, ihn und das Königreich zu verlassen, als wäre alles bedeutungslos? Sie hatte alles hinter sich gelassen, um mit einem Sklaven ein neues Leben zu beginnen. Ein dunkler Schatten legte sich über sein Gesicht. "Ergreift sie," befahl er schließlich mit kühler Stimme. Die Krieger zögerten nur kurz, ehe sie von ihren Pferden sprangen, um die beiden zu umstellen.
Niamh erhob sich langsam, ihre Augen unverwandt auf Súileabhán gerichtet. Sie sagte nichts, doch ihre Haltung sprach Bände – weder Furcht noch Reue spiegelten sich in ihrem Blick. Auch dann nicht, als die Krieger sie packten.
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01-28-2025, 04:55 PM,
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RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Saturninus aber schenkte der alten Hütte keinen zweiten Blick. Ein Fieber hatte ihn erfasst, eine Rastlosigkeit. Er wollte nur noch fort! Als er aber sah, dass Niamh weinte, sprach er: "Mein Herz, weine nicht, dir und unserem Kind soll es immer gut gehen, das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist", dann nahm er sie in den Arm, sie wanderten fort, und er zeigte ihr endlich sein Boot. Und er erzählte ihr von Colla, wie er ihm geholfen und was er ihm versprochen hatte. Als Niamh sagte, sie sollen doch lieber ein Curragh nehmen, das war ein hibernisches Boot aus Gerberlohe und Eschenholz, antwortete er jedoch leicht verstimmt:
"Wenn ich ein Curragh hätte bekommen können, würdest du es vor dir sehen, Carissima.
Dies hier ist ein gutes, römisches Boot. Es wird uns sicher nach Britannien bringen. Jetzt lass uns auf Colla warten, der mir versprochen hat, uns überzusetzen"
Und sie warteten auf Colla, den Fischer. Doch er kam nicht. Stattdessen aber kamen flink wie Pfeile die Hunde der Königin, die sich freuten, ihren Pfleger nach so vielen Monden wiederzusehen, die sich schwanzwedelnd um ihre Herrin drängten, da sie sie wiedergefunden hatten. Und es kamen Reiter, angeführt von Súileabhán selbst, der nun König von Hibernia war und Tribute von Rom empfing.Nach so langer Zeit waren die Liebenden aufgestöbert worden. Nicht Wald, nicht Klippen, noch Schweigen verbargen sie mehr.
Niamh blieb stehen, starr und in ruhiger Würde blickte sie den Ankömmlingen entgegen.
Hatte Colla denn die Flucht verraten? Saturninus durchfuhr dieser Gedanke, aber er konnte nicht lange über Verrat nachgrübeln, denn da befahl schon der König: "ERGREIFT SIE!"
Der schwarzbärtige Römer riss eine der Planken des Bootes ab und stellte sich schützend vor seine Frau. Die ersten beiden Krieger, die sie erreichten, schlug er nieder, und er drehte sich von einer Seite zur anderen wie ein Keiler, der in die Enge getrieben wurde. Doch so tapfer er kämpfte, die Feinde waren in der Überzahl. Sie ergriffen sie; Niamh mit etwas mehr Respekt, ihn den Feind weit grober, und brachten sie gebunden vor Súileabhán.
Die ganze Zeit sah der König hoch zu Ross zu. Es war ihm anzumerken, dass er nur genau begriff. Das war keine Entführung gewesen. Beide, die Königin und ihr Sklave, waren sie gemeinsam fortgelaufen.
Trotz seiner Niederlage lächelte Saturninus Niamh zu. In seinen dunklen Augen lag all seine Liebe:
"Carissima, was werden sie nun mit uns machen?", fragte er leise.
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02-01-2025, 01:13 AM,
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Furiana Nivis
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RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Ich sah ihn an, diesen Mann, der so viel für mich bedeute und für den ich so viel aufgegeben hatte. Suibhne.. oder Saturnus, wie ich ihn nun nannte, mit seinem schwarzbärtigen Gesicht und den dunklen Augen, in denen immer noch diese unbeirrbare Liebe lag. Er lächelte mich an, trotz der Fesseln, trotz der Reiter um uns, trotz der Unausweichlichkeit dessen, was nun folgen würde. Er fragte leise, was sie nun mit uns machen würden. Die Antwort kannte ich. Sie lag so schwer in meinem Herzen, dass ich kaum zu atmen wagte. Súileabhán mochte nun König sein, aber ich kannte ihn gut und ich wusste,was er tun würde, da er erkannt hatte, dass er mich nun endgültig verloren hatte. Er war nicht dumm und sah sofort, dass es keine Entführung gewesen war, die mich hatte verschwinden lassen. Ich, die Königin war mit meinem römischen Sklaven durchgebrannt.
Ich antwortete Saturnus nicht sofort. Stattdessen sah ich ihn an, und mein Herz wurde mir schwer, als ich an unser ungeborenes Kind dachte. Was hätte ich sagen sollen? Dass sie mich in Schande zurückbringen würden, um mich für meinen Verrat zu strafen? Dass sie ihn, den Feind, kaum am Leben lassen würden? Dass es kein Entkommen mehr gab?
Ich hob den Kopf, sah ihm direkt in die Augen, und als ich endlich sprach, klang meine Stimme ruhig, fast sanft: "Was macht man in deinem Land mit einem Verräter?"
~~~
Der Heimweg war lang und voller drückender Stille. Súileabhán ritt an der Spitze des Zuges. Sein Blick war geradeaus gerichtet und unbewegt wie aus Stein. Hinter ihm wurden seine beiden Gefangenen auf zwei Pferden gefesselt transportiert, umringt von schwer bewaffneten Kriegern. Die Hunde liefen lautlos nebenher, als hätten sie die drohende Schwere der Lage verstanden.
Als der Zug nach einigen Tagen endlich Dún Ailinne erreicht hatte, warteten schon die versammelten Krieger und Untertanen des neuen König, In ihren Gesichtern spiegelten sich Neugier, Anspannung und Zorn wider. Súileabhán hielt sein Pferd an, hob die Hand zum Zeichen, dass Stille einkehren sollte, und sprach mit fester Stimme:
"Ihr alle kennt sie: Niamh. Sie war eure Königin und hat euch alle verraten! Denn sie ist mit dem Feind fortgegangen. Mit dem Rómhánaigh hat sie sich eingelassen! Sie hat unser Blut beschmutzt, denn nun trägt sie sein Kind unter ihrem Herzen!"
Ein Raunen ging durch die Menge, einzelne Stimmen wurden laut: "Verrat!" – "Schande!" – "Die Götter werden uns strafen!"
Súileabhán ließ ihnen einen Moment, dann fuhr er fort: "Was tut man mit einem Verräter? Was tut man mit einem Feind, einem Sklaven, der eine unserer Frauen geschändet hat?" Der König sah in die Gesichter seiner Untertanen und seiner Krieger. Die Antwort erhielt er von dem Greis der sich am Rande der Menge eingefunden hatte.
"Man opfert sie den Göttern!" rief seine donnernde Stimme. Es war der alte Druide Mogh Ruith. Sein langer Bart bewegte sich mit jedem Atemzug und seine Augen funkelten wie das Licht von lodernden Fackeln. Er trat vor. In seinem zerfurchten Gesicht stand Zorn und Entschlossenheit.
"Die Götter verlangen einen Ausgleich! Königin Niamh hat das Gleichgewicht zwischen den Welten gestört, indem sie sich mit dem Feind vereinte! Sie muss sterben, so wie der Mann, der sie verdorben hat! Nur ihr Blut kann unsere Ordnung wiederherstellen!"
Die Menge tobte, die Entscheidung war gefallen. Niamh blickte stumm in Súileabháns Gesicht. Da war kein Zögern, keine Milde. Nur ein kaltes Urteil.
"Wir werden sterben, mo croí," sagte ich leise meinem Geliebten. Es war mir ein Trost, dass wir gemeinsam in den Tod gehen würden.
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02-01-2025, 07:05 PM,
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RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
"Wir richten Verräter hin, Carissima. Doch niemals töten wir schwangere Frauen. Erst wenn das Ungeborene das Licht der Welt erblickt hat, führen wir sie zur Hinrichtung. Das Kind aber geben wir ihrer Familie oder dem, wer immer es aufziehen will", sagte Saturninus, und die letzten Worte rief er in die aufgebrachte Menge der Kelten, auch wenn sie ihn nicht verstanden:
"Hört ihr! Niemand führt Krieg gegen Ungeborene! Das ist Unrecht! Tötet mich auf alle erdenklichen Weisen, doch lasst die Königin ihr unschuldiges Kind gebären"
Der junge Römer wies auf sich, dann wieder auf seine Geliebte, dann fiel er, der stolze Patrizier, auf die Knie und was Schläge nicht erreicht hatten, das erreichte sein drängendes Flehen jetzt. Er küsste den Boden, er hätte auch die Füße des neuen Königs und dessen Gewandsaum geküsst. Er bat um Gnade und Mitleid, nicht für sich, nicht einmal mehr für Niamh, sondern nur für ihr gemeinsames Kind, das noch im Mutterleib war.
Doch als der Druide sich erhob, und das Urteil verkündete, ahnte Saturninus, dass sie verloren waren. Über die Grausamkeit dieser barbarischen Priester machte er sich keine Illusionen.
Und er dachte an das Unrecht von Mona, der Insel der Druiden und Priesterinnen, an die Neugeborenen, die hatten sterben müssen. Rom hatte damals über die Götter gespottet. Und die Götter hatten sich Zeit gelassen, diese Rechnung zu begleichen. Nun traf sie sein eigenes Kind.
"Meine Teuerste, meine Geliebte", sagte er mit einem zaghaften kleinen Lächeln: "Ich bereue nichts von dem, was zwischen uns gewesen war, es waren Treue und Liebe! Ich bereue nur, dass ich der Grund für euer beider Tod sein muss"
Wenn er nur noch einmal ihre Hand halten, einmal noch sein liebstes Herz umarmen dürfte. Aber da waren die Fesseln, da war das drohende Urteil, da war kein Erbarmen.
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02-05-2025, 11:36 PM,
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Furiana Nivis
Flüchtling aus Éire
   
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RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Ich sah ihn auf den Knien. Mein stolzer, unerschrockener Saturnus, nun gebeugt vor meinem Volk, der Staub Éires auf seinen Lippen und seine Stimme rau vor Verzweiflung. Er bat um das Leben unseres Kindes. Seine Worte hallten über den Platz, und obwohl die Meinen seine Sprache nicht verstanden, spürten sie seine Inbrunst. Sein Flehen galt nicht mehr ihm selbst, nicht einmal mehr mir, sondern nur noch unserem Kind. Ich liebte ihn in diesem Moment mehr als je zuvor.
So sehr wollte ich seine Hand fassen, ihn aufrichten und ihm Mut zusprechen. Doch meine Fesseln schnitten mir tief ins Fleisch. Stattdessen spürte ich die Blicke meines Volkes auf mir, hart wie die Felsen der Klippen. Als dann der alte Druide Mogh Ruith hervortrat und mit erhobenen Armen das Urteil über uns sprach, wusste ich: Wir waren verloren. Die Götter hatten geantwortet.
Die Menge rief zustimmend, einige streckten ihre Fäuste in die Luft, andere spuckten vor unsere Füße. Neben mir fühlte ich Saturnus' Anspannung und seine Verzweiflung. Seine Worte hatten nichts bewirkt, sie wollten uns sterben sehen. Doch ich hatte noch eine Wahl.
"Hört mich an!" Meine Stimme erhob sich über den Tumult. Die Menge verstummte für einen Moment, überrascht, dass ich sprach. Ich, die sie als Verräterin ansahen, wagte es, das Wort zu ergreifen.
"Ich werde mich opfern. So, wie es die Könige Éires tun, wenn das Land in Not ist." Ich ließ die Worte mit Bedacht erklingen, ließ sie tief in ihre Herzen sinken. "Ich werde gehen, wie es die Götter verlangen, und mein Blut wird das Land heilen und das Gleichgewicht wiederherstellen. So wird mein Volk Frieden finden."
Ein Raunen ging durch die Menge. Ich sah in die Augen der Krieger, der Frauen, der Alten. Einige von ihnen hatten mich einst geliebt und hatten mich verehrt. Doch das war vorbei. Ich war nicht mehr ihre Königin, sondern nur noch ein Schatten der Vergangenheit.
"Und er?" fragte Mogh Ruith mit erhobener Hand und deutete auf Saturnus.
Ich drehte mich zu meinem Geliebten und sah immer noch das Flehen in seinen dunklen Augen. Die Angst, nicht um sich selbst, sondern um mich und unser Kind.
"Er wird mit mir gehen. Unser Blut wird euer Frieden sein." Der Druide musterte mich mit seinen alten, kalten Augen. Dann nickte er. „"So sei es. Die Götter nehmen willige Opfer mit größerer Gunst an. Eure Fesseln sollen gelöst werden."
Die Seile fielen von meinen Händen, und endlich konnte ich zu Saturnus gehen. Ich sank neben ihm auf die Knie, umfasste sein Gesicht mit meinen befreiten Händen. Seine Haut war aufgerissen, Blut und Schmutz klebten daran, doch seine Augen leuchteten wie damals, als er mich zum ersten Mal ansah. Ich wischte ihm mit dem Daumen über die Wange, eine hilflose Geste, um all das fortzuwischen, was zwischen uns stand. Ich legte meine Stirn gegen seine. "Nein, mo croí. Nicht du hast unser Schicksal besiegelt. Es war meine Entscheidung, dir zu folgen. Mein Herz wusste, dass es niemals zurückkehren wollte. Ich habe dich gewählt."
Man brachte uns in einen Anbau des königlichen Rundhauses, der für gewöhnlich für Gäste des Königs genutzt wurde. Eine Feuerstelle in der Mitte tauchte den Raum in ein sanftes Licht, das auf die Bänke mit weichen Fellen und das breite Bett am hinteren Ende fiel.
Man ließ uns nicht allein. Diener brachten warmes Wasser und wuschen uns mit duftenden Kräutern, entfernten den Staub der Gefangenschaft und die Spuren der Reise. Sie gaben uns frische Kleidung aus feinstem Wollstoff, so weich, dass ich kaum glauben konnte, noch eine Gefangene zu sein. Erst, als wir rein waren, brachte man uns ein üppiges Mahl. Geräucherter Lachs, gebratenes Fleisch, frisches Brot, ein warmer Brei aus Emmer, süße Beeren, Honig und Met. So viel Nahrung, dass es mir beinahe die Kehle zuschnürte. Ich wusste, dies war kein Zeichen der Gnade. Dies war unser letztes Mahl, unsere Stärkung für die Reise zu den Göttern. Doch wir aßen, weil unser Hunger einfach zu groß war.
Als die Diener fort waren, blieb nur die Stille zurück. Die Flammen der Feuerstelle warfen flackernde Schatten an die Wände.
Er hatte nichts von dem bereut, was zwischen uns gewesen war. Das hatte er mir gesagt und ich fühlte genauso. Wir hatten gegen alles angekämpft – gegen Schicksal, Königreiche, Götter – und dennoch verloren. Aber diese eine Nacht gehörte uns. Keiner konnte sie uns nehmen.
Ich schmiegte mich an ihn, meine Hände fuhren über seine Wangen, durch sein dunkles Haar, und küsste ihn, als wäre es das erste und das letzte Mal zugleich. Kein Schmerz und keine Angst existierte mehr. Nur wir, unsere Wärme und unsere Liebe, denn der Morgen war noch fern.
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02-06-2025, 11:15 AM,
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RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Saturninus verstand nicht, was den Sinneswandel ausgelöst hatte. Doch dann sagte er sich, dass eine Begründung vielleicht nicht nötig war. Die Hiberner waren eben Barbaren, und sie handelten, wie es ihnen ihr wetterwenderischer Sinn eingab. Die ihm unverständlichen Worte von Niamh beendeten nämlich ihre Misshandlungen sehr plötzlich, die Schläge hörten auf, die Fesseln wurden abgenommen, sie wurden gebadet, neu eingekleidet, gesalbt und geschmückt. Erst da verstand der Römer: Sie wurden vorbereitet, wie sein eigenes Volk einen Stier für Iuppiter vorbereitete, ihn wusch und ihn bekränzte. Es war ein gutes Omen, wenn das Opfer freiwillig zum Altar ging.
Irgendetwas war in den Speisen, die man ihnen reichte. Die ganze Zeit über fühlte Saturninus eine fast heitere Entrücktheit, eine Zustimmung zu all dem, was sie erwartete. Sie waren fast am Ende ihrer Reise angekommen. Nur noch ein kleiner Schritt war zu tun....Niamh lag dann bei ihm, schmiegte sich an ihn, küsste ihn. Saturninus erwiderte ihre Zärtlichkeit. Das letzte Mal lag er bei ihr. Diese Liebe musste für sehr, sehr lange Zeit reichen, vielleicht sogar für alle Ewigkeit.
"Mein Herz, mein Ein und Alles", murmelte er:"Hast du Angst vor dem Tod? Ich habe sie nicht, obwohl man mir erzählt hat, dass ich von den Wassern der Lethe trinke und Dich und unser Kind dann vergessen werde. Der Hades ist nur ein düsterer und grauer Ort, nichts Erstrebenswertes. Aber bis zu unserem letzten Atemzug werden wir beisammen sein, Niamh, und wer weiß schon, was dann geschieht"
Sie schliefen aneinander geschmiegt ein. Viel zu schnell graute der Morgen.
Und da erwarteten die Helfer des Druiden sie und viel Volk, und alle gaben ihnen das Geleit bis zum Moor, bis das Volk zurück blieb. Carnyces wurden geblasen, ihr rauer Ton war für römische Ohren ein Vorbote des Unheils. Saturninus kannte sie aus der Schlacht, in der er als Tribun gekämpft hatte. Die fürchterlichen Kriegstrompeten der Hiberner hatten das Imperium erzittern lassen.
Saturninus hatte seinen Arm um Niamh gelegt, als sie an ihrem früheren Volk vorbei schritten. Er schaute gerade aus und viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Hatte er Niamh verraten? Hatte er Rom verraten? Nein, keinen von beiden, dachte er und dennoch alle beide. Nun würde er sterben, und er beschloss, es würdig und mit Haltung zu tun.
Da lag es vor ihnen, das düstere Moor...
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02-09-2025, 12:20 AM,
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Furiana Nivis
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RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Dies war unsere letzte Nacht. Die letzte Berührung, der letzte Kuss – in diesem Leben. Saturnus fragte mich, ob ich Angst vor dem Tod habe, doch ich schüttelte den Kopf. Auch er verspürte keine Angst. Er meinte, er würde mich vergessen, dort wo er nach dem Tod sein würde, im Hades. Ich runzelte die Stirn. "Hades…?" Das Wort selbst klang schon so fremd in meinen Ohren, seltsam und kalt. Es schien ein düsterer Ort, ohne Licht und ohne Freude zu sein.
Ich setzte mich auf, legte eine Hand auf seine Brust, als könnte ich ihn mit meiner Wärme trösten. "Nein, mo croí, wir gehen nach Tír na nÓg. Das Land jenseits des Meeres, wo immer Frühling herrscht, wo wir ewig jung und unvergänglich sein werden. Es gibt keine Kälte dort, keinen Hunger und keine Furcht. Nur Schönheit und Glück." Meine Stimme war ruhig und voller Überzeugung. Ich glaubte daran. Ich wusste es.
"Glaubst du mir?" fragte ich leise.
Ich lächelte und küsste ihn. Ich wollte, dass dies seine letzte Erinnerung war – nicht Dunkelheit oder Vergessen, nicht Schmerz und auch keine Furcht. Nur Liebe. Nur ich.
Sie kamen mit dem ersten Licht. Die Helfer des Druiden Mogh Ruith. Sie kleideten uns in festliche Kleider und malten mir geheimnisvolle Zeichen auf die Stirn, deren Bedeutung nur die Druiden kannten.
Die Welt um mich verschwamm, als wir durch die Reihen meines Volkes schritten. Sie hatten sich versammelt, um dem Opfer beizuwohnen, so wie sie es seit Generationen taten, so wie es die Götter verlangten. Ihre Gesichter waren eine Mischung aus Ehrfurcht und Grausamkeit, Stolz und Distanz. Ich erkannte viele von ihnen, sah vertraute Züge in den Reihen der Männer und Frauen, mit denen ich aufgewachsen war. Heute war ich ein letztes Mal ihre Königin. Sie gaben uns das Geleit bis zum Moor. Die Carnyces ertönten, ihr rauer Klang hallte über die Hügel, ein Klang, den mein Geliebter nur aus der Schlacht kannte. Für ihn war es das Signal des Unheils. Für mich war es der Ruf in die Ewigkeit.
Saturnus hatte seinen Arm um mich gelegt. Beide schritten wir mit erhobenen Häuptern an meinem Volk vorbei. Meine Schritte waren leicht und sicher. Ich spürte den Wind, der mein offenes Haar erfasste und mir kühl über die Wangen strich. Doch ich lächelte. Ein zartes, friedvolles Lächeln lag auf meinen Lippen – nicht für sie, sondern für mich selbst.
Die Carnyces kreischten weiter ihr raues Lied, und der Wind trug den dumpfen Klang bis ins düstere Moor.
Ich spürte schonbald die Kälte, die von dem dunklen Wasser ausging. Es war, als riefe es mich. Ich wusste, was dort auf mich wartete – auf uns beide. Mogh Ruith, der alte Druide, stand bereits dort und wartete, seine Augen waren auf mich gerichtet. Mit einem Mal verstummten die Carnyces und ich blieb stehen. "Tir na nÓg," waren meine letzen Worte wie ein heiliges Versprechen.
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Als der Zug das düstere Moor erreichte, verstummten die Carnyces. Ihr raues Echo verlor sich im Wind. Die Menge stand in ehrfürchtigem Schweigen. Nur das leise Rauschen des Wassers war zu hören.
Ein Helfer des Druiden trat vor und reichte Niamh und dem Rómhánaigh einen Becher mit einer dunklen Flüssigkeit. Ohne zu zögern nahm die Königin den Trank und führte ihn an ihre Lippen. Der bittere Geschmack verzog kurz ihre Miene, doch sie trank weiter, bis der Becher leer war.
Der Helfer trat an Niamhs Seite, legte sanft eine Hand auf ihren Arm und führte sie weiter. Ihre Schritte wurden weicher, fast schwebend, betäubt von den Kräutern, die nun ihren Geist betäubten. Sie wurde entkleidet und kniete dann nieder. Der alte Druide trat hinter sie, seine Stimme murmelte leise Worte, die nur die Götter verstanden. In seinen Händen hielt er eine goldene Axt – ein heiliger Gegenstand, geschmiedet für diesen Moment, die er wie aus dem Nichts herbeigezaubert hatte
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Die Menge hielt den Atem an.
Die Axt sauste herab.
Niamhs Körper sackte leblos nach vorn. Ihr rotes Haar fiel über ihre Schultern, als ihr Kopf zur Seite kippte. Der Druide trat näher, zog sein Opfermesser und schnitt ihr mit ruhiger Hand die Kehle durch. Warmes Blut sickerte in eine Schale, die bereitgestellt worden war - ein letzter Tribut an die Götter. Dann wurde ihr Körper dem Moor übergeben. Das dunkle Wasser schloss sich über ihr und nahm sie in seine Tiefe auf.
Auf ein Zeichen des Druiden wurde nun auch der Geliebte der Königin zu ihm gebracht und er wiederholte noch einmal das Opferritual.
Die Menge verharrte weiter in andächtigem Schweigen. Das Opfer war vollzogen.
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Ich erwachte in einer düsteren Zwischenwelt, umgeben von den geisterhaften Schatten meiner Ahnen. Ihre Blicke brannten vor Enttäuschung und Schmerz, und ihre stummen Worte trafen mich wie eisige Nadeln: "Niamh, wie konntest du? Du hast dich mit einem Rómhánaigh eingelassen! Du hast unser Erbe verraten!" Der Vorwurf hallte in meinem Inneren wider, während ich mich an jene letzte Nacht erinnerte – den leidenschaftlichen Kuss, der mir für einen kurzen Moment Hoffnung gegeben hatte. Saturnus, jener Fremde, dessen Wärme mich in den letzten Stunden umhüllt hatte, war nun zum Symbol meines Verrats geworden. Der Zorn meiner Familie mischte sich mit unendlicher Trauer. "Du hättest uns ehren sollen, unsere Traditionen wahren, statt dich von einem Fremden verführen zu lassen", flüsterten ihre geisterhaften Stimmen, während die Schwere ihrer Anschuldigungen mich erdrückte. Meine Seele zitterte unter ihrer Enttäuschung, und ich begann zu begreifen, dass mein Weg, meine Träume von einem anderen Leben, alles nur ein schmerzhafter Trugschluss gewesen waren. Kein Funken Liebe, kein Licht, das die Dunkelheit durchbrach – nur der dumpfe Klang ihrer Vorwürfe, der mich zu ersticken drohte. Ich war die Verräterin, in ihren Augen unrettbar verloren, und es war keine Erlösung in Sicht. Ich senkte den Blick und konnte keinen Ausweg finden. Die Schatten meiner Familie umgaben mich, und ihre Stimmen verschwammen zu einem Meer der Anklage, ohne Trost, ohne Antwort. In dieser ausweglosen Welt blieb mir nur das Echo ihrer Enttäuschung und der unerträgliche Fall in die Stille, die mich mit kalter Umarmung umfing.
Ich erwachte schweißgebadet. Das Samhainfeuer war längst niedergebrannt und der Morgen graute bereits. Mo rúnsearc lag neben mir. Er lebte – wir beide waren noch am Leben! Wir waren wieder hier, beim alten Hügelgrab. Die Schatten des Alptraums hatten mich noch immer fest im Griff. Voller Angst sah ich mich um. Meine Ahnen waren fort, doch ihre anklagenden Worte hallten noch in meinen Ohren.
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02-10-2025, 07:48 PM,
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RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
"Du meinst, das ...Elysium?", versuchte Saturninus zu verstehen, was seine Liebste vom Jenseits redete...."Nein, mo croí, wir gehen nach Tír na nÓg. Das Land jenseits des Meeres, wo immer Frühling herrscht, wo wir ewig jung und unvergänglich sein werden. Es gibt keine Kälte dort, keinen Hunger und keine Furcht. Nur Schönheit und Glück."....
"Aber das ist nichts für uns. Nur für große Helden....", dennoch: Vielleicht waren in Hibernia die Dinge anders. Es war schön, darauf zu hoffen, dass Niamh Recht behalten würde, gerade weil es keine Hoffnung mehr gab. Saturninus widersprach nicht mehr....
Sie erreichten das düstere Moor. Die Carnyces schwiegen. Die Wasser um sie umher gluckerten und rauschten. Niamhs rotes Haar stach von der grauen Umgebung ab wie eine lebendige Sonne.
Ein Helfer des Druiden trat vor und reichte Niamh und dem Römer einen Becher mit einer dunklen Flüssigkeit. Niamh trank ohne zu zögern.
Saturninus wollte sich von ihr an Furchtlosigkeit nicht übertreffen lassen, also trank er auch. Sofort fühlte er eine schwerelose Leichtigkeit, als sei sein Geist so sphärisch wie die Nebelschwaden, die über den dunklen Wassern tanzten, und er bereute es, getrunken zu haben. Er wollte in völliger geistiger Klarheit sterben, wie es einem Bürger Roms angemessen war.
Niamh, seine geliebte Frau, wurde nun entkleidet und kniete nieder. Wie schön und weiß war sie, wie eine Nymphe. Ihr Zustand war nun auch deutlich sichtbar....aber es gab kein Erbarmen mit ihr. Das Ungeborene würde mit seiner Mutter sterben müssen.
Der alte Druide trat hinter sie, seine Stimme murmelte Beschwörungen an seine Barbarengötter. In seinen Händen hielt er plötzlich eine goldene Axt, gülden blitzte es, und der Tod fällte Königin Niamh, die herrlichste Frau, die hingebungsvollste Geliebte, die je unter der Sonne gelebt hatte.
Ihr Leib sackte nach vorne. Der Druide jedoch trat näher, zog sein Opfermesser und schnitt ihr mit grausamer Hand auch noch die Kehle durch. Ihr rotes Blut sickerte in eine Schale. Aber sie war wohl schon tot gewesen. Ihr lebloser Körper fand seine letzte Ruhe in den dunklen Wassern. Fort war sie, als hätte sie nie existiert.
"Meine Liebste, Carissima, mein Herz- vale bene!", flüsterte Saturninus:
"Und mein Kind...ich komme jetzt zu euch.."
Nun war der Römer an der Reihe. Er blickte den Druiden ruhig an. Man entkleidete auch ihn, aber er kniete sich nicht hin wie es die Königin getan hatte. Er verehrte die Götter nicht, denen er geopfert wurde, er würde sie nie verehren.
"Ich sterbe im Stehen!", herrschte er den Priester an, aber er neigte den Kopf freiwillig ohne zu zögern, tief, damit ihn die goldene Axt auch sicher träfe.... Und dann waren all seine Taten getan und all seine Worte gesagt....
Das Jenseits war jedoch kein liebliches Land ewiger Jugend. Da waren keine Götter, kein Charon, kein Fluss Styx und kein Elysium, auch keine Niamh, die ihn erwartete....
Nur die Manen der Gens Furia hatten sich versammelt. In Togen gehüllt saßen sie da, und in ihren strengen Adlergesichtern las Saturninus keine menschliche Regung. Mit Augen wie aus erkalteter Asche blickten sie hinab auf den Spross ihres Geschlechtes, der vor ihnen stand.
"SATURNINUS, WIE KONNTEST DU? ANSTATT DEM HEILIGEN ROM ZU DIENEN UND DIE BARBARENKÖNIGIN ZU TÖTEN, ALS DU DIE GELEGENHEIT HATTEST, HAST DU DICH MIT IHR AUF DEM LAGER GEWÄLZT. NICHT MEHR WÜRDE HAST DU WIE EIN BRÜNSTIGER EBER! DU BIST EINE SCHANDE FÜR DIE FURIER! DU BIST EINE SCHANDE FÜR DIE PATRIA! WIR VERSTOSSEN DICH!
der Älteste und Ehwürdigste, das war Telegonus, der Gründer seines Hauses, streckte eine Hand aus:
"DU BIST VERDAMMT! AUS DEN ANNALEN DER FAMILIE SOLLST DU GETILGT WERDEN. DER NAME TIBERIUS UND DER COGNOMEN SATURNINUS SOLLEN NIEMALS WIEDER VON EINEM FURIUS GETRAGEN WERDEN, DENN ES SIND DIE NAMEN EINES SCHÄNDLICHEN VERRÄTERS! "
Die Ahnen zogen ihre Togen über ihre Häupter und wandten sich ab von ihm, einer nach dem anderen.
Saturninus heulte auf wie ein getroffenes Tier, und er verbarg sein Gesicht in den Händen:
"Nein bitte nicht, ich sage mich los, hört ihr, ich....."
Dann war es vorbei. Saturninus erwachte. Schweißgebadet war er, obwohl die Nacht kalt und das Samhainfeuer schon längst heruntergebrannt war. Entsetzt starrte er Niamh an, die sich aufgesetzt hatte und genauso ängstlich um sich schaute.
Erst wusste er nicht, wo er war. Dann hörte er Seasnáns Stimme: "Herr! Du bist wach!" Der Gallier hatte eine Laterne und leuchtete ihnen beiden ins Gesicht:
"Du und die Furiana, ihr habt so tief und fest geschlafen, und es ist mir nicht und nicht gelungen, euch zu wecken!", gestand der Leibwächter.
"Wie...lange?", flüsterte Saturninus und rieb seine Stirn.
"Zwei, vielleicht drei Stunden, Dominus", erwiderte der gallische Sklave.
" Zwei oder drei Stunden?... ", wiederrholte Saturninus. Immer noch fühlte er das Grauen, das ihn in Gegenwart der Totengeister befallen hatte. Immer noch war das Leben, das er geführt hatte, präsent, aber die Bilder verblassten rasch. Hier waren Nivis und Seasnán, und Saturninus und sie waren eindeutig unter den Lebenden und zurück in Cheddar.
"Und Rom...es wurde nicht von den Hibernern besiegt? Wir wurden nicht versklavt?", fragte Saturninus und stand auf.
Seasnán kniete nieder: "Nein, solch schreckliche Dinge sind nie geschehen. Soll ich nach dem Medicus schicken lassen? Oder ..nach der Dorfheilerin, sie wohnt näher" Im Laternenschein sah man, dass sich tiefe Besorgnis auf dem Gesicht des Sklaven abzeichnete.
Saturninus versuchte, sich daran zu erinnern, was vor dem Albtraum geschehen war. Das Letzte, was er vom Fest miterlebt hatte, war dass Ciaran in seine Hände klatschte....... er war ein Zauberer, das war wohl gewiss. Gegen Schadenszauber gab es Gesetze...
"Nichts von all dem, Seasnán, sorge dich nicht!"
Saturninus beugte sich zu Niamh: "Wer ist dieser Ciaran wirklich, Niamh?"
Saturninus streckte seiner Begleiterin die Hand hin, damit sie aufstehen konnte. Aber er nannte sie weder Carissima noch "Mein Herz":
"Ich werde ihn zur Rede stellen!", Saturninus wurde wütend, auf die Art eines Mannes, der sich hinters Licht geführt fühlte:
"Seasnán, wenn es nötig ist, brichst du dem Kerl jeden Knochen im Leib! Ich will wissen, welchem Zauber er uns unterworfen hat!"
Die frische Luft, die Aussicht, etwas zu tun zu bekommen, belebte den Furius. Und all das erlaubte ihm, Nivis etwas auszuweichen. Gerade ertrug er sie nicht, gerade übertrug sich das Grauen, das er gespürt hatte, auf sie.
Wenn das Ende nämlich kein Traum, sondern wahr wäre? Wenn ihn die Ahnen verachteten und ausstoßen würden?
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02-15-2025, 11:47 PM,
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Furiana Nivis
Flüchtling aus Éire
   
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RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Ich zitterte immer noch am ganzen Körper, während ich langsam die Gewissheit gewann, dass dies die Realität sein musste – oder war der vermeintliche Traum vielleicht doch die Wirklichkeit? Nein, nein: Ich hatte Éire wirklich verlassen, um vor Diarmuid nach Pryddein zu fliehen. Niemals hätte ich diesen Verräter und Mörder meiner gesamten Familie heiraten können! Ich befand mich hier am alten Hügelgrab, unweit des keltischen Dorfes Cheddar und der römischen Stadt Iscalis – und mo rúnsearc war nie mein Sklave gewesen. Vielmehr hatte er mich vor solch einem Schicksal bewahrt.
Kurz nachdem ich mich in der wirklichen Welt wiedergefunden hatte, erwachte auch er – ebenso schweißgebadet und verwirrt. In seinem Blick lag blankes Entsetzen. Sein Sklave Seasnán eilte herbei und teilte uns mit, wie lange wir geschlafen hatten – so tief, dass es dem gallischen Sklaven nicht gelungen war, uns zu wecken. Was mich jedoch noch mehr erstaunte, war die Tatsache, dass wir scheinbar denselben Traum geteilt hatten. Wie konnte das sein? Wir waren doch zwei unterschiedliche Individuen! Wie konnte ein Römer, der noch nie in Éire gewesen war, davon träumen, als Sklave dorthin verschleppt zu werden?
Während ich noch verzweifelt nach einer plausiblen Erklärung für das Erlebte suchte und der Sklave einen Medicus herbeirufen wollte, brach plötzlich etwas in Saturnus hervor. Er beugte sich zu mir und wollte mir seine Hand reichen. Doch in seiner Stimme lag nichts Liebevolles, wie ich es von ihm gewohnt war. Daher ergriff ich sie nicht. Stattdessen erschrak ich und wich ängstlich zurück. Dies war nicht der Saturnus, den ich kannte – wer auch immer in ihm erwacht war, er klang feindselig. Vorwurfsvoll fragte er nach Ciaran, als wäre ich es gewesen, die diesen ganzen Albtraum selbst heraufbeschworen hätte – dabei war auch ich in diesen Strudel geraten! "Ich … weiß nicht!", stammelte ich zögerlich, als wollte ich sogleich die Flucht ergreifen. Dabei wusste ich genau, dass dies eine Lüge war. Ich wusste, wer Ciaran wirklich war: Er war Louarns Bruder und ein Druide. Ein völlig durchgeknallter Druide! Aber das durfte Saturnus niemals erfahren! "Er ist …" Ich suchte vergeblich nach einem lateinischen Ausdruck, bis mir schließlich das Wort meiner Muttersprache einfiel: "dÚsachtach." Mit einer erklärenden Geste unterstrich ich die Bedeutung des Wortes. Er war ein Verrückter! Ja, genau das war er!
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02-16-2025, 04:39 PM,
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RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Saturninus atmete tief ein- und aus. Die kalte Nachtluft dämpfte das Grauen ein wenig, und er schüttelte den Kopf:
"Ich hatte nur einen Albtraum", sagte er und jetzt lenkte er ein: " Ich träumte wahrhaftig, dass das heilige Rom gefallen wäre, und dass Barbaren aus Hibernia uns besiegt hätten. Und die Königin der Hiberner hielt mich als Sklaven..... Möge solch Schande uns in tausend Jahren nicht widerfahren!", er wollte nicht sagen, dass die Hibernerkönigin seiner Träume Nivis aufs Haar geglichen hatte:
"Was für ein dummes schändliches Zeug! Auch wenn ich nicht weiß, was ein dasatatsch sein soll, sollte ich mich von seinen Tücken nicht erschrecken lassen!", Saturninus bemühte sich um Festigkeit in seiner Stimme:
"Auch du hattest einen schlechten Traum, Nivis? Um was ging es bei dir?", fragte er.
Er kam nun näher. Vor ihm stand Niamh, sein liebes und geliebtes Mädchen, seine puella, und sie war noch die Gleiche wie noch vor einigen Stunden, auch wenn sie bleich und erschrocken aussah. Saturninus wollte es nicht, doch wenn er sie ansah, hörte er des Telegonus Stimme, wie sie ihn, unwürdigen Spross einer großen Gens, verurteilte. Wie bekam er die Stimme jemals wieder aus seinem Kopf?
Das muss wieder aufhören, dachte der Furius, es muss aufhören, und wenn ich den Kerl, der uns verhext hat, umbringe!
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