08-11-2024, 03:30 PM,
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Ciaran
Zwillingsfalke
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RE: Niamhs Hütte
Natürlich war niemand gekommen, um meine Anwesenheit mit mir zu besprechen. Ohne auch nur einen Hauch von Kritik wurde stillschweigend akzeptiert, dass ich jetzt hier wohnte. Ich war mir nicht einmal sicher, ob die meisten Dorfbewohner es überhaupt mitbekommen hatten. Was daran liegen mochte, dass ich jetzt nicht so der gesellige Typ war, der irgendwas groß zur Dorfgemeinschaft beitragen wollte. Nein, ich blieb meistens für mich und interagierte nur dann, wenn es denn sein musste.
Und die Hütte an sich war gut. Sie war stabil und es regnete nirgends hinein. Und da war noch der Zauber. Ich studierte ihn eingehend, und ich war mir immer noch nicht sicher, wie Louarn ihn erschaffen hatte. Oh, ich war mir sicher, dass er es war, nicht nur, weil er den Anker dieses Zaubers für Monate mit sich herumgetragen hatte und gedacht hatte, niemand würde es bemerken. Die Energie, die davon ausging, trug ganz deutlich seine Spur.
Und es war zum verrückt werden, wie dieser riesige Idiot das geschafft haben sollte?! Je tiefer ich in die Struktur des Zaubers eindrang, umso komplexer und urtümlicher wurde er. Er griff tief in das alte Gewebe ein, in den ursprünglichen Teil, der existierte, noch ehe Götter und Helden erschaffen worden waren und das Leben sich erst formte aus eben dieser Magie. Aber er riss nicht gewaltvoll etwas daraus heraus, um es hier zu binden. Nein, überhaupt nicht. Es war fast so etwas wie ein leiser Gesang, ein Gebet, der es, nun, anlockte, aber gleichzeitig auch eben genau nicht anlockte und eben nicht festhielt. Es ergab keinen Sinn, und doch ergab es Sinn, und genau dieser Widerspruch bereitete mir nach einigen Tagen erhebliche Kopfschmerzen. Und das schlimmste war, ich konnte es nicht nachmachen! Es gab keinen Zauber, keinen Trank, kein Schicksal, das ich nicht mit etwas Studium zu reproduzieren im Stande war. Aber diese %§&/“! Schleife entzog sich mir. Ich verstand, wie es wirkte, woher seine Macht kam, aber ich konnte es nicht nachmachen! Und das war eine Sache, die zum ersten Mal in meinem ganzen Leben geschehen war und die mich halb wahnsinnig machte.
Jeden von Cathbads billigen Tricks konnte ich mühelos hervorbringen. Sogar besser als der alte Mann es je gekonnt hatte. Ich konnte es mühelos miteinander verbinden und weben, wie es mir gefiel. Das alte Lied der Priesterinnen unterwarf sich meinem Willen, ich konnte es aufrufen und fortsenden, wie ich es wollte. Die alten Zauber von Feuer und Stein, tief eingelassen in das Land, hatten mir ihre Geheimnisse offenbart und ließen sich von mir lenken, aufbrechen, mich die Wunder hinter dem Schleier sehen. Feenmagie, Formorimagie, römische, griechische, ägyptische Magie. Alles hatte ich gesehen, alles hatte sich mir schließlich offenbart, aber dieses EINE Ding, das so banal und einfach aussah, tat es nicht!
Und das kotzte mich wahnsinnig an.
Aber dennoch wagte ich nicht, den Zauber zu entfernen, da er vor allen dingen so… nützlich war. Er hielt quasi alle Dorfbewohner effektiv davon ab, mich zu besuchen, weil er jedem, der sich diesem Haus in böser Absicht näherte, den dringenden Wunsch eingab, doch besser woanders hinzugehen, und das ungute Gefühl, dass es keine gute Idee wäre, hier in dieser Hütte irgend etwas gewaltvolles oder auch nur unfreundliches gegen einen der Bewohner zu tun. Also selbst wenn ein Dorfbewohner mich hier hätte hinauswerfen wollen, wäre er einige Schritte noch vor der Türe zu dem Entschluss gekommen, dass das eine fürchterlich schlechte Idee war und mich in Ruhe zu lassen für ihn und seine Nachtruhe erheblich besser wäre.
Und so verbrachte ich meine Zeit hier in ziemlich frustrierter Ruhe. Die ersten Tage hatte ich mich nur mit dem Zauber beschäftigt. Dann hatte ich mir Ablenkung suchen müssen und war vier Tage weg gewesen, um mit erheblich besserer Laune, einem weitaus ruhigerem Geist und einem Reh, das für mehrere Tage Essen bot, zurückzukehren. (Interessanter Weise kam einige Zeit später die Nachricht aus einem nicht ganz so fernen Dorf, dass eine junge Frau vermisst wurde, die Jagen gegangen war, sich allerdings von ihren Brüdern getrennt hatte.)
Einen Teil des Rehs tauschte ich gegen Getreide und Gemüse ein, und ich brachte den Garten der Hütte in Ordnung. Viel zu viel Zeug, das einfach nur hübsch war, und zu wenig wirklich sinnvolle Kräuter. Das behob ich.
Dummerweise hatte ich kein Mittel dagegen, dass einige der Kinder mich sehr interessant fanden. Auch wenn das ihre Mütter regelmäßig dazu brachte, sie von mir wegzuziehen, wenn ich deren Fragen beantwortete, wenn sie an meiner Hütte vorbeikamen und sahen, wie ich im Garten arbeitete. Es stellte sich heraus, dass Fünfjährige wohl nicht so viel über Nachtschatten und Wolfsmilch, Eisenhut, Schierling und Fingerhut wissen sollten. Warum auch immer.
Und so war ich auch gerade in meinem jetzt viel wertvolleren Garten, als ich sah, wie der Schmied zu Deirdre ging und wenig später mit ihr allein und ohne Kinder in Richtung Wald verschwand. Ich grinste. Ich war mir nicht sicher, ob Deirdre schon mitbekommen hatte, dass ich hier gerade wohnte, aber ich war durchaus froh, dass sie jemand anderen hatte, der ihre Bedürfnisse befriedigen sollte. Denn ganz ehrlich, die Frau war anstrengender, als ich angenommen hatte bei unserer ersten Begegnung. Ich war mir nicht sicher, ob sie mit der männlichen Anatomie wirklich vertraut war und verstand, dass auch wir nach einem Akt Pause brauchten. Um ihren Appetit wirklich zu stillen würde man wohl vier Kerle benötigen, die sich immer abwechselten, und wahrscheinlich würden auch die eher schlapp machen als sie.
Von daher, nein, ich war nicht eifersüchtig. Ich überlegte nur, ob dies Einfluss auf meine Kinder haben würde, wenn dieser Kerl nun häufiger bei ihr wäre oder am Ende noch zu ihr ziehen würde, weil er selbst einen Haufen Kinder mit ihr machen würde. Vier fehlten ihr noch. Das wusste ich. Vielleicht war der Schmied der Vater von zumindest ein paar davon.
Nun, ich würde mich darum kümmern, sollte es zum Problem werden. Wie dass er meine Kinder zu irgendwelchem Unfug zu erziehen gedachte, oder meinte, sich einmischen zu dürfen, wenn ich sie mitnehmen würde.
Falke
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09-16-2024, 08:12 PM,
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Ciaran
Zwillingsfalke
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RE: Niamhs Hütte
Ich lag auf dem Boden und war gerade in diesem angenehmen Zustand zwischen wachen und schlafen. Ich lag häufiger auf dem Boden denn in diesem Bett, was einfach zu weich war und mir den Rücken verdrehte, wenn ich darin lag. Das Bett einer Frau. Nett und weich und biegsam. Es verdrehte die gedanken und die Seele zu netten, weichen und biegsamen Dingen. Ich mochte das nicht. Es machte schwach. Man verlor den Blick auf die Welt und entfernte sich vom Schleier, ließ sich einlullen von der Musik der Welt und fing an zu träumen. Nicht die gute Art von Traum, die einen die Wahrheit und die Zukunft erkennen ließ, sondern diese ekelhaft süßliche Art, die einem vorlog, dass alles auf der Welt nett und weich und biegsam sein könnte und man selbst nett und weich und biegsam darin einen Platz hätte.
Igitt.
Nein, der Boden war ehrlich. Der Boden war nicht ungerecht und verführte einen nicht. Er war einfach nur. Weich und hart, trocken und nass, fruchtbar und unfruchtbar. Er scherte sich nicht darum. Er war. Das war mir lieber. Und meinem Rücken war es auch lieber.
Ich lag also da und meine Gedanken wanderten auf beiden Seiten des Schleiers in diesem angenehmen Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit, als es klopfte. Ernsthaft, was sollte das? Ich ignorierte es. Doch dann hämmerte es und ich knurrte unwillig zurück.
Gefahr konnte mir nicht drohen, hier im Haus unter dem Schutz der uralten Magie, die Louarn gewoben hatte, obwohl er davon wahrscheinlich nichts wusste. Alles, was hier hämmerte, um mich zu verletzen, wäre schon vor etlichen Schritten auf die Idee gekommen, dass es eine blöde Idee wäre, bevor auch nur eine Fingerspitze die Tür berührt hätte. Und doch hämmerte es an dieser Tür und hörte auch nicht auf. Nein, es kam noch ein kläglich gewimmertes “Bitte!“ dazu.
Ich sammelte meine Wut tief in meinen Eingeweiden, als ich aufstand und die Tür aufriss. Die ganze Macht meiner dunklen Gaben floss aus mir in den Raum um mich herum, um jeden in die Flucht zu schlagen, der hier trotz all meiner Bemühungen hämmerte.
Es war ein Junge. Keine Ahnung, wie er hieß, es interessierte mich nicht. Er war höchstens acht und verheult und schaute mich mit riesigen Augen an, lief aber nicht gleich schreiend davon, obwohl ich ihn niederstarrte.
“Bitte, meine Ma… sie ist krank!“ jammerte er. Warum jammerte er mich damit voll?
“Und was interessiert mich das? Geh zur Gwrach!“ fauchte ich ihn an und war schon dabei, die Tür zuzuschlagen, als der Bengel rotzfrech – oder eher verzweifelt bis in die Knochen – seinen Fuß in die Tür stellte und sie festzuhalten versuchte.
“Sie ist nicht da. Sie ist in der Stadt bei den Römern.“
Ich sah den Jungen an. Aber nein, mich interessierte seine Mutter kein klitzekleines bisschen. “Das ist dann wohl Pech“, meinte ich und drückte wieder gegen die Tür, wo er dagegenhielt.
“Bitte! Ich weiß, du kannst ihr helfen! Du hast doch all diese Pflanzen und das alles! Bitte!“
Ich hatte wirklich keine Lust, irgendwem zu helfen oder mich von dem mitleidigen Gejaule eines Kindes zu irgendwas überreden zu lassen. Aber der Bengel machte genug Krach, dass meine mistigen, neugierigen Nachbarn anfingen, um die Ecke zu schauen, was hier passierte.
Ich tat also das einzige, was mir übrig blieb, packte den Jungen am Kragen und zog ihn zu mir rein und schloss die Tür.
Er heulte weiter und klammerte sich jetzt an mich. “Bitte! Sie hat Fieber und sie ist vorhin einfach umgefallen und sie redet wirres Zeug!“
Würde es nicht auffallen, wenn hier im Dorf ein Kind verschwinden würde, der Bengel würde nicht mehr weiterjammern. Ich überlegte ernsthaft, wer ihn wohl suchen würde und wie ich ihn verstecken könnte, kam aber zu dem Ergebnis, dass es auffällig bliebe. Wohl Glück für den Jungen.
Ich knurrte und überlegte weiter meine Optionen, während er mich vollheulte und jammerte und greinte, was bei seiner Mutter passiert war.
“Wenn ich mir deine Mutter ansehe, schwörst du, nie wieder auch nur in die Nähe dieses Hauses zu kommen und niemals auch nur ein einziges Wort darüber zu verlieren, von niemandem?“ fauchte ich ihn schließlich an.
Er nickte eifrig und schwor alles.
Irgendwie wusste ich da schon, dass das nicht funktionieren würde.
Falke
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09-29-2024, 11:21 AM,
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Ciaran
Zwillingsfalke
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Registriert seit: Apr 2023
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RE: Niamhs Hütte
Natürlich funktionierte es nicht. Solche Dinge funktionierten nie.
Ich hatte der Frau ein paar Mittel eingeflößt und sie ins Bett gehievt, ihrem Sohn einen Beutel Kräuter für einen Aufguss in die Hand gedrückt und war schnellstmöglich und mit der Warnung, nie darüber zu reden, gegangen. Aber wie alle Dinge, über die man nie redete, verselbständigte sich das alles. Ich hätte einfach die ganze Familie umbringen sollen, das wäre vermutlich einfacher gewesen.
Aber am nächsten Tag fand ich Brot und Eier vor meiner Tür. Als Dank. Das hätte mir schon eine Warnung sein sollen.
Ein paar Tage später kam der erste. Den ich natürlich weg und zu der Gwrach schickte. Was sollte der Scheiß? Dafür war die alte Hexe da. Aber einen tag später stand schon ein anderer blutend auf meiner Türschwelle und hielt mir den Arm mit einem wirklich beachtlichen Schnitt darin hin. Retrospektiv hätte ich auch ihn besser verbluten lassen. Aber ich war zu fasziniert von dem Anblick von Blut und durchtrenntem Gewebe und wollte einfach auch wissen, ob ich das richten konnte, ohne dass der arme Trottel den Arm verlieren würde, und… naja, es war nicht meine klügste Entscheidung.
Mehr Körbe, mehr Brot, mehr Eier. Ein Huhn, geräucherter Speck. Ich überlegte, ob Flucht eine Option war. Aber ich hatte Cinead gesagt, ich wäre hier, und es war besser als die Höhle und ich musste mich nicht selber um etwas essbares kümmern. Und ich musste warten, bis meine Söhne alt genug waren, um mit ihnen wegzugehen.
Ich schickte trotzdem alle zur Gwrach, damit die sich mit eingewachsenen Nägeln, Ausschlag und Husten auseinander setzte. Daran hatte ich wirklich absolut keinerlei Interesse. Aber trotzdem stand immer wieder einmal jemand auf meiner Türschwelle und ging mir auf die Nerven.
Falke
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01-22-2025, 04:39 PM,
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Catia
Forenmitglied
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RE: Niamhs Hütte
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"Bis später", hatte Catia zu Bodougnatus und Loarn gesagt, nicht etwa Lebewohl. Sie ging einfach davon aus, dass die Männer, bis sie mit einigen Leckerbissen und Gewürzen zurückkäme, noch da wären, und dass sie dann endlich das Kaninchen so zubereiten konnte, wie es sich gehörte. Daher ließ sie sich Zeit, fragte ein paar Mädchen nach einer Wasserquelle, wusch sich dort gründlich, auch wenn sie danach wieder bibbernd die alte Kleidung anziehen musste, flocht ihre Zöpfe neu und spiegelte sich dann im Wasser. Ihr durch die Strömung verzerrtes Gesicht war sauber, und sie sah nicht mehr ganz so abgerissen aus. Das Wort "Streuner" des Alten hatte sie doch tiefer getroffen, als sie es zugeben mochte.
Dann schaute Catia sich bei den Hütten von Cheddar um. Die ganz armseligen schieden aus, da konnte man keine Magd bezahlen. Die römisch anmutenden Gebäude jagten ihr zunächst zu viel Respekt ein. Ob darin richtige Römer wohnten, so wie ihr Vater einer gewesen war? Sie erinnerte sich vage an ihn, an ein großes freundliches Gesicht mit schwarzen Augen nahe an dem ihren. Sie hatte gequitscht vor Vergnügen. Aber das war lange her.
Wo wohl die Hexe wohnte? Sicherlich am Dorfrand, nahm Catia an. Solche Frauen lebten gerne so, dass sie tun und lassen konnten , was sie wollten, ohne dass sie dabei viel gesehen wurden.
Unwillkürlich fasste Catia nach ihrem Amulett mit dem Wildschweinkopf und dem Wort APER. Er war ihr Glücksbringer. Und Glück sollte sie jetzt bei der Arbeitssuche brauchen.
Das Rundhaus schräg von ihr gegenüber fiel ihr dann auf. Es war aus schweren Ästen errichtet, mit Lehm verputzt und wirkte aufgeräumt und fast noch neu. Ein kleines Gärtchen umgab es. Es strömte etwas Freundliches aus, beinahe wie ein Zuzwinkern, so wie es die Sterne manchmal taten, wenn Catia den Kopf in den Nacken legte und Nachts zu ihnen aufschaute.
Catia beschloss, bei diesem Haus anzufangen. Sie trippelte darauf zu, bewegte die Gartenpforte.
Vor der Pforte stand ein kleines Körbchen mit drei Eiern. Es stand da wie eine Opfergabe, und niemand hatte es angerührt. So kann ich es genauso gut dem Hausherren oder der Hausherrin hineintragen, dachte Catia, nahm es auf, und klopfte sachte an die Hüttentür.
"Seid gegrüßt, ihr Leute von Cheddar!", rief sie dabei.
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01-22-2025, 05:37 PM,
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Ciaran
Zwillingsfalke
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Registriert seit: Apr 2023
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RE: Niamhs Hütte
Das war interessant.
Ich lag wie meistens auf dem Boden und starrte zur Decke hinauf, da ich gerade nicht wirklich was zu tun hatte. Nicht, dass ich etwas zu tun haben wollte. Trotzdem lag ich auf dem Boden, da der ehrlicher war als das Bett.
Ich hatte diesen Monat sehr oft meine Kinder gesehen. Deirdre war mit dem Schmied auf und davon und hatte die Kinder in den Armen ihrer Kinderfrau zurückgelassen. Die beteuerte zwar, dass die zwei wiederkommen würden, aber ehrlicherweise war mir das ziemlich egal. So quatschten mir die beiden schon nicht rein, wenn ich meine Kinder sah. Die Amme war dabei ein notwendiges Übel, da die zwei noch dann und wann an der Zitze hingen. Aber immerhin saßen und bewegten sie sich schon und fingen an, ein paar Laute von sich zu geben, die wohl die urtümlichste der Sprachen darstellte. Wahrscheinlich verstand ich sie deshalb ziemlich gut, auch wenn ihr Horizont gerade verdammt begrenzt war und sie keinen Gedanken länger als einen Augenblick behalten konnten. Ich hatte keine Ahnung, wie ich so erkennen sollte, welcher von den beiden zu Größe bestimmt war und welcher eben nur ein Anhang war.
Der kleine Halbrömer war da schon weit verständiger und redete bei den Besuchen sehr viel mit mir, auch wenn er mich eigentlich überhaupt nicht interessierte. Er würde auch bei Deirdre bleiben, wenn ich meine Söhne holen würde. Aber aus einem mir unerfindlichen Grund schien er mich wohl gut leiden zu können, wenn sie alle bei mir zu Besuch waren.
Aber das war nicht der interessante Teil. Was interessant war, war, dass die Götter gerade sehr schweigsam waren. Seit Wochen hatten sie mir kein neues Opfer mehr gezeigt. Vielleicht lag es daran, dass das letzte so lange gelebt hatte? Ich hatte den Göttern an Samhain das von ihnen gewollte Opfer gebracht und den Sonnenhirsch für sie erlegt und hoch in die Bäume gehangen, wie es sich gehörte, und seine Witwe entführt und mit mir tiefer in den Wald genommen. Ich hatte sie entgegen meiner sonstigen Gewohnheit nicht betäubt, auch wenn sie deshalb ziemlich viel geschrien und sich gewehrt hatte. Anfangs zumindest. Aber diesmal war der Mann das Opfer gewesen und sie eher sowas wie die Belohnung für den Opfernden. Ich war mit ihr bestimmt fünf Tage in einer Höhle, bevor ein Angriff von ihr mich doch dazu zwang, ihr meine neueste Mixtur zu verabreichen. Danach lebte sie noch einmal fünf Tage, bis sie es irgendwie geschafft hatte, sich selbst zu ersticken. Aber auch so war es ein Rekord für mich, so eine lange Zeit. Und ich nahm an, dass die Götter deshalb gerade schwiegen und mich hier in Ruhe auf dem Boden liegen ließen.
Oder fast. Denn jemand klopfte an meine Tür. Eine junge Frau. Nicht von hier, ihrer Wortwahl nach.
Mein Kopf ruckte hoch, um die Tür ansehen zu können, und meine Stirn legte sich in Falten. Sie konnte nicht in böser Absicht da sein. Und sie jammerte auch nicht, also suchte sie keinen Heiler. Was also tat sie an meiner Tür?
Eine schnelle, fließende Bewegung und ich stand und war an der Tür, die ich nur weit genug öffnete, um mir ansehen zu können, wer das war.
Das Mädchen vor mir war jung und nicht von hier. Hübsch, wenn auch nicht übertrieben hübsch, rote Haare. Dunkle Augen? Das war interessant. Ich legte den Kopf schief. “Was willst du?“ fragte ich, anstatt sie einfach nur niederzustarren, bis sie wieder ging. Vielleicht verweichlichte mich das Leben in dieser Hütte auch.
Falke
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01-23-2025, 04:18 PM,
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Catia
Forenmitglied
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Registriert seit: Nov 2024
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RE: Niamhs Hütte
Ein Mann öffnete so plötzlich, als wäre er aus dem Nichts aufgetaucht. Er war etwas größer als sie selbst und noch nicht alt. Die Seiten seines Schädels waren kahl rasiert, und Catia fragte sich einen Moment lang, zu welchem Stamm denn diese Haartracht gehörte. Sein Haupthaar war schwarz, und seine Augen waren braun, jedoch heller als die ihren.
Catia streckte ihm sofort das Körbchen entgegen. Es wäre nicht gut, wenn er sie für eine Eierdiebin halten würde. Es wirkte allerdings ein wenig so, als wolle sie ihn beschwichtigen:
"Guten Tag. Ich suche Arbeit, Herr", sagte sie: "Das da stand vor der Pforte. Ich habe es mit reingenommen, bevor es wegkommt. Ich kann alles, was ...", sie versuchte, einen Blick ins Innere zu werfen, sah aber, weil der Hausherr die Tür nur einen Spalt geöffnet hatte, kaum etwas von der Einrichtung.
Ob sie ihn aus dem Schlaf gerissen hatte? Ach was, bei Tageslicht schlief doch keiner, es sei denn er wäre alt und krank, und nach beidem sah der Mann nicht aus:
"...so im Haushalt anfällt: Putzen, Flicken, Nähen, Gartenarbeit und mich um Tiere kümmern und buttern und käsen. Kochen kann ich auch....", bei diesen Worten dachte sie kurz an Louarn und ihr missglücktes Frühstück und fügte hinzu:
"...etwas. Was ich nicht kann, kann ich lernen. Ich heiße Catia ferch Regat"
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01-23-2025, 07:58 PM,
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Ciaran
Zwillingsfalke
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Registriert seit: Apr 2023
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RE: Niamhs Hütte
Ich nahm ihr den Eierkorb ab. Regat war ein Frauenname. Ihr Vater war also unbekannt, oder sie wollte, dass er unbekannt blieb. Ich schaute nochmal zu ihren dunklen, fast schwarzen Augen. Mischlingskind, ziemlich sicher.
“Und ich kann nichts davon… oder fast nichts. Und ich hab keine Tiere. Nur ein Pferd… irgendwo… vielleicht.“ Wahrscheinlich hatte einer der Nachbarn das Tier an sich genommen und fütterte es. Es lag zumindest nicht tot im Garten. Vielleicht war es auch weggelaufen. Ich machte mir nie viel aus den Tieren. Wenn ich eins brauchte, holte ich mir eins. Wenn der Besitzer das nicht wollte, auch gut. Das war meist dann eine sehr kurze und einseitige Diskussion, die von einem meiner Messer beendet wurde.
Ich sah sie an, und ganz vielleicht hätte ich einen Ersatz für Cinead brauchen können, bis der wieder da war. Die Hütte war nicht gerade aufgeräumt und geputzt hatte ich… nie. Und meine Mahlzeiten waren meistens kalt, weil ich mich mit der Zubereitung nicht lange aufhielt. Mir fehlte mein Bruder wirklich. Wo er nur so lange blieb? Er war sicher noch am Leben, seinen Tod hätte ich bemerkt. Ganz sicher. Aber ich hatte keine Ahnung, warum er so lange von mir getrennt war. Und er hatte sich immer um all diese Nichtigkeiten gekümmert.
“Und was willst du dafür, Catia ferch Regat?“ Natürlich wollten sie immer alle etwas dafür haben. Nur ich wollte eigentlich nur meine Ruhe haben.
Falke
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01-24-2025, 07:10 PM,
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Catia
Forenmitglied
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Registriert seit: Nov 2024
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RE: Niamhs Hütte
"Du weißt nicht genau, ob du ein Pferd hast?"
Alle Leute, die sie kannte, wussten sehr wohl, wieviel Stück Vieh sie hatten und natürlich wie viele Pferde, wenn sie eines eigen nannten. Entweder war der Mann also unheimlich reich, was unwahrscheinlich war oder unheimlich vertüddelt, was möglich war. Louarn war allerdings auch einer gewesen, der hatte seiner Spitzmaus gleich zwei Pferde geschenkt. Catia schob den Gedanken an den rothaarigen Kelten bei Seite. Sie konnte sich nicht konzentrieren, wenn sie immerzu an Louarn denken musste. Aber er mogelte sich in ihre Gedanken, ob sie wollte oder nicht.
Nun fragte der Mann sie, was sie denn für ihre Dienste wollte. Das war kein glattes Nein, oder?
"Nenn mich einfach Catia. Wie willst du genannt werden?" Immer noch konnte sie nicht viel erkennen vom Hausinneren:
"Den Lohn kann ich erst sagen, wenn ich deine Hütte gesehen habe. Viel Arbeit scheint es ja nicht zu sein. Tiere hast du nicht, wenn ich dein Vielleicht - Pferd nicht mitrechne, und der Garten ist nicht allzu groß. Also....
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01-25-2025, 01:46 PM,
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Ciaran
Zwillingsfalke
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Registriert seit: Apr 2023
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RE: Niamhs Hütte
Warum die Menschen sich nur an solchen Kleinigkeiten aufhängten wie Pferde? “Ich hatte eins, als ich herkam, und hab es seitdem nicht noch einmal gebraucht.“ Warum sollte ich von Dingen, die ich nicht brauchte, wissen, wie es ihnen ging? Das fand ich ziemlich unlogisch, aber der Rest der Welt sah das wohl anders.
Dann war sie scheinbar von sich selbst überblüfft, denn sie wusste nicht wirklich, was sie für ihre Dienste wollte. Stattdessen wollte sie reinkommen und nicht weiter in der Kälte stehen. Ich überlegte kurz, ob ich das wollte, und eigentlich wollte ich niemanden in meiner Hütte, obwohl dennoch dauernd Leute kamen. Nur dieses Mal war es kein blutendes, hustendes oder lahmes Elend, das herein wollte, sondern… Spielzeug. Also öffnete ich die Tür und ließ sie herein, ehe ich hinter ihr die Tür gegen die Kälte wieder schloss.
“Den Garten solltest du besser meiden“, sagte ich ihr nur als ehrliche Warnung. Dort wuchsen diverseste Pflanzen, die sie sehr schnell töten würden, wenn sie sie falsch anfasste. Oder gar eine Beere aß. Und ich brauchte die Pflanzen definitiv mehr als irgendeinen Menschen hier im Dorf, von meinem erwählten Sohn einmal abgesehen.
Die Hütte war nicht allzu groß. Der Kessel war nicht besonders geputzt und leer, die Asche des Feuers verteilte sich großflächig, das Bett diente als Ablage für diverse Körbe, die die Leute mir brachten aus Dankbarkeit für meine Dienste. Der einzig ordentliche Bereich war der Tisch, an dem ich meine Tränke anrührte und meine Experimente vollführte. Dort war alles genau an dem Platz, an dem ich es haben wollte. Der Rest war einfach… unwichtig.
Ich ließ sie es sich ansehen und suchte nach ihrer Reaktion. Ich hoffte ein wenig auf Erschrecken, denn diese Reaktion war die ehrlichste. Ich sah sie in so vielen Augen, wenn sie die Wahrheit dessen erkannte, was ich war und was ich zu tun im Stande war. Ich stellte mir vor, wie….
Etwas stimmte nicht. Es kamen keine Bilder in meinen Geist. Ich blinzelte einen Augenblick verwirrt, ehe mein Blick zur Decke und der dreimal verfluchten Schleife wanderte. Oh, ich NARR! Ich hatte gedacht, der Zauber wirke nur auf alles außerhalb dieser Hütte. Ich war so ein verfluchter, elender Narr! Natürlich wirkte das Ding auch auf mich! Wie hatte ich in meiner Hybris nur anderes annehmen können? Und es erklärte, warum die Götter so schweigsam waren. Das Ding schirmte sie ab!
Falke
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01-25-2025, 03:56 PM,
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Catia
Forenmitglied
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Registriert seit: Nov 2024
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RE: Niamhs Hütte
" Also der Garten nicht. Dann ist ja noch weniger zu tun", stellte Catia fest, trat ein und schaute sich um. Die Hütte war nicht allzu groß. Erkaltete Asche lag auf dem Boden und auf dem Lager standen Körbe. Der Hausherr schien alleine zu leben. Es gab aber nicht genügend Einrichtungsgegenstände, um wirkliche Unordnung zu erzeugen.
Der vollbepackte Tisch weckte ihre Neugier. Er stand voller Gerätschaften und Tiegel, die sie nie zuvor gesehen hatte und deren Sinn sie nicht begriff. Aber da sie nicht viele Vergleichsmöglichkeiten hatte, kam er ihr auch nicht erstaunlich vor. Ob der Hausherr ein Heiler war? Sie würde die Finger von seinen Sachen lassen. Louarn hatte ihr freilich gesagt, dass es eine Hexe im Ort gab, wo sie versprochen hatte, nicht hinzugehen. Aber er hatte doch eindeutig von einer Frau gesprochen, nicht von einem Mann.
Catia war in Versuchung, eine der glänzenden Phiolen mit den Fingerspitzen anzutippen und legte, um der Versuchung nicht nachzugeben, die Hände auf den Rücken. Dann wandte sie sich zu Ciaran um. Sie spürte seinen Blick auf ihr. Ich hätte mir die Warzen mal besser wieder aufkleben sollen, dachte sie einen Moment lang, auch wenn der Blick nicht so war, als wolle er über sie herfallen. Die ganze Hütte wirkte trotz ihrer Kahlheit beruhigend, als könne dort nicht wirklich Böses geschehen. Dennoch fragte Catia nach:
" Sind das deine Sachen oder gehören sie etwa der Gwarch? Wenn das so ist, gehe ich meiner Wege. Ich will keinen Streit mit dir, aber mit Hexen will ich nichts zu tun haben.
Wenn es hier jedoch keine Hexe gibt, so kann ich einmal in der Marktwoche einen Tag zum Arbeiten her kommen. Ich nehme zwei Sesterzen von Hahnenschrei bis Dämmerung. Wenn du Wäsche hast, wasche ich sie. Ich koche und putze für dich. Und den Kessel würde ich auch auf Hochglanz bringen. Deine Sachen auf dem Tisch gehen mich nichts an", unwillkürlich machte sie einen Schritt zurück zur Tür:
" Und ich meine wirklich nur Putzen und Kochen. Dein Lager teile ich nicht mit dir, das sage ich dir gleich", fuhr sie fort mit der kleinen Notlüge, welche sie bisher auf ihrer Reise immer verwendet hatte. Bei einem Junggesellen schien ihr das sicherer, es sofort klarzustellen:
"Ich habe nämlich einen Gefährten. Sein Name ist ...Louarn" Angus hatte Catia sagen wollen, ganz sicherlich Angus, wie die ganze Zeit während ihrer Reise schon, auch wenn Angus ein Depp gewesen war. Doch sie hatte heute schon so oft an Louarn denken müssen, dass ihr sein Name von ganz alleine über die Lippen kam. Catia wurde feuerrot bis unter die Haarwurzeln, als sie ihren Irrtum bemerkte. Es stimmte ja nicht, dass Louarn ihr Gefährte war, das wusste sie ganz genau, und sie bildete sich auch nicht ein, dass es so sein könnte, nur weil sie eine Nacht miteinander verbracht hatten.
" Nun sag du", sagte sie fast störrisch mit einem verlegenen Blick aus ihren schwarzen Augen und verschränkte ihre Arme über der Brust.
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