Willkommen im Forum, Bitte Anmelden oder Registrieren

Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
12-09-2024, 03:42 PM,
Beitrag #11
RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
"Es ist wirklich fremdartig für einen Römer, Carissima", flüsterte Saturninus und legte einen Arm um Nivis Taille. Das Fest war sehr barbarisch, aber ihren schlanken vertrauten Leib dicht an dem seinen zu spüren, tat ihm gut.

Doch auch er hörte das Lachen. Und er spürte, wie Nivis zusammenzuckte, denn ihre Bewegung übertrug sich auf ihn.  Sie schaute in die Richtung des Geräusches, als sähe sie etwas ihr Unangenehmes, und ihr kleines Herzchen schlug schneller. Fast schuldbewusst küsste sie Saturninus dann, doch der Patrizier war nicht der Mann, der so etwas auf sich beruhen ließ:
"Wer ist das und warum lacht er über dich? Ist der aus Cheddar?", fragte er seine Geliebte. Er kniff die Augen zusammen:
"Dem Burschen fehlt es an Respekt. Man sollte ihn gute Sitten lehren" 
Saturninus wusste, dass Seasnán als sein Leibwächter ein Auge auf ihn hatte, falls er in Schwierigkeiten wie eine Prügelei geraten würde.  Selbst im unruhigen Feuerschein erkannte der Furius, dass der Spötter größer war als er selbst. Aber nicht größer als sein gallischer Sklave und entschieden weniger bullig. Es wäre also nicht ein sehr großes Risiko für Saturninus, den frechen Kerl herauszufordern. Mehr als eine Dorfprügelei hatte der Römer nicht im Sinn. Er war nicht bewaffnet.
Doch noch wartete er Nivis Erklärung ab.
[Bild: 3_18_08_22_2_20_05.png]
[Bild: 3_15_08_22_9_31_55.png]

Honoratior von Iscalis
Zitieren
 
12-09-2024, 05:31 PM,
Beitrag #12
RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Ich zuckte zusammen, bevor ich es verhindern konnte, und fühlte wie Saturninus’ Arm sich enger um meine Taille schloss. Sein Griff war warm und beruhigend, aber mein Blick wanderte unwillkürlich in die Richtung des Geräusches. Ciaran - warum musste er ausgerechnet jetzt hier sein? Mein Herz begann schneller zu schlagen, und ich versuchte, ruhig zu atmen.
Mo rúnsearc bemerkte mein Zögern natürlich sofort, doch ich wollte nicht, dass er sich deswegen aufregte. Ich zwang mich zu einem Lächeln, hob meine Hand und ließ meine Finger sanft über seine Brust gleiten, in der Hoffnung, ihn abzulenken. 
"Ach, das ist nur Ciaran," erklärte ich leichthin, obwohl mein Magen sich zusammenzog. "Er ist ein bisschen seltsam. Irgendwie ... anders eben. Stör dich einfach nicht an ihm, bitte." Ich konnte nicht mehr sagen, ohne ihn noch neugieriger zu machen. Schon gar nicht konnte ich ihm verraten, was Ciaran war. Denn damit würde ich auch all seine Brüder in Gefahr bringen.  Also ließ ich die Worte einfach im Raum stehen und hoffte, dass sie genügen würden.

Ich spürte, wie sich seine Haltung veränderte, die Spannung, die sich in seinem Körper aufbaute. Auf gar keinen Fall durfte ich ihm nun keine Zeit lassen, sich in seinem Ärger zu verlieren. Also nahm ich den Schlauch aus dem Korb, in dem sich der Met befand und holte auch noch die selbstgebackenen Honigküchlein hervor. Wieder lächelte ich ihn an. "Bist du hungrig? Oder möchtest du lieber etwas trinken? Oder vielleicht auch beides?" fragte ich schnell. "Ich habe Met dabei. Wein aus Honig. Er schmeckt sehr gut. Man kann ihn kalt oder warm trinken."
Ich hielt den Schlauch ein wenig höher, als würde allein die Geste genügen, um ihn zu besänftigen. Während ich sprach, versuchte ich, meine eigene Nervosität zu verbergen, die mich wie eine unsichtbare Hand fest umklammerte. Saturnus sollte nichts merken. Heute Abend ging es nur um uns und um unser kleines Abenteuer. Ciaran war bedeutungslos – oder sollte es zumindest sein.
[Bild: 1_29_07_23_5_35_37.png]
Zitieren
 
12-09-2024, 09:27 PM,
Beitrag #13
RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Ganz offensichtlich unterschätzten die beiden mein Gehör. Niamh sollte es eigentlich besser wissen. Im Moment war ich mit dem Zauber der Welt tief verwoben und hörte selbst die Mäuse in ihren Löchern unter der Erde. Da würde ich doch wohl zwei Römer, die sich als Kelten ausgaben, hören können.
Ich ging ganz gemütlich näher und sah, wie sich die Schnur des Lebens des großen Kerls in der Nähe spannte. Sollte er es ruhig versuchen und mich angreifen. Selbst wenn ich nicht mit Sicherheit schneller war als alles, was er losbrechen konnte und mir nur ein kleiner Kratzer genügen würde, müsste ich mir hier heute keine Sorgen machen. Aber Gewalt an Samhain ohne ordentliche Herausforderung? Auch das sollte Niamh besser wissen.

Ich schritt also sehr unbeeindruckt durch den Fleischklops weiter, bis ich in eindeutiger Nähe zu den beiden stand. Ich kippte meinen Kopf leicht auf eine Seite. “Ich sollte beleidigt sein, aber andererseits ist es zu lustig, wie ein Römer und seine gekaufte Nebenfrau denken, sie würden nicht auffallen und könnten mir irgendwas über gute Sitten beibringen.“
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
12-11-2024, 03:26 PM,
Beitrag #14
RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Saturninus hatte den Mann verstehen können. Und er schien jedes Wort gehört zu haben, was bedeutete, dass er Ohren hatte wie ein Luchs. Oder... hatte Nivis dem Furius nicht gesagt, dass sich die Toten unter die Lebenden mischten? Der Mann war, genau konnte das Saturninus aber im Feuerschein nicht erkennen, geisterbleich, so schien es ihm.... anderseits verschaffte man sich einen Nachteil, wenn man Gespenster sah, anstatt der Situation mit überlegenem Geist zu begegnen.
Saturninus tätschelte Nivis beschwichtigend die Schulter und erhob sich ebenfalls:
"Ich esse gleich, Carissima", sagte er fast tröstend, denn sein Mädchen hatte sich die allergrößte Mühe gegeben mit dem Picknickkorb, hatte Met - was wohl eine Art Gewürzwein war und Honigküchlein - die er sehr gerne mochte, eingepackt.

"Ciaran war dein Name, nicht wahr? Du bist mir völlig unbekannt. Wiederhole, was du so amüsant findest. Vielleicht können wir dann beide lachen. Wenn jedoch nicht, so würden es die gute Sitte tatsächlich gebieten, Fremde nicht zu belästigen, sondern zu verschwinden!"
Wenn Saturninus Kleidung und Aufmachung auch Conall war, hätte er niemals anders sprechen können als der Römer, der er war. Seine Sprache war akzentuiert und kalt, und jeder Humor glänzte durch Abwesenheit:

"Ach ja, und dich bei der Dame wegen deines unpassenden Gelächters zu entschuldigen, bevor du gehst"
[Bild: 3_18_08_22_2_20_05.png]
[Bild: 3_15_08_22_9_31_55.png]

Honoratior von Iscalis
Zitieren
 
12-15-2024, 11:43 PM,
Beitrag #15
RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Mein Versuch, die Situation zu entschärfen, war kläglich gescheitert. Saturnus zeigte sich von den mitgebrachten Speisen und dem Met unbeeindruckt und tat meinen Vorschlag ab, indem er meinte, später essen zu wollen.
Gleichzeitig kam Ciaran immer näher, während er nicht müde wurde, uns mit seinen giftigen Worten zu treffen, als wären es Pfeile. Ich wagte es nicht, den Blick zu heben, obwohl ich seine Präsenz nur zu deutlich spürte. Er schien die Luft zu beherrschen, als wäre er ein Teil der Dunkelheit, die uns umgab. Seine Worte hallten in meinem Kopf nach. Römer. Gekaufte Nebenfrau. Die Verachtung darin war unverkennbar und stach mir direkt ins Herz.
Ich strich mit den Fingern über den Rand meinesr Tunika, als könnte ich mich dadurch beruhigen und meine Gedanken sortieren. Doch die Fragen ließen mich nicht los. Warum war Ciaran hier, und was hatte er vor? Wollte er wirklich mit seinem Affront weiter Zwietracht säen und einen Streit provozieren?
Die Anspannung zwischen den beiden Männern war greifbar, wie ein Seil, das jeden Moment reißen konnte. Ich hatte mo rúnsearc's Stimme oft gehört, wenn er sich über andere erhob, und doch fragte ich mich, ob er dieses Mal den Richtigen vor sich hatte. Ciaran war anders. Er war kein gewöhnlicher Mensch. Er war mehr als das – ein Druide. Ich wusste, wozu er fähig war. Er hatte nichts von Louarns Besonnenheit und Sanftmut. Ciaran war durch und durch gefährlich.

Langsam atmete ich ein und zwang mich, Ruhe zu bewahren. Meine Gedanken rasten, doch ich wusste, dass jetzt nicht der Moment für Stolz oder Trotz war. Daher legte ich keinen Wert darauf, dass Ciaran sich bei mir entschuldigen sollte, so wie Saturnus es gefordert hatte. Ich spürte die Anspannung in meinen Schultern, atmete noch einmal tief ein und ließ die Luft langsam entweichen.
Ich hob den Blick, zwang meine Stimme zur Ruhe und sprach fest, aber so sanft wie möglich:
"Ciaran, das reicht. Samhain ist keine Nacht für Streit, sondern für Frieden." 
Ich sprach absichtlich meine Worte in Latein, damit Saturnus sie verstand. Dann hielt ich inne, ließ die Worte wirken und fuhr dann ruhiger fort:
"Es ist Samhain. Warum sollten wir die Geister dieser Nacht mit unserem Zorn stören?"
[Bild: 1_29_07_23_5_35_37.png]
Zitieren
 
12-16-2024, 01:03 PM,
Beitrag #16
RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Dass sie ihm meinen Namen gesagt hatte, gefiel mir nicht. Ich legte den Kopf schief und sah die beiden an. Eigentlich hatten die Götter mir schon gezeigt, wessen Blut sie heute Nacht haben wollten, aber ein kleiner Bonus war selten verkehrt. Ich hatte schon aus geringeren Gründen getötet.

“Was ich so lustig finde, Furius Saturninus, ist, dass du denkst, dass man dich hier nicht erkennen würde. Über ein Jahr kamst du jede Woche, um Dierdre zu vögeln und denkst dennoch, mit einer Hose und ein wenig Dreck im Gesicht würden dich die Leute nicht erkennen.
Was ich so lustig finde, ist, dass du die Frau an deiner Seite als Dame bezeichnest, wo sie sich doch so offensichtlich selbst verkauft, während sie all die Zeit immer einem Leben als hohe Tochter und Stand nachgejammert hat und es zurückwollte, und sich jetzt doch als Sklavin einem verheirateten Mann anbietet.
Und am lustigsten finde ich, dass ihr wirklich meint, der da sei schneller als ich“
, sagte ich und deutete, ohne hinzusehen auf den Leibwächter des Römers.

Niamh versuchte, mich zu bremsen. Sagte mir, dass es reicht. “Reicht? Ich habe noch nicht einmal angefangen. Was weißt du schon von den Geistern, kleines Mädchen? Wollt ihr sie sehen und wirklich wissen, wie friedvoll sie doch sind?“
Ich war gerade nicht in der Stimmung für friedvolle Geister. Überhaupt nicht. “Seht es als Geschenk“, sagte ich nur, klatschte einmal meine Hände zusammen und blies einmal gezielt aus. Ich war nah genug für den Zauber, und im Gegensatz zu ihnen dessen Wirkung gewohnt – und sowieso schon den ganzen Abend unter dessen Einfluss. Meine Toten schreckten mich auch nicht, ich begutachtete sie wie die lieben Trophäen, die sie für mich waren. Aber die Toten der beiden… ich glaubte nicht, dass die wirklich friedlich wären.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
12-16-2024, 04:59 PM,
Beitrag #17
RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Als Nivis die Geister dieser Nacht nannte und dass der Frieden nicht gestört werden durfte, winkte Saturninus sofort Seasnán zu, dass er wegbleiben solle. Auch barbarische Götter existierten, auch wenn sie den römischen unterlegen waren, aber das hier war eines ihrer sakralen Feste, und Saturninus würde sich nicht mit ihnen anlegen:
"Ich achte den Frieden deiner Götter, Carrissima" 
Als Ciaran dann weiter sprach, musste ihm der Furius insgeheim Recht geben. Er hatte selbst nicht daran geglaubt, dass ihn niemand erkennen würde. Er hatte nur Nivis eine Freude machen wollen. Ein wenig fühlte sich der Patrizier ertappt, wie er sich zum Affen machte,  nur um seiner Geliebten zu gefallen.
Ciaran schien ihn gut zu kennen. Er wusste von Deirdre und vielleicht auch von Tiberius: 
"Ich habe nur in Anspruch genommen, was mir als Sklaven- und als Klientendienst von Deirdre zustand. Nichts was den Sitten widerspräche.
Aber mit Nivis..."

Saturninus verstummte. Er war in Nivis verliebt und war von Anfang an nicht als ihr Herr sondern als ihr Liebhaber mit ihr im Bett gewesen,  doch mehr konnte er ihr nicht geben, als er ihr bereits gab. Er konnte ihre Beziehung nicht legitimieren. Sie dagegen  war völlig unschuldig in seinen Augen. Sie wusste nicht einmal, dass sie seine Sklavin gewesen war. Er hatte sie ohne ihr Wissen freigelassen. Ihr Götter, das war unangenehm.... wenn Nivis das erfahren würde. Wusste es denn dieser Ciaran Bescheid? Würde er es der jungen Keltin mitteilen?

Saturninus hatte Nivis nichts verraten.... nie, er fürchtete, sie würde ihm das nicht verzeihen. Ciaran durfte ihm das nicht zerstören, dachte er, aber der unheimliche Mann schien es nicht darauf anzulegen, nur mit Worten die Liebenden zu entzweien. 

 Ein kalte Hauch wie aus einer Gruft traf den Römer unerwartet....Saturninus fror bis ins Mark.... Aber was ihn heute an Samhain jagte, waren nicht die Gespenster der Toten, sondern die Geister derer, die lebten:

...ein hölzerner Boden. Planken, die nach Meer und säuerlich rochen. Nach Erbrochenem. Nach seinem eigenen Erbrochenen. Der Römer lag mit dem Gesicht nach unten, während der Wagen ächzte und schaukelte. Er stöhnte, sein Kopf dröhnte und sein Mund war wie ausgedörrt vor Durst. Der Wagen war ein Käfig, geflochten aus Birkenästen.
Saturninus erinnerte sich vage. Die Hibernier waren plötzlich in Britannien eingefallen und hatten die Fackel des Krieges entzündet. Es waren so viele, dass die regulären Legionen nicht mit ihnen fertig wurden. Saturninus meldete sich freiwillig, und seine Einheit war eingekesselt worden und er in Kriegsgefangenschaft geraten. Und dies hier musste das barbarische Hibernia sein, denn er erinnerte sich an eine entbehrungsreiche Überfahrt.

Endlich hörte das Schaukeln auf. Der Wagen hielt an. Er wurde geöffnet und jemand schob ihm eine Schale Wasser hinein. Der Römer richtete sich auf, um  gierig zu trinken, da platschte ein mächtiger Fuß in das Trinkwasser und ein grober rothaariger Krieger lachte sich kaputt über den bösen Scherz.

Saturninus griff die Schale, rappelte sich auf und holte wütend aus, da ließ ihn ein nie gekannter Schmerz Hören und Sehen vergehen.  Der Krieger hatte ihn mit der Breitseite seines Schwertes geschlagen. Und noch ein Befehl, und er wurde über einen Bock gelegt und empfing Peitschenhiebe als Strafe.. Er blieb nackt, verletzt und immer noch hungrig und durstig zurück. Noch mehr als das brannte aber die Demütigung. Er war ein römischer Patrizier
Nackt wie er war trieb man ihn später mit anderen in Ketten auf ein Podest. Und nun begriff  Saturninus. Er, Tiberius Furius Saturninus, war ein Sklave auf einem hibernischen Sklavenmarkt.
Potentielle Käufer gingen umher. Ein, zweimal fragte einer etwas über ihn, und ein anderer Mann - Saturninus nahm an, dass das der Sklavenhändler war, fasste ihn grob im Genick und zwang seine Kiefer auseinander. Man begutachtete ihn.
Seine Wangen brannten vor Scham. Er schaute über alle hineweg und dachte, dass es ihm die Ehre jetzt gebot, sich in sein Schwert zu stürzen. Doch welches Schwert? Welche Ehre? Er war wie gesagt ein Sklave. Er hatte alles verloren: Name und Sprache, Ehre und Hoffnung, alles auf einmal..... und wenn die Schwäche ihn straucheln ließ, bekam er nicht etwa Pflege oder Mitleid sondern Spott und  noch mehr Prügel. 

...und da sah er sie von Weitem. Sie stach zwischen den Frauen, die sie begleiteten, hervor wie eine Rose unter Gänseblümchen. Sie war von großer Schönheit. Ihr Gewand war reich geschmückt, und ihre bloßen Arme zierten Armbänder. Sie trug einen Reif um ihre helle Stirn und rotes dichtes Haar fiel über ihre Schultern. 
Nivis, durchfuhr es Saturninus wie ein Schlag, und die Tränen traten ihm in die Augen. Das ist doch meine Nivis, meine Carrissima... er stöhnte auf, und die Antwort auf diese Regung war ein mahnender Zug an der Kette.  

Meine Puella ist gekommen, dachte Saturninus voller Sehnsucht. Erkenne mich wieder, befreie mich bitte, nie zuvor hatte sein Herz mehr in seiner Brust geklopft als in diesem Augenblick. 
[Bild: 3_18_08_22_2_20_05.png]
[Bild: 3_15_08_22_9_31_55.png]

Honoratior von Iscalis
Zitieren
 
12-18-2024, 08:25 PM,
Beitrag #18
RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Als Ciaran mir widersprach und weiter sein Gift versprühte, presste ich die Lippen zusammen, und meine Hände ballten sich zu Fäusten. Ich war inzwischen aufgestanden und wollte ihm entgegenschreien, dass ich nie meinem alten Leben nachgejammert hatte und dass ich mich Saturninus nicht als Sklavin angeboten hatte. Ich war bei ihm, weil ich ihn liebte! Er hatte mich aus höchster Not gerettet und befreit. Doch Mo rúnsearc ergriff das Wort und begann, sich selbst und auch mich zu verteidigen. Zumindest begann er damit, verstummte dann aber plötzlich. Ich fragte mich noch, warum er nicht weitersprach, wurde jedoch von Ciarans seltsamem Gebaren überrascht. Er faselte etwas von einem Geschenk, klatschte in die Hände und blies uns etwas entgegen. Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück. Meine Augen weiteten sich für einen Moment, als ich spürte, dass etwas mit mir geschah. Gerade noch konnten meine Lippen einige Worte formen:

"Was hast du getan?"

fragte Diarmait mich, als sie ihn holten und fortbrachten. Ich sah ihn mit eisiger Miene an und schwieg, während die Männer, die ihm einst gefolgt waren, ihn zu Mog Ruith, dem großen Druiden von Muma, schleppten.

Diarmait hatte den alten König getötet und all jene, die treu zu ihm gestanden hatten, denn er hatte selbst nach der Königswürde von Laigin gestrebt. Meine ganze Familie war ihm zum Opfer gefallen. Bevor ich fliehen konnte, geriet ich in die Hände seiner Männer. Doch Diarmait tötete mich nicht. Er sah in mir eine Möglichkeit, all jene auf seine Seite zu ziehen, die einst meinem Vater ergeben gewesen waren, indem er mich zur Frau nahm. Nachdem ich öffentlich erklärt hatte, dass mein Vater ein Verräter gewesen sei, machte er mich zu seiner Königin, indem er mich vor den Augen aller nahm. Neun Monate später gebar ich ihm seinen ersten Sohn. 
 Ich gaukelte ihm Gefühle vor, die ich jedoch nicht für ihn hegte. Jedes meiner Worte und jede meiner Gesten waren eine Lüge. Ich hasste den Mörder meines Vaters aus tiefstem Herzen.

In seinem vierten Jahr als König – ich hatte ihm gerade seinen zweiten Sohn geschenkt – begehrte das Volk auf. Die Menschen litten unter einer Hungersnot, denn die Ernte war bereits zum zweiten Mal ausgefallen. Ich nutzte die Situation aus und ließ unter den Leuten verbreiten, dass die Götter nach einem Opfer verlangten – einem Königsopfer! Der König war der Erste seines Landes und somit sein höchstes Gut. Welches Opfer wäre wohl wertvoller als der König selbst? Auch Mog Ruith hatte ich davon überzeugen können. Er zögerte nicht lange und überließ dem Moor  den König, damit sich die Götter an seinem Blut und seinen Knochen laben konnten.

Da ich die Mutter seiner Söhne war, machten Diarmaits Krieger mich zur neuen Königin. Durch den alten Druiden war mir auch der Segen der Götter sicher. Da ich nicht nach Macht strebte, sondern das Wohlergehen meines Volkes an erste Stelle setzte, erfreute ich mich großer Beliebtheit. Die Zeiten wurden besser, und gemeinsam mit den anderen Königen Eires beschlossen wir, Schiffe gen Osten zu schicken. Schon immer hatten Abenteurer aus Eire nach Prydein** übergesetzt, um dort Sklaven zu nehmen. Doch diesmal segelten große Schiffe nach Prydein – Schiffe, die viele Hundert Krieger fassen konnten. Ziel war es, die Rómhánach* von dort zu vertreiben und die Insel selbst in Besitz zu nehmen. 

Auch ich schickte meine besten Krieger, angeführt von Suileabhain, der einst mein Verlobter gewesen war. Ich hatte ihn sehr geliebt. Doch nachdem er Diarmait die Treue geschworen und eine andere zur Frau genommen hatte, waren meine Gefühle für ihn erkaltet. Er jedoch hoffte noch immer, ich würde ihn zu meinem Gemahl erwählen.

Viele Monate kämpften unsere Männer in der Fremde für Eires Ehre. Die Nachricht ihres Sieges eilte ihnen voraus, und als sie endlich mit ihrer Beute zurückkehrten, war das ganze Volk auf den Beinen und jubelte seinen Helden zu. Gold, Silber, edle Stoffe und seltsame Gegenstände aus den Häusern der Rómhánach brachten sie mit. Doch sie hatten auch Hunderte Sklaven erbeutet – zumeist Männer mit dunklen Haaren und Augen, die durch ihre leicht getönte Haut und einige durch ihre hochmütigen Blicke auffielen. In diesem Fall konnten Ketten oder Peitschen Abhilfe schaffen. Die Edelsten unter ihnen hatte man direkt nach Tara geschafft. Einige Tage später folgten schließlich Händler, die den Rest feilboten.

Suileabhain ließ es sich nicht nehmen, mich zu den Gefangenen zu führen. Meine Dienerinnen begleiteten mich. Ich trug eines meiner feineren Gewänder, dessen Stoff aus bester Wolle gewebt und gewalkt worden war. Ein Wolfspelz lag um meine Schultern und um meinem Hals trug ich einen schweren goldenen Torques, der ein Zeichen meiner Macht darstellte.
Wie üblich sprach Suileabhain in seinem selbstsicheren Tonfall und schilderte mir seine Kriegserlebnisse mit blumigen Worten. Als wir uns den Käfigen mit den Gefangenen näherten, wehte mir bereits ein übler Geruch von Schweiß, Erbrochenem und Exkrementen entgegen, der meine Nase beleidigte.
"Schau dir diese Beute an, Königin Niamh. Die Götter selbst hätten sich keine besseren Gefangenen wünschen können", prahlte Suileabhain und deutete auf einen Haufen nackter verschmutzter Gestalten, die wie Tiere in einem Pferch aus Flechtwerk eingesperrt worden waren und aneinander gekettet auf dem Boden hockten. 
Ich ignorierte seine Worte und ließ meinen Blick über die Gefangenen schweifen. Hauptsächlich waren es Männer, doch auch einige Frauen fanden sich unter ihnen. Doch dann fiel mein Blick auf einen Mann, der sich scheinbar aus der Masse abhob. Er stand auf einem Podest. Einer Händler hatte ihm im Nacken gepackt, damit man ihn begutachten konnte. Sein Gesicht und auch sein Körper waren von Schmutz bedeckt. Er erinnerte in diesem Moment mehr an ein Häufchen Elend, als an einen stolzen übermütigen Rómhánach. Die Sonne glitt über sein dunkles Haar  als der Händler ihn wieder losließ.Nun stand er wieder aufrecht, obwohl die Ketten seine Arme herabzogen und sein Blick strahlten Trotz und Stärke aus.Dies war kein gefügiger Sklave, kein gebrochener Geist.[/i]
"Wer ist das?" fragte ich, ohne Suileabhain anzusehen, denn der Gefangene machte den Eindruck eines Anführers.
"Nur ein gewöhnlicher römischer Hund, der noch lernen muss, wer nun sein Herr ist," antwortete er mit unverhohlenem Stolz. "Er gehörte zu einer Einheit, die wir zerschlagen haben. Dieser hier war besonders widerspenstig. Doch die Peitsche wird ihn Demut lehren."
Ich nickte nur langsam. "Gwen!" Meine Dienerin, die einige Schritte hinter mir stand, trat näher. Sie stammte selbst ausPeydein und sprach genug Latein, um mit den Rómhánach zu kommunizieren. Für diese Gefangenen aber hatte sie nur Abscheu übrig. Ich hingegen konnte nicht erklären, was ich so anziehend an diesem einen Mann fand.
"Frag ihn nach seinem Namen", befahl ich ihr. Gwen zögerte und warf mir einen warnenden Blick zu.
"Herrin, diese Rómhánach … sie sind gefährlich. Hinterlistig. Sie lächeln dich an, und im nächsten Moment stechen sie dir ein Messer in deinem Rücken. Lass diesen Mann hier, wo er hingehört. Er wird dir nur Ärger bringen."

"Frag ihn nach seinem Namen," sagte ich, "und erkläre ihm, wen er vor sich hat," wiederholte ich schärfer. Widerwillig wandte sich Gwen dem Gefangenen zu und sprach in der Sprache der Rómhánach mit ihm: "Sklave, du hast die Aufmerksamkeit der edlen Niamh Ní Conchobar, Königin von Laigin, erregt. Sie fragt nach deinem Namen."
Ich verstand kein Wort, außer meinen eigenen Namen, den meine Dienerin dem Sklaven nannte.


*  Rómhánach = Römer
** Prydein = Britannien
[Bild: 1_29_07_23_5_35_37.png]
Zitieren
 
12-19-2024, 11:17 AM,
Beitrag #19
RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Irgendwas lief da grade verkehrt. Ich wusste eigentlich, wie meine Zauber funktionierten, aber die beiden mussten noch irgendwas anderes eingeschmissen haben, was jetzt eine Wechselwirkung verursachte. Anstatt dass sie einfach nur die Toten sehen und ihre Toten herbeirufen würden, waren beide komplett weggetreten. Ich sollte rausfinden, welche Drogen sie genommen hatten, vielleicht wäre es irgendwann mal nützlich, so einen Zustand herbeizuführen. Außerdem wusste ich gern, wie Dinge funktionierten.

Ich kramte also in ihrem Essen und roch an dem, was sie getrunken hatten, aber ich fand nichts auffälliges. Der Leibwächter wurde mittlerweile auch unruhig, und ich stand auf und ging zu ihm hinüber, um ihn mit abschätzigem Blick zu mustern. Ich wusste, dass es Menschen extrem unangenehm war, wenn man sie direkt ansah, also tat ich genau das, und zwar so intensiv und ausgiebig, bis der Mann den Blick senkte und damit aufgab. Vielleicht war er der einzige von den dreien, der nicht dumm war. Aber auch nur vielleicht.

Unter viel Getöse wurde dann auch gerade der Sonnenhirsch freigelassen und die Jagd mit lauten Hörnern eingeleitet. “Ich muss jetzt leider los“, verabschiedete ich mich von der Wache. Den beiden Trunkenen schenkte ich keine weitere Beachtung. Ich hatte ihnen die Wahrheit schon gesagt, und wie die meisten Menschen hatten sie sie geleugnet. Beim nächsten Mal sollte ich wohl direktere Wahrheiten wählen. Solche, die mit spitzen Klingen in Blut geschrieben wurden. Vielleicht erkannten sie dann die Wahrheit an.

Jetzt aber musste ich für eine andere Wahrheit sorgen. Während ein Haufen halbnackter junger Jäger einem Hirsch nachjagte, ging ich wirklich auf die Jagd. Ich wartete, bis die Blumenfrau – die echte Blumenfrau – sich davon stahl, um sich mit dem wirklichen Sonnenhirsch zu treffen. Das war die echte Jagd, der echte Hirsch und das echte Opfer, das die Götter wollten. Und ich war der ewige Jäger, der den Sonnenhirsch vor den Augen seiner Frau töten und sie danach für sich beanspruchen würde. Die Götter bekamen immer, was ihnen zustand. Sie leugneten die Wahrheit nicht. Und ich fürchtete sie nicht.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
12-19-2024, 12:35 PM,
Beitrag #20
RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Nein, diese Herrscherin über die Hibernier, welche Britannien erobert  und unter den römischen Provinzbewohnern gehaust hatten wie Furien, hatte nichts mit seinem sanften Mädchen Nivis gemeinsam. Außerdem war Nivis (hoffentlich in Sicherheit?) im fernen Iscalis geblieben. Und sie sprach Latein. Königin Niamh Ni Conchibar jedoch war hochmütig und aus ihren blauen Augen blitzte der unbändige Stolz der Siegerin. Und sie bediente sich eines Dolmetschers, um ihn, Saturninus, nach seinem Namen zu fragen.
Er hob den Kopf - er musste ihn schräg legen, denn eines seiner Augen war zugeschwollen, aber er wollte der Königin ins Gesicht blicken. Wieder stach ihm ihre Ähnlichkeit mit Nivis ins Herz. Sie war es nicht, konnte es nicht sein.  Sie kannte ihn nicht einmal. Saturninus Hoffnung verflog so rasch wie sie aufgekeimt war. Die verblüffende Ähnlichkeit der Königin mit seiner Nivis war nur eine grausame Laune der Götter. 

"Ich bin Tiberius Furius Saturninus, Laticlavtribun des Römischen Reiches, Königin", erwiderte er akzentuiert, und das Wort Königin betonte er mit leisem Spott. Eine Königin - regina - war für ihn eine Barbarenherrscherin, nicht besser als eine Häuptlingsfrau. Ein römischer Bürger stand in jeder Hinsicht über ihr. Wenn Rom überhaupt noch existierte! Ein halbes Jahrtausend lang hatte die Wölfin unangefochten die Welt beherrscht. Nun war die erste Provinz gefallen, was würde folgen?
Mochte die Hibernerkönigin den aufmüpfigen Sklaven erschlagen lassen, er, Saturninus würde sich nicht beugen. Aber sein eigener Hochmut war dennoch schwächer als das Gefühl unbändiger Sehnsucht in ihm: Nivis zartes Kinn, ihr langes Haar, ihre delikate weiße Haut, die Königin glich ihr so sehr, doch in ihr war nichts von Nivis Liebe, ihrer so reinen, vertrauensvollen Liebe.  Welch ihm übel gesonnenener Gott quälte ihn mit dieser frappierenden Ähnlichkeit?
[Bild: 3_18_08_22_2_20_05.png]
[Bild: 3_15_08_22_9_31_55.png]

Honoratior von Iscalis
Zitieren
 


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 3 Gast/Gäste