Willkommen im Forum, Bitte Anmelden oder Registrieren

Unverhofft kommt oft!
11-07-2024, 07:00 PM,
Beitrag #11
RE: Unverhofft kommt oft!
Der Junge wirkte völlig überrascht über mein Lob. Als ich ihm die Hand auf die Schulter legte, spürte ich ein leichtes Zittern – eine tief verankerte Anspannung, die sich wohl lange nicht gelöst hatte. Fintan blickte mich mit großen, erwartungsvollen Augen an, als ob er kaum wagte, Hoffnung zu fassen. Schließlich fragte er, fast ehrfürchtig, ob ich ihn als Lehrling nehmen würde.
 
Ich nickte und lächelte. "Ja, Fintan. Ich glaube, in dir steckt mehr, als du selbst vermutest. Du wirst wachsen mit deinen Aufgaben. Heute ist es nur ein grober, unfertiger Nagel, aber mit Übung und Hingabe könnte daraus etwas Feineres werden – eine kunstvolle Gewandnadel, wie diese hier." Ich griff zu einem kleinen Kästchen und zeigte ihm eine Gewandnadel, die ich kürzlich gefertigt hatte. 

"Gleich morgen früh beginnen wir mit deiner Ausbildung. Du bekommst Kost und ein Dach über dem Kopf. Vorerst kannst du bei mir in der Schmiede schlafen. Doch bald, nach unserer Hochzeit, werde ich ins Haus meiner Frau ziehen, und dann gehört dir die Schmiede allein." Ich sah ihm in die Augen, um seine Reaktion auf das Angebot zu erahnen. Außerdem hielt ich ihm meine rechte Hand hin, bereit  für den Handschlag, der unser Abkommen besiegeln würde. "Was sagst du?"
Zitieren
 
11-16-2024, 11:07 PM,
Beitrag #12
RE: Unverhofft kommt oft!
Die Geste bedeutete Fintan mehr, als Owain vielleicht ahnte. Nicht die Hand auf der Schulter, obwohl dies sehr schön war. Der Mann zeigte ihm ohne Umschweife seinen wertvollen Besitz. Besitz, der sich nur allzu leicht stehlen ließe. Unsicher besah er sich die Hand, die der Schmied ihm entgegenstreckte und die voller ungerechtfertigtem Vertrauen war. Er konnte dieses Haus ausräumen und seiner Wege gehen. Wie so oft... Früher hätte er das sicher gemacht.
Aber es war, wie Calum gesagt hatte. Er wollte mehr sein als ein Dieb, der in einem Loch in der Wand schlief, inmitten gestohlener Dinge. Der von seinen Brüdern gehasst wurde. Zu lernen, die Dinge zu schaffen, die er so liebte, das klang so süß, dass er kaum glaubte, es zu verdienen.
Wie gesagt. Der Schmied wusste nicht, was er hier für Fintan tat. Er hatte keine Vorstellung.
Langsam ergriff Fintan die schwielige Hand seines neuen Lehrmeisters. Kost und ein Dach über dem Kopf. Keine einträgliche Arbeit, jedenfalls bis er das Handwerk beherrschte. Aber so waren Lehren nun eben, dachte er. Er würde zurechtkommen. Das war er immer.
"Ich werde Euch nicht enttäuschen", versprach er. Und wusste noch nicht, ob er dieses Versprechen auch halten konnte.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
11-18-2024, 09:46 PM,
Beitrag #13
RE: Unverhofft kommt oft!
Fintan zögerte einen Augenblick, als könne er kaum glauben, was gerade geschah. Dann griff er meine Hand mit einem festen Griff. In diesem Moment spürte ich die Entschlossenheit, die sich hinter seiner Unsicherheit verbarg. Ein vorsichtiges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
"Gut," sagte ich und ließ seine Hand los. "Du hast bestimmt Hunger, oder? Ich hole dir etwas. Es wäre keine Schande, den Tag mit einer ordentlichen Mahlzeit zu beschließen."
Ich holte etwas Brot, Käse und ein paar Streifen Speck und richtete alles auf einem Teller an. Es war keine große Mahlzeit, aber genug, um ihn zu stärken. 
"Hier, lass es dir schmecken!" Ich reichte ihm den Teller und setzte mich zu ihm. Dann trank ich den letzten Schluck Bier aus meinem Becher.

"Für heute Nacht kannst du mein Bett nehmen", sagte ich und deutete in die Richtung, wo es stand. "Ich schlafe im Haus meiner Verlobten. Du wirst das Bett mehr brauchen als ich.
Morgen früh fangen wir an. Der Nachmittag ist schon zu weit fortgeschritten, um noch eine Lektion zu beginnen. Aber sei bereit, es wird viel Arbeit. Doch ich bin sicher, du wirst das schaffen. Mit der Zeit wächst du in deine Aufgaben hinein."

Ich stand auf, ging zu meiner Truhe und nahm ein paar Kleidungsstücke heraus. Dann zog ich meinen Mantel über. "Ruhe dich aus, Fintan. Du wirst die Kraft brauchen. Wenn du noch etwas brauchst, bediene dich einfach. Wir sehen uns morgen früh."
An der Tür hielt ich kurz inne, warf einen letzten Blick auf ihn. Er saß da, die Mahlzeit vor sich, als hätte er noch immer nicht ganz begriffen, was der Tag ihm gebracht hatte. Ich nickte ihm zu, dann trat ich hinaus in die Abendluft.
Zitieren
 
11-18-2024, 10:51 PM,
Beitrag #14
RE: Unverhofft kommt oft!
Fintan war so überwältigt, er konnte kaum sprechen. Sein Gastge- sein Meister hatte es offensichtlich eilig um zu seiner Verlobten zu kommen, so schien es. Er fragte ihn gar nichts mehr, wollte nicht wissen, wo er herkam. Er setzte ihm einfach etwas zu Essen vor und bot sein eigenes Bett an, da er woanders schliefe.
Er ließ einen wildfremden Jungen allein in seinem Haus, mit all den Wertsachen. Natürlich war Fintan nicht hier, um das Zeug zu stehlen. Seine Absichten waren zur Abwechslung völlig rein. Doch er konnte sich nicht helfen, alte Instinkte wurden wach und er konnte nicht anders als zu denken, wie unvorsichtig der Schmied war. Er konnte richtig Unsinn hier anstellen, all die kostbaren Dinge klauen und würde hier nie wieder gesehen. Wieso war Owain so vertrauensselig?
So nahm ihn diese Überlegung ein, dass er kaum bemerkte, wie ihm das Essen in die Hand gedrückt wurde. Er erinnerte sich in letzter Sekunde, seinem Meister zu danken und war völlig verdutzt über die Selbstverständlichkeit, diese... Freundlichkeit. Er kannte das überhaupt nicht.
Und dann ging er. Einfach so. Fintan war allein.
Er konnte es noch immer nicht fassen. Was er hier in die Finger bekam, war ein Schatten, ein kleiner Zipfel, eine Ahnung von dem, was eine Art normales Leben war. Er hatte wirklich eine Anstellung. Und dieser Mann hatte ihn nicht mit Abscheu angeschaut oder mit Gleichgültigkeit. Wie betäubt sah er hinab auf sein Essen, das er noch nicht angeführt hatte.

Wenig später war der Teller sauber und gereinigt wieder auf der Anrichte bei der Kochstelle. Fintan hatte sich lediglich eine Decke genommen und saß noch vor dem Feuer. Sein unsicherer Blick kreuzte die Wände, die Schlafstatt, die Haustür. Es war ein schönes Heim, fand er. Nicht üppig groß, doch angemssen. Traditionell. Warm. Und doch fühlte er sich hier seltsam, die Hütte wirkte auf einmal viel zu groß. Er war fehl am Platze und zum ersten Mal störte es ihn, allein an diesem fremden Ort zu sein. Beinahe als fürchte er, ohne Aufsicht noch Unsinn in dem Heim seines Meisters anzustellen. Denn das war es eben, was Fintan tat.
Doch nicht heute. Ein seltsam eigentümliches Gefühl, nicht direkt unangenehm, doch auch nicht vertraut, stieg in seiner Brust empor. Hätte er es gekannt, hätte er es als Erleichterung identifizieren können.
Der Junge betrachtete schweigend die niedriger brennenden Flammen und rollte sich in seiner Decke auf dem Boden vor der Feuerstelle ein. Als die Schatten länger wurden und die Glut rot in der aufkommenden Dunkelheit glomm, war ein einziges leises Schniefen zu hören, bevor Fintan eingeschlafen war.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
12-04-2024, 06:47 PM,
Beitrag #15
RE: Unverhofft kommt oft!
Am nächsten Morgen kam ich zurück zur Schmiede. Ich war insgeheim erleichtert, Fintan dort noch vorzufinden. Denn ich konnte nicht leugnen, mir keine Sorgen gemacht zu haben. Am Abend zuvor hatte ich noch eine Weile draußen gestanden und darauf geachtet, ob der Junge mit meinen Wertsachen das Weite suchte. Es war nicht so, dass ich das erwartet hätte. Aber ich wusste, wie das Leben manchmal einen anderen Weg geht, als man es hoffte.
Als ich nun die Tür öffnete, fand ich ihn vor dem heruntergebrannten Feuer, eingewickelt in eine meiner Decken. Er schlief noch. Aus unerfindlichen Gründen hatte er dem  Fußboden dem gemütlicheren Bett vorgezogen. Dann fiel mein Blick auf den leeren Teller. Der Junge hatte alles weggeputzt. Sicher konnte er nun ein gutes Frühstück vertragen.

"Guten Morgen, Fintan", sagte ich und trat ein. Der Geruch von Glut und Rauch lag noch in der Luft. "Du bist also geblieben. Das ist gut."
Ich ging hinüber zur Feuerstelle, legte ein paar Stücke Holz darauf und entzündete das Feuer. "Hast du gut geschlafen?" fragte ich ihn, als ich mich zu ihm umwandte. 

"Heute fangen wir an. Es wird ein harter Tag, das verspreche ich dir." Ich musterte ihn. kurz "Aber vorher mache ich dir ein ordentliches Frühstück." Ich hatte ein paar Eier mitgebracht, die ich in einer Pfanne auf dem Feuer briet. Außerdem hatte ich noch eine Schale Getreidebrei mitgebracht, der noch warm war.
"Hier Junge, lass es dir schmecken!"
Zitieren
 
12-08-2024, 11:41 PM,
Beitrag #16
RE: Unverhofft kommt oft!
Beim Ruf seines Meisters erwachte Fintan aus einem tiefen und wohligen Schlaf. Die Decke vor dem Feuer war schön warm gewesen und er fühlte sich ausgeruht und angenehm verpennt. Seine Augen blinzelten, begleitet von einem hörbaren Gähnen, verwirrt, ganz als ob er sich des vorigen Abends noch einmal gewahr werden musste. Es stimmte. Er war wirklich hier. Er hatte wirklich einen Meister. Der ihm Frühstück machte.
"Morgen", antwortete er matt und erhob sich. Eilig stopfte er die Decke zurück auf das Bett und räumte den Teller weg, der neben ihm gelegen hatte. "Oh, j-ja. Sehr gut! Es war schön warm."
Fintans Wangen brannten, als sich Owain daran machte, ihm ein Frühstück zu bereiten. Solche Gesten kannte er nicht und es war Fintan unangenehm, dabei zuzusehen. Verdattert setzte er sich an den Tisch in der Stube, ließ sich das Essen vorsetzen und starrte die Eier und den Brei bestürzt an. Er hatte eine solche Geste nicht verdient. Und mehr, sie erinnerte ihn aus irgendeinem Grund an seine Brüder. Seine Brüder, die ihn hassten und nicht ernst nahmen, denen er nur auf die Nerven ging und die er so schrecklich vermisste. Außer Alun. Hach, er musste ihm bald zeigen, was er geschafft hatte. Sein erstes Schmuckstück sollte er erhalten, ja.
"D-Danke..."
Wie in Trance starrte er das Essen einige Sekunden an, bevor er zuschlug. Erst zaghaft, dann schneller, denn er merkte, was für einen Hunger er eigentlich hatte. Es schmeckte köstlich. Zu seiner Ausbildung zum Taschendieb hatte es häufig nichts als vergammeltes Brot gegeben. Auf dem Markt hatte er oft Essen klauen können, doch gebratene Eier waren etwas besonders Leckeres und eine liebe Geste.
"Ihr seid... sehr freundlich, Meister", sagte er zögernd. "Ich... Ich hoffe, ich kann mich revangieren."
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
12-15-2024, 04:06 PM,
Beitrag #17
RE: Unverhofft kommt oft!
Es war keine große Sache, nur ein paar Eier und etwas Brei, aber als ich das Essen vor ihm abstellte, sah er es an, als hätte ich ihm einen Schatz vorgesetzt. Sein Blick wanderte kurz zu mir, dann zurück zum Teller. Ein Danke stammelte er, bevor er endlich anfing zu essen. Erst vorsichtig, dann mit einem Hunger, der mir mehr über sein Leben verriet, als Worte es hätten tun können.
 Ich setzte mich ihm gegenüber, trank etwas Wasser aus meinem Becher, während ich ihn beobachtete. Seine Worte kamen zögernd, fast unsicher. Er meinte, sich revangieren zu müssen. Aber ich lachte nur leise, nicht aus Spott, sondern weil ich die Ehrlichkeit in seiner Stimme hörte. "Revanchieren?" Ich schüttelte den Kopf. "Fintan, du bist hier, um zu arbeiten und zu lernen. Und wenn du das tust, revanchierst du dich schon mehr als genug."
 
Er hob endlich den Blick, und ich sah, wie seine Wangen noch immer leicht gerötet waren. "Du bist nicht hier, weil ich dich aus Mitleid aufgenommen habe", fügte ich hinzu, um ihm jeden  Zweifel zu nehmen. "Ich habe dir eine Chance gegeben, weil ich glaube, dass du etwas daraus machen kannst. Und wenn du dich bemühst, wirst du es schaffen."
 
Für einen Moment blieb es still, nur das Knacken des Feuers war zu hören. "Jetzt iss auf", sagte ich schließlich, während ich mich erhob. "Wir haben heute viel zu tun. Und vergiss nicht, Fintan – hier ist jetzt dein Zuhause. Solange du das willst."
Zitieren
 
01-09-2025, 12:22 AM,
Beitrag #18
RE: Unverhofft kommt oft!
Fintan konnte nicht in Worte fassen, wie ihn dieser einfache Satz bewegte. 'Hier ist jetzt dein Zuhause'. Das hatte noch nie jemand zu ihm gesagt. Alle wollten nur, dass er schnell wieder ging. Natürlich war er daran auch oft selbst Schuld. Seine Bemühungen, Aufmerksamkeit zu erregen, waren häufig nach hinten los gegangen... Na gut, eigentlich immer. Sein neuer Meister war der erste seit langem, der einfach nur nett war. Und da fühlte man sich ganz schön scheiße.
"Ich bemühe mich. Das werde ich", versprach er erneut, bevor er eilig den Teller aufaß. Es war köstlich. Einfach, aber köstlich. Und als er fertig war, fühlte er sich gestärkt und guter Dinge.
"Bin soweit", sagte er nervös, denn nun würde die Ausbildung wohl wirklich beginnen. "Wie kann ich helfen, Meister?"
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste