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[Accia Prisca]

Prisca knetete ein wenig den Rand ihrer Decke, weil sie sich nicht ganz so sicher war, was es nützen würde, sollte ihr Kind doch irgendwie keltisch erscheinen. Aber bislang hatte der junge schwarze Haare und wie alle Babys dunkelblaue Augen, also konnte sie hoffen, dass das so bleiben würde. Corvus hatte ja auch nicht keltisch gewirkt.

“Es wird schon alles gut gehen“, meinte sie mehr, um sich selbst zu beruhigen, denn als um ihn zu beruhigen. Aber es musste einfach alles gut werden. Sie hatte so viel gelitten und so viel verloren, da hatte sie diese kleine Gnade auch einmal verdient. Und inzwischen war sie ganz glücklich mit ihrem Mann. Es war so, wie viele der älteren Frauen sagten: Erst wurde geheiratet, die Liebe kam dann später von allein. Oder fast von allein.
Prisca nickte also zu seinem Versprechen von Sicherheit und atmete einmal zur Entspannung tief durch. “Miriam hat mir schon angedroht, dass sie mich ins Bett zurückzieht, wenn ich innerhalb der nächsten Woche zu viel herumlaufe. Aber ja, es war sehr anstrengend. Aber dafür hast du jetzt einen Sohn, wie du es dir gewünscht hast.“ Prisca lächelte leicht, aber auch etwas unsicher, da sie wirklich hoffte, ihr Mann wäre jetzt glücklich damit, einen Erben zu haben. Das Kind war gesund und kräftig, weshalb es das gefährliche, erste Jahr überleben könnte. Und die gefährlichen, zehn Jahre darauf, in welchen so viele Kinder starben. Prisca konnte nicht darüber nachdenken, dass irgendwas davon passieren könnte. Sollte das Kind im ersten Jahr sterben, durften sie noch nicht einmal ausgiebig darum trauern, weil so etwas so häufig vorkam. Allein bei dem Gedanken stiegen in Prisca Tränen hoch und sie bemühte sich, ganz schnell an etwas anderes zu denken. Wobei gerade so ziemlich alles dazu beitrug, dass sie am liebsten heulen wollte.
Miriam hatte gesagt, dass das normal wäre. Sie nannte die Tage nach der Geburt die Heultage, weil viele Mütter wohl genau das nach einer Geburt erst einmal machten: Wegen allem möglichen zu heulen. Prisca hoffte, dass das bald vorbei wäre, denn eigentlich wollte sie nicht weinen, wo sie sich doch freuen sollte.

[Marcus Sabinius Merula]

Mit einem wohlwollenden Blick beobachtete ich Priscas sanftes Lächeln und die leichte Unsicherheit in ihren Augen, als sie sich selbst versicherte, dass alles gut werden würde. Sanft strich ich eine lose Haarsträhne von ihrer Stirn. 
"Miriam hat recht," sagte ich leise. "Ruhe dich aus. Ich will, dass du stark bleibst und gut heilst. Und sorge dich nicht um unseren Sohn. Ich werde auf euch beide achten, mit allem, was ich habe," versicherte ich ihr nochmals. Ich wusste, dass die kommenden Wochen und Monate eine Herausforderung für sie sein würden, und jede Gewissheit half ihr, ihre innere Ruhe zu finden.
Außerdem wollte ich sie die nächsten Tage von all den Sorgen fernhalten, die mich selbst beschäftigten. Der Besuch von Furius Saturninus vor wenigen Tagen hatte mir mehr zugesetzt, als mir lieb war. Der Gedanke, dass unser ehemaliger Vilicus Tarutius Corvus ein Betrüger sein sollte, ließ mir keine Ruhe. Es fiel mir schwer zu glauben, dass ich mich so in ihm getäuscht haben könnte. Wie Prisca diese Nachricht aufnehmen würde, wollte ich mir gar nicht vorstellen. Frauen hatten doch oft ein empfindsameres Gemüt und reagierten auf solche Enttäuschungen noch verletzlicher als Männer.

Doch bevor ich mich zurückzog, blieb eine wichtige Sache zu klären: Der Name unseres Sohnes. In den letzten Wochen, als ich die Arbeiten auf unserem Landgut überwacht hatte, war mir reichlich Zeit geblieben, darüber nachzudenken. eigentlich gab es nur einen Namen, der mir passend erschien.
"Bevor ich dich weiter ausruhen lasse, gibt es noch etwas, das ich mit dir besprechen möchte. Der Name für unseren Sohn." Ich rückte meine Schultern ein wenig zurück und sprach mit Stolz: "Ich möchte ihm einen Namen geben, der ihn an seine Familie erinnert. Wir nennen ihn Lucius Sabinius Dexter, nach meinem Vater." Meine Stimme war fest und voller Überzeugung. Für einen kurzen Moment vergaß ich all die Sorgen und die strenge Wachsamkeit, die ich mir für die kommenden Wochen auferlegt hatte.

[Accia Prisca]

Prisca nickte und lehnte sich wieder etwas mehr in ihre Kissen, um zu zeigen, dass sie sich auch wirklich ausruhen würde. Ihr war zwar auch ein klein wenig langweilig, aber andererseits schlief sie so oft nebenbei ein, dass sie sowieso nichts vernünftiges hätte tun können.
Merula wandte sich schon zum gehen, als er sich doch noch einmal an sie wandte und ihr den Namen verkündete, den er sich überlegt hatte. Prisca war kurz überrascht, dann lächelte sie leicht und nickte. “Das ist ein guter Name. Aber wir dürfen ihn noch nicht benutzen vor der ersten Waschung. Nicht, dass Silvanus eifersüchtig wird.“ Der Gott der grenzen und tiefen Wälder war derjenige, der die Seelen von kleinen Kindern, insbesondere Neugeborenen, mit sich nahm, weshalb es eine ganze Reihe an Ritualen gab, die ihn fernhalten sollten. Bei der Geburt wurden ganze vier Gottheiten angerufen, um ihn zu vertreiben, und in der ersten Woche durfte das Neugeborene das Haus nicht verlassen – und damit die Türschwelle, die Silvanus gehörte, überschreiten – nur, damit das junge Leben geschützt war. Prisca war an und für sich nicht so schrecklich gläubig, aber sie hatte schon zu oft mitbekommen, wie ein Kind verstorben war, um an der Macht dieses speziellen Gottes zu zweifeln. Hätte sie als Frau ihm opfern dürfen – und da er auch gerne Frauen entführte war ihnen der Kult verboten – hätte sie das wohl gemacht, nur um ihn gnädig zu stimmen.
Erst einmal also sagte Prisca ihn im Geiste und war sehr froh, dass der Kleine Lucius heißen würde und nicht Marcus. Auch wenn er erst spät in der Nacht auf die Welt kam und nicht am Morgen, hätte ein Marcus sie immer an ihren Bruder erinnert. Aus einem Prisca unerfindlichen Grund wurde sie deshalb jetzt schon wieder traurig! Oh, sie hoffte nur, dass diese Heultage wirklich bald vorüber wären. Das war ja schrecklich!

[Marcus Sabinius Merula]

Ich nickte zufrieden, als Prisca sich tiefer in die Kissen zurücklehnte. Es war gut zu sehen, dass sie meine Worte und die ihrer Amme ernst nahm und sich wirklich ausruhen wollte. Als ich schon gehen wollte erwähnte sie Silvanus und die Rituale, und ich musste schmunzeln. Natürlich kannte ich diese alten Bräuche, die den Schutz des Kindes sicherstellen sollten. Ich wusste, wie wichtig ihr die Einhaltung solcher Dinge war, und das respektierte ich auch.

"Ja, bis zur ersten Waschung," bestätigte ich und nickte ihr zustimmend zu. "So soll es sein. Danach darf die Welt unseren Sohn offiziell bei seinem Namen kennen."

Dass sie dabei einen Hauch von Nachdenklichkeit und vielleicht ein wenig Traurigkeit in den Augen hatte, entging mir. Frauen waren eben von Natur aus empfindsamer, und das nach einer Geburt noch mehr. Das war für mich ganz natürlich. Solche Momente kamen und gingen, und es würde sich bald legen, dachte ich. Viel mehr beschäftigte mich immer noch diese Sache mit Tarutius Corvus.

"Nun, Liebes, ich lasse dich nun allein mit unserem Sohn. Später werde ich wieder nach euch schauen," versprach ich ihr und drückte sanft ihre Hand, bevor ich mich zum Gehen wandte. Ich war mir sicher, dass die nächsten Wochen sie wieder kräftigen würden. Mir war klar, dass sie vielleicht auch noch einige Tage sehr empfindlich sein würde, doch das war eine Sache, die sich von selbst wieder beruhigen würde. Ich verließ den Raum mit einem leisen, zufriedenen Lächeln.

[Marcus Sabinius Merula]

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Ich schritt die wenigen Schritte hinüber zu Priscas Cubiculum und klopfte leise an die Tür. Diese Unterhaltung, die ich nun mit ihr führen musste, konnte ich nicht länger aufschieben. Sie musste die Wahrheit über unseren ehemaligen Vilicus erfahren!