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Cubiculum | AP - Druckversion

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Cubiculum | AP - Nysa - 05-28-2023

Das Cubiculum der Accia Prisca
Das Cubiculum der jungen Hausherrin befindet sich im Erdgeschoss der Casa Sabinia, direkt neben dem ihres Ehemannes. 
Neben einem Bett und einer Truhe für die Kleidung, befindet sich noch eine Schminkkomode und ein dazugehöriger Stuhl. Neben den Utensilien für die Schönheitspflege, finden sich auf und in der Komode noch einige Tigel und Phiolen mit Cremes und Duftwässerchen, sowie eine kleine Palette an Schminkfarben.

Zwischen der Domina und mir herrschte so etwas, was man im Allgemeinen als Eiszeit hätte bezeichnen können. Der Morgen nach der Hochzeitsnacht war alles anders als glücklich verlaufen. Offenbar hatte sie mir mein Kompliment, welches ich ihr gemacht hatte, übel genommen. Danach hatte sie mir kaum noch Beachtung geschenkt. Wie ein Schatten war ich ihr danach gefolgt, der einfach da war, aber mit dem man sich auch nicht groß beschäftigte. Ich war es gewohnt, wie Luft behandelt zu werden. Doch machten mir die Worte des Dominus große Sorgen. Er wollte mich aus dem Blickfeld seiner Frau entfernen lassen, wenn sie mich nicht behalten wollte. Was immer das auch heißen mochte, stand doch eines fest. Ich wollte nicht dieses Haus verlassen müssen! Es war auch mein Zuhause. Hier war ich geboren worden. Etwas anderes hatte ich nicht!

So verrichtete ich die ersten Tage nach der Hochzeit, meistens schweigend, meinen Dienst im Schatten meiner Domina. Ich redete nur, wenn ich etwas gefragt wurde. Aber ich wusste auch, dass sich etwas ändern musste, wenn ich dem Schicksal entgehen wollte, fortgeschickt zu werden.

Wie jeden Abend begleitete ich die Domina nach der Cena zu ihrem Cubiculum und half ihr dann beim Entkleiden. Danach blieb ich so lange, bis sie mich entließ. Doch heute Abend wollte ich diesen, zur Gewohnheit gewordenen Ablauf durchbrechen. Zwar wusste ich noch nicht, wie ich es anstellen sollte, damit sich die Domina wieder mit mir befasste. Aber ich nahm mir vor, zu improvisieren. Ein Versuch war es wert!


RE: Cubiculum | AP - Accia Prisca - 05-28-2023

So langsam fand Prisca sich in eine gewisse Routine ein, auch wenn sie sich nach wie vor noch nicht richtig heimisch fühlte. Es war einfach noch alles fremd und sie fand nicht so recht ihren Platz hier im Haus. Sie bemühte sich ja, aber es war einfach schwierig, da sie keinen rechten Anschluss fand. Sie wusste selbst nicht, woran es lag. Vermutlich an ihr, aber sie wusste nicht, was sie falsch machte.
Ihr Mann hatte sie seit der Hochzeitsnacht nicht mehr in ihrem Cubiculum aufgesucht, und Prisca fühlte sich irgendwie erleichtert deswegen, da sie sich dadurch keine großen Gedanken mehr darum machen musste, dass er sie gerne nackt sehen wollte, sie sich aber nicht nackt vor ihm zeigen wollte.

Die Cena war vorbei und Prisca war noch ein wenig wach geblieben, um nicht sofort zu flüchten, verabschiedete sich dann aber doch recht bald, um sich in ihr Cubiculum zurückzuziehen. Dort angekommen erblickte sie Nysa, die wie jeden Abend bereit stand. Prisca fand es irgendwie schade, dass die Dinge so waren, wie sie waren, aber es war einfach schwer, mit jemandem eine Verbindung aufzubauen, der mit dem eigenen Ehemann schlief – wobei sie sich nicht sicher war, ob das immer noch so war – und einfach so viel unter einem Stand.
“Kämmst du bitte meine Haare?“ sagte Prisca daher nur wie eigentlich jeden Abend, während sie sich vor den Spiegel setzte und ein wenig trübsinnig vor sich hin überlegte. Ihre Schwiegermutter hatte ihr eine ganze Bataillon an Cremes und Tiegeln zum Schminken geschenkt, aber Prisca mochte sie alle nicht unbedingt so sehr und wollte eigentlich lieber ungeschminkt bleiben, wusste aber nicht, wie sie das höflich anbringen sollte. Noch ein kleines Seufzen wegen der immer länger werdenden Liste an Dingen, die sie bedrückten.


RE: Cubiculum | AP - Nysa - 05-29-2023

Ich versuchte mir vorzustellen, wie sie sich selbst fühlte. Wir hatten ja einiges gemeinsam: wie waren Frauen im gleichen Alter, wir waren gezungen worden, mit einem Mann zu schlafen, den wir offensichtlich nicht liebten und wir waren so verloren in diesem Haus. Ich kam mir jedenfalls verloren vor, da mir jeglicher Halt fehlte. Seit dem Tod meiner Mutter rechnete ich mit allem. Domina Calida hegte eine unterschwellige Abneigung gegen micht. Nun hatte mich mein Halbbruder und Dominus (ich konnte es immer noch nicht glauben, dass er angeblich nichts davon wusste) seiner Frau geschenkt, die genau wusste, dass ich bereits mit ihm geschafen hatte. Nein, das war völlig krank! Aber was konnte ich dagegen tun? 
Kurz nach der Cena erschien die Domina in ihrem Cubiculum. Wie jeden Abend, seitdem sie meine Domina war, wartete ich dort auf sie. Ich rechnete nicht damit, dass sie mir ausgerechnet heute große Beachtung schenken würde. Als sie mich bat, ihr Haar zu kämmen, tat ich das natürlich. "Ja, Domina!" Ich hatte damit aufgehört, ihr Komplimente zu machen, da sie dann glaubte, ich würde lügen. "Hattest du einen schönen Tag heute?" fragte ich sie. Ich erwartete keine Antwort von ihr, obwohl meine Frage doch völlig unverfänglich war. Glaubte ich.


RE: Cubiculum | AP - Accia Prisca - 05-29-2023

Eigentlich war die frage von Nysa nichts besonderes. Sie redete zwar selten mit Prisca, seit die ihr klar gemacht hatte, dass sie keine falschen Komplimente haben wollte, aber es war nicht so, als ob Nysa deshalb gar nichts mehr sagte. Ab und zu fragte sie solche unverfänglichen Dinge, und Prisca antwortete knapp. Nur heute erwischte die frage sie irgendwie mehr, als sie sollte, und mit einem Mal fing Prisca an, zu weinen. Nur kurz, vielleicht eine Minute, bis sie sich wieder gefangen hatte, aber sie saß da, die Hände vor dem Gesicht, und weinte ein wenig.
War der Tag heute schön gewesen? Ja. Wunderschön. Balventius Scapula hatte sie angelächelt und mit ihr gesprochen. Der schönste Mann auf der Welt hatte mit ihr ein paar Worte gewechselt. Und genau deshalb war das ja auch so furchtbar, weil sie hier gefangen war und nicht einmal deshalb träumen durfte. Sie hätte ohnehin keine Chance gehabt, jemals irgendwie mehr zu tun als mit ihm zu sprechen, selbst als ihr Vater noch gelebt hatte nicht, und Prisca wusste das genau. Aber jetzt war es noch viel endgültiger und hoffnungsloser und damit so viel grausamer, als Prisca gedacht hätte. Es war einfach nicht fair!
“Tut mir leid. Ich sollte nicht weinen“, meinte sie, während sie sich wieder fasste und die Tränen wegwischte. Nein, sie sollte nicht weinen. Sie sollte glücklich sein, einen respektablen Ehemann zu haben, der sie aus ihrer Armut befreit hatte und ihr ein gesellschaftliches Leben ermöglichte. Sie sollte wirklich mehr versuchen, sich in ihn zu verlieben. So schwer konnte das doch nicht sein!
“Mein Mann hat Balventius Scapula morgen zum Abendessen eingeladen, und ich muss noch ganz viel vorbereiten. Ich weiß aber nicht, ob Naevia Calida das eher machen sollte, oder was mein Mann da nun erwartet. Du kennst die beiden doch besser.“ Ja, sie sollte sich nicht an die Sklavin um Hilfe wenden, aber wen sonst sollte sie denn fragen? Nysa kannte alle beide und konnte das sicher besser einschätzen als Prisca, die beide erst weniger Tage wirklich kannte.


RE: Cubiculum | AP - Nysa - 05-29-2023

Ungerührt, als mir die Domina eine Antwort auf meine Frage schuldig bleib, kämmte ich ihr Haar weiter. Es war nicht so, als hätte ich eine erwartet. Aber was konnte denn an dieser Frage falsch gewesen sein? Schwamm drüber, dachte ich und machte einfach weiter. Erst durch Zufall bemerkte ich dass sie weinte. Sie hatte ihre Hände vors Gesicht geschlagen und weinte leise. Ich erschrak, weil ich damit nicht gerechnet hatte. "Domina, was hast du? Warum weinst du?" Ich ging vor ihr in die Hocke, um zu sehen, ob ich etwas tun konnte. Hatte der Dominus etwas Schlimmes zu ihr gesagt? Normalerweise tat er das nicht, außer man brachte ihn zur Weißglut. Meistens jedoch hatte er sich gut im Griff.

Sie entschuldigte sich und wischte ihre Tränen weg. Ich erhob mich wieder und strich ihr sanft über den Rücken. "Alles gut, du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen, Domina. Manchmal muss das, was uns bedrückt, einfach raus." Ich erwartete nicht, dass sie mit mir darüber sprechen wollte, weshalb sie geweint hatte. Als sie es doch tat, war ich überrascht. Es ging darum dass der Dominus jemanden eingeladen hatte und dass es deshalb noch viel zu tun gab. Allerdings wollte sie Domina Calida nicht in die Quere kommen. 
"Balventius? Der Minenbesitzer?" fragte ich. Ich hatte immer gedacht, er hieß Balventius Varro. Aber vielleicht hatte ich mich auch geirrt. Was aber viel wichtiger war, Domina Prisca bat mich in gewisser Weise um Rat. Ich sollte ihr einen Ratschlag geben? Ausgerechnet ich? 
"Aber Domina, du bist doch jetzt die Herrin des Hauses! Du bestimmst, was getan wird und warum es getan werden soll. Ich weiß, Domina Calida kann sehr nachtragend sein, besonders zu mir. Aber ich glaube, der Dominus erwartet, dass du nun deine Rolle findest. Hab ein wenig Vertrauen in dich, Domina!" Ich hoffte, das war nun nicht zu vermessen. Doch sie hatte mich nach meiner Meinung gefragt.


RE: Cubiculum | AP - Accia Prisca - 05-29-2023

Wie sollte Prisca erklären, warum sie weinte? Das konnte sie nicht sagen! Das durfte sie niemandem sagen! Wie sollte sie sagen, dass sie sich gerade unglücklich fühlte, hier in diesem Haus, verheiratet mit diesem Mann, der ihr eigentlich nichts als Aufmerksamkeit entgegen gebracht hatte, sie wertschätzte und gut behandelte und von ihrem schrecklichen Bruder vorerst befreit hatte? Sie schüttelte einfach nur den Kopf, nicht fähig, darüber zu sprechen, und wischte sich noch einmal über die Augenwinkel.

“Nein, sein jüngerer Bruder aus Rom“, beantwortete Prisca lieber die Frage nach Balventius Scapula und bemühte wirklich, ihre Stimme nicht so sehnsüchtig klingen zu lassen, wie sie sich fühlte, wenn sie an sein Lächeln dachte. Warum nur musste sie so fühlen, wenn sie an ihn dachte? Warum konnte sie sich nicht so fühlen, wenn sie an Merula dachte? Dann wäre alles sehr viel einfacher. Gut, ein Kind zu zeugen täte wohl noch immer weh, aber der Rest wäre einfacher.
Nysa gab ihr den Rat, ihrem Mann damit zu gefallen, mehr in die Rolle einer Matrona zu gehen, auch wenn Naevia Calida darüber verärgert sein würde. Aber Moment, da war noch…? “Wieso ist sie dir gegenüber nachtragend, Nysa?“ fragte Prisca neugierig. Sie hatte eher angenommen, dass Nysa einen eher hohen Rang innerhalb des Hauses hatte, wenn sie sogar Merulas Bett teilte, was ja in gewisser Weise auch Vertrauen brauchte. Glaubte Prisca zumindest. Vielleicht hatte Nysa diesen Platz auch nur, weil sie so hübsch war. Trotzdem wollte Prisca wissen, was Nysa angestellt hatte.


RE: Cubiculum | AP - Nysa - 05-31-2023

Warum die Domina weinte, enthielt sie mir vor. Wahrscheinlich war der Grund dafür zu persönlich, um ihn mit mir zu teilen. Aber geteiltes Leid war halbes Leid, hatte meine Mutter immer gesagt, wenn ich als Kind traurig war und ihr nicht sagen wollte, warum. Das mochte sicher stimmen, doch manchmal war der Grund dafür so ungeheuerlich, dass man ihn nicht gegenüber einem anderen Menschen aussprechen konnte! Darum hakte ich auch nicht noch einmal nach, sondern ließ es dabei auf sich beruhen. Wenn die Domina irgendwann das Bedürfnis hatte, zu reden, dann würde sie das tun.

"Ah, sein jüngerer Bruder!" entgegnete ich. Ich hatte keine Ahnung, dass der Minenbesitzer auch noch einen jüngeren Bruder hatte, der auch in Iscalis lebte. Ob dieser Bruder auch so attraktiv war wie sein älterer Bruder? Ich hatte den Mienenbesitzer vielleicht einmal in der Stadt gesehen, als ich dort unterwegs gewesen war.
Wenn nun dessen Bruder in der Casa als Gast erwartet wurde, konnte ich mir schon vorstellen, dass die Domina deswegen nervös war. Das war ihre erste Cena für einen Gast, die sie als Hausherrin ausrichtete. Da wollte sie sich nicht blamieren. Und da viele Köche den Brei  verdarben, war es meiner Meinung nach besser, wenn sie ihr Ding machte und sich von niemanden beirren ließ. Auch nicht von Domina Calida!

Eine winzig kleine Bemerkung, die ich gemacht hatte, war ihr aufgefallen. Eigentlich hatte ich nicht darüber sprechen wollen, denn im Allgemeinen wurde in diesem Haus auch darüber nie gesprochen, seit Domina Calida verwitwet war. "Oh bitte, versteh das nicht falsch, Domina! Domina Calida ist immer freundlich zu mir! Sie lässt es mich nur manchmal spüren, dass sie meine Mutter nicht mochte." Ich wollte mich nicht um Kopf und Kragen reden und ich hoffte auch, sie würde nicht weiter bohren. Denn was dann folgen würde, war eben so ungeheuerlich, dass ich nicht gerne darüber sprechen wollte.


RE: Cubiculum | AP - Accia Prisca - 05-31-2023

Nysa schien auf einmal unangenehm berührt zu sein, aber Prisca verstand immer noch nicht, warum denn. Sie drehte sich halb zu ihrer Sklavin und schaute sie sehr fragend an. Sie war neu im Haus und kannte daher die ganzen Geschichten nicht, aber wenn es ein Problem zwischen ihrer Sklavin und der Mutter ihres Ehemannes gab, dann fand sie schon, dass sie das besser wissen sollte. Insbesondere, wenn sie vorhatte, ihrer Schwiegermutter eventuell auf die Füße zu treten, weil sie ein Abendessen plante.
“Und warum mochte sie deine Mutter nicht?“ Ich hatte zumindest schon herausgefunden, dass Nysa hier im Haushalt geboren worden war und nicht auf dem Markt gekauft worden war. Von daher müsste Naevia Calida Nysa und deren Mutter ja schon ziemlich lange kennen. Und ja, vielleicht war das nicht gerade sensibel, aber Prisca war neugierig und verstand nicht, warum  Naevia Calida Nysa bestrafen wollen könnte. Oder auch nicht, wenn sie freundlich war. Prisca fand es sehr verwirrend.


RE: Cubiculum | AP - Nysa - 05-31-2023

Die Domina tat mir nicht den Gefallen. Sie bohrte weiter. Inzwischen hatte sie sich zu mir umgedreht und sah mich eindringlich an. Ich trat einen Schritt zurück, weil ich mich in die Enge gedrängt fühlte. Dann ließ ich auch noch den Kamm fallen und schaute ihm erchrocken nach.
Ich presste die Lippen aufeinander, denn ich wusste, dass ich mich nicht länger verweigern konnte Was nur ein kleiner unbedachter Moment anrichten konnte, würde ich nun gleich am eigenen Leib erfahren.
"Meine Mutter war die Sklavin des alten Dominus. So viel ich weiß, war sie ein Geschenk für Dominus Dexter gewesen. Sie musste mit ihm das Bett teilen, als Domina Calida mit ihrem dritten Kind schwanger geworden war. Aber aus Zwang wurde Liebe und meine Mutter wurde auch schwanger. Im Jahr meiner Geburt wütete der Aufstand der Keltenkönigin und Domina Calida, ihre beiden Kinder, meine Mutter und die Sklaven mussten aus Iscalis fliehen. Dabei verlor die Domina ihr Kind, nur wenige Wochen vor der Geburt. Meine Mutter allerdings gebahr ein gesundes Mädchen - mich! Domina Calida ist darüber nicht hinweggekommen. Sie hasste meine Mutter dafür, dass sie ihr Kind behalten durfte, während sie ihres verloren hatte. und ich glaube, sie hasste auch mich." Vieles von dem hatte ich von meiner Mutter erfahren. Doch darüber sprechen durfte ich nicht.


RE: Cubiculum | AP - Accia Prisca - 06-01-2023

Nysa trat zurück und ließ sogar den Kamm fallen. Prisca schaute ganz verwundert, was sie denn jetzt schlimmer gefragt hatte, als Nysa zu sprechen anfing. Naevia Calida war also deshalb wütend, weil sie ihr Kind verloren hatte, während Nysas Mutter mit ihr schwanger war und sie gesund zur Welt gebracht hatte. Das hatte Prisca nicht gewusst, und Naevia Calida tat ihr da leid. Wie würde sie, Prisca, wohl reagieren, wenn ihr Mann ein Kind von Nysa bekommen….
Man konnte zusehen, wie es in Priscas Kopf zu arbeiten anfing, wie sich viele kleine Zahnrädchen wie in einer komplizierten Theatermaschine zu drehen und ineinander zu greifen anfingen und ihr ganz langsam eine schreckliche Erkenntnis dämmerte, bei der ihr Blick immer entsetzter wurde, bis sie schließlich die Hände vor den geöffneten Mund schlug und Nysa anstarrte wie eine Chimäre.
“Du… du bist die Tochter von Merulas Vater?!“ kam diese Erkenntnis erschreckend und schrill über ihre Lippen, als müsse Prisca sichergehen, dieses schreckliche Detail wirklich richtig erfasst zu haben. “Du bist seine Schwester?! Und… Und Naevia Calida weiß dass?!?!“
Prisca konnte ihr Entsetzen gar nicht so wirklich fassen. Sie überlegte noch einmal, ob sie sich hierbei getäuscht hatte, aber nein. Dann überlegte sie panikartig, ob sie es vielleicht falsch verstanden hatte, dass Nysa mir Merula das Bett geteilt hatte, aber auch nein. Nysa hatte es ganz eindeutig gesagt gehabt damals am Tag nach der Hochzeit.

Prisca war übel. So richtig übel. Wo war sie hier hereingeraten? Bruder und Schwester, das war verboten! Strengstens verboten! Und zwar unabhängig von Adoptionen oder Rechtsstellungen! Es galt als Affront gegen die Götter selbst, weshalb sie Kinder aus solchen Verbindungen häufig mit Wahnsinn straften.
Sie starrte Nysa an, als wären ihr plötzlich zwei weitere Köpfe gewachsen wie einer Hydra. Das durfte doch nicht sein. Das war krank! Das war einfach nur krank! Und sie war jetzt hier mitten drin gefangen! “Weiß Merula es?“ brachte sie heraus und hatte Angst vor der Antwort. Wenn sie zur Zeit von Boudiccas Aufstand geboren worden war, dann war sie ein bisschen älter als Prisca selbst. Merula war damals also noch ein Kind auf der Schwelle zum Mann gewesen. Er könnte es wissen. Aber das würde bedeuten, dass er wissentlich mit seiner Schwester ins Bett gestiegen war, und diese Vorstellung war einfach nur furchtbar.