Forum

[Publius Gabinius Secundus]

Meine Fridila ließ sich nicht lumpen und entwarf mit ihrer zarten Hand eine Kohlezeichnung für die Gabinier als ihr Zeichen, das den Furiern nicht nachstehen würde. Alles hatte seine Bedeutung, schien es mir: Der Pferdekopf stand für die Heilige Herde, deren Hüter unsere chattische Sippe war, aber außerdem trug das Pferd noch einen Stern, das war Frau Abendstern. 
Ich tippte auf die beiden Schwingen: "Was bedeuten Federn bei den Römern, Stella? Bei uns sind Federn ein Zeichen für Mittler zwischen der Menschen- und der Götterwelt, denn die Vögel, besonders die Schwäne,  fliegen zwischen beiden hin- und her, und der göttliche Wodan persönlich hat zwei weise Raben links und rechts auf je einer Schulter sitzen", fragte ich meine Frau.
Ich lächelte anerkennend und nahm ihre Hand:
"Eine Sänfte und die passenden Vorhänge sollst du schon kriegen, liebste Fridila. Sobald ich wieder aus Iscalis zurück bin, sage ich dir, wie es damit geht" 
Aber Stella wollte noch eine Nacht darüber schlafen, ob sie überhaupt mit einer Sänfte verreisen und bei der Claudia übernachten würde. Das schien mir weise, denn am Morgen sahen hochfliegende Pläne nüchterner aus. 
Ich kuschelte mich mit Stella zusammen, aber ich schlief noch nicht gleich. Mir fiel noch etwas ein und schon schläfrig fragte ich meine Frau:
"Was hälst du denn eigentlich von Eisu ap Comux, Fridila?" 

Warum fragte ich das in diesem Moment? Erstens vertraute ich auf Stellas Menschenkenntnis. Sie war klug, weil sie eben Stella war, aber außerdem hatte sie die besondere Weisheit aller Frauen. Aber zweitens war mir aufgefallen, wie des keltischen Gastes Gesicht aufgeleuchtet hatte, als er Gerwina erblickte, und ganz gegen ihre Gewohnheit war auch meine Schwester nicht kühl gewesen, sondern sanft und lieb ihm gegenüber. 
Leider war der Centurio Fronto, der gewiss ein aufrechter Mann war, seitdem ich ihn vor der Castra gelassen hatte, nie mehr zurück gekehrt, und wir wussten nicht, was aus ihm geworden war. Das war nun schon ein Jahr her. Mit dem ehrenwerten, aber stillen Plautius Leander war meine Schwester nicht so recht warm geworden. 
Was mit Gerwina war, lag mir stets am Herzen, und bei einem Verehrer für sie interessierten mich sein Charakter und seine ernsten Absichten.

[Furia Stella]

Mein Gemahl beäugte gründlich meinen Entwurf und war anscheinend damit zufrieden und das bereitete mir eine große Freude.
Dann fragte er, was die Federn bei den Römer bedeuten, und ich war überrascht zu hören, dass bei Germanen die Federn fast die ähnliche Bedeutung hatten, außer zwei weisen Raben, die auf Wodans Schultern sitzen, die ich bereits aus Sonnwins Erzählungen kannte...  "Lieber Friudel, das finde ich sehr schön, dass bei euch die Schwäne mit ihren blütenweißen Federn zwischen der Menschen- und der Götterwelt fliegen, bei uns schmücken sich damit die Menschen, die göttliches Blut in sich tragen , oder auch zwischen beiden Welten reisen und die Federn stehen bei uns für Gelehrsamkeit und Klugheit"...

Danach versprach mir Sonnwin die Sänfte und die passenden Vorhänge zu besorgen und, obwohl ich noch nicht genau wusste, ob ich Claudia Sabina besuchen werde, die Sänfte brauchten wir auf jeden Fall.

Aber jetzt wollten wir endlich schlafen und kuschelten uns eng aneinander... Mein Liebster ganz nah zu spüren machte mich einfach nur glücklich und ich war fast eingeschlafen, als Sonnwin mich fragte, was ich von Eisu ap Comux halte. Diese Frage hat mich etwas gewundert und ich sah ihn an, aber es ging ja auch um seine Schwester.

"Nun, er ist sehr nett und hat gute Manieren und vor allem ist er mir sympathisch, weil er uns so schöne Pferde verkauft hat, also ich denke, du musst mit ihm im Kontakt bleiben", nickte ich und küsste ihn sanft, "Ansonsten hat er auf mich einen unglücklichen Eindruck gemacht und Clara musste ihn ja auch noch mit ihrem Lied trösten und dann, so wie sie sich ansahen, vermute ich, dass die beide aneinander Gefallen gefunden haben....", ich bemerkte natürlich, wie gekonnt Kelte mit seiner Schwester flirtete, sagte es aber meinem Friudel nicht, wollte ihn nicht beunruhigen, "Schlaf gut, mein Herz, wenn Eisu Ap Comux ernste Absichten hat, wird er sich bei dir melden, wie es die Sitte vorschreibt."

[Publius Gabinius Secundus]

Ich küsste meine Stella und wickelte gedankenverloren ihre mitternachtsfarbenen Strähnen um meine Finger:
"Auch ich habe bemerkt, wie sie sich ansehen. Doch ich mache mir Sorgen. Wie die Römer heiraten auch die Chatten nur eine einzige Frau, aber Scheidungen sind nicht sehr häufig. Es gibt sie, wenn sich das Ehepaar nicht gut verträgt. 
In meiner Familie sind jedoch Vater und Mutter sich ihr Leben lang treu gewesen. Wir Chatten heiraten ja spät, besonders die Mädchen später als römische Mädchen.  Da hat man viel Zeit, um gut nachzudenken. Ab und zu wundern sich die Römer auch, dass Gabinia Clara schon erwachsen und noch immer unvermählt ist.
Ich habe die Hochzeit meiner Eltern naturgemäß nicht mitbekommen. Doch Hochzeiten von Verwandten sehr wohl, den Schwerter - und den Ringetausch. Beides bedeutet, dass sowohl Mann als auch Frau gebunden sind, und der Eheschwur gilt auch für beide.
Bei den Kelten ist es nun etwas anders, wie ich weiß"

Der chattische Bräutigam übergab seiner Braut ein Schwert seiner Vorfahren. Diese muss es bewahren, bis sie ihren ersten Sohn damit gürten konnte. Und ein junger Verwandter der Braut übergab auch dem Bräutigam ein Schwert, was bedeutete, dass er nun für den Schutz seiner Frau verantwortlich war. An der Spitze des Schwertes überreichte sich das Brautpaar dann seine Eheringe, die aus Gold oder Eisen sein konnten:

"Ein hoher Herr wie Eisu ap Comux könnte nach dem Brauch der keltischen Stämme jedoch auch mehrere Ehefrauen haben. Aber eine andere Frau im Haus würde meine Gerwina nicht ertragen. Ich kenne ihren klaren, aufrechten Geist. Wenn sie dem Dobunner die Hand reicht, so ist es für das ganze Leben. Und ich will nicht, dass Eisu Ap Comux meiner Schwester das Herz bricht!", sagte ich. Dann erinnerte ich mich daran, dass Stella schlafen wollte, und ich gab ihr noch einen Kuss auf ihre Schläfe:

"Entschuldige, Fridila, dass ich dich mit den Gedanken belaste, die mich gerade umtreiben. Du kommst gar nicht zur Ruhe!  Jetzt werde ich still sein"

[Furia Stella]

So lagen wir eine Weile aneinander geschmiegt, Friudel küsste mich und spielte mit meinem Haar, aber er fand keine Ruhe, 
denn er machte sich Sorgen über seine Schwester. Dabei sagte er, dass die Chatten, so wie Römer nur eine Frau heirateten, 
aber könnten sich auch scheiden, wenn es mit der Ehe nicht klappte. Und erzählte von seinen Eltern, die sich ihr Leben lang 
treu waren. 

Es war auch sehr spannend zu erfahren über die Hochzeitsbräuche seines Volkes. "Die Schwerter und Ringetausch?", fragte ich nun interessiert und lächelte meinen Friudel heiter an, "Was bedeutet das, Schwerter tauschen, davon hast du mir, glaube ich, noch nicht erzählt, aber die Ringe sollen wir unbedingt tauschen, damit wir unsere Eheversprechen endgültig besiegeln und so, wie ein Ring kein Ende hat, soll unsere Liebe unendlich sein, mein Gemahl", und ich küsste meinen Friudel zärtlich.

Und dann ging es wieder um Clara und Eisu und Sonnwin hat mir mitgeteilt, dass bei den Kelten ein hoher Herr wie Eisu Ap Comus mehrere Ehefrauen haben könnte, das hat mich nun sehr aufgeregt, "Dieser Brauch ist nun wirklich barbarisch und primitiv, und natürlich wird Clara, die eine Römerin und keine Keltin ist, das nicht dulden...", ich dachte kurz nach, "Aber er reist ja Morgen weg und wer weiß, wann sie sich wiedersehen würden, er ist vielleicht schon verheiratet und auf der Suche nach noch einer Frau und hat Clara mit seinen Komplimenten umschmeichelt!". Nun wurde ich ganz wach und setzte mich im Bett auf, strich dann sanft über sein goldenes Haar, "Du belastest mich nicht mit deinen Gedanken, mein Liebster, und vielleicht solltest du dich mit Clara unterhalten, um vorsichtig heraus zu finden, was sie für den Fürst empfindet, aber das musst du natürlich selbst entscheiden...".

[Publius Gabinius Secundus]

"Nun ja, das sind die Bräuche der Chatten, deshalb habe ich dir nicht viel erzählt darüber", sagte ich:
" Im Chattenland hätte ich dir ein Schwert überreicht, das du für Quiwon aufbewahren würdest. Und du beziehungsweise ein männlicher Verwandter, Saturninus vielleicht, hättest mir auch ein Schwert als kostbares Geschenk gegeben. 
Der Ringetausch ist noch schwieriger, denn er erfordert von beiden Brautleuten eine gewisse Geschicklichkeit: Der Bräutigam muss den Ring für die Braut ihr auf der Spitze des neuen Schwertes überreichen,  und sie, ganz gleich wie zierlich sie ist, muss das Gleiche mit ihrem Schwert tun. Du darfst nicht vergessen, dass germanische Schwerter länger und schwerer als ein römischer Gladius sind! Dabei darf der Ring nicht von der Spitze gleiten und zu Boden fallen, das wäre ein böses Omen", 
ich nahm Stellas zarte Hand und küsste sie, als sie sagte, dass sie gerne Ringe tauschen würde:

"Die Schwerter können wir gerne weglassen. Ich bin ein Landwirt und hoffentlich bald ein Pferdezüchter, kein Kriegsmann", lachte ich: "Doch ich wäre stolz, einen Ring zu tragen, den mir meine Fridila gibt" 
Stella hatte viele Ringe, aber keinen, der mir passte, den müsste sie erst in Iscalis oder Cheddar anfertigen lassen.

Dann sprachen wir auch über die Sitten des keltischen Adels, und Stella fand das primitiv, und ich sagte: "Die Kelten sind wenigstens offen, was das angeht. Viele Römer brechen heimlich ihre Ehe, oder sie haben Geliebte oder tun es mit ihren Sklavinnen.  Allerdings wird Clara, so wie wir sie kennen, eine solche Sitte nicht akzeptieren.
Nein, verheiratet ist der Herr Eisu noch nicht. Als wir dort waren, hatte er eine dobunnische Verlobte, eine junge Frau namens Damona Deccustochter. Aber sie hat einen anderen Mann geliebt, und als Eisu davon erfuhr, hat er wohl die Verlobung gelöst. Er war deswegen traurig und unglücklich - bis er hier Clara kennen lernte. Seitdem strahlt er wieder"
ich lächelte meine Fridila an:

"Gute Nacht, liebste Fridila, schlafe schön. Ich spreche Morgen mit Clara, sobald unsere Gäste uns verlassen haben"

[Furia Stella]

Sonnwin war auch ein Skalde und ich liebte den Klang seiner dunklen Stimme, als er von Hochzeitsbräuchen der Chatten erzählte und die mich faszinierten, "Ich möchte so gern, deine Heimat besuchen, mein Friudel  und so eine Hochzeitszeremonie erleben, so schön hast du es mir alles so erklärt...", ich küsste ihn sanft, "Die Schwerter können  wir natürlich nicht tauschen, aber die Ringe schon", Ich stand auf und holte einen Faden aus dem Nähkästchen, "An welcher Hand möchtest du den Ehering tragen, mein Gemahl, ich muss jetzt mit diesem Faden deinen Finger messen, also gib mir deine Hand, mein Herz".

Dann ging es weiter um die Kelten und ihre Bräuche, die ich auch niemals akzeptieren könnte. Die Römer waren auch nicht besser, die sagten es nicht offen, die taten es einfach: Wenn ich zum Beispiel an meinen Cousin denke, der ein ausschweifendes Leben führt, oder an den Mann von Claudia Sabina, der sie wegen einer Keltin sitzen ließ. "Ob die Kelten offen darüber reden, oder nicht, ich denke auch, dass für deine Schwester so eine Heirat nicht in Frage kommt...", dann schaute ich meinen Mann lächelnd an, "Der Herr Eisu hat sich aber sehr schnell von seinem Unglück erholt, als er unsere grünäugige Clara sah..."

Ich lehnte meinen Kopf an Sonnwins Brust und murmelte, "Ja, liebster Friudel, sprich mit ihr, auf jeden Fall sollte sie über diese frivolen Sitten Bescheid wissen".

[Publius Gabinius Secundus]

"Wenn Quiwon und das Kleine in deinem Bauch etwas älter sind, werden wir eine Zeit bei meinen Eltern in Portus Itius verbringen. Auch wenn es nicht das Chattenland ist, so lebt dort Gerlinda, Claras und meine Mutter, und sie kann dir alles über unsere Bräuche erzählen", sagte ich:
"Das Eisu Ap Comux wegen seiner früheren Verlobten traurig gewesen ist, ehrt doch seinen Charakter. Er ist also kein leichtfertiger Mensch"
Stella maß mit einem Faden aus ihrem Nähkästchen mein Ringmaß. Ich kannte das ihre und dachte daran, bald in Iscalis Ringe bei einem Ringschmied  anfertigen zu lassen, zwei Siegelringe und einen goldenen Brautring. Dazu würde ich Münzen einschmelzen:
"Morgen rede ich mit unserer meeresäugigen Clara", stimmte ich meiner Fridila zu: 
" Sie soll nichts überstürzen! Es ist eine römische Unart, dass eine Braut ihren Mann erst nach der Hochzeit so wirklich kennen lernt. Clara sollte wissen, wem sie die Hand reicht", jetzt lachte ich ein wenig über meine vorsichtigen Worte, denn Stella und ich hatten uns kaum Zeit gelassen, sondern waren unserer Liebe gefolgt. Ich hatte sie aus dem Haus ihres Vormundes Saturninus entführt. Das waren wilde Zeiten gewesen und auch schöne.
Clara aber brauchte nicht zu fliehen, ich würde sie den heiraten lassen, dem ihr Herz gehörte!

[Furia Stella]

"Das würde mich sehr freuen, deine Eltern zu besuchen, wenn es soweit ist, lieber Friudel und wir wollten auch noch nach dem Weingut in den Albaner Bergen schauen...", ich nickte und maß Sonnwins Ring mit einem bunten Faden und legte alles wieder in das Nähkästchen rein. Nun, werde ich für meinen schönen Gemahl einen schönen Ring anfertigen lassen.
 
Dann sprach Friudel wieder über Eisu, dass er seiner Meinung nach kein leichtfertiger Mensch ist, weil er wegen seiner Verlobten, die ihn sitzen ließ, traurig war. "Ich kann über Eisu Ap Comux und seinen Charakter nichts sagen, denn der Kelte und ich hatten keine Möglichkeit gehabt, uns zu unterhalten, aber lassen wir das, es ist ja noch nichts passiert, also mache dir keine Sorgen, wer weiß, wann sie sich wiedersehen werden, wenn überhaupt"!  Ich küsste sanft meinen Friudel, streichelte sein goldenes Haar und sang ihn leise in den Schlaf:

"Es ist Nacht, *

und mein Herz kommt zu dir,

hält's nicht aus,

hält's nicht aus mehr bei mir.

Legt sich dir auf die Brust,

wie ein Stein,

sinkt hinein,

zu dem deinen hinein.

Dort erst,

dort erst kommt es zur Ruh,

liegt auf dem Grund

seines ewigen Du."

* Christian Morgenstern

[Publius Gabinius Secundus]

Stella raunte ein schönes Gedicht, und es versetzte mich in eine geborgene Schläfrigkeit. Morgen hatte ich in Iscalis viel vor, nämlich Ringe bestellen beim Ringschmied: zwei Eheringe aus Gold (manche bevorzugten dafür Eisen, aber ich nicht) und dazu drei eiserne Siegelringe mit Karneolen nach Stellas Entwurf: einen großen und zwei kleinen, denn auch meine Schwester sollte einen bekommen. Ihr Wort galt auf dem Hof gleich viel wie das von Stella oder mir. Alles würde ein Loch in die Haushaltskasse reißen, und ich würde den Schmied um Kredit bitten müssen. Doch Stella zu fragen, kam nicht in Frage. Alles was sie besaß, sollte ihre Absicherung sein. Auch wenn ich nicht in den Krieg zog, gab es auf einem Gut Gefahren, die mein Leben beeinträchtigen konnten oder es mir nehmen: Ein zu fällender Baum, ein wildes Pferd, oder eine Überschwemmung. Für Soldaten sorgte der Kaiser, für uns sorgte ich.
"Gute Nacht, Frau Abendstern, mein Herz"

[Furia Stella]

Im Halbschlaf dachte ich noch an den Ring, den ich für meinen Friudel anfertigen lassen werde, es soll ein kostbarer Ring mit einem Edelstein in der Mitte sein. Und ich lächelte zufrieden in mich hinein,

"Gute Nacht, meine Sonne,... dulcis meus"