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[Tiberius Furius Saturninus]

Saturninus grinste einen Moment lang, aber ja, der Junge sollte sich ruhig austoben, das war wirklich keine große Sache. Er hätte es ihm nur rein körperlich nicht zugetraut. Tarutius war ein solches Milchgesicht, und er und ein gewiss nicht zimperlicher Centurio und dazu eine abgebrühte Schankdirne...nun ja, stille Wasser waren tief. Einen Mord an einem Soldaten traute er ihm aber auch nicht zu. Nun erschrak Tarutius Corvus und wurde blass, als er vom heimtückischen Mord erfuhr.
"Das Militär stellt eigene Untersuchungen an. Da einer meiner Mitarbeiter mit dem Ermordeten gesehen wurde, habe ich mich nur bereit erklärt, bei uns noch einmal nachzufragen", erklärte Saturninus:
"Ich bin fast froh, dass du der Betreffende warst, denn das erspart mir die Befragung von dreißig weiteren jungen Angestellten. Und Nautius Philus braucht keine Liste von möglichen Zeugen mehr machen"
Saturninus hoffte, dass Philus sich einklingen würde, sobald ihm etwas ein oder auffiel:
"Ich weiß natürlich, dass du gebechert und es getrieben hast, wie es das Zeug hielt, dennoch versuche, dich zu erinnern. Gab es gestern Abend jemanden, der Centurio Accius vielleicht länger beobachtet hat? Oder hat er außer mit dir und dem Mädel noch mit jemandem gesprochen? Gestritten? Ist dir irgendetwas oder irgendwer sonst aufgefallen?"

[Alun]

Auch auf dem Gesicht meines vorgesetzten zeichnete sich ein Grinsen ab, was mir ein wenig Erleichterung verschaffte. Andererseits, was hatte ich zu befürchten? Als Dolmetscher musste ich nicht auch gleichzeitig sittsam sein.
Doch nun, da er mir offenbart hatte, dass mein vermeintlicher Freund tot war, bot ich alles auf, was ich an schauspielerischer Kunst aufzubringen vermochte – und wie es schien hatte er sich einen Bären aufbinden lassen.
Ich  nickte nur betroffen, als er mir erklärte, weshalb er diese Befragung durchführte und er gestand mir, dass er froh war, dass ich derjenige war, der mit dem Centurio den Abend verbracht hatte. Denn so wurde ihm eine Menge Arbeit erspart. Trotzdem wollte er nun wissen, ob ich etwas beöbachtet hatte oder ob er mit jemandem gestritten hatte. "Nein, er saß den ganzen Abend nur bei mir und es gab auch keinen Streit mit irgendjemand," antwortete ich und zuckte mit den Schultern. "Und mir ist auch nichts aufgefallen, dass uns jemand beobachtet hat." Sollten alle nur noch etwas länger im Dunkeln tappen. Irgendwann würden sie aufhören zu suchen oder vielleicht einen Unschuldigen des Mordes bezichtigen.

[Marcus Nautius Philus]

Philus verstand nicht. Gut, Corvuswar dort gewesen und hatte den Centurio wohl mehr als nur gut kennengelernt. Doch hatte er wirklich nichts bemerkt? Wie konnte man den Centurio in diesem Setting nur ermordet haben? Das ergab alles keinen Sinn. Wer konnte ein Motiv haben? Mörderische Kelten? In diesen Zeiten drängte sich der Verdacht geradezu auf. Er hatte ein merkwürdiges Gefühl bei der Sache.
"Darf ich vorschlagen, Tarutius unter Bewachung zu stellen?", fragte er plötzlich, bevor ihm klar wurde, dass sich das falsch angehört hatte. "Nein, ich meine, äh. Schutzbewachung. Das war das Wort. Wenn du der letzte warst, der den Centurio gesehen hat, dann besteht die Chance, dass dir noch etwas einfällt. Und sobald der Mörder dahinterkommt, besteht die Gefahr, dass dir etwas passiert. Saturninus, wie siehst du das?"

[Tiberius Furius Saturninus]

Saturninus stutzte erst, weshalb sollte er seinen Dolmetscher verhaften lassen? Aber dann korrigierte sein Stellvertreter sein Ansinnen. Der Furius nickte:

"Ja, Philus, wir haben keine Ahnung, wie viele Mörder es wirklich waren und ob sie noch irgendwo auf der Lauer liegen. Und ob sie glauben, dass Corvus ein Mitwisser ist",
er wandte sich zu Tarutius:

"Ich würde dir gerne einen Wachsoldaten mitgeben. Ich weiß, dass deine Wohnverhältnisse etwas... äh ... beengt sind" Saturninus konnte sich selber nicht vorstellen, in einer Insula zu hausen, das war in seinen Augen infrahuman:

"Doch der Mann ist gewiss an größere Unbequemlichkeit gewöhnt, als Wache in einer Mietswohnung zu schieben. Auf diese Weise könntest du deinem Dienst nachgehen, ohne dir Sorgen machen zu müssen"

[Alun]

Als der Nautius mit seinem Vorschlag herausrückte, mich beschatten zu lassen, wäre mir fast der Atem gestockt. Wusste der Kerl etwas, von dem ich nichts wusste und hatte deshalb Lunte gerochen und verdächtigte nun mich? Mein Gesichtsausdruck musste wohl Bände gesprochen haben, bis er endlich klarstellte, dass diese Beschattung nur zu meinem Schutz gedacht war. Er meinte, dass der Mörder glauben könnte, dass ich ihn vielleicht doch gesehen haben könnte. Wenn er nur wüsste!
Der Furier stimmte zu meinem Leidwesen diesem Vorschlag auch noch zu und meinte, mir einen Wachsoldaten mitgeben zu müssen. Ich registrierte das mit stoischer Miene.
"Oh vielen Dank, Furius Saturninus! Aber das ist doch nicht nötig! Wer wird denn schon mir etwas antun wollen?" fragte ich bescheiden. Dennoch würde ich zulassen müssen, dass dieser Wachsoldat alle meine Schritte überwachen würde. Die kommenden Wochen würden schwierig werden, wenn ich dann auch noch einen Aufpasser hatte. Aber auch er würde mir nichts nachweisen können.

Etwas später, als sich die erste Aufregung gelegt hatte und mir niemand mehr auf die Finger sah, holte ich die Nachricht hervor und las sie. Ich las sie mehrmals und je öfter ich das tat, umso kälter lief es mir über den Rücken. Verdammt, wie sollte ich das denn hinbekommen? Wie sollte ich mit einem Wachsoldaten im Nacken zur Quelle kommen? Aber dann hatte ich eine Idee!
Ich stand von meinem Platz auf und lief zu meinem Vorgesetzten. "Oh, edler Furius Saturninus, ich habe ja ganz vergessen, dich um etwas zu bitten." begann ich und setzte eine niedergeschlagene Miene auf. "Mich erreichte gestern eine Nachricht meiner Tante aus Londinium, in der sie mir schreibt, dass es ihrem Mann, meinem Ziehvater gesundheitlich nicht gut geht. Sie bittet mich, nach Londinium zu kommen, denn sie befürchtet das Schlimmste." Ich schlug die Augen nieder und legte eine kurze aber dramatische Pause ein, bevor ich dann weitersprach. "Könnte ich womöglich einige Tage frei haben, damit ich meiner Tante beistehen kann?" Ein paar müde wirkende Augen, die in diesem Fall nicht gespielt waren, blickten den Leiter der Provinzialverwaltung an.

[Tiberius Furius Saturninus]

"Du möchtest nach Londinium reisen? Dein Familiensinn und deine Sorge ehren dich natürlich. Das ist vielleicht auch nicht die schlechteste Idee, dich eine Weile aus der Schusslinie zu bringen", sagte Saturninus sofort. Im Grunde war das gut so. Der junge Mann würde einfach eine Weile ganz offiziell, nicht etwa heimlich, aus Iscalis verschwinden, bis die Wogen wieder geglättet waren. Eine Wache bräuchte es dann auch nicht. Es war aber auch - und Saturninus hatte immer die Staatskasse im Blick: Die billigste Idee...
"Du kannst so viel Urlaub bekommen, wie du brauchst. Allerdings mache ich dich fürsorglich darauf aufmerksam, dass das ohne Dienstbezüge wäre. Also für wie lange denkst du denn, werter Interpres Tarutius Corvus?"

[Alun]

Als der Furier erneut nachhakte, befürchtete ich schon, er würde meine Bitte ablehnen. Doch zu meiner Überraschung war das Gegenteil der Fall! Er lobte meinen Familiensinn und hielt es sogar für eine gute Idee, dass ich  für eine Weile verschwand. Mein Blick hellte sich auf und ich begann erleichtert zu lächeln, als mein Vorgesetzter mir erklärte, ich könne so viel Urlaub nehmen, wie ich benötige – natürlich ohne Bezahlung während meiner Abwesenheit. 
"Du bist sehr großzügig, werter Furius Saturninus! Ich danke dir vielmals dafür." Ich war fast überschwänglich vor Dankbarkeit und musste kurz nachdenken, als er mich fragte, wie lange ich wegbleiben würde. "Nun, bis ich in Londinium ankomme, vergeht beinahe eine Woche. Dann werde ich wahrscheinlich einige Wochen bei meiner Tante verbringen, je nachdem, wie es meinem Onkel geht – ob es ihm bald besser geht oder er …" Ich ließ den Satz unvollendet. Doch der Furier konnte sich sicher denken, was ich meinte. 
"Und dann natürlich die Rückreise nach Iscalis. Insgesamt werde ich wohl einen oder vielleicht auch zwei Monate fort sein, schätze ich."

[Tiberius Furius Saturninus]

Saturninus nickte, die Verwaltung war lange Zeit ohne Tarutius ausgekommen und würde zwei Monate ohne ihn gewiss überstehen:
"Bitte hinterlasse uns deine Anschrift in Londinium, um dich notfalls erreichen zu können", sagte er aber. Normalerweise hätte er dem jungen Mann auch Post anvertraut, aber das Verhältnis zwischen ihm und dem Legaten Augusti war....etwas frostig:
"Dann wünsche ich dir gute Reise und eine gesunde Wiederkehr" 

[Alun]

Ich schluckte einmal kurz, als der Furius nach meiner Anschrift in Londinium fragte, die ich für den Notfall hinterlassen sollte. Aber dann nickte ich schnell. "Aber natürlich! Ich notiere sie noch, bevor ich gehe," entgegnete ich, ohne mir anmerken zu lassen, wie sehr mich diese Sache beschäftigte. Denn dies war ein wunder Punkt, der mich angreifbar machen konnte, wenn tatsächlich jemand nachforschen sollte, ob ich mich in Londinium aufhielt. Aber selbst dann würde mir sicher eine weitere gute Lügengeschichte einfallen.

Erleichterung machte sich dann endlich breit, als mein Vorgesetzter mir alles Gute für die Reise wünschte. Ich setzte wieder mein allerbestes Lächeln auf und nickte freundlich. "Ich danke dir vielmals und freue mich bereits auf den Tag meiner Rückkehr!"
Dann setzte ich mich an meinen Platz und notierte noch die Adresse meiner Zieheltern in Londinium. Bevor ich jedoch ging, schrieb ich noch einen Brief an Prisca, indem ich ihr erklärte, dass es aus war zwischen uns. Davor hatte ich am meisten Angst gehabt. Ihr erklären zu müssen, was für ein elender Scheißkerl ich doch war. Sie mit dem Kind sitzen zu lassen und ihr zu raten, besser bei ihrem Mann zu bleiben und ihm das Kind unterzuschieben. Ja, so würde es sicher für alle Beteiligten  am besten. Nysa konnte ihn zu ihr bringen, weil ich selbst zu feige war. Danach würde ich Nysa freilassen und sie konnte ihrer Wege gehen, wenn sie das wollte.

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[Tiberius Furius Saturninus]

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Nach 10 Tagen nach den beschriebenen Ereignissen kam ein erschöpfter Scaevus in Iscalis an. Er konnte kaum mehr gehen, er fühlte sich und sah auch aus, als wäre er verprügelt worden. In seinen sanften Augen standen Tränen. Als er geflüstert hatte, dass er zu dem edllen Nautius Philus musste, hatte ihn einer der Wachen als Saturninus Sklaven erkannt und durchgelassen.
Jetzt klopfte der zitternde Sklave Scaevus an die Tür des Stellvertreters des Princeps Offici.