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[Officium] Gedanken nach der Hochzeit
01-17-2025, 03:59 PM,
Beitrag #11
RE: [Officium] Gedanken nach der Hochzeit
“Wenn ich mich scheiden lassen wollte, würde ich dafür keinerlei Begründung benötigen. Norbana Orestilla hat als Mitgift lediglich euch Sklaven in die Ehe eingebracht, und ohne arrogant klingen zu wollen, sehe ich keinen Grund, warum ich für euren Fortbestand in meinem Eigentum einen Rechtsstreit führen sollte.“ Eine Scheidung benötigte keine Schuld, wenn der Ehemann der Frau die komplette Mitgift einfach wieder zurückerstattete. Lediglich, wenn er diese behalten wollte, brauchte er eine Begründung. Leander könnte absolut problemlos jederzeit die Ehe als geschieden erklären und Orestilla mitsamt den norbanischen Sklaven einfach wieder fortschicken. Dafür musste er seiner Frau keinen Ehebruch nachweisen. Es war jedes Mal wieder aufs Neue verwirrend, welche Vorstellungen manche Menschen vom römischen Recht hatten.

Noch verwirrender aber waren die Nachfragen bezüglich der noch nicht einmal vorhandenen Affäre. Leander hatte geglaubt, mit seinem Einverständnis wäre alles geklärt und er hätte fortan weniger Probleme in diesem Bereich. Aber Nicander zeigte ihm deutliche Denkfehler in dieser Hypothese auf.
“Welche Stellungen und wie oft?“ Leander grinste leicht ironisch. “Nein, ich muss das nicht wissen. Wenn ich frage, verlange ich aufrechte Antworten, und ich will die Dinge wissen, die mich betreffen. Wenn sie dir beispielsweise mehr als nur Amor entgegenbringen sollte, solltet ihr mich informieren. Wenn dieses Arrangement, soweit sie dieses überhaupt wünscht, dazu führt, dass sie definitiv kein Interesse an Geschlechtsverkehr mit mir hat, solltet ihr mich informieren. Was ihr beide euch ins Ohr haucht, ist eure Privatsache und geht mich hingegen nichts an. Sie darf ihre Vertrauten genauso haben, wie ich die meinen.“
Leander überlegte kurz, was er noch dazu sagen sollte. Er hatte sich noch nie in der Position befunden, eine Affäre für jemand anderen planen zu müssen. “Ich denke, es wäre am einfachsten, wenn du heute nach dem Abendessen in unser Schlafzimmer kommst. Dann kann ich Orestilla auch noch mein Einverständnis erklären und ihr könnt in Ruhe reden, wenn du das möchtest. Ich werde mir für heute Nacht einen anderen Schlafplatz aussuchen und ab morgen überdenken wir die gesamte Schlafsituation neu. Ich denke, Orestilla könnte mit der Anwesenheit von zwei Männern oder einer anderen Frau überfordert sein, so dass wir die Cubicula trennen sollten.“
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01-18-2025, 05:44 PM,
Beitrag #12
RE: [Officium] Gedanken nach der Hochzeit
Wieder einmal hatte ich die Römer je nachdem wie man es sehen will, unter- oder überschätzt. Sie waren keine Menschen, sie waren doch Automata. Es gab nicht einmal den gehörnten Ehemann, der wütend brüllend in das Schlafzimmer preschte: "Du hast mich betrogen, Hure, scher dich in dein Vaterhaus zurück!" Es gab keine Anschuldigungen, keine Flüche, keine Beteuerungen, keine Tränen und keinen toten Nebenbuhler (mich!) 
Plautius Leander sagte nur, dass er, um eine recht mitgiftlose Ehe zu beenden, keinen Rechtsstreit führen würde. Rechtsstreit?! Der Mann hatte kein warmes, rotes Blut, er hatte Paragraphen in den Adern!
Arme liebste Domina, schönste Blume von Iscalis, so lebensvoll, so liebenswürdig. Wäre der Herr ein Schauspielerkollege gewesen, geschüttelt hätte ich ihn und ihn gefragt, ob er denn wirklich stets so kalt und beherrscht sein konnte?
Nein, man ließ mir - beziehungsweise uns, freie Hand. Nur mehr als amor sollte es nicht werden. Und zum Beweis dafür, wie hoch Herr Leander über all den menschlichen Rührungen stand, ordnete er an, dass ich heute Abend in ihr eheliches Gemach kommen sollte, und dass er die Schlafsituation überdenken würde.
"Ich möchte nur, dass meine Herrin glücklich ist. Das wird sie jedoch nur sein, wenn sich auch ihre Ehe glücklich mit inniger Gattenliebe gestaltet. Ich will alles was mir möglich ist, dafür tun wie ein Diener, der die Wagentür einer Kutsche öffnet, die Reisenden einsteigen lässt und dann gute Reise wünscht"
Ich versprach auch das. Wenn das mit den moralischen Verpflichtungen so weiter ging, würde ich mich nie aus der Scheinsklaverei befreien können.
[Bild: 1_26_01_24_4_43_25.jpeg]
[Bild: 3_15_08_22_9_43_44.png]
"Scheinsklave" Norbana Orestilla
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01-18-2025, 07:07 PM,
Beitrag #13
RE: [Officium] Gedanken nach der Hochzeit
“Nun, ich möchte ebenfalls, dass Orestilla glücklich ist. Weshalb ich ihr diese Affäre auch gestatten möchte. Alles weitere wird die Zeit ergeben.“
Leander hatte keine Ahnung, was Nicander mit inniger Gattenliebe meinte, wollte aber lieber nicht nachfragen. Die Antwort wäre entweder wieder sehr blumig gewesen, oder aber so romantisch verklärt wie Orestillas Vorstellungen von der Ehe. Wahrscheinlich sogar beides. Und es war nicht so, als ob Leander nichts von Liebe und Romantik wüsste und sie nicht verstehen würde. Die Mutter seiner ersten beiden Kinder, die mit dem jüngsten zusammen gestorben war, hatte er sehr geliebt. Soweit man dies als Sklave eben zeigen konnte. Und er hatte durchaus schon viele Lieben in seinem Leben gesehen, von der verzweifelten, unerfüllten Liebe bis hin zu der ruhigen, beständigen Liebe eines alten Paares. Die Sache war nur: Er glaubte weder daran, dass man sie erzwingen konnte, noch daran, dass dieses Gefühl sich schnell einstellte. Das, was sich schnell einstellte, war bestenfalls Attraktion, um es gesittet auszudrücken. Er hatte auch versucht, Orestilla das zu erklären. Aber er bezweifelte, dass sie ihn wirklich verstanden hatte. Für sie war Liebe etwas, das gefälligst sofort mit aller Stärke da sein musste, getroffen von Amors Pfeil (und vergessend, dass dieser nur für den körperlichen Aspekt, eben die Attraktion zuständig war) und getragen von blumigen Worten.

Nein, Leander war so einfach nicht und hatte auch nicht vor, so zu werden. Aber wenn sie körperliche Anziehung durch blumige Worte wollte, dann war er sehr gewillt, diesen Teil Nicander zu überlassen. Im Grunde wäre das das ideale Arrangement. Orestilla bekam Sicherheit und Romantik, Nicander konnte seiner Herrin näher kommen, was ihm sonst unmöglich gewesen wäre, und Leander bekam eine zufriedene Ehefrau, ohne sich mit den eher unsinnigen Begierden auseinander setzen zu müssen. Sofern es funktionierte, war es für ihn nahe an Perfektion.

“Wenn du sonst keine weiteren Anliegen oder fragen hast, sehe ich dich dann heute Abend“, läutete Leander dann auch das Ende dieser Unterhaltung ein.
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