02-19-2024, 09:51 AM,
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Furiana Nivis
Flüchtling aus Éire
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RE: Invictus
Ich lag noch eine Weile im Stroh. Das Lachen hatte gut getan. Es hatte mich ein wenig entspannt. Doch während ich hier so da lag und mir die Decke des Stalls betrachtete, fragte ich mich, wie es weitergehen würde. War das schon alles? Würde es so enden? Der Römer war unberechenbar. Im nächsten Moment konnte er kommen und mich einfach töten. Niemand würde ihn aufhalten. Oder würde er mich hier wie einen Hofhund an der Kette halten, bis ich verhungert war? Ich hätte mich ihm natürlich unterwerfen können. Dann hätte er mich vielleicht wieder in sein Haus geholt. Aber dann würde aus mir auch so ein stiefelleckender Sklave, wie seine anderen drei Sklaven. Das wollte ich ganz bestimmt nicht! Dann würde ich lieber hier für alle Ewigkeit an der Kette bleiben.
Ein Pfeifen, das von draußen kam, unterbrach meine Gedanken, denn wie aus dem Nichts begann der schwarze Hengst zu wiehern und wurde wieder unruhig. Das musste der verdammte Römer gewesen sein! Dieser Idiot! Sein Pferd musste furchtbare Angst vor ihm haben, wenn es so reagierte. Sofort sprang ich auf, um nicht von dem Hengst totgetreten zu werden, falls er wieder stieg. Wieder sprach ich beruhigend auf ihn ein, bis er sich wieder etwas beruhigt hatte und ich ihn wieder berühren konnte. "Du armer Kerl! Was hat dieser Idiot nur mit dir gemacht? Vielleicht ist es besser, wenn ich von jetzt an immer bei dir bin." sagte ich und streichelte ihn. Ja, vielleicht war das meine Bestimmung. Ich streichelte das Pferd noch eine ganze Weile und vergrub irgendwann mein Gesicht in sein Fell und weinte still vor mich hin.
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02-20-2024, 03:57 PM,
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RE: Invictus
Ich war bis Mittag Vorratslisten durchgegangen. Die Arbeit war langweilig, doch ich genoss sie, denn jeder Federstrich brachte mich näher zu dem Moment, an dem ich eine kleine Mittagspause einlegen würde. Jetzt war Bestiola vermutlich schon Geschichte.
Als ich zum Stall kam, kam mir Syrus schon entgegen. Er war bleich, weinte fast und warf sich mir zu Füßen:
"Herr, sie ist nicht tot!", stammelte er: "Verzeih mir! Wir haben getan, was wir konnten!"
Nun wusste ich, dass meine Sklaven nichts damit zu tun hatten mit dem was im Stall geschah. Aber an irgendetwas musste ich meinen Zorn abreagieren, und ich gab Syrus einen heftgen Tritt, bevor ich meine Contenance wieder gewann.
"Öffnet die Stalltür!", befahl ich Moesius und Lento, meinen anderen beiden Sklaven.
Ich trat in den Raum. Ein Bündel an Ketten lag weinend auf dem Boden, das war Bestiola. Invictus war in der Nähe. Er wich zurück, als er mich sah, er zitterte und sein schwarzes Fell sträubte sich. Das zweite Mal schon hatte er verweigert, diese Frau zu töten. Nie zuvor hatte er sich geweigert.
Ich neigte weder zu Aberglauben noch zu Furcht. Doch die Götter selbst wünschten den Tod dieser Sklavin nicht. Die Zeichen waren deutlich.
Nun packte mich doch etwas wie Grausen. Etwas Unheilvolles war in Gange .
Ich musste das Weib aus dem Haus haben. Es sollte keinesfalls noch länger hier in der Castra bleiben:
Die Legion hatte einen eigenen Sklavenbeauftraften, der die Beute der Legion verkaufte, aber dies hier war eine private Angelegenheit.
" Lasst sie hier. Hole Mallius aus Iscalis her. Der soll sie verkaufen!", schickte ich Rango.
Syrus lag noch immer auf dem Boden. Während ich auf die Ankunft des Sklavenhändlers wartete, vertrieb ich mir die Zeit damit, ihn mit einem Stock zu schlagen, bis sein Rücken grün und blau war.
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02-21-2024, 12:49 AM,
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Furiana Nivis
Flüchtling aus Éire
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RE: Invictus
Nachdem sich der hübsche schwarze Hengst sich beruhigt hatte, sank ich erneut ins Stroh zurück. Tränen strömten unaufhaltsam über meine Wangen. In meinem Leben hatte ich so viele Gelegenheiten verpasst, die nun unwiederbringlich verloren waren. Die schmerzhafteste davon war die Entscheidung, zu diesem Wagenrennen zu gehen. Dieser Moment war der Ursprung all meiner Leiden. Louarn hatte mich deswegen verlassen und nun befand ich mich hier, angekettet wie ein wildes Tier.
Irgendwann vernahm ich wieder Stimmen, die sich von draußen näherten. Die Tür öffnete sich und der blonde Römer trat ein. Ich blickte zu ihm auf, in der Hoffnung, ihm irgendwie zu vermitteln, dass seine bloße Anwesenheit das arme Pferd in Angst versetzte. Doch der Mann konnte mich ja sowieso nicht zu verstehen. Zudem schien er nicht gerade erfreut zu sein, mich zu sehen. Nun, dann hätte er vielleicht draußen bleiben sollen! Schließlich war es ja seine Entscheidung gewesen, mich hierher zu bringen. Warum also war er jetzt so enttäuscht, mich hier zu sehen? Was er dann noch zu seinen Sklaven sagte, konnte ich nicht verstehen.
Schließlich verließ er wieder den Stall. Kurz darauf hörte ich entsetzliche Schmerzensschreie, die von draußen kamen. Wenn ich mich nicht täuschte, waren das die Schreie von seinem Sklaven Syrus. Aber warum schlug er ihn jetzt? Vielleicht nur zum Spaß, vermutete ich. Oh, in was für eine Situation war ich nur geraten? Dieser Mann war wirklich unberechenbar!
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02-21-2024, 05:44 PM,
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RE: Invictus
Bestiola schaute mich an wie ein waidwundes Tier. Sie machte keinen Versuch, mir zu entkommen. Invictus sehr wohl, aber wir beide würden uns später noch sprechen.
Syrus hinkte mit schmerzverzerrtem Gesicht zu den Ketten hin und löste sie. Er atmete schwer. Er bemühte sich, Bestiola nicht anzusehen.
Ach, gewiss gab er ihr die Schuld an seinem Zustand. Sollte ich ihm erlauben, sich zu rächen? Ich lächelte, und ich war mir sicher, dass Bestiola sich denken konnte, was mir in den Sinn kam. Aber nicht doch, die Zeit zum Spielen war endgültig vorbei.
Mallius Mango war in Begleitung mehrerer seiner eigenen Sklaven angekommen. Man ließ sie nach einer Leibesvisitation passieren.
Der Sklavenhändler widerte mich an. Ein nützliches Übel war seinesgleichen, doch niemand, mit dem ein Römer von Ehre sich abgab. Ich verschwieg ihm, dass ich hatte die Sklavin töten lassen wollen. Ich sagte nur:
"Dies ist eine Barbarin. Sie ist dumm im Kopf, dümmer als jedes Tier. Für Hausarbeit taugt sie nicht. Sie spricht ein wenig Latein, aber außer Unflätigkeiten kommt nichts aus ihrem Mund. Ich will sie los werden,und ich überlasse sie dir umsonst. Allerdings habe ich eine Bedingung: Verkaufe sie in die schlechtesten Verhältnisse, die du finden kannst. Am besten in das Bergwerksbordell, wenn die neue Mine eröffnet wird. Vielleicht hat sie dort für das Imperium noch einen Nutzen"
Die Sklavinnen dort waren Wegwerfware, angekettet und den niedrigsten Minensklaven für ihre Lust freigegeben. Es dauerte meist nicht lange, bis sie tot in der Abfallgrube landeten. Es war eines der schlimmsten Schicksale, was eine Frau erwarten konnte.
Ich wandte mich ab und ging. Ab jetzt gehörte Bestiola dem Sklavenhändler.
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02-22-2024, 12:22 AM,
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Furiana Nivis
Flüchtling aus Éire
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RE: Invictus
Einige Zeit später kam Ovidius zurück in den Stall. Aber er kam nicht allein. Neben seinem Sklaven Syrus waren da auch noch fremde Männer, die ich noch nie gesehen hatte. Es waren auch keine Soldaten, denn sie trugen eine andere Kleidung. Der etwas ältere Mann, der einen recht schmierigen Eindruck machte, begutachtete mich und besprach dann etwas mit dem Römer.
Syrus humpelte dann herbei und löste die Ketten von der Wand. Ich verstand nicht, was das jetzt sollte. Etwas verunsichert schaute ich mich um. Nicht etwa, dass ich unbedingt hier in diesem Stall bleiben wollte. Aber natürlich hätte ich gerne gewusst, was der schmierige Kerl von mir wollte.
Ovidius schien auch in gewisser Weise von dem Kerl angewidert zu sein. Doch Ovidius war von vielem angewidert. Angefangen mit mir. Er wandte sich um und verließ den Stall.
Langsam begriff ich, dass er mich diesem Kerl und seinen Männern überlassen hatte. Einer von ihnen begann ruckartig an der Kette zu ziehen, so dass ich über kurz oder lang aufstehen musste. Als ich endlich auf den Füßen war, schob mich ein andere zur Stalltür hinaus. Das Tageslicht blendete mich, als ich hinaustrat. Ich brauchte einen Moment, bis meine Augen sich daran gewöhnt hatten. Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, ob ich mich freuen oder fürchten sollte, dass diese Männer mich nun von hier weg brachten, denn ich hatte keine Ahnung, was nun als nächstes passieren würde. Mein Magen fühlte sich flau an, aber nicht nur weil ich Hunger hatte. Es war auch die Angst, die ich hatte. Eines war sicher, ich brauchte mir keine Hoffnungen darüber zu machen, dass das, was nun vor mir lag, in irgendeiner Weise eine Verbesserung sein würde.
Ein langer Fußmarsch lag vor mir, der mich zurück nach Iscalis führen sollte.
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