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[Sklavenhändler]

An einem der folgenden Tage war Mallius Mango wieder in Iscalis. Diesmal hatte er ein Grüppchen von vier  Britannierinnen dabei. Vier davon waren schlichte Frauen, die sich für die groben Hausarbeiten eigenen würden, die fünfte aber war ein Prunkstück erster Güte, welches er hoffentlich gut losschlagen konnte: 

Eine junge Frau, die von ihrer Familie oder ihrem eigenen Stamm in die Sklaverei verkauft worden war. Eine typische keltische Schönheit mit feuerrotem Haar, meergrünen Augen und einer Haut wie Milch. Sie stammte von Hibernia, der Nachbarinsel Britannias. 
Hibernia gehörte nicht zum Imperium Romanum. Kelten, die in Britannia Krieg gegen das Imperium geführt hatten, pflegten sich dort zu verstecken. Auch kleine Gruppen der  Briganten, Deirdres Volksstamm, taten das, weshalb Mango ihre genaue Herkunft jetzt nicht laut herausposaunte. Seine vorzügliche Ware sollte nicht in den Ruf einer Unruhestifterin geraten.

Latein sprach Deirdre nur einige Worte, die sie aufgeschnappt hatte, aber Mango ging davon aus, dass Sprechen die geringste Tugend war, die von ihr erwartet wurde.
Deirdre, so hieß sie, ein barbarischer Name, der klang wie ein Vogelruf, Diiiedriiii , doch ihrem Herr stand es ja frei, ihr einen gefälligeren Namen zu geben. 
Mango bezeichnete sie als Ancilla - Dienerin - und hatte sie durchnummeriert.

So standen die zu verkaufenden Sklaven  auf dem Podest, und der Sklavenhändler pries zunächst lautstark seine durchschnittliche Ware an. 

Aber für den heutigen Höhepunkt seiner Auktion hatte sich Mallius Mango sogar  in Unkosten gestürzt:

 Als einzige der Frauen trug Deirdre einen smaragdgrünen Chiton, der die Farbe ihrer Augen unterstrich, und der an den Schultern mit zwei silberfarbenen Spangen zusammengehalten wurde. Es war recht leicht, eine Spange zu lösen, um die milchweißen Schultern und den Brustansatz der jungen Frau zu präsentieren.
Potientielle Käufer sollten sich die Finger nach der Schönheit lecken. 
Auf ihrem Titulus, dem Bronzeschild mit den relevanten Angaben, welches sie um den Hals hängen hatte,  stand das, was Mango über seinen Neuerwerb wusste und für verkaufsfördernd hielt:

ANCILLA I 16 Jahre alt IMPORTIERT AUS HIBERNIA MAKELLOS KANN SINGEN UND FLÖTE SPIELEN

Wie es bei Importen aus der Provinz üblich war, waren Deirdres Beine bis zu den Knien weiß angestrichen worden. Und das makellos erklärte sich selbst, wenn man sie ansah.

 Mango rechnete sehr damit, dass Kunden näher kommen würden, um sie anzusehen. Daher hatte er Deirdre zwar unter Bewachung eines seiner Sklaven mit einem Knüppel, doch ohne Fesseln, aufgestellt. 
 Sie sollte wie ein luxuriöser Dekorationsgegenstand wirken, ein Schwan unter Graugänsen.

[Furiana Deirdre]

Da stand ich nun in diesem merkwürdig geschnittenen Kleid mit einem Schild um den Hals. Wenigstens war die Farbe des Fummels schön. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht das Schild zu betrachten. Ich konnte ohnehin nicht lesen. Mehrfach hatte ich versucht mit den anderen Frauen aus meiner Gruppe zu sprechen, bevor die Auktion begann, doch außer Schweigen und Resignation gab es da nichts. Auch jetzt sahen die vier Frauen zu Boden und ergaben sich dem Schicksal. 

Ich würde nicht so enden, hatte ich mir geschworen. So starrte ich der versammelten Menge entgegen mit hoch erhobenem Kopf, auch wenn ich so gut wie nichts von dem verstand, was der Sklavenhändler da faselte. Zumindest war ich nicht gefesselt. Das war gut.

[Tiberius Furius Saturninus]

Heute ging Saturninus in Begleitung seiner Sklaven Sidonius und Scaevus zum Markt, denn er hatte sich in den Kopf gesetzt, das Buch von Columella über die Landwirtschaft zu erwerben. Sein Buchhändler, der einen kleinen feinen Marktstand besaß, hatte keine Abschrift hier, versprach ihm aber, es in Londinium zu ordern.
Saturninus nickte dem Händler zu, dann ging er ein Stück durch den Bereich, in dem menschliche Ware angeboten wurde.  
Der Princeps Officii hatte sich bisher noch keinen Kelten gekauft. Er wollte keinen Kriegsgefangenen im Haus haben. Er legte keinen Wert darauf, Sklaven zu besitzen, die ihn im Grunde hassten. Daher bevorzugte er Vernae, in seinem Haus geborene Sklaven, die sich als Teil der furischen Familia, des Gesindes, fühlten und die Freiheit nie gekannt hatten.
Einer der Händler hatte ein Mädchen oder war es bereits eine Frau? dabei, die die Haltung einer Königin besaß. Sie trug ein auffälliges Gewand mit zwei Spangen über der Schulter. War sie seine Geliebte oder stand sie zum Verkauf?
Saturninus näherte sich, da sah er den Titulus um ihren Hals, und erfuhr durch das Lesen, dass die rothaarige junge Frau tatsächlich eine Sklavin war und an den Mann gebracht werden sollte.

Hinter ihm machten zwei trotz der frühen Stunde bereits Angetrunkene anzügliche Witze über der Sklavin Kenntnisse im Flötenspiel, und der Furius runzelte die Stirn. Die junge Frau hielt den Kopf erhoben, trotz allem.
Saturninus, der keine Toga, aber eine prächtige Tunika mit Goldstickereien am Kragen und den Ärmeln trug, gab seinen Sklaven unmerklich einen kleinen Wink. Sie sollten die Betrunkenen ...bitten, weiterzugehen. Der Geruch nach billigem Fusel beleidigte die Nase des Patriziers. Ob er noch andere Beweggründe hatte, die Männer zu verjagen, behielt er für sich. Auch sich selbst gegenüber.

[Sklavenhändler]

Von den einfachen Sklavinnen waren zwei verkauft worden, aber es war Deirdre, die die Blicke anzog, und als die Sonne etwas höher gestiegen war, beschloss Mallius Mango die Auktion zu beginnen:
"Sehr verehrte Kunden, Volk von Iscalis, tretet näher und schaut, was ich Euch heute biete: Von den grünen Weiden Hibernias eine Blume der Briganten: Jung und unschuldig und mit einem Körper, einer Göttin würdig! 
Ich hätte sie nach Rom verschicken können, da hätte sie mir der Kaiser abgekauft!"...

einige Römer lachten, denn Kaiser Vespasianus war eher dafür bekannt, in seinen Ausgaben mehr als sparsam zu sein:

"Ich hätte sie nach Londinium verschicken können. Aber ich sagte mir: Was hat Londinium Iscalis denn voraus?! Leben hier nicht auch die besten, die kultiviertesten, die wohlhabensten  Leute, die sich auch teure Sklaven leisten können!

Daher exklusiv hier in Iscalis: Die Schönste der Schönen, eine sechzehnjährige Ancilla. Ihr keltischer Name ist Deirdre, aber wer sie sein eigen nennt, kann sie nennen, wie er will: Schatzi oder Liebling",

Mallius Mango verdrehte wie in Verzückung die Augen:
"Fangen wir die Aktion an mit tausend Sesterzen. Tausend Sesterzen sind  für dieses Schmuckstück festgesetzt."

[Tiberius Furius Saturninus]

Saturninus ließ sich nicht gerne beschwatzen, während der Sklavenhändler redete, als sei seine Ware Königin Kleopatra, die schöne Helena und die fleischgewordene Venus in einer Person.

 Dabei war es nur eine junge Sklavin, die den Blicken der Menge ausgesetzt, sich darum bemühte, Haltung zu bewahren.

Es war üblich, sich Sklaven vor dem Kauf genau anzusehen und sie auch zu befragen. Das gehörte zur Sorgfaltspflicht des Käufers. Nur wenn der Händler dreist gelogen hätte, hatte dieser eine Gewährleistungspflicht ( Saturninus, der in der Schreibstube oft juristische Einzelheiten dokumentieren musste, kam dieser Gedanke in den Sinn)

Der Furius mochte es allgemein leiden, wenn jemand Haltung bewies. Andere Mädchen in dieser Situation hätten vielleicht ihr Schicksal beweint; diese tat es nicht.

Er las das Bronzeschild um ihren Hals, und er näherte sich dem Podest. Er sprach die Sklavin direkt an:
"Ist es wahr, dass Du singen kannst? Lass etwas hören"

Saturninus Stimme war kühl. Er wusste nur zu gut, dass wenn sich jemand fürchtete, er kaum einen Ton herausbrachte. Er wollte wissen, was an der Haltung dieser Keltin echt war.

[Locusta]

Die zusammengepressten Lippen und der kalte Blick standen in einem seltsamen Kontrast zu dem Gesicht, in dem sich keine weiteren Zeichen von Verbitterung befanden, aber abseits von Siedlungen verschwand die Strenge aus Locustas Zügen, sodass sie sich nicht eingraben konnte, denn sie diente einzig dem Zweck, Neugierige abzuschrecken. Die Maga wollte unbehelligt bleiben. Benötigte sie nicht zuweilen Waren vom Markt, bliebe sie menschlichen Siedlungen generell fern, aber nicht alles wuchs wild, oder konnte mit eigenen Händen hergestellt werden. Auch konnte sie den Einkauf nicht in besucherarme Zeiten verlegen, weil der Markt zu Nachtzeiten geschlossen war.
 
Also huschte Locusta über den Platz, möglichst immer Abstand zu jedem Marktbesucher einhaltend, und warf nur einen flüchtigen Blick auf das Schauspiel der Versteigerung, bevor sie Passanten verdeckten und sie neugierigen Blicken entschwand,
 

[Flavianus Pytheas]

Geeignete Praxisräume zu finden war nicht ganz einfach. Zwar wurde in Iscalis rege gebaut, doch Pytheas hatte bestimmte Ansprüche an sein zukünftiges Zuhause: Zu ebener Erde sollte es liegen, ein großes Atrium und mehrere davon abgehende Räume haben, zudem einen eigenen Brunnen  oder Anbindung an ein Aquaduct und eine mit Stein ummauerte Küche, in der man Gegenstände auskochen und auch Tränke einkochen konnte.
Daher war der Grieche zwar unterwegs gewesen, jedoch nicht fündig geworden. Jetzt drang eine Stimme an sein Ohr, die er kannte: Das war der Römer, der bei der Auseinandersetzung von Wicho und Erin dabei gewesen war und angeregt hatte, dem Kelten drei Stockhiebe zur Abschreckung zu verpassen. 
Pytheas runzelte die Stirn, schwieg jedoch. Es nützte nichts, das Schicksal der jungen Sklavin auf dem Podest zu bedauern. Sollte ihr Herr sie so wertvoll befinden, dass er einen Medicus rufen ließ, um ihr beizustehen, konnte er ihr vielleicht helfen, vorher jedoch nicht.
An ihm ging eine Frau vorbei, und der Grieche schaute sie kurz an. Es passierte nicht oft, dass er Menschen nicht einschätzen konnte, aber diese hier hatte etwas völlig Alterloses, so dass er nicht hätte sagen können, ob sie schon alt oder noch jung war. Ihr Blick glich dem gewisser Reptilien, und irgendeine Seite brachte sie in ihm zum Schwingen, etwas Vergangenes, was aber im Nebel seines Gedächtnis lag wie beinahe alle seine frühen Erinnerungen.
Pytheas schüttelte über sich selbst den Kopf, seine Vergangenheit lag hinter ihm im wesenlosen Schein, und gewiss hatte nur etwas an Haltung oder Zügen der Unbekannten etwas in ihm ausgelöst, als würde sich eine Wolke vor die Sonne schieben. Das waren die Ermüdungserscheinungen seines fast immer tätigen Verstandes.
Er ging nun weiter, zurück zum Weißen Pferd.

[Furiana Deirdre]

Einer von den schnöseligen Römern trat auf mich zu, während der Sklavenhändler weiterhin herumbellte in der unangenehm klingenden Sprache der Römer. Ich bemühte mich sichtlich um einen neutralen Gesichtsausdruck, aber ich würde weder meinen Kopf beugen noch meinen Blick senken. Wieder diese bellenden Laute - dieses Mal direkt an mich gerichtet. Was der Mann wohl wollte? Er sah gut gekleidet aus und reich. Wollte er mich kaufen wie eine Kuh? Wollte er meinen Namen wissen? 

Zum ersten Mal erklang meine Stimme. Wie ein hell singendes Vöglein antwortete ich in schlecht verständlichem Latein. "Deirdre...ich bin." Ein Hauch Unsicherheit war zu hören, da ich nicht so recht wusste, ob es das ist, was der Mann wollte. Aber ich hatte immer noch die Hoffnung, dass mich die Aura der Unnahbarkeit wie ein Schutzpanzer umgeben könnte.

[Tiberius Furius Saturninus]

Das Mädchen hatte eine helle Stimme, wie ein kleines Rotkehlchen, doch ihren Namen hatte Saturninus nicht recht verstanden. Er klang in seinen Ohren doch sehr barbarisch:
"Aus dem wilden Hibernia kommt sie also. Woher da genau?", fragte er den Sklavenhändler:
"Es ist nur jammerschade, dass dein sogenanntes Schmuckstück keine Anweisungen versteht. Doch sie ist wirklich ein netter Anblick. Ich gebe Dir siebenhundert Sesterze für diese Sklavin, und du weißt, dass ich dir damit entgegen komme", 
er richtete einen ganz und gar kühlen Blick auf den Sklavenhändler, gespeist aus jahrhundertalter patrizischer Verachtung und verschränkte dabei die Arme.

[Sklavenhändler]

Der Sklavenhändler ließ sich einen Stapel Wachstafeln von seinem Schreiber reichen und schaute sie mit gerunzelter Stirn durch, bis er aufmerkte:
"Da ist sie ja! Das Mädchen stammt genau gesagt aus dem Stamm der Brigantes in Hibernia. Das sind sehr gelehrige Barbaren", er ließ die Tafel sinken:

"Auch sie wird schnell lernen. Und schau nur....", mit einer raschen Bewegung löste Mallius Mango die linke Spange des grünen Gewandes, so dass der Träger rutschte und die Schulter der jungen Frau entblößte:
"Solch marmorweiße Haut. Und ein liebes, verträgliches Wesen. Du wirst es nicht bereuen, edler Kunde vom Tiber, wenn Du sie für deinen Hausstand erwirbst. Aber siebenhundert sind zu wenig.
Einen Preisnachlass will ich gewähren - neunhundert Sesterzen"

Nun beugte er sich zu Deidre und zischte ihr zu:"Singen sollst du was, Sklavin, hat er gesagt. Na los, SINGEN", er öffnete den Mund und gab einige Töne von sich: "Lalala, hast du verstanden !"