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[Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
02-14-2024, 12:12 PM,
Beitrag #11
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Ich.war.nicht.tot. Und wenn, so war das nicht der Hades, aber auch nicht jenes gesichtsloses Jenseits, welches ich erwartet hatte. Dieses Jenseits hatte Hände und eine Stimme. Wenn auch so, wie wenn man unter Wasser tauchte- verschwommen und in meinen Ohren rauschte es. Ich wurde bewegt, doch genau konnte ich es nicht sagen, denn meine Glieder schienen mir nicht zu gehören. Dennoch: Cogito ergo sum. Ich denke, also bin ich. ich war noch, denn ich konnte denken. Und kaum konnte ich denken, da kehrte der Zorn zurück, und hätte ich mich bewegen können, hätte ich mein Schwert gezogen. Aber in meinem jetzigen Zustand war es so nutzlos wie für einen Fisch.
Außerdem konnte ich mich gerade nur auf die Stimme verlassen, die mich leitete:
"Wenn du Leben willst, solltest du das schlucken. Wenn ich dich hätte töten wollen, gäbe es weit spaßigere Wege als durch Gift.“
Erste Schlussfolgerung: Ich lebte tatsächlich noch. Zweite Schlussfolgerung: Ich war wie in einem dieser Albträume, in denen man kein Glied bewegen vermochte, gefangen. Ich wollte nicht sagen, dass ich gegen diese Albträume völlig unempfindlich gewesen wäre. Kein Sterblicher war es. 
Aber dennoch war es anders. Der Mörder wollte mich also nicht durch Gift töten. Was wollte er dann? 
Es gab da mehrere Möglichkeiten. Mit mir das Gleiche zu tun wie mit Balventius beispielweise. Es würde demnach nicht wehtun. Denn meinen Körper spürte ich gar nicht. Konnte ich überhaupt aus dem Becher trinken? 

Ich stellte mir nur vor, es zu tun- und es gelang. Flüssigkeit rann meine Kehle herab. Und dann, dann bemerkte ich, dass einige Körperfunktionen zurückkehrten. Ich war wieder in meinem Körper. Und dann sah ich auch schon schemenhaft das Gesicht des Mörders. Es war hell und von rotem Haar umgeben. Er blickte mich an, und sein Blick brannte in meinem. Dennoch hätte ich ihn nicht beschreiben können, so wie man ab und an die Personen in seinen Träumen nicht beschreiben kann. 

“Streng dich nicht zu sehr an. Je mehr du kämpfst, umso langsamer wirkt das Gegengift. Hat etwas mit deiner Herzrate und dem Blut zu tun. Also entspanne dich und versuch nicht zu kämpfen. In ein paar Augenblicken solltest du zumindest deine Zunge wieder fühlen und reden können. Naja… langsam und leise.“

Ich hatte mich getäuscht. Der Mörder konnte mich fühlen lassen, wenn er das wünschte. Und dann konnte er mir die Haut und mein Fleisch in Fetzen vom Körper schälen und mich mit den Bäumen verflechten wie meinen Standesgenossen Balventius. Dieser Gedanke trug nicht wirklich zur Entspannung bei. Dennoch bekam ich nach dem ersten Schreck meine Emotionen in Griff. Ich war ein Römer. Wenn gestorben werden musste, würde ich es so gut tun, wie ich es vermochte.

Und dann tötete der Mörder Invictus.

Ich muss gestehen, dass mich das mitnahm. Einen Moment war da tiefste Trauer, denn Invictus war ein Geschenk meines Vaters und immer, immer bei mir gewesen. Mein Hengst war der einzige, den ich wirklich als Freund bezeichnet hätte. Also nahm ich Abschied, mit einem Blinzeln nur. Ich glaubte, dass ich nicht verhindern konnte, dass mir eine Träne über eine Wange rann.

Danach schleppte er Quirinus an und setzte ihn mir gegenüber. Wie es bei Räubern und Barbaren üblich war, nahm er ihm vorher seine Rüstung ab. Quirinus konnte sich genauso wenig bewegen wie ich selbst und wimmerte leise. Unwürdiger Kerl! Benimm dich wie ein Römer!


“Du meintest vorhin, dass ich verstehen würde, dass gestorben werden muss, wenn ich Römer wäre. Nun… ich verstehe es. Ich verstehe es sehr viel besser als du, mein Freund. Aber du verstehst es nicht. Noch nicht. Naja, glaube ich.
Warum müsst ihr Kerle immer so schwer sein?“

Immer, sagte er. Wie viele Römer hatte der Mörder schon zuvor ermordet? Ich war mir sicher, dass er ein Kelte war, aber er sprach unsere Sprache ohne den leisesten Akzent und so wie ein Mann, der eine gewisse Bildung genossen hatte. Wer war er, verdammt? Vielleicht doch ein Abtrünniger? Oder?
Nein.  Das Wort Druide hatte mir auf der Zunge gelegen. Es gab keine mehr von ihnen. Mona hatte ihnen das Genick gebrochen. Sie waren illegal und wer von sich behauptete, ein Druide zu sein, wurde von uns hingerichtet. Niemals wieder sollten sie ihre Völker führen und zu Aufständen aufstacheln können...

Der Mörder zog nun ein Messer, und während er mich belehrte:
“Du hast bei dem Medicus so viele Fehler begangen. Deine Schnitte waren schlampig und voller Ungeduld. Du wolltest zum Ende kommen und die Macht fühlen, aber der Weg dahin war dir zu lang und beschwerlich. Du hast so geschnitten...
Aber siehst du, wie viel Blut dabei fließt. Wie tief die Schnitte sind? Wie lang hat der dürre Bursche das durchgehalten, ehe er zum ersten Mal ohnmächtig wurde? Hast du danach gewartet, bis er wieder aufgewacht ist, oder konntest du auch dann nicht stoppen?",

führte er mir an Quirinus vor, was ich dem Flavianus getan hatte. Quirinus ächzte und stöhnte dabei, und ich? Während ich bei Invictus Tod tiefe Trauer empfunden hatte, war ich nun kurz davor, loszulachen.
Und ja, der Mörder hatte Recht gehabt, ich fühlte meine Zunge wieder. Was sich meinem Mund entrang, war kein herzhaftes Lachen, eher ein Prusten. Doch man konnte mit etwas gutem Willen erraten, was es sein sollte:

"Ach, er ist ziemlich schnell ohnmächtig geworden", flüsterte ich: " Ich habe gewartet, bis er wieder aufwacht. Ich hatte nämlich vor, ihm die Sehnen seiner Hände zu durchtrennen. Und ich wollte, dass er, wenn ihm klar wird, dass er nie wieder seine Patienten operieren kann, bei vollem Bewusstsein ist"

Wieder kam über meine Lippen dieses unangenehme Prusten. Eine Sache war der Tod. Eine andere Sache war es, jemandem das zu nehmen, was er am meisten liebte und zuzusehen, wie er verzweifelte.
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02-14-2024, 03:34 PM,
Beitrag #12
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Der Tribun fand seine Zunge wieder, wenngleich er sie dazu nutzte, zu lachen. Ich sah ihn an und legte den Kopf leicht schief. Die meisten Kerle pinkelten sich vor Angst in die Hose, wie beispielsweise mein Anschauungsobjekt gerade. Ich musste nicht hinsehen, um über dem Blutgeruch den stechenden Geruch von Urin wahrzunehmen. Aber der Tribun lachte. Und erzählte dann von seinem Plan mit dem Medicus, den er aber nicht hatte umsetzen können. Und offenbar hatte er dabei mehr Geduld gehabt, als ich gedacht hatte, denn er hatte gewartet, bis der Medicus wieder aufgewacht wäre. Ich hätte nicht gedacht, dass er sich da zurückhalten hätte können, aber wahrscheinlich war es nicht der erste gewesen.
“Hättest du das denn gekonnt? Die Haut an den Händen zu öffnen ist schwierig. Sehr viele Adern, sehr viel, was schief gehen kann, so dass sie sehr schnell verbluten. Hast du das schon einmal gemacht?“
Ich legte den Kopf in die andere Richtung schief und sah ihn mir an, sehr genau sogar. Und verstand, warum er die Willenskraft hatte aufbringen können, zu warten. Es erregte ihn. Ja, auch jetzt war er erregt. Sehr sogar. Die Vorstellung, dass ich ihm zeigte, wie das ging, erregte ihn. Ich prüfte meine These, indem ich mein Messer zu den Händen des Mannes bei mir führte und einen vorsichtigen, leichten Schnitt vollführte, während ich den Tribun beobachtete, wie er darauf reagierte, und war mir ziemlich sicher, dass ich recht hatte. Es war nicht das Blut, wie ich erst angenommen hatte, und auch nicht unbedingt der Schmerz der Opfer, ihr Wimmern und Jammern. Es war die Macht, zu erschaffen und zu zerstören.

Ich zog mein Messer zurück und tippte mir überlegend mit der blutigen Spitze gegen das Kinn und die Lippen. Mir fiel wieder etwas ein, was der Medicus gesagt hatte. “Bist du grade hart?“ fragte ich den Tribun ganz freundlich und sachlich. Die Reflexe funktionierten alle auch in betäubten Zustand, das hatte ich ausführlichst erprobt. Meine Opfer konnten blinzeln, schlucken, atmen, pinkeln und sogar niesen. Nur eben nichts, was sie bewusst steuern mussten, wie reden, laufen, schreien, sich wehren… Auch mit dem Gegenmittel würde es sicher noch zwei oder drei stunden dauern, bis der Tribun das wieder konnte, und anfangs eher wie ein Betrunkener.
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Falke
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02-15-2024, 05:22 PM,
Beitrag #13
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Ich hätte den Kopf geschüttelt, wäre es mir möglich gewesen. Nein, ich hatte vorher noch nie jemanden die Handsehnen durchgeschnitten. Kniesehnen von Gefangenen, damit sie nicht fortlaufen konnten, waren etwas anderes.
"Es war noch nie zuvor zweckdienlich gewesen", erwiderte ich:

"Außerdem war ein Medicus anwesend. Ich ging davon aus, dass er sein eigenes Leben retten würde. Aber du, woher hast du deine Kenntnisse?" 

Wie ein Mensch inwendig aussah, das war keine verbreitete Kenntnis. Ärzte wussten es nur, wenn sie die Möglichkeit hatten, Anatomievorlesungen zu besuchen. Die meisten faselten etwas von einem Ungleichgewicht der vier Säfte. Soldaten und Gladiatoren wussten es schon besser. Aber woher wusste der Mörder so genau Bescheid?
"Ich nehme nicht an, dass du im Museion von Alexandria Vivisektionen beigewohnt hast. Oder doch?"
Es hieß zumindest, dass die Gelehrten dort ab und an vom Kaiser einen verurteilten Verbrecher überstellt bekamen, an dem sie die menschlichen Organe studieren konnten. 
Ich zermarterte mir immer noch das Gehirn, wer und was der Mörder sein konnte.

Ich starrte auf Quirinus. Auf dessen heller Haut malten rostrote Linien ein hübsches Netzmuster. Der Kamerad saß mir gegenüber. Er gab mit halb geöffnetem Mund gurgelnde Geräusche von sich. Seine Augen waren weit aufgequollen wie die eines Frosches.

Der Mörder hatte sich  mittlerweile zu einem Schemen manifestiert. Meine Sehkraft schien sich zu bessern.  Dunkles Haar umrahmte ein bleichen Gesicht mit brennenden Augen, aber nach wie vor war alles undeutlich, als hielte ich den Kopf unter Wasser. Ich war auf seine Stimme angewiesen. Nur sie hielt mich in der Welt der Lebenden.

Jetzt versetzte er Quirinus Hand einen kurzen Schnitt. Vermutlich wollte er mir zeigen, welchen Effekt das hatte. Der Mörder behielt Recht, diese kleine  Wunde blutete heftig. 
Leider war da nur Quirinus. Wie gerne hätte Petilius Rufus an seiner Stelle gesehen. 

Die Frage des Mörders riss mich aus meinem Rachegedanken:

"Es ist nicht nur das fließende Blut, das reizvoll ist", antwortete ich widerwillig: 
"Ich gebe auch oft, ohne dass ich davon etwas zu sehen bekomme, den Befehl zum Töten", 
da dachte ich an Centurio Octavius, der in eine Höhle verschleppt und zu Tode geprügelt worden war. Das hatte ich auch nicht gesehen, aber die bloße Vorstellung hatte meinen Tag erheitert.
Ich merkte, wie mein Puls schneller wurde. Ich spürte das Verlangen durch meine Adern rasen, in meinem Kopf, aber dort, wo mein Genius meine Männlichkeit behüten sollte, hielt es inne. Halb erwartete ich den furchtbaren Schmerz. 

"Nein!", erwiderte ich. Ich musste flüstern, doch am liebsten hätte ich geschrien:
"Ich erlebe niemals Lust, weißt du! Es schmerzt so unsagbar. Ich bin verflucht", 
ich war mir in diesem Moment sicher, dass es beim Mörder konträr war. Vermutlich f.... er sich ständig die Seele aus dem Leib. Ein heiseres Schluchzen wollte durch meine Kehle, ich kämpfte es nieder.

Nein, ich konnte nicht tun, was der niedrigste Sklave tun konnte. Es war ein Fluch in einer Welt, die voller Lust und Begehren war. Ich konnte nur ihre Geißel sein.
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02-15-2024, 07:02 PM,
Beitrag #14
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Ich in Alexandria, bei einem Lehrmeister, der weniger Ahnung hatte als ich und nur seine eigene Meinung verbreiten wollte, aber kein wirkliches Wissen? Ich lachte bei der bloßen Vorstellung und schüttelte den Kopf. “Es gibt keinen Lehrer, der das weiß, was ich weiß“, meinte ich und ließ von dem Soldaten ab, der mit schreckgeweiteten Augen zusah, wie die Wunden an seinen Armen weiter leise und stetig vor sich hinbluteten. Oh, ich hatte nicht so tief geschnitten, dass er schnell verbluten würde, das nicht, und ein menschlicher Körper hatte schon verdammt viel Blut in sich. Aber man konnte an den verzweifelten Augen durchaus sehen, was er darüber dachte, hier so vor sich hinzubluten. Und er hatte ja auch nicht Unrecht damit. In weniger als einer Stunde würden die ersten Wölfe von dem Geruch angelockt werden. Oder Füchse. Vielleicht auch ein Luchs. Die Bären sollten tief genug schlafen, um da zu bleiben, wo sie waren. Ach, und Krähen! Die waren immer schnell. Und da er sich nicht wehren konnte, nun, würde das für ihn sehr unangenehm werden, selbst wenn ich jetzt aufhören würde.

Aber der Kerl kümmerte mich nicht. Er war nur… Unterrichtsmaterial, bestenfalls. Und ein Mittel, um den Tribun besser kennen zu lernen. Ihn verstehen zu lernen. Und gerade zeigte er eine Seite an sich, die mich verwirrte. Weinte er? Nicht ganz, aber fast. Das war verstörend. Und eklig. Ich ging die zwei Schritte zu ihm und ließ mich vor ihm in die Hocke nieder. “Ich hätte nicht gedacht, dass du so schwach bist“, sagte ich und legte den Kopf schief. Eben noch hatte er gedroht, gehöhnt, gelacht, wollte einen Mord von mir auf eine sehr schmerzhafte Art und dabei Zeuge sein, und jetzt wirkte er wehleidig und niedergeschlagen.
Ich sah ihn einen Moment lang an und tippte mir wieder mit dem blutigen Messer leicht gegen die Lippen. Ich hatte noch im Kopf, was der Medicus mir über ihn gesagt hatte. Dass sein Penis nicht funktionierte, weil die Vorhaut ihn abschnürte.
“Ich werde dir ein Geschenk machen“, meinte ich nach ausgiebiger Überlegung und griff nach seiner Tunika, um sie hochzurollen, dabei eventuelle Einwände rigoros ignorierend. “Auch wenn du mich dafür zunächst hassen wirst. Aber ich will wissen, ob es das ist, was dich angetrieben hat, und du normal bist, wenn dein Ding normal ist, oder ob du bereit bist, zu sehen und zu verstehen.“
Ich hatte seinen Unterkörper soweit freigelegt, dass ich freien Blick auf sein bestes Stück hatte. Und ja, da stimmte einiges nicht. Ich sah mir den Zustand kurz ausgiebig an und nahm das Ding in die Hand, um mir den Schaden von allen Seiten ansehen zu können.
Dann stand ich auf und nahm ein frisches Messer zur Hand. Eines, das nicht in Gift oder Blut getaucht war, sondern glatt und sauber und scharf, das ich kurz über das Feuer hielt, das die Soldaten so liebenswürdigerweise vorhin entzündet hatten. Das Feuer reinigte die Klinge, und ich wollte unnötige Infektionen minimieren. Angesichts des Zustandes seiner Männlichkeit würde ich sie wohl nicht ganz verhindern können.
“Zu deinem Leidwesen habe ich nichts dabei, das den Schmerz dort betäuben wird. Ich hatte nicht mit Besuch gerechnet“, meinte ich, als ich mit der Klinge zufrieden war und zurück zu ihm ging, wieder in der lockeren Hocke und den Kopf schieflegte.
“Und die nächsten zwei Wochen wirst du mich deshalb hassen. Oh, und wie du mich hassen wirst. Die zwei Wochen danach solltest du vermeiden, damit rumzuspielen, auch wenn die Versuchung groß ist. Aber damit bringst du ihn nur zum Bluten. Und in vier Wochen werden wir sehen, wie du wirklich bist, wenn du so wie alle anderen bist.“
Ich hoffte, er beherzigte meinen Rat. Und dann fing ich an, zu schneiden.
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Falke
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02-17-2024, 06:46 PM,
Beitrag #15
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Dann spürte ich, wie der Mörder meine Tunika hochschob. Er sprach davon, mir ein Geschenk zu machen und dass ich ihn hassen würde.- Ich hasste den Mörder nicht, starke Gefühle waren noch weit weg.
"Aber ich will wissen, ob es das ist, was dich angetrieben hat, und du normal bist, wenn dein Ding normal ist, oder ob du bereit bist, zu sehen und zu verstehen", sagte er.

"Ich bin nicht schwach. Und ich bin normal, wenn du damit geistig gesund meinst. Es gibt wohl niemanden von größerer geistigen Gesundheit als ich es bin", flüsterte ich: "Doch ich folge einem  Stern. In dieser Welt besessen von Lust und Zeugungskraft und Perversion  sehe nur ich ganz klar, was getan werden muss, um diesen Drecksstall zu reinigen.
Du bist ein Meister des Tötens. Ich würde mir wünschen, dass du mit mir kommst nach Aegyptus und dann nach Rom.
Warum dich auf das hier beschränken, wenn ein ganzes Imperium dein Weidegrund sein könnte?"
Wir müssen nur im richtigen Moment zugreifen", beinahe wollte ich lachen:
"Die Griechen nennen das den kairos, den richtigen Moment. Er ist ein Gott, der Gott Kairos. Soll ich dich so nennen? Ich kann dich ja nicht die ganze Zeit "Mörder" nennen!" 

Ich wusste nicht, warum ich wieder versucht war, zu lachen. Vielleicht weil dieses Gespräch den Gesprächen glich, die man in Träumen führte, tiefgründig und völlig irreal zugleich.

Und dann kam der Schmerz. Der Mörder schnitt ohne Betäubung in meinen Penis, ja, er entschuldigte sich sogar dafür, weil er nichts hatte, um den Schmerz zu lindern. Der Schmerz schrie in mir. Ich hätte mich aufgebäumt, wenn ich es vermocht hätte, so glitt der Schmerz nach innen wie eine brüllende Flamme.

Das letzte was ich sah, war ein schräg gelegter Kopf, Augen wie der Abgrund zwischen den Sternen, dunkles Haar und dann .... dann verlor ich das Bewusstsein.
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02-18-2024, 03:23 PM,
Beitrag #16
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Ich lachte leicht vor mich hin, als er sagte, er sei normal und geistig gesund. Ich war auch geistig gesund, im Gegensatz zu eben jenen normalen. Und dennoch wusste ich dank Cinead das ein oder andere über diese Menschen und dass sie mich eben als anders wahrnahmen und meine Andersartigkeit fürchteten. Weil ein Geist wie meiner eben nur wenigen Menschen innewohnte.

Er fragte, ob er mich Kairos nennen durfte. “Mörder, Kairos… ich sehe keinen Unterschied. Beides versucht Fesseln an etwas Unbekanntes zu legen, um es beherrschbar zu machen, in Regeln einzuzwängen und so dem Geist zu unterwerfen. Aber wenn es dich glücklich macht, nenn mich so.“ So ähnlich hatte ich schon öfter geantwortet, denn in der Tat bedeuteten mir weder Namen, noch Bezeichnungen wirklich viel. Es war nur der Versuch, etwas zu beschreiben.
Oh, ich glaubte durchaus an die Macht, die einem wahren Namen innewohnte. Dass man damit die Fae beschwören oder vertreiben konnte und ihre Macht sich nutzbar machen. Aber der Rest? Alles nur der Versuch, etwas zu erfassen, das größer war, als man selbst. Als ob es eine Eiche kümmerte, ob man sie Eiche oder Baum oder anderes nannte.

Dann war unsere Unterhaltung aber auch schon an einem Ende, denn ich fing mit meiner Arbeit an, und er schrie erst vor Schmerz und sackte dann weg. Zum Glück, denn ich hasste es, wenn sie schrien. Der Hauptgrund, warum ich meine Substanz überhaupt erst erfunden hatte. So aber hatte ich nun die Ruhe, die ich brauchte.
Ich schnitt die verklebte und verdrehte Vorhaut frei, was aufwändiger war, als ich gedacht hätte. Anschließend ging ich zu den unruhigen, überlebenden zwei Pferden, die vom Blutgeruch etwas nervös waren. Ich suchte in den Satteltaschen nach nützlichen Dingen, fand dabei erfreulicherweise einige Nägel für später und für jetzt erst einmal einen kleinen, gegossenen Topf und dieses Essigwasser, das die Römer gerne tranken. Ich stellte den Topf in die nähe des Feuers und füllte ihn schon einmal mit einem Schluck des Wassers und aus meinen Vorräten getrockneter Schafgarbe. Nach wenig Suchen kamen noch ein paar wilde Zwiebeln hier aus dem Wald dazu und ein Stück Honigwabe, das ich mir von Bienen in der Nähe aus einem hohlen Baum geliehen hatte.
Dann ging ich wieder zum ohnmächtigen Tribun und löste mit dem restlichen Essigwasser die ganzen, zahlreichen Verklebungen sehr sorgfältig, bis sein Ding zwar ziemlich wund und blutig aussah, aber ansonsten wohl funktionstüchtig sein würde, sofern es gut abheilte. Meine Mixtur am Feuer köchelte gerade blubbernd vor sich hin und ich stellte sie auf kühle Steine, damit sie nicht zu heiß wäre und kramte noch einmal in den Taschen nach sauberen Stoffstreifen, die ich in die Mixtur tunkte und dann sein Ding damit einwickelte.

Als das erledigt war, wandte ich mich den beiden anderen Soldaten zu und bedankte mich bei ihnen für die mitgebrachten Nägel.


Nachdem ich fertig war, blieb ich noch ein wenig in der Nähe, um aufzupassen, dass keine Tiere vorbeikamen. Oh, der zweite Legionär lebte noch. Ich hatte mein Werk mit ihm meisterlich vollendet und dem Tribun beim Aufwachen ein schönes Beispiel dafür hinterlassen, wie effektiv man einen Menschen häuten und an einen Baum nageln kann, ohne dass er starb. In ein paar Stunden hätte sein Eigengewicht ihn dann erstickt, aber noch bewegte sich röchelnd die Brust, ein wenig zumindest.
Der andere war leider vorzeitig vor Angst gestorben. Da hatte einfach sein Herz aufgehört, zu schlagen. Egal, auch er stand nun an einen Baum gelehnt, sein Gewicht von Nägeln gehalten.
Ich hatte dem Tribun neben der Heilmixtur noch eine Wachstafel dagelassen. Wenn er aufwachte, würde er wieder weitestgehend hergestellt sein und vernünftig sehen und sich bewegen können, da wollte ich nicht mehr in seinem Blickfeld sein. Dort standen nur ein paar einfache Sätze geschrieben.

Ich habe dich von deinem Leiden befreit. Denke daran: 2 Wochen braucht es zum heilen, und noch einmal 2 Wochen der Ruhe. Nicht reiten! Eine Woche Verband täglich wechseln mit Heilpaste.
Wir sehen uns wieder.

Ich wartete, bis ich merkte, dass der Tribun kurz davor war, aufzuwachen. Dann zog ich mich ins Dunkel der Wälder zurück.
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Falke
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02-20-2024, 03:32 PM,
Beitrag #17
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Ich wollte nicht davon berichten, wie es war, aufzuwachen. Denn gemeinsam mit meinem Geist erwachte auch der Schmerz. 
Einer meiner Männer war tot an einen Baum genagelt. Quirinus jedoch lebte noch. Was der Mörder ihm angetan hatte, überstieg meine Vorstellungskraft und doch konnte ich mich Bewunderung nicht erwehren. Er hatte ihn geschält, wie man einen Apfel schälte. Mit vor Pein irren Augen starrte er mich an. Ich humpelte zu ihm hin:
"Du hast Rom tapfer gedient, Miles. Deine Ahnen warten auf dich", flüsterte ich. Das Sprechen fiel mir schwer, als steckten rostige Nägel in meinen Stimmbändern. Ich schnitt Quirinus die Kehle durch und umarmte ihn, als er starb. Erst als er schlaff wurde, ließ ich ihn los. 
ich drehte mich um und da sah ich erst eine Tabula und  einen Tiegel dort liegen, wo ich vorhin gelegen hatte. Ich brauchte eine Ewigkeit, um beides aufzuheben. Ich brauchte auch ungewöhnlich lange, die Schrift zu lesen, da es mir immer wieder schwarz vor Augen wurde:

-Ich habe dich von deinem Leiden befreit. Denke daran: 2 Wochen braucht es zum heilen, und noch einmal 2 Wochen der Ruhe. Nicht reiten! Eine Woche Verband täglich wechseln mit Heilpaste.
Wir sehen uns wieder-

Der Mörder, mein dunkler Kairos, hatte mich nicht kastriert. Er behauptete, den Fluch von mir genommen zu haben. Konnte das möglich sein? 

Dann entsann ich mich des toten Invictus. Mein Freund, mein Seelentier, warst du der Preis, den ich für die Aufhebung meines Fluchs bezahlen musste? Wenn es so wäre, wusste ich, dass er sich nur zu gerne für mich geopfert hätte. Invictus war ein edles Geschöpf gewesen, von all den Toten hier das würdigste Opfer, auch wenn der Mörder gar nicht gewusst hatte, wer er war. Ich küsste Invictus Stirn und seine Nüstern und streichelte sein schwarzes Fell. Ich würde die wilden Bestien nicht abhalten können, seinen noblen Leib zu schänden.  Das bedauerte ich am meisten.

"Ich werde dir einen Altar weihen", flüsterte ich meinem toten Freund zu: "Und eines Tages werde ich die Macht haben, dich unter die Sterne zu versetzen" 
 Auch Iuppiter hatte seine Lieblinge zu Sternbildern gemacht. Dieses Versprechen war alles, was ich ihm noch geben konnte.

Mühesam erreichte ich eines der Pferde, die noch lebten. Die Heilpaste samt Wachstafel schob ich in eine Satteltasche. Ich konnte kein Bein heben, um mich aufzuschwingen, also warf ich mich über den Sattel und hing nun quer über seinem Rücken wie ein Sack.

Ob der Mörder noch irgendwo war und meinem Kampf zusah? Er hatte geschrieben, dass wir uns wieder sehen würden. 
Aber ich wusste nun, dass er sich nicht so einfach vor meinen Karren spannen lassen würde. Macht oder Ehrgeiz schienen ihm nichts zu bedeuten. Er mordete aus anderen Anlässen, vielleicht auch nur wie ein Kind, das Puppen zerschlug - oder vielmehr meisterlich zerlegte. Er würde Petilius Rufus nur töten, wenn er gerade Lust dazu verspürte. Nicht für Gold, nicht für gute Worte, auch nicht für Ehre. Wären alle wie er, würde das Imperium, würde die gesamte Zivilisation still stehen und zusammenbrechen. 

Es dauerte lange, bis ich in jener Zivilisation zurück war. Römische Landbesitzer brachten mich in die Castra.


Epilog.

Hätte ich über die Geschehnisse in jenem Wald wahrheitsgetreu berichtet, hätte man vielleicht die Gegend von hinten bis vorne aufgerollt. Vier Tote auf einem Privatausflug waren nicht gerade wenig. Aber Aufmerksamkeit dorthin zu lenken,  passte nicht in meine Absichten. 
Der Mörder sollte unbehelligt bleiben. Ich fühlte eine seltsame Verbundenheit mit ihm, nicht Freund-, sondern eher Komplizenschaft  als würde man ein finsteres Geheimnis teilen.

Ich trieb also Zeugen auf, die berichteten, dass  Gavius, Pinarius und Sentius in Lindinis in einen Händel geraten waren. Die Täter waren entkommene Minensklaven, denen wir auch habhaft wurden. Sie bekamen für ihre Missetaten schöne, hohe Kreuze. Drei zwar übel verstümmelte Leichen für eine statthafte Beerdigung gab es auch; ich hatte Sklaven ausgesucht, die den drei Soldaten von der Statur und Haarfarbe her glichen.
Über Quirinus berichtete ich, dass er mein Leben gerettet hatte, als uns ganz woanders eine Räuberbande überfiel. 

Die Kontrollen in der Gegend wurden verschärft. Die Schikanen gegenüber der Untertanen auch. Zeitweilig gab es zwischen Lindinis und Iscalis so viele Kreuze, dass niemand wegen des Gestanks die Römerstraße benutzen wollte.

Ich jedoch heilte.
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