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Von Iscalis nach Norden - Reise in die Sicherheit?
03-11-2023, 12:27 PM,
Beitrag #19
RE: Von Iscalis nach Norden - Reise in die Sicherheit?
Ich stand immer noch da, beide Waffen in den Händen, und traute mir selbst gerade nicht. Mein Blut kochte, und ich wusste, gleich würde der Rausch enden und die Übelkeit einsetzen, die immer kam, wenn das Blut sich beruhigte. Ich hatte schon öfter getötet, das hier war nicht das erste Mal, und ich wusste, es würde nicht das letzte Mal sein. Beim ersten Mal war mir danach so übel gewesen, dass ich mich übergeben hatte. Es war ein gefangener Römer gewesen, ich war elf Jahre alt gewesen und Cathbad hatte mir den Dolch dafür in die Hand gegeben. Er wollte wissen, ob ich es konnte. Ich hatte es gekonnt, und dennoch war er enttäuscht von mir gewesen, weil ich danach gekotzt und mich elend gefühlt hatte. Mit der Zeit wurde die Übelkeit weniger und alles daran leichter, aber es ging nie ganz weg. Ich fürchtete den Tag, an dem Cathbad stolz auf mich sein würde, weil ich nichts mehr fühlte.

Niamh trat auf mich zu, und ich ging instinktiv einen Schritt zurück. Ich wollte nicht, dass ich im Rausch das umsetzte, was ich gerade gefühlt hatte, wollte ihr nicht weh tun. Ich könnte mir nie verzeihen, wenn ich auch nur eine Sekunde lang so wäre wie mein Vater, der ebenfalls so wie ich jetzt wohl gewesen war, aufgeputscht durch den Kampf und berauscht vom Sieg und einfach nur selbstsüchtig und gewalttätig. Ich wollte so nicht sein, nicht zu ihr und zu keiner Frau.
Aber sie kam auch diesen Schritt nach und fragte sich, ob bei mir alles in Ordnung war. Nein, mit mir war überhaupt nichts in Ordnung. War es nie gewesen und würde es nie sein. Ich war in jeglicher Hinsicht einfach nur kaputt und würde niemals ganz sein.

Ich ließ mein Schwert fallen und zog sie einmal an mich, lehnte meine Stirn gegen ihre, roch ihr Haar, das immer noch nach Heu und Wildblumen roch, selbst jetzt noch. Ein klagender Laut kam über meine Lippen, und ich küsste sie, küsste sie auf die Art, die wenig mit Liebe und viel mit Sehnsucht und Verlangen zu tun hatte. Meine andere Hand fasste die Handaxt fester, so fest, dass mir die Finger weh taten. Aber ich wusste, ich durfte sie nicht loslassen, traute mich nicht, sie loszulassen, da sonst alles ganz kaputt gehen würde. Noch mehr, als jetzt. Noch mehr, als ich alles eben kaputt machte. Dinge. Menschen. Schicksale.

Ich ließ von ihren Lippen ab, legte meine Stirn aber wieder an ihre und hielt die Augen fest geschlossen. “Es tut mir leid“, flüsterte ich, während ich sie so festhielt. “Ich hätte nicht einschlafen dürfen. Ich hätte besser aufpassen müssen. Es war meine Schuld. Er hat mich zwar gleich wieder geweckt, aber ich habe ihn nicht verstanden. Ich hätte dich nicht allein zum Eingang gehen lassen dürfen, der Typ hätte dich nie in die Finger bekommen dürfen. Und er hätte dich nicht schneiden dürfen.“
Ich löste mich von ihr und schaute nach dem Schnitt an ihrem Hals. Es war nicht viel mehr als ein Kratzer. “Ich hab Kräuter in der Satteltasche. Am nächsten Bach kann ich… ich mach etwas für deinen Hals. Und die Priesterinnen können es dann richtig machen.“ Ich konnte ihr ja nicht sagen, dass ich einen kleinen Zauber darauf legen wollte, damit es sich nicht entzündete. Ich war sowieso schon ein schlechter Druide, sie musste davon nicht unbedingt noch mehr wissen.

Ich schluckte nochmal und ließ sie los, trat wieder etwas zurück. Meine Brust pochte da, wo der Kerl mich getroffen hatte. Ich musste mir das ansehen, wie schlimm es war. Da ich aber noch stand und mir Selbstvorwürfe machen konnte, war es wahrscheinlich nicht zu schlimm. “Der andere Kerl hat mich einmal erwischt. Ist durch den Stoff gegangen. Muss wahrscheinlich gewaschen und versorgt werden, ist aber nicht allzu schlimm“, beantwortete ich endlich ihre Frage und schüttelte den Kopf, um meine Gedanken wieder klar zu bekommen.
“Du solltest das Pferd holen, wenn du dich das traust. Der Braune ist… er ist Blut und Tod nicht so gewohnt und wird bei mir sicher steigen, so wie ich jetzt rieche. Und ich muss den anderen noch aus der Höhle rausziehen und ihnen die Kleidung abnehmen.“ Ja, ich hatte sowas schon öfter gemacht. Und je einfacher die wilden Tiere an die Körper kamen, umso schneller würden hier keine Spuren mehr zurückbleiben. Vögel, Füchse, Dachse, Wölfe, Ameisen, die würden alle kurzen Prozess mit ihnen machen. Und ich wollte nicht, dass jemand, der die beiden suchte, sie so einfach fand und identifizierte.
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Falke
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RE: Von Iscalis nach Norden - Reise in die Sicherheit? - von Louarn - 03-11-2023, 12:27 PM

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