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Atrium
03-19-2024, 11:36 PM,
Beitrag #11
RE: Atrium
Als ich aus der Stadt zurückgekehrt war, hatte mich  Pacorus, unser Ianitor, bereits vorgewarnt. Er erzählte mir, dass Soldaten, darunter auch ein Offizier, angekommen waren und den Wunsch geäußert hatten, meine Frau zu sprechen. Mehr Details konnte er mir leider nicht geben. Ohne zu zögern, machte ich mich auf den Weg ins Atrium. Da ich mein Bein noch schonen musste, stützte ich mich weiterhin auf meinen Stock.
 Im Atrium angekommen, fand ich die besagten Soldaten und meine Frau, die blass auf einem Stuhl saß. Ich vermutete, dass es um meinen Schwager Florus, Priscas einzigen noch lebenden Verwandten, gehen musste. Seit unserer Hochzeit hatte ich ihn nicht mehr gesehen, was mich nicht besonders betrübte. Was hatte dieser Kerl nur wieder angestellt?
 
Offenbar waren sie bereits wieder im Aufbruch begriffen. Nichtsdestotrotz begrüßte ich die Männer mit einem freundlichen "Salvete, die Herren!" und nickte meiner Frau zu. Die Ärmste sah sehr betrübt aus. Etwas Schlimmes musste geschehen sein. Ich stellte mich neben sie, legte meine Hand sanft auf ihre Schulter und wandte mich dann an den Offizier, einem jungen blonden Tribun, den ich nicht kannte. "Salve Tribun, wie ich gehört habe, wünschtest du mit meiner Frau zu sprechen. Darf ich fragen, worum es geht?"

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Honoratior von Iscalis
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03-22-2024, 05:53 PM,
Beitrag #12
RE: Atrium
"Salve Veteran Sabinius Merula" , ich deutete einen militärischen Gruß an. Auch wenn ich höher im Rang war, dieser Mann hier war ein Held Roms. Er hatte sich seine schweren Verletzungen im Krieg zugezogen. Welch glückliches Geschick, verglichen mit dem des Acciabruders. Ich achtete Sabinius Erfahrung und sein Opfer für das Vaterland. Ich war mir sicher, dass er die Barbaren genauso verabscheute wie ich es tat. Und ich war froh darüber, ihn aufrecht auf beiden Beinen zu sehen.
Die besondere Verbindung, die ich zu der Frau gefühlt hatte, zerstob wie Frühnebel unter der aufsteigenden Sonne. Sie war nicht für mich bestimmt. Ich sollte wirklich endlich heiraten. Mein Ton wurde sachlich:
"Ich bin Tribunus Angusticlavius Ovidius von der zweiten Legion Augusta. Es tut mir sehr Leid, dass ich deiner Frau die traurige Nachricht vom Ableben des Centurio Accius Florus überbringen musste.
Wenn Accia Prisca noch einmal Abschied zu nehmen wünscht, wäre es gut, wenn ihr beide mich heute noch zur Castra begleitet. Die Legion kümmert sich um alles, es sei denn ihr habt für die Beisetzung des Toten andere Wünsche"
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03-24-2024, 03:52 PM,
Beitrag #13
RE: Atrium
Dass ihr Bruder ihr nichts vererbte, überraschte Prisca nicht wirklich. Wie viel des geldes ihrer beider Vater er aber verschleudert hatte, schon. Das Haus in Londinium war nun kein Palast gewesen, aber mehrere zehntausend Sesterzen an Wert, nebst den Sklaven und allem, hatte er erhalten. Dass all das weg sein sollte, schockierte Prisca mehr als die Tatsache, dass sie nichts bekommen würde, sondern die Legion.
Sie nickte also nur etwas bleich und überlegte schon, wie sie die Nachricht ihrem Mann zukommen lassen konnte, als dieser auch schon hereintrat und den Tribun kurz begrüßte. Prisca war sehr dankbar, als der Tribun den Grund des Besuches selbst nannte und sie so nicht gezwungen war, jetzt mehr zu reden als unbedingt notwendig. Ein wenig musste sie sich nach wie vor sammeln und all die Neuigkeiten für sich verdauen, und sie war sich gerade nicht wirklich sicher, ob sie weinen wollte oder nicht. Wahrscheinlich war sie schlicht noch zu geschockt.

Aber da der Tribun ja gehen wollte und noch nach der Beerdigung fragte, erhob sie sich auch wieder, um ihn richtig zu verabschieden. “Nein, die Legion war für meinen Bruder alles. Ich bin sicher, dass seine Kameraden ihm ein würdiges Begräbnis bereiten.“
Sie sah zu ihrem Mann und hoffte, dass er einverstanden wäre, gleich im Anschluss zur Castra zu fahren, damit sie sich von ihrem Bruder verabschieden könnte. Sie würde sich umziehen müssen und jetzt eine Woche lang Trauerkleidung tragen müssen. Oder wie lang ihr Mann es auch für angemessen halten mochte, dass sie trauert. Und bei der Beerdigung sollte sie natürlich weinen. Am besten nahm sie Miriam mit, die konnte gut heulen, wenn es sein musste. Und Prisca bezweifelte die Anwesenheit professioneller Klageweiber bei der Legion.
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Vormund (Tutor): Marcus Accius Florus, Centurio Legio II Augusta (NSC)
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04-01-2024, 08:52 AM,
Beitrag #14
RE: Atrium
Der Tribun nannte mir seinen Namen und blieb dann auch weiter sachlich, als er mir von seinem Auftrag berichtete, meine Frau vom Ableben ihres Bruders zu unterrichten.  Florus war tot? Ich brauchte erst ein paar Atemzüge, bis ich verstand. Mein Schwager war zu Tode gekommen. Auf welche Weises dies geschehen war, sparte sich Tribun Ovidius mir gegenüber aus. Ob dies im Dienst geschehen war oder nicht, konnte ich im Augenblick nur mutmaßen.  Wahrscheinlich wollte er die genaueren Umstände in Gegenwart meiner Frau nicht noch einmal wiederholen, was ich auch akzeptierte.
Meine Frau hielt sich erstaunlich gut. Sie bewies Standhaftigkeit, wie man es von einer Römerin erwartete. Gewiss lag es auch daran, dass sich Florus niemals als liebender Bruder erwiesen hatte. Ihm hatte rein gar nichts an seiner Schwester gelegen. Dennoch war er ihr letzter lebender Verwandter gewesen. Prisca erhob sich und teilte dem Tribun mit, dass ihr Bruder die Legion als seine Heimat betrachtet hatte. Daher sollten ihm nun auch seine Kameraden ein würdiges Begräbnis bereiten.

"Meine Frau und ich werden dich zur Castra begleiten, Tribun Ovidius. Wenn du uns noch einen Moment Zeit zugestehst. Die Sklaven können dich und deine Männer in der Zwischenzeit mit Getränken versorgen." Ich gab dem jungen Beatus, der sich im Hintergrund aufhielt ein Zeichen, damit er sich dieser Aufgabe annahm. Einem anderen Sklaven befahl ich, sich um einen Wagen zu kümmern, der meine Frau und mich zur Castra brachte, denn ich konnte wohl kaum von Prisca erwarten, auf einem Pferd dorthin zu reiten.
"Komm, meine Liebe! Wir wollen den Tribun nicht allzu lange warten lassen," sagte ich zu meiner Frau. Kaum waren wir der Trauerkleidung nach dem Ableben meiner Mutter entstiegen, so mussten wir sie nun erneut anlegen.  Daher steuerte ich zielstrebig mein Cubiculum an, um mich umzuziehen. Meine Frau tat das Gleiche.
In der Zwischenzeit hatten die Sklaven genügend Becher, Wein, Wasser und Posca herbeigeschafft, um den Tribun und seine Männer zu versorgen.

Schließlich trat ich wieder hinaus ins Atrium, um auf meine Frau zu warten, damit wir Tribun Ovidius zur Castra begleiten konnten.

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Honoratior von Iscalis
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04-13-2024, 08:37 AM,
Beitrag #15
RE: Atrium
Die Ankunft des Lucius Sabinius Bellus
 Pacorus hatte einige Sklaven wieder geweckt. Daraufhin herrschte in kürzester Zeit zu so später Stunde wieder eine gewisse Geschäftigkeit im Haus. Die Sklavin Dana eilte ins Obergeschoss, um dort ein Cubiculum zu richten.

[Bild: Coraxkl.jpg] | Beatus
Im Dämmerlicht des Atriums erschien nach wenigen Minuten ein halbwüchsiger Sklave, dessen Name Beatus war. Noch ganz verschlafen rieb er sich die Augen und versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken. "Salve Dominus, du bist sicher durstig und hungrig. Darf ich dir etwas bringen?" Seine piepsige Stimme klang ganz verschlafen.
Pacorus selbst klopfte an der Tür des Dominus, um ihm mitzuteilen, dass sein Verwandter aus Ostia eingetroffen war.
[Bild: 3_15_08_22_9_36_30.png]

Honoratior von Iscalis
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04-13-2024, 02:24 PM,
Beitrag #16
RE: Atrium
Nachdem ich meine Vorstellung beendet hatte, reagierte der Ianitor nicht sofort auf meine Worte, sondern maß mich erst noch einen Moment lang mit skeptischem Blick. Durchnass und abgerissen, wie ich da so zu später Stunde an der Porta stand, konnte ich es dem Sklaven auch nicht verdenken. Dann aber konnte ich erleichtert feststellen, dass meine - zugegebenermaßen ziemlich kurzfristige - Ankündigung meiner Ankunft doch ihren Weg nach Iscalis gefunden hatte, denn mit einem Mal begrüßte mich der Ianitor freundlich, befreite mich von Paenula und Calcei, versah mich stattdessen mit angenehm warmen Filzpantoffeln und führte mich schließlich ins Atrium.

Ich ließ all dies schweigend geschehen und genoss es, dass die Wasserströme, die zuvor noch an meinem Körper entlang gelaufen waren, endlich versiegt waren. So sehr war ich in diesem Augenblick mit mir selbst beschäftigt, dass ich gar nicht dazu kam, mit das Atrium näher anzusehen. Auch hatte ich es versäumt, den Ianitor nach seinem Namen zu fragen. Nach kurzer Zeit stand aber bereits ein weiterer Sklave vor mir. Während der Ianitor ein gestandener Mann gewesen war, handelte es sich bei diesem Diener nun um einen halbwüchsigen Jungen. Zuvorkommend fragte er nach meinen Wünschen, mir entging jedoch nicht, dass er offenbar schon geschlafen hatte und sicherlich eigens für mich geweckt worden war. Außerdem meinte ich, im Haus hier und da ein Huschen und überhaupt weitere Zurüstungen ob meiner Ankunft hören zu können.

"Salve. Ja, du hast Recht, etwas Warmes täte mir gut. Vielleicht warmer Gewürzwein? Und etwas Brot mit Käse oder mit sonst irgendwas, was ihr so da habt." Ich hatte schon auch Hunger, wollte aber keinen Fall noch mehr Umstände machen, als ich es jetzt sowieso schon tat, was mich in sichtbare Verlegenheit brachte. "Ach, sag' noch", setzte ich eilig hinzu, denn mir lag eine Frage auf den Lippen, die ich stellen wollte, bevor ich meinen Cousin Merula vielleicht noch zu Gesicht bekommen würde; in dessen Anwesenheit wäre diese Frage wohl unpassend gewesen: "Wie heißt du? Ich bin Lucius Sabinius Bellus."
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04-16-2024, 11:32 AM,
Beitrag #17
RE: Atrium
[Bild: Coraxkl.jpg] | Beatus

"Wie du wünschst, Dominus," antwortete Beatus und deutete eine Verbeugung an. Er wollte schon zur Culina eilen, da sprach ihn der Ankömmling noch einmal an und wollte seinen Namen wissen. "Beatus, Dominus. Man ruft mich Beatus," entgegnete er schnell und verschwand dann mit eiligen Schritten.
Es vergingen einige Minuten, in denen der neuangekommene Sabinius sich selbst überlassen war. Doch dann kündigten einige schleppende Schritte das Kommen des Hausherrn an.


Ich hatte bereits geschlafen, als Pacorus mich weckte. Midas, der aus Gewohnheit immer noch in meinem Cubiculum schlief und sein Lager in einer Ecke auf dem Boden hatte, war natürlich auch sofort zur Stelle gewesen. Der Ianitor berichtete mir von der Ankunft meines langerwarteten Halbbruders, der mir in einem Brief meines Onkels Quintus angekündigt worden war. Jener Brief, den meine arme Mutter auf meinem Schreibtisch entdeckt und gelesen hatte, bevor sie der Schlag getroffen hatte und verstorben war. Selbstredend konnte ich weder meinem Onkel noch meinem Halbbruder, von dessen Existenz ich auch erst durch den Brief erfahren hatte, keinen Vorwurf deswegen machen. Eher meinem Vater, der offenbar mit einer anderen Frau ein weiteres Kind gezeugt hatte, während er bereits mit meiner Mutter zwei Kinder hatte. Mein Vater aber war seit gut drei Jahren tot.

Midas war mir behilflich beim Ankleiden. Er streifte mir eine einfache Haustunika über und kämmte mein Haar, damit ich einigermaßen ansehnlich war, bevor ich meinem Bruder gegenübertrat.
Mit Hilfe meines Stockes begab ich mich dann ins Atrium, wo ein junger Mann mit dunklem Haar bereits wartete. Gerade kam der junge Beatus angelaufen und hatte für ihn einen kleinen Imbiss aus Brot, Käse und etwas Hühnchen, das von der Cena übrig geblieben war, gerichtet. Außerdem hatte er einen Becher mit warmen duftenden Würzwein dabei.
"Salve, Belenus! Sei uns in meinem Haus willkommen! Ich bin dein Bruder Merula!" begrüßte ich ihn. "Wie ich sehe, hat dich Beatus bereits deiner angenommen." Ich warf dem jungen Sklaven einen wohlwollenden Blick zu. "Ich hoffe, du hattest eine angenehme Reise." Dass die Reise zweifellos  nicht angenehm war, konnte ich mir sehr gut vorstellen. Wochenlang in auf Schiffen und Reisewägen unterwegs zu sein, war sicher nicht das, was ein erstrebenswerter Zeitvertreib war.
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Honoratior von Iscalis
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04-17-2024, 09:14 AM,
Beitrag #18
RE: Atrium
Auf meine Frage nach seinem Namen antwortete der Sklavenjunge mir, dass er Beatus heiße. Dann verschwand er auch schon, um meine zuvor geäußerten kulinarischen Bedürfnisse zu erfüllen, und ließ mich allein im Atrium zurück.

Dass der Herr dieses Hauses, mein Vetter Merula, noch nicht erschienen war, verriet mir, dass er wohl schon zu Bett gegangen war, wenn nicht gar bereits geschlafen hatte. Meine Verlegenheit wurde dadurch nur vermehrt, dass er sich zu dieser späten Stunde eigens für mich noch einmal erheben musste, und das auch noch in dem gesundheitlichen Zustand, in dem Merula sich befinden mochte.

Aber: Merula? Was, wenn nicht er, sondern Belenus mir gleich entgegentreten würde, der mit mir in Ostia aufgewachsen und einige Zeit vor mir nach Iscalis aufgebrochen war, um hier seine Wurzeln kennenzulernen, denn er war ein Halbbruder des Merula? War Belenus schon hier? An ihn hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht, als ich mich dem Ianitor vorgestellt hatte. Wie selbstverständlich hatte ich nach Merula, dem Hausherrn, gefragt, nicht nach dem Gast; ich hatte gefragt nach dem Mann, der mir ein Unbekannter war, nicht nach dem Jüngling, mit dem ich aufgewachsen war wie mit einem Bruder.

Diese Überlegungen führten dazu, dass ich nur mit um so größerer Spannung auf das Erscheinen Merulas wartete. Zunächst kehrte aber Beatus wieder zurück und brachte mir die gewünschten Nahrungsmittel sowie zusätzlich noch etwas Hühnerfleisch von der Cena. Dankend griff ich sofort zum warmen Gewürzwein, als ein Mann mit einem Stock im Atrium erschien - das musste Merula sein. Augenblicklich stellte ich den Weinbecher ab und machte freudig einen Schritt auf meinen Cousin zu, stockte dann aber, als ich seine Begrüßung vernahm: Wie erwartet, stellte sich der Mann mir zwar als Merula vor, nannte sich aber meinen Bruder und mich "Belenus". Als ich das hörte, überschlugen sich meine Gedanken, und ich brauchte einen Moment, um sie so weit zu ordnen, dass sich zwei Überlegungen deutlich aus dem Chaos herauskristallisierten: Erstens, Merula hielt mich für Belenus, das bedeutete, dass dieser noch nicht in Iscalis angekommen war. Und ebenfalls noch nicht angekommen war offenbar auch meine Nachricht, in der ich meine eigene Reise hierher angekündigt hatte.

Nachdem ich mich wieder in dieser Weise fokussiert hatte, löste sich zwar meine Starre, doch meine Verlegenheit war ein weiteres Mal gewachsen. In dieser verworrenen Situation würde, das war mir klar, hier nichts anderes helfen, als sofort medias in res zu gehen, auch wenn das mit einer großen Peinlichkeit für mich verbunden sein würde, doch das hatte ich mir ja schließlich selbst eingebrockt. Etwas kleinlaut sagte ich daher zu meinem Cousin: "Salve, Merula! Es tut mir leid, dass ich zu so später Stunde hier eintreffe, aber ich danke dir sehr für die freundliche Begrüßung und die großzügige Bewirtung! Es freut mich sehr, dich kennenzulernen, jedoch bin ich nicht dein Bruder Belenus, sondern Lucius Sabinius Bellus, dein Vetter, der Sohn deines Onkels Aulus Sabinius Quintus. Mit Belenus bin ich in Ostia aufgewachsen. Ist er noch nicht hier?" Die letzte Frage erübrigte sich logisch, nicht aber menschlich, denn natürlich machte ich mir so meine Gedanken, ob Belenus etwas zugestoßen sein konnte.

"Ich selber hatte vor etwa zehn Tagen - das war schon in Britannia, frag' mich aber nicht, wie das Städtchen hieß - eine Nachricht an dich abgesandt, um mein Kommen anzukündigen, aber die hat dich offenbar nicht erreicht." Was eigentlich auch kein Wunder war, wenn man bedachte, unter welchen Umständen ich diese Nachricht abgeschickt hatte, aber das war etwas, mit dem ich Merula nicht auch noch gleich zu Anfang überfallen wollte. Stattdessen fragte ich ihn: "Wie geht es dir mit deiner Verletzung?"
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04-20-2024, 09:58 AM,
Beitrag #19
RE: Atrium
Der junge Beatus bot nun auch mir einen Becher an, doch ich lehnte dankend ab. Zu so später Stunde wollte ich nichts mehr zu mir nehmen. Stattdesen musterte ich den jungen Mann vor mir von oben bis unten. Gewissermaßen fiel mir ein Stein vom Herzen, denn er schien nichts Keltisches an sich zu haben. Wenigstens hatte mein Vater uns diese Schande erspart, dass er sich kein keltisches Weib als Geliebte gehalten hatte. Belenus hatte dunkles Haar und dunkle Augen und schien meinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Außerdem schien er Anstand zu besitzen, denn er entschuldigte sich sofort für sein spätes Eintreffen und bedankte sich für die Bewirtung, die ihm widerfuhr. Als er jedoch sagte, er sei nicht mein Bruder, sondern mein Vetter, verblüffte er mich sondergleichen! Wie bitte? Hatte ich gerade richtig gehört? Er war gar nicht mein Bruder? Aber was hatte mein Onkel da in seinem Brief geschrieben? 
"Moment mal, du bist nicht Belenus, mein Bruder?!" fragte ich skeptisch mit einer leicht gerunzelter Stirn. "Aber Onkel Quintus… er hat mir doch die Ankunft meines Bruders angekündigt, von dessen Existenz ich erst durch seinen Brief erfahren habe." Ich spürte, wie mich diese ganze Geheimniskrämerei meines Vaters wieder kolossal in Aufregung versetzte. Wie hatte er uns das nur antun können! Es hatte meiner Mutter das Leben gekostet, als sie davon erfahren hatte, dass mein Vater noch einen anderen Sohn hatte. Aber gut, für das Fehlverhalten meines Vaters konnte Belenus, nein Bellus nichts.

"Bedaure, dein Brief hat mich noch nicht erreicht. Nur der deines Vaters. Nun, dann sei du mir willkommen, mein Vetter Bellus!" meinte ich dann versöhnlich. Aber trotzdem ließ mir die Sache mit meinem Bruder keine Ruhe. Doch ich wollte meinen Verwandten zu so später Stunde nicht noch mehr mit Fragen löchern. Das würde bis morgen warten müssen!
Als Bellus meine Verletzung ansprach, sah ich kurz an mir herab. Meine Verwandten in Ostia wussten noch nichts über meine Operation, geschweige denn von meiner Genesung. 
"Viel besser! Der hiesige Medicus, ein fähiger Mann und Freigelassener des Augustus selbst, hat mich operiert. Seit einigen Wochen kann ich nun wieder gehen. Nun ja, im Augenblick, bin ich noch etwas auf meinen Stock angewiesen. Aber in einigen Wochen, wenn mein Bein wieder kräftiger geworden ist, kann ich auch auf ihn verzichten." Ich war Flavianus wirklich sehr dankbar, für das, was er für mich getan hatte.
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Honoratior von Iscalis
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04-21-2024, 01:03 PM,
Beitrag #20
RE: Atrium
Wie ich es mir vorgenommen hatte, hatte ich meinem Cousin Merula die Fakten meine Ankunft betreffend in direkter Weise unterbreitet. Ohne meine - offenbar verschollene - Nachricht und ohne den abgängigen Belenus mussten meine Worte Merula jedoch vollkommen unvorbereitet treffen. Es war deshalb nur natürlich, dass er seinen Blick eine Weile skeptisch über meine Erscheinung wandern ließ. So schien es mir jedenfalls, und ich war heilfroh, als er mich dann schließlich - und dieses Mal wirklich: mich, Bellus - in seiner Casa in Iscalis willkommen hieß.

Erleichert lächelte ich und nickte, wie um Merulas Willkommensgruß zu unterstützen, eifrig mit dem Kopf. Trotz der vorgerückten Stunde erschien es mir aber notwendig, noch etwas Licht in das Dunkel dieser ganzen Verwirrung um Belenus' und meine Ankunft zu bringen und insbesondere auch meinen Vater nicht etwa schlecht dastehen zu lassen: "Ich danke dir, lieber Cousin, für deinen Willkommensgruß. Dieses Durcheinander mit Belenus und mir kannst du allein mir zuschreiben, und ich bedaure es sehr. Es verhielt sich so, dass Belenus hierher kommen wollte, um seine Heimat kennenzulernen - und dich. Und ja, du hast ganz Recht: Darüber hat mein Vater dich in einem Brief in Kenntnis gesetzt." Nur annähernd konnte ich ermessen, welch eine Überraschung diese Nachricht für die in Iscalis ansässigen Mitglieder der Familie gewesen sein musste. Aber auch mich hatte mein Vater erst darüber unterrichtet, als es sich gar nicht mehr verbergen ließ und Belenus schon fast zum Aufbruch rüstete. "Dass ich jetzt ebenfalls hier bin, hat einen ganz anderen Grund, über den wir vielleicht morgen sprechen können oder wann immer es dir recht ist." Sagte ich das jetzt nur, um für diesen Abend noch einmal darum herum zu kommen, meinem Vetter gegenüber ziemlich peinliche Angelegenheiten aus meinem Leben einräumen zu müssen? Wenn ich ehrlich zu mir selber war, war das natürlich auch ein Grund; andererseits war es aber auch wirklich spät, und ich wollte Merula auch nicht unbedingt mit solchen unliebsamen Neuigkeiten zu Bett gehen lassen - es sei denn, er würde noch ausdrücklich nachfragen. "Meine eigene Nachricht über meine Ankunft hier scheint ja, wie wir schon festgestellt haben, die Casa noch nicht erreicht zu haben. Und mein Vater hat tatsächlich über meine Ankunft kein eigenes Schreiben mehr an dich verfasst." Jedenfalls hatte er das nicht vorab getan. Die Vereinbarung lautete, dass ich mich zunächst einmal selbst bei Merula melden sollte; ob mein Vater möglicherweise seitdem noch einen Brief mit der Information über meine Ankunft abgeschickt hatte, wusste ich freilich nicht.

Nachdem ich so hoffentlich etwas mehr Klarheit in Belenus' und meine Ankunft hier gebracht hatte, nahm ich einen tiefen Schluck von dem schmackhaften Gewürzwein. Ich spürte, wie gut mir die Wärme tat, welche dieses Getränk in mir hervorrief. Herzhaft griff ich auch zu Käse, Hühnerfleisch und Brot, die der Sklave Beatus gebracht hatte. Mit dieser kleinen improvisierten Mahlzeit wollte ich mich beeilen, um die Geduld Merulas nicht noch länger zu strapazieren, denn ich vermutete, dass er es für seine Pflicht halten würde, bei mir zu bleiben, bis ich mit dem Essen fertig sein würde, und dies, obwohl er noch nicht vollständig wiederhergestellt war. Erfreut hörte ich ihn aber sagen, dass eine Operation erfolgreich verlaufen sei und er sich begründete Hoffnungen mache, bald auch ohne Stock wieder gehen zu können: "Merula, den Göttern sei Dank, dass diese Operation so gut geglückt ist! Du machst auch jetzt schon einen standfesten Eindruck, und ich hoffe mit dir, dass du weiter so große Fortschritte machst. - Übrigens, wie geht es den anderen Verwandten, deiner Frau oder auch Calista?" Die Höflichkeit gebot es unbedingt, mich nach ihnen zu erkundigen, und natürlich war ich auch gespannt darauf, sie hier vielleicht bald kennenzulernen. Sorgen bereitete mir aber immer noch der Verbleib eines mir wohlbekannten Angehörigen, den Merula seltsamerweise kaum noch erwähnt hatte: "Belenus allerdings fehlt hier noch. Merula, was meinst du? Ich kenne mich mit den Verhältnissen hier zu wenig aus, aber muss man sich um ihn Gedanken machen? Würde es Sinn machen, dass ich mich morgen auf die Suche nach ihm mache?" Natürlich konnte ich hier allein mangels Ortskenntnis nicht viel ausrichten, aber möglicherweise würde ein Sklave oder ein Einheimischer mir behilflich sein können.

Zügig, aber doch mit Genuss aß ich die letzten Bissen der Mahlzeit und spülte sie dann mit dem Rest des Gewürzweins hinunter, so dass mir mittlerweile wirklich angenehm warm geworden war, obwohl auch die Kleidung, die ich noch am Leibe trug, vom Regen in Mitleidenschaft gezogen worden war. Sie war zwar nicht zum Auswringen nass wie meine Oberbekleidung, die der Ianitor mir schon am Eingang abgenommen hatte, aber doch ziemlich klamm. Ich würde sie ausziehen; die Sachen in meiner Reisetasche, die ich irgendwo zwischen Eingang und Atrium abgestellt hatte, waren hoffentlich noch einigermaßen trocken, so dass ich für die Nacht noch etwas würde überstreifen können.
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