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Die Entdeckung einer neuen Welt: Niamhs erster Ausflug in die Stadt
02-07-2023, 09:38 PM,
Beitrag #1
Die Entdeckung einer neuen Welt: Niamhs erster Ausflug in die Stadt
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Der Morgen war frisch gewesen. Inzwischen hatte sich auch die Sonne für wenige Minuten gezeigt, war aber dann wieder hinter einigen grauen Wolken verschwunden. Glücklicherweise hielt sich heute wenigstens der Regen zurück. Auch mit Schneefall war heute nicht zu rechen. Dafür war es dann doch zu 'warm'.

Niamh hatte eines ihrer neuen römischen Kleider angezogen, Darüber trug sie aber einen Mantel aus wärmendem Wollstoff, den fleißige Hände in Hibernia gewebt hatten. Eine kleine bronzene Fibel hielt den Stoff unterhalb ihres Halses zusammen. 
Sie hatte sich bei ihrem Begleiter, dem gallischen Tuchhändler Erwan eingehakt und schritt nun an seiner Seite durch die Straßen der Stadt. Corax, der Leibwächter des Tuchhändlers, folgte ihnen wie ein Schatten. Die junge Frau wirkte anfangs angespannt. Die Flucht aus ihrer Heimat steckte ihr noch in den Knochen, aber auch die Angst vor all dem Neuen, was sie in der Stadt erwartete, machte ihr zu schaffen. Sie verstand die Sprache der Römer kaum und fühlte sich wie eine Art Fremdkörper. Zum Glück hatte sie Erwan an ihrer Seite, der ihr alles erklärte und auch übersetzen konnte, denn ihre Sprachkenntnisse waren noch mehr als dürftig. Lediglich mit einigen Standardvokabeln wie zum Beispiel 'danke' oder 'bitte' und einigen auswendig gelernten Phrasen konnte sie aufwarten.

Ihr Weg führte von Erwans Haus zunächst zum Forum. Dort zeigte er ihr die öffentlichen Gebäude, die auf die Hibernierin wie wahre Prachtbauten gewirkt hatten. Ihr Spaziergang ging dann weiter durch das Wohnviertel von Iscalis, vorbei an den Villen und Häusern der römischen Familien, die die Stadt bewohnten. Auch hier staunte sie nicht schlecht. Hatte sie noch bei ihrer Ankunft das Haus des Tuchhändlers für einen Palast gehalten, wurde sie hier eines B Besseren belehrt.
Mit so vielen neuen Eindrücken, kehrten sie nach gut zwei Stunden wieder ins Händlerviertel zurück. Inzwischen verspürte der Tuchhändler etwas Hunger und schlug seiner Begleiterin vor, eine Garküche aufzusuchen, um sich dort eine Kleinigkeit für auf die Hand holen. Niamh erklärte sich damit einverstanden. Was hätte sie auch anderes tun sollen. 
Während Erwan sich von ihr löste, um Essen zu kaufen, blieb sie vor der Garküche alleine zurück. Dass ihr das sichtlich unangenehm war, trotz der Anwesenheit des Leibwächters, konnte man ihr im Gesicht ablesen.
[Bild: 3_15_08_22_9_39_13.png]
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02-07-2023, 10:50 PM,
Beitrag #2
RE: Die Entdeckung einer neuen Welt: Niamhs erster Ausflug in die Stadt
Irgendwie hatte es sich so ergeben, dass ich Alan im Stall half. Mir war es mehr als recht, denn so hatte ich auch etwas zu tun, was mich von all dem Mist ablenkte, der sonst drohte, mir über den Kopf zu wachsen. Aber so hatte ich immer zu tun. Entweder, ich mistete die Ställe aus, oder ich reparierte das Dach des Stalles, oder aber ich bewege die Pferd, die untergestellt waren. Unter anderem meinen Braunen. Das war wichtig, sonst wurden sie krank. Und ansonsten war Alan zwar etwas wortkarg, aber eigentlich ein ganz netter Kerl.

Heute hatte er mich gebeten, einen Satz Hufeisen und jede Menge Nägel beim Schmied für ihn abzuholen. Etwas, das ich mehr als gerne übernahm, da ich die Hoffnung hatte, dort Calum zu sehen, allerdings hatte ich meinen Bruder wohl verpasst. Jedenfalls sah ich ihn nicht, und ich wollte nicht direkt nach ihm fragen, da ich mir seinen römischen Namen nicht wirklich gemerkt hatte. Und überhaupt schaute der Schmied jetzt nicht so freundlich, als er meine rote Mähne erblickt hatte. Römer eben. Also versuchte ich nicht, nach ihm zu fragen, packte alles nur zusammen und verließ die Schmiede wieder. Die Nägel klimperten in einem kleinen Beutel an meiner Seite, die Hufeisen in einem etwas größeren, den ich mir über die Schulter geschwungen hatte. Wahrscheinlich hätte ich sie auch so tragen können, es waren nur zwölf Stück, aber das hätte wahrscheinlich auch blöd ausgesehen.
Ich schlenderte also durch die Straßen und summte ein gutes, altes, keltisches Lied vor mich hin, als der Duft aus einer nahen Küche zu mir herüberschwappte und mein Magen lautstark antwortete. Der kurze Abstecher konnte nicht schaden, und da ich jetzt sowas wie Arbeit hatte, hatte ich auch ein wenig Geld, das ich auch ausgeben konnte. Warum also sollte ich hungern?
Ich ging also in die Richtung und schaute wohl nicht gründlich genug, wo ich hinging, denn ich stieß leicht gegen ein junges Mädchen, das ich irgendwie in meinen Gedanken gar nicht bemerkt hatte. “Ddrwg’da fi“, entschuldigte ich mich natürlich gleich, denn es war keine Absicht gewesen und ich wollte nicht vom nächsten Verwandten deshalb gleich davongeprügelt werden. Erst dann fiel mir auf, dass sie zwar rote Haare hatte, aber doch sehr römisch gekleidet war, weshalb ich noch schnell ein “Entschuldige bitte. War keine Absicht“ hinterher schob und sie kurz anschaute, ob alles noch heil war.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
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02-08-2023, 12:30 AM,
Beitrag #3
RE: Die Entdeckung einer neuen Welt: Niamhs erster Ausflug in die Stadt
Was dauerte denn da nur so lange? Beinahe schon hilfesuchend wandte sich Niamh zu Erwan um, der bei der Garküche anstand. Noch zwei Kunden waren vor ihm. Derweil ließ er seinen Blick über die angebotenen Speisen schweifen. Die Fleischspießchen sahen ja wirklich lecker aus. Aber die Teigtaschen, die mit Käse und Gemüse gefüllt waren, dufteten auch verführerisch. Vielleicht sollte er von allem etwas kaufen. Seine Begleiterin würde sicher etwas finden, was ihr mundete. 

Doch bis es so weit war, musste sich vor allen Dingen Niamh noch etwas gedulden. Zwar befand sich Corax in ihrer unmittelbaren Nähe und schaute düster drein. Jedoch wollte das Gefühl des Verlorenseins einfach nicht schwinden. Unauffällig beobachtete sie die Passanten, die an ihr vorbei liefen. Manche der römischen Männer trugen seltsame Gewänder. Offenbar schlangen sie sich ein riesiges Stück Stoff um ihren Körper. Wozu das nur gut sein sollte? Richtig warm hielt dieser Stoff ja nicht und außerdem trugen sie nicht mal Hosen! Überhaupt trug hier kaum einer Hosen. Seltsam! Sehr seltsam!

Während sich Niamh noch wunderte und sich sehnlichst wünschte, Erwan käme endlich mit dem Essen zurück, bemerkte sich nicht den rothaarigen Mann, der offenbar auf Kollisionskurs war und schlussendlich mit ihr zusammenstieß. Erschrocken zuckte sie zusammen, begann schon zu straucheln, konnte sich aber im letzten Moment doch noch fangen. Noch während sie ein vertrautes ddrwg’da fi vernahm, schleuderte sie ihm ein "An bhfuil eagla ort! Nach féidir leat a bheith cúramach? A amadáin!!"* entgegen und erschrak über sich selbst. A amadáin ?! Hatte sie ihn wirklich einen Deppen genannt? Ihr Gesicht lief sofort rot an. Erst recht, als der Mann dann in der Sprache der Römer zu sprechen begann. Genau so etwas hatte sie doch vermeiden wollen! Nur nicht auffallen! Doch zu spät, denn auch Corax hatte nicht übersehen können, was gerade passiert war. Schließlich war es seine Aufgabe, auf die kleine Hibernierin aufzupassen.
Ddrwg’da fi“Ddrwg’da fi“
[Bild: Corax-klein.jpg] | Corax
"Hehe! Was soll das! Lass die junge Domina in Ruhe und zieh Leine!" brummte der Leibwächter Louarn zu. Beschützend wollte er sich zwischen Niamh und ihren 'Angreifer' schieben. Dann aber spürte er die kühle Hand der jungen Frau auf seinem Oberarm. "Is gudd, Corax!" Niamhs Aussprache klang wirklich mieserabel! Der Leibwächter schaute erst etwas verdutzt, zog sich dann aber wieder zurück. 

"Du sprichst die Sprache der Breatnaigh?" fragte sie mit ihrem hibernischen Akzent. "Bitte, ich wollte dich nicht beleidigen. Ich habe mich nur so erschrocken!" Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, denn als sie ihn nun genauer betrachtete, schien dieser Mann auch tatsächlich ein Einheimischer zu sein und kein Römer. "Hallo, mein Name ist Niamh. Und wer bist du?" 

* Hast du mich erschreckt! Kannst du nicht aufpassen? Du Depp!!
[Bild: 3_15_08_22_9_39_13.png]
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02-08-2023, 12:09 PM,
Beitrag #4
RE: Die Entdeckung einer neuen Welt: Niamhs erster Ausflug in die Stadt
Und sie schimpfte gleich los. Und wie! Ich musste mich wirklich beherrschen, jetzt auch ja bedröppelt zu gucken und nicht zu grinsen anzufangen, denn das wäre ganz sicher nicht gut angekommen. Aber ganz verkneifen konnte ich es mir nicht. Denn ja, ich verstand, was sie sagte, auch wenn sie nicht hier aus der Gegend kam. Ihre Aussprache war etwas anders, aber ich wusste, ich kannte den Dialekt. Das war ja auch mit ein Grund gewesen, warum Cathbad mich auf die Reise nach Norden geschickt hatte: Ich konnte die verschiedenen, keltischen Dialekte alle sehr gut, auch wenn ich mir nicht merken konnte, wie man wo sprach, und das irgendwie eher durch sprechen und zuhören dann einfach übernahm.
“Hast du mich grade Trottel genannt?“ fragte ich amüsiert nach, hoffentlich im richtigen Dialekt, als auch schon ein breitschultriger Typ sich zwischen und drängte und mich in bestem Latein zurückscheuchte. Ich hob abwehrend die Hände, als wolle ich ein Pferd beruhigen, obwohl ich mir sicher war, dass ich im Zweifelsfall stärker wäre. Schon allein, weil ich einen Beutel mit Hufeisen mit mir herumtrug. Aber ich wollte keinen Streit, wir sollten unauffällig bleiben, und eine Prügelei vor einem Essensstand war sicher alles andere als unauffällig. Ich schaute kurz von dem Kerl zu dem Mädchen und wieder zurück. Er hatte sie Domina genannt, sah recht römisch aus und hatte einen… woher kam das Wort? Römisch war es nicht. Aber ich kannte es. Egal. Einen südlichen Namen, keinen keltischen. In jedem Fall schloss ich daraus, dass er ihr Diener war, nicht ihr Bruder oder Ehemann oder Vater. Und es bestätigte sich auch gleich weiter, als er von ihr zurück gepfiffen wurde.
Mein Lächeln kehrte wieder leicht zurück. Sie mochte mich offenbar, auch wenn es ihn ärgerte. Und es wäre doch sehr unhöflich, ein Gespräch zu verweigern, nicht wahr? Wenn man schon so charmant gefragt wurde, wer man war und woher man kam. Ich beugte mich ganz leicht in ihre Richtung, da sie ja doch etwas kleiner war als ich. “Wir sind auf dem Land der Silurer“, zwinkerte ich ihr zu, nicht böse oder belehrend. Aber hier würden wohl weit mehr Menschen so sprechen, als Latein. Selbst bei denen, die die Römer nicht für Besatzer hielten, war das Keltische die Muttersprache und Latein nur ein notwendiges Übel, um sich zu verständigen. Aber die Lieder, die Sagen, die man Abends am Feuer erzählte, die Schlaflieder für die Kinder, die Heldengeschichten, die Götter, all das war keltisch. Das würde sich nicht ändern. Erst recht nicht so schnell.
Da ihr das Lateinische schwer fiel und ich sowieso keinen Grund sah, warum wir so reden sollten, blieb ich auch weiterhin in unserer Sprache – und hoffentlich ihrem Dialekt – während ich weiter plauderte. “Ich heiße Louarn, und keine Sorge, du hast mich nicht beleidigt. Eigentlich fand ich es sogar sehr lustig. Also, nicht, dass ich dich fast umgelaufen habe, das tut mir sehr leid. Ich hätte besser hinsehen sollen, wo ich langlaufe. Aber ich wurde schon lang nicht mehr Trottel genannt. Vielleicht hatte ich das mal wieder nötig“, meinte ich leichthin.
“Ich bin noch nicht lang hier in der Stadt. Aber du scheinst auch nicht von hier zu sein. Woher kommst du und was führte dich hierher?“


**Fett und Kursiv ist jeweils keltisch
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
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02-08-2023, 02:11 PM,
Beitrag #5
RE: Die Entdeckung einer neuen Welt: Niamhs erster Ausflug in die Stadt
Niamhs Gezeter hatte zumindest einige der Passanten auf sie aufmerksam gemacht, was höchstwahrscheinlich an dem Kauderwelsch lag, dem sie sich bedient hatte und überhaupt ihre öffentliche Entrüstung, die offenbar nicht ganz zu ihrem Äußeren passte. Doch der eine oder andere schien dann die rötliche Farbe ihres Haars zu unter der Kaputze zu erkennen und ging dann kopfschüttelnd weiter. Ihr Gegenüber schien allerdings leicht amüsiert über sie zu sein, denn offenbar war ihm ihre Sprache nicht fremd. Er hatte alles verstanden! 
"Ja, das hab ich! Trottel, Depp, Esel. Such dir was aus!" entgegnete sie und musste dann auch grinsen. Glücklicherweise hatte auch Corax sie verstanden. Zwar beobachtete er den Fremden immer noch argwöhnisch. Im Falle eines Falles konnte er sofort eingreifen, um den Kerl in seine Schranken zu weisen. Aber solange die Domina dies nicht wünschte, blieb ihm nichts anderes übrig, als die Füße still zu halten.

Der Mann sprach weiter und zwinkerte ihr zu. Er gab sich richtig Mühe, ihre Sprache richtig auszusprechen. Offenbar hatte er sie schon öfter gehört und gesprochen. Mit einem Mal war dieses dumme Gefühl, das sie befallen hatte, seitdem sie Erwans Haus verlassen hatte, wie weggeblasen. Auch wenn er es nicht wusste, doch Louarn hatte ihr ein kleines Stückchen Vertrautheit zurückgegeben. Auch so schien er sehr nett zu sein, denn er war ihr überhaupt nicht böse, was es Niamh sichtbar einfacher machte, nicht mehr so verkrampft zu wirken. 
"Louarn," echote sie seinen Namen, als sei es ein wichtiges Detail, dass man keinesfalls wieder vergessen durfte. "Ein hübscher Name! Er bedeutet Fuchs, nicht wahr? Wirklich sehr passend für einen Mann wie dich!" sagte sie weiter und schenkte ihm ein breites Lächeln. Er war nicht nur nett, sondern sah auch gut aus! Flirtete sie etwa mit ihm? Wie alt er wohl sein mochte? Wahrscheinlich kaum älter, als sie selbst. Vielleicht siebzehn, achzehn, allerhöchstens neunzehn. Das passte auch!

Er erzählte davon, dass auch er noch nicht lange hier war. Da hatten sie also noch etwas gemeinsam. 
"Nein, ich bin nicht von hier und wie man an meinen furchbaren Lateinkenntnissen ersehen kann, bin ich auch noch nicht lange hier. Ich komme aus Éire." Einen Moment lang überlegte sie, ob sie ihm alles von ihrer Flucht erzählen sollte. Was, wenn Diarmait  auch hier seine Leute hatte?
"Ich bin mit Erwan, dem Tuchhändler hierhergekommen." Als sie den Namen des Galliers erwähnte, sah sie zur Garküche hinüber. Offenbar wurde Erwan gerade bedient und suchte sich aus, was er kaufen wollte.
[Bild: 3_15_08_22_9_39_13.png]
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02-08-2023, 03:01 PM,
Beitrag #6
RE: Die Entdeckung einer neuen Welt: Niamhs erster Ausflug in die Stadt
“Esel klingt hübsch“, entschied ich und lachte. Und immerhin arbeitete ich grade in einem Stall und schleppte Zeug, da war es nicht sehr weit bis zu meinem vierbeinigen Spitznamensgeber. “Treue und hübsche Tiere, die es zur Not sogar mit Wölfen aufnehmen, um ihre Freunde und Familie zu verteidigen.“ Ich nickte bedächtig. Ich wusste wirklich nicht, warum Esel in manchen Geschichten für Dummheit standen, denn eigentlich waren die Tiere ziemlich clever und mutig. Ich hatte irgendwie ein Herz für Esel. Zumindest im Moment, wo ich fröhlich vor mich hinlächelte und die guten Seiten des Tieres herausstellen wollte.
Aber es machte auch grade Spaß, sich mal in meiner Sprache – naja, zumindest fast – zu unterhalten, als wäre die Welt gerade voller Sonnenschein und die Arbeit leicht. Das musste hin und wieder einfach mal sein, vor allen Dingen nach den schweren Dingen, die in letzter Zeit durch meinen Kopf gingen und über die ich nicht so intensiv nachdenken wollte. Jede Ablenkung davon war mir sehr willkommen, und so, wie Niamh mich ansah und meinen Namen aussprach, war das schon ziemlich ablenkend.

“Ja, es bedeutet Fuchs. Ich hatte wohl bei meiner Geburt schon ein paar rote Haare.“ Zumindest leiteten so manche Leute die Namenswahl meiner Mutter her.Und ich träumte ja auch von mir selbst als Fuchs, mehr als nur gelegentlich. Da wollte ich die andere, düstere Bedeutung meines Namens gerne vergessen. Denn die Lichter im Sumpf, das stille Wispern, auch das wurde mitunter so genannt, wenn auch nur in einigen Regionen. Ich wollte lieber glauben, dass meine Mutter mich für einen kleinen Fuchs gehalten hatte, und weniger für einen unruhestiftenden Geist, der Reisende im Sumpf ertränken wollte.
Ich hätte gern was passendes zu ihrem Namen gesagt, aber ich war mir nicht ganz sicher, ob das zum einen nicht nur so klingen würde, als würde ich ihr alles nachmachen, und zum anderen war ich mir nicht ganz sicher, ob ich es richtig im Kopf hatte, dass ihr Name wirklich glänzend bedeutete. Und was ich damit anstellen sollte. Also ließ ich es lieber bleiben, bevor ich mich in die Nesseln setzte.

“Oh, von der Insel im Westen, wirklich?“ fragte ich da lieber nach ihrer Heimat. “Da war ich noch nie, wollte aber immer mal hin. Ich hab mir sagen lassen, dass es dort sehr schön sein soll.“ Das war wohl der einzige Vorteil am Druidendasein in diesen Zeiten: Man durfte Reisen. Selbst die Stämme, die Fremde nicht mal in die Nähe ihrer Dörfer ließen, ließen reisende Druiden üblicherweise ein.
Nur war ich kein richtiger Druide, erst recht kein guter, und schon zweimal nicht für irgendwen ersichtlich. Und Cathbad hätte mich wohl nie dorthin gelassen, aus Angst, ich würde dort noch größeres Unheil stiften als hier, oder dortbleiben, oder beides. Trotzdem konnte man ja mal träumen. “Und, haben die Sänger recht damit?“ fragte ich sie also nach ihrer Heimat.
“Im übrigen ist dein Latein gar nicht so schlecht. Du musstest es halt wohl nur noch nicht viel benutzen. Aber das wird schon noch. Du brauchst nur jemanden, der mit dir ein wenig übt, dann geht das von ganz allein, du wirst schon sehen.“ Ich lächelte ihr aufmunternd zu und folgte dann ihrem Blick zu dem Mann. Erwan der Tuchhändler. Offenbar ein echter Glückspilz. “Das ist dein Ehemann?“ fragte ich ganz offen und besah ihn mir. Er schien schon recht alt zu sein, fand ich. Bei uns waren die Paare meistens eher von ähnlichem Alter, da die Mädchen doch häufig ziemlich viel mitreden wollten, was ihren Ehemann anging. Und niemand würde eine Frau zwingen. Naja, ein paar vielleicht, aber niemand anständiges. Aber was wusste ich denn, wie dass in Eire war, oder ob Niamh sich in den Kerl verliebt hatte?
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
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02-08-2023, 05:36 PM,
Beitrag #7
RE: Die Entdeckung einer neuen Welt: Niamhs erster Ausflug in die Stadt
Louarn hatte sich also für den Esel entschieden. Eine gute Wahl, wenn man es recht bedachte! Niamh nickte und lachte dann ausgelassen. Es war so befreiend, mit ihm zu sprechen. Sie konnte für einen Moment loslassen, alles, was sie seit ihrer Ankunft so sehr beschäftigte. Die Erinnerung an ihre Familie, wie schrecklich sie Gwen vermisste und nicht zuletzt ihr neues Leben, hier in der Fremde.

Mit der Bedeutung seines Namens hatte sie richtig gelegen. Sie mochte Füchse. Ihr Vater hatte sie als Kind oft 'mo sionnach beag' - mein kleines Füchschen genannt. Sie war sein ein und alles gewesen. Doch das war so lange her!
"Niamh bedeutet übrigens die Strahende oder die Schöne." Sie zuckte mit ihren Schultern. "Keine Ahnung, wie meine Eltern ausgerechnet auf diesen Namen gekommen sind!" Wieder grinste sie. Und als er sie nach ihrer Heimat fragte, spürte sie, wie sich in ihr etwas regte. Sie vermisste nicht nur all jene, die sie bei ihrer Flucht verloren oder zurücklassen musste. Nein, dieser Verlust ging noch viel tiefer! Es war das Heimweh, dass sie für einen Augenblick schwer werden ließ. 
"Es ist noch viel schöner dort, als die Lieder es besingen!" antwortete sie und sah die sanften Hügel ihrer Heimat mit den üppig grünen Wiesen vor sich und die frischen Bäche, deren Wasser vom Moor braun gefärbt waren.

Als er ihre Lateinkenntnisse nicht in Grund und Boden redete, sondern meinte, ihr würde lediglich etwas Übung fehlen, schmeichelt er ihr sehr. Aber ja, er hatte Recht! Im Grunder erzählte ihr Erwan ja das Gleiche. 
"Ja, ich bräuchte jemanden, der mit mir übt!" stimmte sie zu und lächelte wieder. Insgeheim hätte sie sich jemanden wie Louarn gewünscht. Aber sie kannte ihn ja kaum. Vielleicht war er längst vergeben oder hatte andere Verpflichtungen. Hätte Diarmait nicht ihren Vater töten lassen und sie nicht geflohen wäre, hätte sie diesen Sommer Suileabháin gerheiratet. Doch mit der Ächtung ihrer Familie war auch ihr Freund aus Kindertagen in unerreichbare Ferne gerückt. 
Louarn sah nach Erwan, der gerade seinen Geldbeutel gezückt hatte und nun bezahlte. Als er meinte, der Tuchhändler sei ihr Ehemann, musst Niamh laut prusten. 
"Was?! Mein Ehemann? Erwan? Nein!! Wie kommst du denn darauf?" Erwan hatte locker ihr Vater oder sogar Großvater sein können! Und genauso behandelte er sie auch. Auch wenn er es bisher noch nicht laut ausgesprochen hatte. Doch Niamh war für ihn wie eine Tochter.

[Bild: Erwan-klein.jpg] |Erwan

Genau in diesem Moment kam Erwan von der Garküche wieder zurück. Er hatte großzügig eingekauft. Ein paar Fleischspießen, Teigtaschen, Datteln im Speckmantel und ein paar lukanische waren auch noch dabei. Bestimmt war auch etwas dabei, was Niamh mundete.  Als er zu der jungen Frau sah, musste er feststellen, dass sie sich mit einem Fremden unterhielt. Zweifellos ein Einheimischer, was ihn noch ein Stückchen mehr beunruhigte. "Niamh!" rief er. Dann war er seinem Sklaven Corax einen strafenden Blick zu. Wie hatte er zulassen können, dass dieser Kerl sich an sie heran machte? Das würde Konsequenzen haben! 
Schließlich blieb er neben der hibernierin stehen und musterte den Fremden mit dem roten langen Haar. "Wie ich sehe hast du Gesellschaft bekommen," sagte er in Naimhs Sprache und machte gute Miene zum bösen Spiel. Dann wandte er sich an Louarm und wechselte ins Lateinische. "Salve, ich bin Erwan. Vielleicht kennst du meine Tuchhandlung." Wohl eher nicht, dachte er verächtlich.
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02-08-2023, 06:53 PM,
Beitrag #8
RE: Die Entdeckung einer neuen Welt: Niamhs erster Ausflug in die Stadt
Sie hatte ein schönes Lachen. Und sie fischte nach Komplimenten. Es war nicht so, als ob ich das nicht bemerkte, und eigentlich war ich ein Idiot, wenn ich diesem Wunsch nicht nachkam. Ich kannte das ja durchaus, das machten einige Mädchen in meiner Nähe. Ich wusste nicht, was mich davon abhielt, da nicht viel intensiver darauf einzugehen und das zu tun, was ich sonst in solchen Momenten immer tat. Wahrscheinlich war ich wirklich ein Esel. Ein ziemlich großer sogar. Ich sollte so weitermachen, wie bisher, und nicht an Dinge denken, die sowieso nie sein würden und auch gar nicht sein durften.
“Ach, ich hab da schon die ein oder andere Idee, wie deine Eltern auf diesen Namen gekommen sein könnten“, neckte ich sie also mit einem leicht schiefen Grinsen schön zweideutig und beobachtete, wie etwas in ihrem Blick flackerte, als sie an ihre Heimat dachte.
“Vielleicht sollte ich ein Lied singen, das dich an Zuhause erinnert? Oder lieber eines von hier, damit du siehst, wie schön es hier ist?“ schlug ich ihr vor. Ich konnte jetzt nicht so viele Lieder ihrer Heimat, nur ein oder zwei…. Wenn die aus ihrer Heimat waren und ich nicht grade wieder was verwechselte. Aber darum ging es ja auch gar nicht, sondern darum, sie etwas aufzumuntern.

Und offenbar war ich damit sehr erfolgreich, denn kurz darauf lachte sie schon wieder, auch wenn ich meine frage nach diesem Erwan ernst gemeint hatte. Offenbar hatte ich etwas sehr komisches gesagt. “Naja, ich dachte nur, so eine hübsche, junge Frau ist sicher verheiratet, und da du bei ihm wohnst...“ Ich zuckte mit den Schultern. “Also ist er ein Verwandter?“ fragte ich dann nach, denn in meinem Kopf gab es eigentlich keine Möglichkeit, dass eine junge, unverheiratete Frau mit einem Mann unter einem Dach wohnte, wenn sie nicht mit ihm entweder verwandt oder verschwägert oder verheiratet war.

Aber da kam er auch gleich und rief nach Niamh. Und nein, er sah nicht gerade glücklich aus. Was ich verstehen konnte, so guckten die meisten Väter hübscher Töchter, wenn ich in der Nähe war. Manchmal zogen sie dann auch Schwerter. Und dabei hatte ich hier fast gar nichts gemacht!
“Salve, ich bin Louarn. Ich bin noch nicht lange in der Stadt, aber sicher schau ich einmal vorbei“, antwortete ich in Latein. Und ja, wahrscheinlich sollte ich da vorbeisehen und ein wenig mit Niamh flirten. Das sollte ich wirklich tun. Es wäre das Richtige. Irgendwie. Ich wechselte wieder in Niamhs Sprache. “Und Niamh und ich haben uns nur ein wenig unterhalten. Sie erzählte mir gerade, wie schön es in Eire ist.“ Von Eseln, Liedern und Ehemänner musste Erwan nicht unbedingt etwas erfahren, fand ich.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
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02-09-2023, 11:50 AM,
Beitrag #9
RE: Die Entdeckung einer neuen Welt: Niamhs erster Ausflug in die Stadt
Inzwischen waren Niamhs Sorgen alle weit weggerückt. Selbst die Angst vor der Fremde, in der sie nun leben musste, hatte ihren Schrecken verloren. Denn wenn es jemanden wie ihn hier gab, musste sie sich nicht länger fürchten. "Ach tatsächlich!" erwiderte sie ihm grinsend. "Welche Ideen hättest du denn?" Ihr war, als würde sie Louarn schon eine Ewigkeit kennen . Genauso wie Suileabháin, den sie seit frühester Kindheit gekannt hatte und dem sie alles hatte anvertrauen können. In den Jahren ihrer Kindheit waren sie Pech und Schwefel gewesen und das hatte sich auch nicht geändert, als sie älter wurden. Im Gegenteil, sie fanden ihre Liebe füreinander. Die logische Folge daraus wäre eine gemeinsame Ehe gewesen. Doch ein einziger Tag hatte alles Zunichte gemacht. Aus und vorbei!
Louans Angebot, ihr ein Lied zu singen, riss sie wieder aus ihrer Trauer heraus. Sie begann wieder neckisch zu grinsen. "Na, wenn du singen kannst und es sich nicht wie Hund und Katze anhört, dann ja bitte! Vielleicht ein Lied über die Vorzüge deiner Heimat. Denn die kenne ich noch nicht." Niamh liebte es, selbst zu singen. Aber sie mochte es auch, zuzuhören, wenn andere ihre Lieder sangen. Sie erinnerte sich gerne an die Abende, an denen ihr Vater einige Sänger in sein Rundhaus eingeladen hatte. Sie sangen Lieder über kühne Riesen und mutige Krieger und edle Jungfrauen. Die Sklaven schenkten dann Bier und Met in rauen Mengen aus und am Spieß grillte dann meist ein Ferkel. 
Diese und alle anderen Erinnerungen würde sie sich bewahren, denn diese Zeiten würden nie wieder zurückkehren. Drum war es viel sinnvoller, in die Zukunft zu schauen. Wie ihre Zukunft hier aussehen konnte, war für sie noch ein Buch mit sieben Siegeln. Gab es hier überhaupt eine Zukunft für sie? Wenn sie Erwan richtrig verstanden hatte, wollte er sie in Zukunft mehr in seine Geschäfte einbinden. Wenn er im Frühjahr wieder aufbrechen wollte, sollte sie hier bleiben und gemeinsam mit Modestus den Laden führen. Heute nun hatte sich vielleicht eine weitere Möglichkeit für sie aufgetan. Sie hatte Louarn kennengelernt und sie spürte, dass sie ihn gerne wiedersehen wollte. Aber zunächst wollte er mehr über die Hintergründe wissen, weshalb sie bei dem tuchhändler wohnte.
"Nein, ich war verlobt. Aber leider hat das dann doch nicht geklappt. Dass ich bei Erwan wohne, hat andere Gründe." Langsam wurde sie etwas nervös, denn sie wollte ihm noch nicht preisgeben, welche Umstände sie hierher gebracht hatten. Doch dann legte Louarn ihr ganz unabsichtlich eine passende Ausrede in den Mund "Ein Verwandter? Äh ja, so könnte man es nennen. Ein Verwandter!" Glücklicherweise erschien dann auch bald Erwan selbst. Die Speisen, die er auf einem Tablett vor sich hertrug, dufteten verführerisch. Niamh hatte natürlich sofort Erwans Blicke bemerkt und sie wusste, dass es ihm gar nicht gefiel, wie sie sich hier mit Louarn unterhielt. 
"Oh ja, Louarn ist sozusagen über mich gestolpert, weil ich nicht aufgepasst habe. Da musste ich mich natürlich bei ihm entschuldigen, " flunkerte sie und versuchte dann ganz schnell das Thema zu wechseln. "Ah, das riecht aber lecker! Und es sieht noch viel besser aus! Du hast ganz schön viel gekauft! Das werden wir zwei doch niemals alleine schaffen! vielleicht könnten wir ja..." Da traff sie schließlich Erwans warnender Blick.

[Bild: Erwan-klein.jpg] |Erwan

Noch immer musterte Erwan den jungen Mann wie einen Fremdkörper, der völlig unerwartet in sein Universum eingedrungen war. "Aha, Louarn, der noch nicht lange in der Stadt ist," meinte er nachdenklich. Louarns und Niamhs Worte begannen ihn zu beunruhigen. Wie hatte Niamh nur so unüberlegt von ihrer Heimat erzählen können. Was wenn der rothaarige Kerl ihr auf der Spur war und ihr sonst etwas antun wollte?! "Aha, meine Tochter hat dir also von Èire erzählt." meinte erschließlich etwas gereizt. Dann wandte er sich zu der jungen Frau. "Liebes, ich habe von allem etwas mitgebracht, weil ich nicht wusste, was du heute magst. Der Rest ist für Corax." Natürlich hatte er bemerkt, was Niamh im Schild führte. "Ich glaube, wir sollten den jungen Mann hier nicht länger aufhalten, als nötig. Meine Tochter hat sich sicher bei dir entschuldigt. Also wenn du uns jetzt entschuldigen möchtest, wir wollen jetzt essen!" entgegnete er schließlich den beiden.
[Bild: 3_15_08_22_9_39_13.png]
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02-09-2023, 01:49 PM,
Beitrag #10
RE: Die Entdeckung einer neuen Welt: Niamhs erster Ausflug in die Stadt
Sie ließ nicht locker, sie wollte unbedingt ein Kompliment haben. Ich grinste frech, anstatt zu antworten. Nein, so leicht machte ich es ihr nicht. Abgesehen davon, dass Mädchen sowieso immer das haben wollten, was sie nicht hatten, und ihnen schnell langweilig wurde, wenn sie bekamen, was sie wollten. Nicht dass ich irgendwelche Spielchen spielen wollte. Aber, doch, vielleicht ein bisschen. Es war leicht und einfach und möglich und lenkte ab von all dem, was schwer und kompliziert und unmöglich war.
Und natürlich wollte sie ein Lied, ein gutes cymrisches. “Eines über die Vorzüge von hier? Da muss ich kurz überlegen“, meinte ich lachend. Nicht, dass meine Heimat nicht viele Vorzüge hatte. Sehr viele sogar. Ich könnte ihr davon wahrscheinlich Stunden vorschwärmen, wie schön die Landschaft sein konnte mit den sanften Hügeln, den dichten Wäldern, dem Nebel im Herbst, und wie die Sonne ihn durchbrach. Selbst über die Kraft von gewittern über dem Meer konnte ich wahrscheinlich so erzählen. Aber ein Lied darüber zu finden, das auch nur halbwegs abdeckte, wie schön es hier war, das war dann schon schwerer, da musste ich nachdenken. Ich kannte ungefähr eine Million Lieder, aber die meisten gingen dann doch eher um das Zwischenmenschliche und weniger um… Landschaft.

Sie erzählte dann, dass sie nicht verheiratet war, aber verlobt gewesen war. “Wenn er dich nicht wollte, war er ein Idiot“, sagte ich, noch ehe ich darüber richtig nachdenken konnte. Aber stimmte trotzdem, welcher Depp ließ eine junge und hübsche Verlobte einfach stehen? So manch einer würde selbst aus der Anderswelt dafür wieder zurückkommen. Wobei ich grade irgendwie hoffte, dass das nicht der Grund war, warum es nicht geklappt hatte, denn ansonsten hätte ich grade zielsicher ein riesiges Fettnäpfchen getroffen. Aber nein, wäre der Kerl tot, hätte sie das sicher anders erzählt und würde jetzt nicht bei mir nach Komplimenten fischen.

Aber bevor wir das vertiefen konnten, kam auch Erwan. Niamh schwindelte ihn an und sagte, sie sei in mich gerannt, während er mich anschaute, als wolle er doch ein Schwert zücken, um mich zu vertreiben, und kurz darauf sagte, er wäre ihr Vater. “Dein Vater…?“ schaute ich nur kurz fragend zu Niamh, die gerade eben nicht den Eindruck gemacht hatte, als wäre das ihr Vater. Und ihn zusätzlich auch Erwan nannte, und eben nicht ihren Vater oder Papa oder sonst mit einem Kosenamen. Kurzum, ich glaubte nicht, dass das ihr Vater war, aber es ging mich nicht wirklich was an. Ich war zwar durchaus neugierig, was hier ablief, aber ich war auch klug genug, zu wissen, dass jetzt nicht der passende Zeitpunkt war, das zu klären.
“Es gibt nichts, für das sich Niamh hätte entschuldigen müssen. Ich bin es, der um Entschuldigung bitten muss“, meinte ich diplomatisch und trat einen Schritt zurück, von Niamh weg, damit ihr Vater sich entspannen konnte. Manchmal wünschte ich mir, dass wir nicht so unauffällig bleiben mussten und uns im Verborgenen halten mussten. Die meisten Väter – und auch “Väter“ – wären geradezu entzückt, ihre Töchter mit einem Druiden zu verbinden. Zumindest, bevor die Römer kamen und alles Druidische verboten hatten. Aber so war ich halt nicht ein schlechter, angehender Druide, sondern einfach nur ein mittelloser Schuft, der unschuldige Maiden verführte, oder so. Dabei hatte ich ja wirklich nichts getan! Auch wenn ich so das Gefühl hatte, dass mit etwas Mühe und süßen Worten, das anders sein könnte.
Ich lächelte Niamh noch einmal zum Abschied zu. “Ich schulde dir ein Lied“, meinte ich nur leicht neckend und ging dann in Richtung der Essensausgabe, wo jetzt etwas weniger los war. Denn ich hatte nach wie vor noch Hunger und brauchte auch ein wenig zu essen.

Ich fing wieder an, leise zu summen, ehe mich irgendwie der Schalk doch packte. Ich grinste, und fing dann an, einfach so für mich, ein wenig zu singen. Und natürlich kein Lied über die Vorzüge der Gegend. Nein ich sang ein Lied über ein hübsches Mädchen in einem Obstgarten.

“Dacw 'nghariad i lawr yn y berllan, (Da ist meine Liebste unten im Obstgarten)
Tw rym di ro rym di radl didl dal
O na bawn i yno fy hunan, (Oh, wie sehr ich wünschte, auch dort zu sein)
Tw rym di ro rym di radl didl dal
Dacw'r tŷ, a dacw'r 'sgubor; (Dort ist das Haus, und dort ist die Scheune)
Dacw ddrws y beudy'n agor. (Dort ist die Tür zum Kuhstall geöffnet...)
Ffaldi radl didl dal, ffaldi radl didl dal,
Tw rym di ro rym di radl didl dal.

Dacw’r dderwen wych ganghennog,  (Dort steht die galante, verzweigte Eiche)
Tw rym di ro rym di radl didl dal
Golwg arni sydd dra serchog. (Eine Vision, liebevoll gekrönt)
Tw rym di ro rym di radl didl dal
Mi arhosaf yn ei chysgod (Ich warte in ihrem Schatten)
Nes daw 'nghariad i 'ngyfarfod. (Bis meine Liebe kommt, um mich zu treffen)
Ffaldi radl didl dal, ffaldi radl didl dal,
Tw rym di ro rym di radl didl dal.

Dacw'r delyn, dacw'r tannau; (Hier liegt die Harfe, hier sind ihre Saiten)
Tw rym di ro rym di radl didl dal
Beth wyf gwell, heb neb i'w chwarae? (Wofür bin ich gut, wenn ich nicht für sie spielen kann?)
Tw rym di ro rym di radl didl dal
Dacw'r feinwen hoenus fanwl; (Da ist die zarte Schönheit, exquisit und voller Leben)
Beth wyf well heb gael ei meddwl? (Wie nah bin ich, ohne ihre Aufmerksamkeit zu haben?)
Ffaldi radl didl dal, ffaldi radl didl dal,
Tw rym di ro rym di radl didl dal...“


Irgendwie musste man sich ja beim Warten die Zeit vertreiben.
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Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
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