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Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
07-27-2023, 12:23 PM,
Beitrag #101
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
(07-26-2023, 12:10 PM)Louarn schrieb: LouarnIch hatte den halb ersoffenen Brocken gerade aus dem Wasser gehievt und fesselte seine Hände auf dem Rücken mit seinem eigenen Gürtel, als Ciaran nach Niamh rief und ich ihm am liebsten den Hals umdrehen wollte. Womit ich aber nicht gerechnet hatte, war, dass Niamh tatsächlich schreiend angerannt kam und sich auf den Typ stürzte, den ich außer Gefecht gesetzt hatte. Sie drehte ihn grob um und hielt ihm das Messer vors Gesicht. Ich nahm an, dass sie ihn töten wollte, und nach dem, was sie mir gestanden hatte, konnte ich es gut verstehen und trat auch dafür einen schritt zurück.
Womit ich nicht gerechnet hatte, war, wie sie es machte. Sie nahm sich die Zeit, ihm erstmal die Tunika aufzuschneiden und stach dann mit dem Messer… an eine Stelle, die man bei einem ehrenhaften Kampf nicht absichtlich traf. Ich merkte, dass mir mein Mund offen stand, als Ciaran anfing, zu dozieren, dass sie es falsch gemacht hätte und der Kerl jetzt schnell verbluten würde. Nun, ich hoffte auch für ihn, dass er es gleich hinter sich hatte, denn das war jetzt definitiv eine Strafe gewesen, die am oberen Ende der Skala rangierte. Aber Ciaran war noch nicht fertig und bot Niamh an, ihr beim nächsten zu helfen, damit der nicht so schnell starb.
“Ciaran, in Lughs Namen, kannst du ein einziges Mal in deinem Leben die Klappe halten?“ meinte ich irgendwo zwischen Verzweiflung, Ärger und Resignation. Ich wollte ganz sicher nicht, dass Ciaran Niamh kaputt machte, so wie er kaputt war.
Ich ging jetzt doch zu Niamh und umarmte sie, fest, so dass sie einen Moment nicht weg konnte und sein Angebot nicht sogleich in voller Erregung und Wildheit annehmen würde. “Sie sterben, Niamh. Alle. Wir haben sie alle. Lade dir das nicht auf dein Gewissen. Es bringt dir nicht die Ruhe, die du suchst. Lass uns das tun.“ Ich bat sie leise und gab sie nur zögerlich wieder frei. Aber ich wusste, wovon ich redete, und ich wollte nicht, dass sie das verlor, das sie zu Niamh machte.

(07-26-2023, 04:00 PM)Niamh schrieb: Ganz fasziniert war Niamh noch einen Moment auf Corax' Oberschenkeln sitzen geblieben und beobachtete, wie sein Blut floss und sein Körper allmählich zu zittern begann. Erst als Ciaran zu ihr trat und ihr sagte, sie habe das falsch genacht, sah sie zu ihm auf und erhob sich auch dann. Er erklärte ihr, warum ihr Opfer nun in kürzester Zeit verbluten würde und nicht noch länger leiden würde, so wie sie es eigentlich gewollt hatte. Und tatsächlich! Corax wurde bereits weiß, als Ciaran sie darauf hingewiesen hatte. 
Sie sah wieder zu ihm auf, als er weiter erklärte, dass selbst dann, wenn man es richtig machte, dennoch sehr schnell der Tod eintreten konnte. Trotzallem lobte er sie für ihren ersten Versuch und bot ihr schließlich an, ihr etwas zu zeigen, wenn sie ihr Opfer richtig lange leiden lassen wollte. 
Kurz war ein Glänzen in Niamhs Augen zu sehen. Ciarans Vorschlag gefiel ihr und wenn Louarn nicht dazeischen gegangen wäre, dann wäre sie sofort mit ihm gegangen. So aber nahm Louarn sie in seine Arme und drückte sie fest. Flüsternd versprach er ihr, dass alle sterben würden und dass sie die anderen beiden nicht auch noch töten musste, um Ruhe zu finden. Dann wurde sein Griff leichter und schließlich gab er sie wieder frei.
"Ich kann nicht! Ich muss das tun!" antwortete sie ihm, auch wenn sie viel lieber weiterhin in seinen Armen gelegen hätte. Aber auch dafür war nun nicht die richtige Zeit. Ihr Blick, in dem so viel Bedauerung lag, war noch einen Moment auf Louarn gerichtet. Dann wandte sie sich zu Ciaran um.
"Zeig mir, wie es richtig geht!"

Dunduvan, der immer noch mit dem Rücken zur Tür stand, verstand zu seiner Überraschung Louarn sehr gut. Scheiße, fluchte er. Was tat Ciaran da gerade? Wieder wurde es ihm deutlich, dass der Zwilling fallen musste. Cathbad hätte ihn erst gar nicht am Leben lassen sollen. Wenn die Götter einen mit einem Fluch belegt hatten, war er es; er verdarb was er berührte.
Er vergewisserte sich, dass keiner mehr übrig war, der durch die Tür kommen konnte, stopfte den Kopf des Nubiers in seinen Beutel zurück und mit drei Sätzen war er neben Niamh, die wie eine Furie sich auf die stürzen wollten, die ihr Unrecht getan hatten:
"Hör auf Louarn, Niamh!", sagte er. Das erste Mal am heutigen Tage sprach er sie an:
"Du musst gar nichts tun! Du hast genug getan" , er lächelte sie unter Farbe und geronnenem Blut anerkennend an, doch sein Blick war sehr ernst: 
"Du bist eine Kriegerin, Niamh. Du hast es bewiesen. Doch alles, was darüber hinausgeht, ist nur von Übel. Nein, denke nicht, dass Ciaran... Ciarans Weg ist sein ureigener Weg. Die Götter haben mit ihm etwas im Sinn, was niemand so recht zu deuten vermag. Doch dein Weg sollte ein anderer sein" und in Louarns Richtung sprach er:
"Behalte sie bitte bei dir!"
Sein Lächeln wurde traurig. Louarns Niamh. Er sollte sie lieblich und unversehrt zurückbekommen, so wie sie an Beltane gewesen... ach nie mehr an dieses Beltanefest denken!

Dunduvan war es darum gegangen, Niamh zu befreien, um an seinem Bruder gut zu machen, was damals geschehen war. Und es war ihm darum gegangen, Erwan, der ein Verräter an den Kelten war und unzählige Britannierinnen geschändet und an die Römer verkauft hatte, zu bestrafen. Es sollte spektakulär werden, damit die Römer und ihre Speichellecker wussten, mit welchem Widerstand sie zu rechnen hatten. Gezielte Gewalt war Mittel zum Zweck. Aber diese rohe, ungezügelte Gewalt wurde gerade zum Selbstzweck. Gerade verhielten sie sich so, wie es ihnen die Römer vorwarfen: Nämlich wie grausame und blutdürstige Barbaren. Kein Wunder, dass Calum kreideweiß geworden war:
"Und keiner soll uns nachsagen, dass wir Falken keine Gerechtigkeit walten lassen",
 er schaute sich um und deutete auf Erwan: "Roter, du klagst diesen Mann und seine Sklaven wessen an?"
Er nannte nicht Louarns wirklichen Namen. Und jetzt sprach er wieder Latein, damit Erwan und seine Brut auch alles verstanden während dieser Parodie auf die römische Gerichtsbarkeit, an deren Ende das Urteil bereits gesprochen war:
 "Ich selbst schlage die römischste aller Strafen vor, die für Hochverräter seines Standes", seine schwarzen Augen funkelten:
"Kreuzigung!" , er und deutete auf den Türpfosten. 
Es war nur ein Pfosten und kein Kreuz, aber auch die Römer benutzten Pfähle, wenn es keine Zeit gab, ein Kreuz zusammenzubauen. Auf jeden Fall war das weniger persönlich. Viel weniger persönlich als eine mörderische Niamh:
"Aber auch der Dunkle" - das war Ciaran: "Hat ein Stimmrecht. Und alle anderen selbstverständlich auch. Vielleicht findet sich sogar ein Anwalt?"
Das war Dunduvans Spott.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
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07-27-2023, 01:03 PM,
Beitrag #102
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Wirklich interessant, was sich vor meinen Augen abspielte. Und ich war mir nicht sicher, ob ich der einzige war, der die Ironie darin bemerkte. Natürlich sprang Louarn gleich herbei und versuchte, sein Vögelchen vor sich selbst zu retten. Er redete auf sie ein, dass sie nicht tun solle, was ihm aber sehr wohl erlaubt war. Naja, mit einigen Abstufungen eben, denn Louarn hatte einen bedauernswerten Mangel an Phantasie, was all diese Dinge anging. Wahrscheinlich würde er einfach allen die Kehlen durchschneiden und gut war. Viel zu unkreativ meiner Meinung nach.
Aber das Vögelchen wollte gar nicht gerettet werden. Es wollte sich in ein rasendes Untier verwandeln und einfach nur Rache nehmen, auf jede Weise, die ich ihr zeigen würde. Ich lächelte mein schiefes Lächeln und machte mich schon auf einen weiteren Ausbruch von Louarn gefasst, als nun aber Dunduvan auch herbeitrat und ihr den Weg zu mir versperrte. Das wiederum war sehr interessant. Ich legte den Kopf wieder schief, um das Licht anders einzufangen. Ich wollte sehen, ob ich die silbrigen Spinnweben zwischen ihm und Niamh würde erkennen können, in die er sich verstrickt hatte. Die Götter besaßen schon einen eigenartigen Sinn für Humor, fand ich, und Dunduvan war manchmal schrecklich blind für sie. Hätte er sie nun bekräftigt, wäre sie sein – oder mein, wobei ich das gar nicht wollte. Aber er schützte sie und drängte sie in Louarns Arme. Vermutlich hatte er Angst vor ihr.

Ich hob beschwichtigend beide Arme, einer noch mit der Klinge Calums bestückt, zum Zeichen, dass ich mich fügte. Auch wenn ich durchaus ein paar Takte zu meinem ureigenen Weg und den Göttern zu sagen gehabt hätte. Aber ich forderte die Götter nicht heraus, und vor allen Dingen forderte ich Dunduvan jetzt nicht heraus. Nur mit Louarn wäre ich fertig geworden. Nur mit Dunduvan selber auch. Aber beide, die dasselbe Ziel verfolgten? Nein, so dumm war ich nicht. Und so wichtig war mir die Sache auch nicht. Im Grunde waren mir die Kerle und Niamh ganz gleich, ich wollte nur mein Feuer sehen.

Da fand ich es geradezu komödiantisch, als Dunduvan hier einen Prozess spielen wollte, dessen Ende uns allen doch schon klar war. Und er wollte Erwan kreuzigen? “Das dauert viel zu lange, um effektiv zu sein“ gab ich zu bedenken. Manche Gekreuzigte hielten zwei Tage durch. So viel Geduld hatte ich nicht. “Er ist Kelte, wir sind Kelten. Niamh ist Keltin. Ich bin für ein keltisches Urteil. Feuer. Soll er Zeuge meines Feuers sein, aus nächster Nähe.“ Ich wollte endlich was in die Luft jagen und keine Spielchen spielen. Wir verschwendeten hier viel zu viel Zeit.
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Falke
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07-27-2023, 02:11 PM,
Beitrag #103
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Ich sah es in Niamhs Augen. Ich sah, wie der Hass und die Verbitterung sie von innen auffraß und nur noch Rache übrigließ, noch ehe sie Ciaran bat, ihr seinen Weg zu zeigen. Einen Moment lang schloss ich die Augen, denn das schmerzte mich, wie ich es nicht gedacht hätte. Die Niamh, die in Alans Stall in meinen Armen gelegen und sich im Schlaf schutzsuchend an mich gedrückt hatte, die Niamh, die vorsichtig in der aufgehenden Wintersonne meine Wunde genäht hatte und dabei selbst noch vor Angst gezittert hatte, die Niamh, die im Eingang zu ihrer Hütte mit dieser verfluchten, kaputten Tür im Frühlingssonnenschein gestanden und mich so unschuldig und hoffnungsvoll angesehen hatte, die war nicht mehr da. Irgendwo am Beltanefest, nachdem sie mit Dunduvan geschlafen und ihn für ihren verlobten gehalten hatte, war sie verloren gegangen und diese Männer, die sie gefangen und vergewaltigt hatten, hatten sie getötet. Sie war mir entrissen, und ich würde sie nie wieder bekommen. Vielleicht hatte ich sie auch nie. Vielleicht war sie wie das Bild in meinem Traum, die rothaarige Frau auf der Lichtung, die immer traurig und fern wirkte.

Ich hörte, wie Dunduvan sie zu überzeugen versuchte und sie wieder in meine Arme schob. Ich öffnete meine Augen wieder und sah sie mit so viel Schuld und Bedauern an. Ich hätte es verhindern sollen. Aber ich hatte es nicht verhindert. Vielleicht war das mein Fluch, die Frauen immer nur rächen, aber nie retten zu können. Vielleicht war das der Grund, warum sie mir durch die Finger rannen, sobald ich auch nur einen einzigen Moment etwas mehr zu fühlen begann. Weil es nicht mein Schicksal war, sie zu retten. Weil es nicht mein Schicksal war, zu lieben.

Dunduvan eröffnete einen Gerichtsprozess und wollte Erwan kreuzigen. Ciaran hielt dagegen, dass das zu lange dauerte und nicht keltisch wäre. Ich wusste, dass Dunduvan mich angesprochen hatte und von mir wollte, dass ich mitspielte, aber ich hielt immer noch Niamh fest und schaute sie an. “Es tut mir so leid“, entschuldigte ich mich bei ihr und meinte damit alles. Alles, was passiert war und was ich nicht verhindern konnte. Und alles, was noch passieren würde. Jeder Atemzug. “Ich weiß, du wirst mich hassen, aber ich mach das für dich“, sagte ich leise, als ich ihr den Dolch langsam, aber bestimmt abnahm.
Dann ging alles recht schnell. Ich drehte mich auf der Ferse und warf in derselben Bewegung den Dolch auf den mir unbekannten Sklaven. Er traf ihn tief in der Brust, wo er ihn einen langen, ungläubigen Moment anstarrte, ehe er umfiel und damit dem Urteil dieser Welt enthoben war. Damit waren all die Männer, die sich an ihr vergangen hatten, tot und sie gerächt. Und ich hoffte, dass das reichte.

Ich blickte in die überraschten Gesichter meiner Brüder und beschloss, dass es Zeit für ein Ende wäre. Jetzt standen ohnehin nur noch Erwan und Modestus.
Ich löste mich von Niamh und schaute sie nicht an, weil ich ihren Hass auf mich nicht ertragen konnte, der sicherlich in ihren Augen war. Stattdessen verschloss ich all das dort, wo es im Kampf sein musste, und spielte meine jämmerliche, kleine Rolle in diesem Stück, das Dunduvan unbedingt aufführen wollte.
“Ich klage an“, sagte ich also und die Muskeln an meinem Kiefer zuckten. “Ich klage an das Verbrechen, Eltern ihre Töchter zu stehlen. Ich klage an das Verbrechen, diese Töchter zu vergewaltigen. Ich klage an, die Töchter zu Sklavinnen zu machen und zu verkaufen. Ich klage an der Lüge und der Erpressung, um dies tun zu können. Ich klage an, das keltische Volk zu verraten und mit den Römern zu paktieren. Ich klage an des Verrats. Ich klage an des Mordes an unserem Volk. Ich klage an der Feigheit und der Gier. Und mein Urteil lautet schuldig.“

Ich ging ein paar Schritte in Richtung des Ausganges, denn ich wollte das hier nicht unnötig in die Länge ziehen. “Mir egal, wie er stirbt, angenagelt, verbrannt, beides. Aber bringen wir es hinter uns.“
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Falke
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07-27-2023, 09:13 PM,
Beitrag #104
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Der Freigelassene zitterte wie Espenlaub und begann zu betteln, ich solle ihn doch am Leben lassen! Womöglich hatte er von den fünfen hier am wenigsten Dreck am Stecken. Aber heute Abend hatten bereits völlig Unschuldige ihr Leben verloren. Also warum sollte ausgerechnet er verschont werden? 
"Tut mir leid, mein Freund. Es ist nichts Persönliches. Aber ich schätze, du wirst hier nicht lebend raus kommen. Keiner kommt hier lebend raus. Außer euch sind alle schon tot!" meinte ich bedauernd. Vielleicht hätte ich das lassen sollen, denn nun fing der Kerl an zu schluchzen. Doch ihm verging sofort das Schluchzen, als er mit ansehen musste, wie Niamh direkt neben ihm einen der Sklaven auf recht üble Weise abschlachtete. Oh oh, was sie tat, musste jeden Mann bis ins Mark treffen! Wenigstens musste der arme Kerl nicht allzu lange leiden, denn er verblutete in wenigen Minuten.

Ciaran konnte es mal wieder nicht lassen, einfach mal die Klappe zu halten und stachelte die kleine Irin an, es bei den anderen besser zu machen, damit sie nicht zu schnell starben. Ich konnte verstehen, das Louarn und auch Dunduvan sie davon abbringen wollten, denn es war eine Sache, einen Mann zu töten. Aber es war eine andere, ihn vorher noch zu foltern, so dass er die schlimmsten Qualen durchlitt, die man sich vorstellen konnte. Nein, ich hoffte, die beiden würden sie davon abbringen, dies nicht zu tun. Aber die Frage stellte sich bald nicht mehr, denn Louarn erledigte den dritten Sklaven mit einem gezielten Messerwurf direkt in dessen Brust. Das war dann auch für mich das Zeichen, mich endlich des Freigelassenen zu entledigen. Gänzlich unerwartet schlitzte ich mit meinem Messer seine Kehle auf und ließ ihn gleich danach zu Boden sinken, damit ich nicht auch noch von seinem Blut besudelt wurde.

Doch was nun geschah, ließ mich auch nur noch verwundert in die Runde blicken. Dunduvan eröffnete eine Gerichtsverhandlung, bei der Erwan der Angeklagte war. Im Grunde waren wir uns alle bereits einig, wie das Urteil lauten sollte. Denn wie gesagt, hier kam keiner lebend raus!
Dunduvans Vorschlag, den Gallier zu kreuzigen fand ich nun auch nicht wirklich prickelnd. Da musste ich Ciaran tatsächlich einmal beipflichten, als er meinte, das würde viel zu lange dauern. Schließlich hatte ich keine Lust, bis morgen früh hier zu sitzen. Louarn schlug schließlich vor, ihn zu verbrennen. Das war mir schon sympathischer, denn erstens war es keine römische Art der Hinrichtung und es ging schneller. Louarn hielt dann noch ein beeindruckendes Plädoyer gegen den Angeklagten, so dass ich dachte, nun auch noch meinen Senf dazu gegen zu müssen.

"Also ich finde, wir sollten Niamh da ein gewisses Mitspracherecht einräumen. Soll sie entscheiden, wie unser geneigter Freund sein jämmerliches Leben beschließen soll!" Ich hoffe, sie kam nun nicht auf irgendwelche abgefahrene Tötungsarten, wie sie mein Bruder Ciaran bevorzugte, sonst würden Louarn und Dunduvam mich noch steinigen wollen.
[Bild: 3_16_10_23_1_09_34.png]
Als "Lucius Tarutius Corvus"
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
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07-27-2023, 10:57 PM,
Beitrag #105
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Nun versuchte auch Dunduvan Niamh von ihrem Vorhaben abzubringen, indem er auf sie einredete und sie überzeugen wollte, dass Ciarans Weg nicht ihrer sei. Sie wunderte sich, dass es ihm plötzlich so wichtig war, was sie tat und wies sie es tun wollte. Noch kurz zuvor hatte er sie nicht einmal beachtet, als Louarn sie heruntergetragen hatte. 
"Was kümmert es dich? Oder fürchtest du, ich könnte auch meine Wut an dir auslassen?", zischte sie ihm zu. Dunduvan hatte ihr keine Gewalt angetan und hatte daher auch nichts zu befürchten. Aber nach Niamhs Meinung  hatte er eine Situation ausgenutzt. Das würde sie ihm nicht so schnell vergeben.
Dunduvan hatte sie wieder in Louarns Arme gedrängt, damit sie dort beschützt wurde. Auch wenn sie das im Augenblick gar nicht wollte. Sie wollte ihre Rache. Das allein war es, was sie im Moment trieb. Aber um das zu verhindern tat er etwas, was sie vollkommen aus dem Konzept bringen sollte. Zunächst hatte er sich noch bei ihr entschuldigt. Wofür war ihr in diesem Moment nicht ganz klar. Vielleicht weil er sie davor bewahren wollte, zu einem Monster zu werden. Er nahm das Messer aus ihrer Hand und ehe sie noch Louarns Worte deuten konnte, warf er bereits das Messer auf Brigo und traf ihn damit in der Brust. Völlig überrascht konnte sie nur noch zusehen, wie der Sklave tot zusammenbrach.
Niamh versuchte sich aus Louarns Armen zu befreien. "Nein!" , rief sie.  "Was hast du getan? Warum?" Dann brach sie, wie ein Kind, dem man gerade das Spielzeug genommen hatte, in Tränen aus und schlug auf Louarn ein. Aber sie wusste, wie sinnlos das war und klammerte sich schließlich wieder an ihn.

Was danach geschah, ging anfangs an ihr vorbei, weil sie sich immer noch grämte. Doch als sie sich beruhigt hatte verfolgte sie schweigend dieses seltsame Spiel, an dem sich auch Louarn beteiligte. Es ging darum, wie Erwan sterben sollte. Inzwischen war er der einzig verbliebene, der noch lebte. Die ganze Zeit hatte sie sich nur auf die drei Sklaven konzentriert. Das Erwan sterben würde, war von Anfang an klar gewesen. Doch wie, damit hatte sie sich nicht beschäftigt.
Schließlich war es Alun, der vorschlug, dass sie entscheiden sollte, wie der Gallier sterben sollte. Niamh wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht und trat zu Erwan vor. Voller Verachtung sah sie ihn an. "Er hat nicht nur einen Tod verdient! Er hat so viele Leben auf dem Gewissen! Er verdient den dreifachen Tod! Opfert ihn den Göttern! Wenigstens taugt er dafür."
[Bild: 3_15_08_22_9_39_13.png]
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07-28-2023, 08:15 AM,
Beitrag #106
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Dunduvan selbst wäre die Kreuzigung lieber gewesen, da die Römer die Herausforderung sofort verstanden hätten. Sie gingen hin und kreuzigten diejenigen, die sie für Verräter hielten. Es wäre politischer gewesen als das, was die anderen wollten, selbst Alun, den er eher als Verstandesmensch eingeschätzt hatte. Doch auch der wollte die Rache Niamh überlassen. Das Argument von Ciaran, dass eine Kreuzigung schlicht zu lange dauerte, war nicht von der Hand zu weisen. 
"Wenn niemand dagegen ist, so soll Erwan also unserer großen  Göttin Andraste, Mutter des Krieges und der Rache, geopfert werden", stimmte Dunduvan zu. Das Opfer an Andraste beinhaltete unter anderem, dass der Geopferte vor seinem Tod verstümmelt, ihm das entsprechende Glied in den Mund gestopft und er dann getötet wurde. Andrastes Farben waren Schwarz und Rot.* In Irland nannte man die Kriegsgöttin Morrigan. 

Also sprach er zu Erwan: 
" In allen Anklagepunkten schuldig, nicht wahr? Oder gibt es etwas, was wir dir zu Gute halten müssten? Deine Strafe lautet demnach Tod. Da wird dir mehr Ehre zu Teil als du verdienst, denn du wirst den Göttern geopfert werden. Die göttliche Andraste ist auch in Gallien bekannt, dort heißt sie Andarte. Und wenn der Rote deinen Kopf nicht will, werde ich ihn mir nehmen. So wirst du niemals in die Anderswelt gelangen, sondern so lange zwischen den Lebenden und den Toten umherirren, bis diese Welt einst im Feuer endet"  
Der Gallier sollte doch wissen, auf was er sich freuen durfte.

Wie jeder Druide hätte auch Dunduvan das Ritual durchführen können, doch er hatte Erwan Louarn versprochen. Daher trat er nun zur Seite.

Was kümmert es dich, hatte Niamh ihn gefragt. Sie wusste nicht, wie sehr sie ihn kümmerte. Und dann drohte sie ihm auf gerade zu rührende Weise. War ihr nicht bewusst, dass er nur wegen ihr  überhaupt hier war? Normalerweise hätte er an einer Aktion gegen einen einzelnen Mann, der nicht einmal ein hohes Tier bei den Besatzern war, nie teilgenommen und sich die Falken in Gefahr bringen lassen. Was glaubte sie denn? Das es völlig normal war, dass die Falken zu ihrer Befreiung herbeiflogen? Die Falken, die das nicht für Diernas Schwester getan hatten. Und für kein anderes Mädchen.

Dunduvan fragte sich einen Moment, ob Niamh vielleicht dumm war. Das hätte ihn nicht gestört, solange sie gut geblieben wäre. Aber nun ertrug er sie gerade nicht, und als er das silberne Band, welches sie verband, zerreißen wollte, da war sie wieder, Cathbads Stimme in seinem Kopf:
"Sie spielt dir doch in die Hände. Fordere sie heraus, und wenn sie dich angreift, geht deine Hand fehl....keiner kann dir hinterher einen Vorwurf machen, wenn du angegriffen wurdest...."

Er lächelte etwas und öffnete die Arme, um seine Brust darzubieten. "Deine Wut auslassen? Ist es das, was du willst? Na...komm, versuche es!", lockte er sie, wissend dass sie in ihrer Unerfahrenheit keine Chance gegen einen ausgebildeten Falken hatte. Er senkte den Blick, doch hätte sie ihm in die Augen gesehen, so hätte sie etwas bemerkt, was nicht völlig Dunduvan war.....


* Sim off: Andraste  

[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
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07-28-2023, 11:18 AM,
Beitrag #107
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Ein dreifacher Tod und das Opfer an Andraste? Nun, das war doch interessanter, als ich es mir vorgestellt hatte. Es würde zwar auch seine Zeit brauchen, je nachdem, welche drei Tode Erwan sterben sollte, aber es war interessant. Ich beobachtete Erwan, wie er von fahl zu aschweiß wechselte. Ich war mir nicht sicher, ob er sich gerade in die Hose machte. Die meisten taten das. Oh, alle sagten immer, dass sie den Tod mannhaft und aufrecht in Empfang nehmen würden, aber die meisten verloren schon weit vor Eintritt des eigentlichen Todes die Kontrolle über ihren Schließmuskel. Da waren Menschen nicht anders als Tiere.

Wegen dieser Beobachtung entging mir auch beinahe eine andere. Niamh war zornig, weil Louarn ihr ihr Spielzeug weggenommen und außer Reichweite gebracht hatte, indem er den Sklaven schnell und sauber getötet hatte. Sie tobte und schlug um sich und drohte auch Dunduvan. Das war jetzt nicht das interessante, damit war zu rechnen, so erregt, wie sie gewesen war. Aber dass Dunduvan sie aufforderte, ihn anzugreifen, das war unerwartet. Ich legte den Kopf schief und sah Dunduvan an.
Ich wusste, die anderen sahen die Schatten nicht. Ich hatte noch niemanden getroffen, der es wirklich konnte. Aber da war er, ganz sicher, hinter Dunduvans Augen, an seiner Schulter lehnend, ihn umwebend wie eine Spinne.

Es wäre sehr interessant gewesen, zu sehen, was der Schatten dieses Mal wollte, und warum er sich Dunduvan als Werkzeug aussuchte. Aber es gefährdete meinen Plan, hier alles in die Luft zu jagen. Also entschloss ich mich zu einer Handlung.
Louarn hatte sich ohnehin von Niamh gelöst, weil unser Krieger wieder ein Sensibelchen war, so dass sie allein stand und eigentlich freie Bahn auf Dunduvan hatte. Aber bevor sie seine Worte realisieren konnte, war ich zwischen die beiden getreten und zog sie an mich, um mit ihr zu tanzen. Keine Ahnung, wieso, mir war danach. Ich ließ ihr keine Wahl, weil ich ihr eines Handgelenk griff und sie mit dem anderen Arm um ihre Taille dicht an mich zog, als ich auch schon anfing, uns im Kreis zu wirbeln und mit ihr mit geschickten Schritten einmal zielsicher an den Leichen vorbei durchs Atrium zu tanzen, während ich laut und unmelodisch eine Melodie sang: “Bammbaba- rapp- tata, lalala, ratta- ta“, wirbelte ich sie mit mir und stand schließlich drei Schritt von den anderen mit ihr im Arm entfernt, wo ich sie nicht losließ, sondern mich leicht nach vorn zu ihr beugte, um ihr tief in die Augen sehen zu können. “Was hast du kleiner Vogel nur an dir, was die anderen alle in den Wahnsinn treibt?“ fragte ich sie mit ernsthaftem Interesse an einer Antwort. “Vielleicht bleibst du jetzt besser bei mir, damit die anderen in Ruhe arbeiten können. Schließlich wollen wir ja das Haus noch sprengen, und das dauert alles viel zu lange schon“, klärte ich sie ernst auf und drehte sie, so dass sie nun zu Erwan und dem Spektakel schauen konnte, hielt sie aber noch immer bei mir im Arm. “Du riechst nach Blumen“, stellte ich etwas verwirrt fest, jetzt, wo sie das erste Mal wirklich in meiner Nähe war und aufpasste, dass jetzt nichts mehr passierte, was meine Pläne weiter verzögern würde.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
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07-28-2023, 05:32 PM,
Beitrag #108
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
[Bild: Erwan-klein.jpg] Erwan

Voller Entsetzen weiteten sich Erwans Augen als er die Schreie seiner Sklaven hörte, die nacheinander abgeschlachtet wurden. Selbst vor Modestus hatten die feigen Mörder nicht Halt gemacht! Der Gallier konnte sich inzwischen sicher sein, dass seine Sinne ihn nicht getrübt hatten. Den großen Roten hatte er damals aus seinem Laden gejagt, als er gekommen war, um Niamh zu belästigen. Mit ihm war sie auch durchgebrannt. So hatte man es ihm berichtet.
Noch ein weiteres Gesicht  aus der Mörderbande war ihm bekannt. Der Kerl, der sich als Tarutius Corvus ausgegeben hatte und die Irin für seine Mutter kaufen wollte, war auch unter ihnen. Nun begriff er, dass alles ein abgekartetes Spiel gewesen war.

Inzwischen stand er umringt von den Meuchlern. Einer von ihnen, der Halbnackte mit dem  schwarzen Haar und dem blaugefärbten Gesicht, wollte hier noch ein Possenspiel veranstalten und ihn vor Gericht stellen. Dabei war er doch ein rechtschaffener Händler gewesen, der nie einen seiner Kunden betrogen hatte und seine Ware nicht zu überteuerten Preisen verkaufte.
Der Rote trat dann hervor und zählte auf, was man ihm alles zur Last legte. Das war doch Irrsinn! Ja, er hatte hin und wieder auch Sklaven aus Hibernia mitgebracht und diese dann hier verkauft. Und natürlich arbeitete er mit den Römern zusammen, denn sie waren schließlich die Herren der Welt! Er begann seinen Kopf zu schütteln "Das, das könnte ihr nicht machen!", rief er laut, als er begriff, dass auch sein letztes Stündlein geschlagen hatte. 
"Ich war immer gut zu dir gewesen, Niamh! Bis dieser Kerl hier deinen Sinne vergiftet hat!" Er deutete auf den Roten, der eben noch so großspurig verkündet hatte, weswegen er sich schuldig gemacht hatte. Dabei war er an allem schuld! Aber ganz gleich, was er auch sagte, sein Urteil stand bereits fest und es war unumstößlich. Nun ging er nur noch darum, wie sie ihn umbringen wollten.  Der eine wollte ihn kreuzigen und der, der ihn mit dem Messer bedroht hatte, wollte ihn verbrennen. Dem Roten war scheinbar alles egal, Hauptsache er starb. Schließlich trat der falsche Römer hervor und meinte, Niamh sollte über sein Ende befinden.

Seine letzte Hoffnung war es, sie würde sich daran erinnern, dass er sie aus Hibernia gerettet hatte. Ohr ihn wäre sie schon längst tot! Aber auch diesmal erwies sich die Hibernierin als sehr undankbar und forderte den dreifachen Tod! Auch wenn Erwan seit ewigen Zeiten seinem Volk den Rücken gekehrt hatte und den Verführungen Roms verfallen war, wusste er dennoch, was dies bedeutete.
"Gnade! Ich bitte um Gnade! Ihr könnt alles von mir haben! Mein ganzes Geld, meinen Reichtum! Wirklich alles! Doch bitte tut mir das nicht an!" jammerte er nun und ging vor seinen Mördern auf die Knie.
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07-28-2023, 07:07 PM,
Beitrag #109
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Fintan beobachtete Calum, der die Szene beobachtete und sich im Hintergrund hielt. Er selbst hatte weniger Skrupel, immerhin war Erwan ja ein Verräter gewesen. Fintan war nicht zimperlich. Er machte gern ohne zu töten, wenn es sich vermeiden ließ. Aber letztendlich waren sie schließlich Falken. Und die waren zum töten da.
Und wenn man nebenher ein paar Kostbarkeiten aus dem Heim dieses sehr reichen Verräters mitgehen lassen konnte, warum nicht? Fintan jedenfalls hatte zugeschlagen und sah nun dieser sehr merkwürdigen Tribunalsverhandlung zu. Weder Calum noch Dundi noch Louarn wirkten noch besonders erbaut und Niamh hatte etwas von einer extrem wütenden Rachegöttin an sich. Doch auch Fintan meinte, dass es langsam Zeit wurde, hier Schluss zu machen.
"Können wir dann abstimmen, welche Tode es sein sollen? Ich bin ja für die Klassiker", schlug er vor und rezitierte:
"'Es stirbt Herrscher und Volk am dreifachen Tod.
Der Galgenstrick bringt Atemnot.
Es wirft dich zu Boden des Messers Mut.
Trink aus dem Brunnen, dann hustest du Blut.'
Nun, wir haben keinen vergifteten Brunnen oder so, aber dafür haben wir ja Ciaran da, oder?"
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
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07-28-2023, 07:38 PM,
Beitrag #110
RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Ich hatte Niamh auf mich einprügeln lassen, bis sie schließlich halb zusammenbrach und nur noch weinte. Ich wusste, dass sie mich hasste, mehr noch als zuvor, und ja, es schmerzte mich, aber ich konnte diese Last tragen. Sie war in Sicherheit, in Freiheit, und würde von ihrem Hass nicht zerfressen werden. Zumindest hoffte ich das.
Ich verstand nicht wirklich, was im nächsten Moment geschah. Ich hatte mich von ihr gelöst, um Erwan anzuklagen, als Dunduvan auf einmal Niamh herausforderte. Ich wollte ihn schon fragen, ob er jetzt übergeschnappt sei, als ausgerechnet Ciaran dazwischenging und sich Niamh schnappte und anfing, mit ihr zu tanzen! Von dem Anblick war ich so perplex, dass ich vergaß, dass ich Dunduvan anschnauzen wollte. Alles in mir war in Alarmbereitschaft deswegen, denn sie so eng bei Ciaran zu sehen, wie er sie im Arm hielt und mit sich zog und herumwirbelte, das machte mir irgendwie Angst. Ich schaute einen Moment länger hin, bis er mit ihr stehen blieb und es einen Moment für mich so aussah, als wolle er sie küssen. Aber zum Glück war es nicht so, er drehte sie wieder herum und hielt sie bei sich fest in ein wenig Abstand.
Trotzdem war ich noch abgelenkt, als Erwan wohl den Ernst seiner Lage begriff und anfing, zu betteln. Er beschuldigte mich, dass ich irgendwas mit ihr gemacht hätte, und fiel schließlich auf die Knie und winselte um Gnade. Ich war angeekelt von ihm, der Situation und überhaupt war mir alles eigentlich zu viel, was ich aber nie zugeben würde. Ich war kein Mörder und unter anderem aus diesem Grund wohl auch nie ein guter Druide. Ich fühlte mich abgestoßen davon, einen wehrlosen, knienden Mann zu töten und zu opfern, auch wenn er es verdient hatte. Im Kampf war es eine Sache, aber so eine ganz andere. Aber ich wusste, was ich tun musste, also suchte ich den Zorn in mir, der all das leichter erträglich machte.
“Gnade? Hat Niamh dich um Gnade angefleht, als du sie in den feuchten Keller hast werfen lassen, nachdem deine Männer sie geschändet haben? Hat Dierdre dich um Gnade angefleht, als du sie ihren Eltern abgepresst hast, um sie als Sklavin zu verkaufen? Wie viele Mädchen waren in diesem Keller, Erwan? Wie viele von ihnen haben dich um Gnade angefleht, sie freizulassen? Und wie vielen davon hast du Gnade gewährt?“ fragte ich, auch wenn ich die Antwort schon kannte: Er würde kein Mädchen verschont haben. Egal, ob diese auch geweint, gefleht oder gebettelt hatten. Warum also sollten wir ihm diese Gnade gewähren?

Ich schaute zu den anderen und der Muskel in meinem Kiefer zuckte. Fintan machte einen Vorschlag zu seiner Version eines dreifachen Todes. Ich wollte nicht zu viel darüber nachdenken, das alles erschien mir unmenschlich. Ein dreifacher Tod. Gekreuzigt und gehängt am Türbalken, den Bauch ausgeweidet, im Haus verbrannt.“ Wenn Dunduvan ihn Adraste weihen wollte, konnte er ihm selber die Brustwarzen abschneiden und in den Mund stopfen, ich würde das nicht tun. Mir egal, ob ich deshalb ein schlechter Druide war.
Aber damit sollten alle befriedigt sein, sie bekamen alle, was sie wollten. Oder zumindest in großen Teilen.

Es dauerte länger, als ich gedacht hätte und war schwerer, als man annehmen wollte, Erwan hoch genug zu hieven und mit Seilen und Nägeln am Türbalken festzunageln. Mit einem tiefen Stoß öffnete ich ihm den Bauchraum und wandte mich dann ab. Das war nie ein schöner Anblick und damit war ich auch fertig. Den letzten Teil würde Ciaran erledigen, und wahrscheinlich brannte er auch schon darauf, das Haus in Brand zu stecken.
Ich wandte mich von dem sterbenen Erwan ab und zu Niamh hin, die bislang von Ciaran festgehalten worden war. “Wenn du willst, kannst du mit mir mitkommen. Oder mit einem der anderen. Ich hol meine Sachen“, sagte ich, ohne sie anzusehen. Ich ertrug ihren Hass gerade nicht, und ich war sicher, dass er jetzt da wäre. Aber vielleicht wollte sie auch lieber mit Dunduvan gehen. Oder sogar mit Ciaran. Es sollte mich nicht kümmern, aber vielleicht musste ich es einfach noch einmal hören, wie sehr sie mich verabscheute.
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Falke
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