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Der Sklave und der Patrizier - kurz vor Cheddar
05-25-2023, 01:28 PM,
Beitrag #1
Der Sklave und der Patrizier - kurz vor Cheddar
>>>  Saturninus war ruhig, fast stoisch gewesen, als er in der Villa hatte seine Anweisungen geben können. Doch je mehr sie sich Cheddar näherten, das ein wenig außerhalb der Stadt lag, desto mehr Sorgen machte er sich um Deirdre und das Kind. Es war ihr größter Wunsch gewesen, ein kleines Heim für sich zu haben. Er hatte sich überzeugen lassen, es ihr zu gewähren. Überhaupt wollte er für sie sorgen. Er hatte Deirdre lieb - auf eine andere Art, als er Lucretia Serena liebte und wieder auf eine andere Art, als er Liciniana Aglaia gern hatte, doch sie war als Jungfrau in sein Haus gekommen, und er hatte er ihr versprochen, dass sie für immer zu seiner Familie gehören würde. Jetzt gerade war Saturninus ein Mann, der sich um seine Lieben sorgte. Er ritt so schnell wie es die Verhältnisse auf der Straße zuließen, aber es machte ihm auch nichts aus, mit drohender Peitsche zu verstehen zu geben, dass man ihm aus dem Weg gehen sollte. Durch seine Kleidung und das feine dunkle, geschmückte  Schuhwerk als Patrizier gekennzeichnet, war Saturninus daran gewöhnt, dass man ihm Platz machte.
"Seit wann leistest du Sklavendienst bei deiner Herrin?", fragte er Owain, der auf seinem Muli ritt.
[Bild: 3_18_08_22_2_20_05.png]
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Honoratior von Iscalis
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05-25-2023, 06:54 PM,
Beitrag #2
RE: Der Sklave und der Patrizier - kurz vor Cheddar
Der Römer ritt mit seinem Pferd voraus, ich folgte ihm mit meinem Muli. Er hatte es wirklich eilig, nach Cheddar zu kommen. Offenbar war diese Deirdre einne seiner Sklavinnen, die ein Kind von ihm hatte. Zumindest hatte ich es so verstanden. Warum sie deshalb in Cheddar leben musste und nicht in diesem riesigen Kasten, in dem er lebte, verstand ich nicht. Aber im Grunde konnte es mir auch egal sein. Die Römer und ihre Art wie sie dachten und handelten, erschienen mir manchmal sehr eigenartig.
Ich ritt mit gemischten Gefühlen nach Cheddar. Was würden die Leute sagen, wenn ich wieder in ihrem Dorf auftauchte, nachdem sie wegen Aglaia so geschröpft worden waren? Sie hatten mir in meiner größten Not geholfen. Dafür war ich ihnen auch dankbar. Aber ich hätte es ihnen auch nicht verdenken können, wenn sie mich jetzt verfluchten, wenn sie mich sahen. Da der Römer ja nicht unsere Sprache verstand, konnte ich den Leuten von Cheddar problemlos ganz nebenbei von den Waffen erzählen, und dass sie sich von nun an nicht mehr fürchten mussten, falls diese Mistkröten noch einmal aufkreuzen sollten. Vielleicht milderte das etwas ihren Zorn.
Wir waren schon ein Stück aus der Stadt heraus, als der Römer mich plötzlich etwas fragte. Eigentlich hatte ich gar nicht damit gerechnet, dass er irgendetwas zu mir sagen würde, denn für ihn waren Sklaven wie die Luft, die man atmete. Er wollte wissen, wie lange ich schon bei Aglaia war. Wahrscheinlich hatte er bereits längst vergessen, dass er damals auch auf dem Markt gewesen war. "Seit drei oder vier Woche," antwortete ich ihm knapp. Ehrlich gesagt hatte ich fast jegliches Zeitgefühl verloren, seit ich bei Aglaia war.
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05-26-2023, 08:15 AM,
Beitrag #3
RE: Der Sklave und der Patrizier - kurz vor Cheddar
"Ach ja, du warst das", sagte Saturninus, der sich zwar an die Sklavenauktion erinnerte, aber nicht mehr an den Sklaven. Er war damals damit beschäftigt gewesen, Aglaia zu beeindrucken und Iulius Cato auszustechen. Er hatte Aglaia den Kaufpreis dann gesendet, wodurch Owain fast so etwas wie zu seinem Geschenk an die Hetäre wurde. Er überlegte:
"Bist du nicht unter dem Kranz verkauft worden?", das bedeutete, dass er als Kriegsgefangener galt:
"Nun ja, jetzt hat ein neues Leben für dich angefangen, und du wirst dein altes vergessen. Und deine Domina scheint ja zufrieden mit deinen Diensten zu sein", lobte er daher, um etwas Positives zu seinem Begleiter zu sagen:
"Du bist ein tüchtiger Schmied, nicht? ", er wurde ernster:
"Ich hoffe, du weißt zu schätzen, dass Rom dich am Leben ließ und dir die Gelegenheit gab, die Zivilisation anzunehmen. Andere Völker bringen ihre Gefangenen einfach um. Und ich hoffe sehr, dass du nicht undankbar bist und deine Träume von Rebellion weiter verfolgst", er seufzte etwas:
"Ich versuche alles, um ein gedeihliches Zusammenleben zu fördern. Du kannst mir glauben, dass ich Übergriffe wie die des Tribunen aufs Schärfste verurteile. Aber das gilt nur, wenn ihr Leute von Cheddar wirklich unschuldig seid. Sollte ich erfahren, dass es einen realen Grund gab, dass er bei euch war, bin ich der Erste, der dafür stimmt, dass das Dorf zuplaniert wird. Also Owain, noch hast du Zeit, mir die ganze Wahrheit zu gestehen. Fürchte dich nicht: Dir wird nichts geschehen. Ich übergebe dich deiner Herrin" Aglaia würde schon wissen, wie sie den Sklaven bestrafte, wenn er wirklich in irgendwelche Umtriebe verwickelt war.
Auf dem Weg kamen sie gleich an der mit Blut geschriebenen Inschrift  vorbei:

Vexillatio T. O. D


Jetzt sah Saturninus die Inschrift mit eigenen Augen. Eine Vexillation war eine militärische Abordnung für besondere Aufgaben, wobei es aber auch einfach um das Fällen von Bäumen eines Waldstücks gehen konnte. Er merkte sich die Initialien. Das O war durchgestrichen und bildete somit ein Schwarzes Theta, ein Todessymbol. Das rief in Saturninus eine flüchtige Angst wach, als würde er sich an etwas Unangenehmes erinnern. Einen Moment lang starrte er die Schrift an. Und dann kam die Erinnerung von vor langer Zeit wieder. Rom. Die Domus Furia. Tote unter seinen Freunden und Bekannten. Der Brief, der der ihn, Saturninus, gehindert hatte, den Weg zu den Ämtern zu begehen, die der Gens Furia zustanden:

Gleich was du tust, in Rom gibt es nichts für Dich
[Bild: Theta-Infelix.png]

Der Grund, warum Tiberius Furius Saturninus überhaupt in der Provinz lebte.

Er schwieg, und dann ritten sie in Cheddar ein. Auf den ersten Blick wirkte es nicht sehr zerstört. Alle Häuser standen noch. Es gab keine Brandspuren. Auch das Meckern von Ziegen, und das Glucksen von Hühnern zeigten, dass die Tiere noch am Leben waren. Aber das Dorf war still, als wäre es ausgestorben. Kein Mensch war zu sehen.

"Versammle die Leute auf dem Dorfplatz. Sage ihnen, der Princeps Officii der Zivilverwaltung möchte zu ihnen sprechen", befahl Saturninus. Ganz richtig war das nicht, denn Saturninus war als Privatmann hier. Aber er wusste, dass sein Titel Eindruck machte, auch wenn er sich nicht mit dem Statthalter abgesprochen hatte.

"Und ich sehe in der Zwischenzeit nach Deirdre"

Deidre bewohnte das einzige Haus, das römisch aussah. Es war rechteckig, weiß getüncht und mit roten Ziegeln gedeckt. Auch hier war alles still.

[Bild: Rhea-1.png]
Bevor er noch die Tür öffnen konnte, stürzte ihm seine eigene Sklavin Rhea entgegen, die Augen von Tränen gerötet.
"Deirdre?", fragte Saturninus, und sein Herz schlug ihm bis zum Hals. 
"Es ist alles gut, Herr. Ich habe sie unter Stroh versteckt, und niemand hat sie gefunden. Und mich selbst habe ich auch versteckt"
Die junge Frau zitterte und jetzt weinte sie. 
"Ist euch wirklich nichts geschehen?"
"Nein. Das ist nur der Schreck. Sie haben wohl gedacht, dass wir alle bei Beltane sind"
"Ich schicke euch später die Villica und ein paar Sklaven. Sie soll euch abholen. Deirdre auch - wenn sie will. Bleibt vorläufig auf dem Landgut"
Deirdre hatte ihren eigenen Kopf. Wer wusste, ob sie ihr neues Heim verlassen wollte? Saturninus hätte es ihr befehlen können, aber das wollte er nicht. Er glaubte auch nicht, dass noch einmal akute Gefahr bestand. 
Er besuchte seine Sklavin, und als er sich vergewissert hatte, dass auch sie gesund und unversehrt war, ritt er weiter zum Dorfplatz.

>>>
[Bild: 3_18_08_22_2_20_05.png]
[Bild: 3_15_08_22_9_31_55.png]

Honoratior von Iscalis
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05-26-2023, 08:46 PM,
Beitrag #4
RE: Der Sklave und der Patrizier - kurz vor Cheddar
Ja, ich war das, dachte ich. Dass das Geld für mich von ihm gekommen war, wusste ich nicht. Das hätte aber auch nichts an meiner Abneigung für diesen römischen Lackaffen geändert. Er war genau so, wie man sich für gewöhnlich einen Römer vorstellte: Von sich selbst überzeugt, überheblich, großkotzig!

Dann sprach er diesen lächerlichen Kranz an, den ich bei meinem Verkauf auf dem Kopf getragen hatte. Ich hatte nicht ganz begriffen, was das eigentlich für einen Sinn haben sollte. Sie meinten, weil ich bei der Niederschlagung eines Aufstandes gefangen genommen worden wäre. Aufstand? Na ja, unter Aufstand verstand ich etwas anderes! Wir hatten uns lediglich gewehrt, gegen die ständigen Schikanen der Römer!
"Ja," antwortete ich diesmal noch knapper. Dann sprach er von einem neuen Leben, das für mich angefangen hätte und dass Aglaia scheinbar mit mir zufrieden sei. "Wahrscheinlich, ja ich denke schon." Was sollte denn diese Fragerei? Wenn er gewusst hätte, wie ich meiner Domina diente! Bei diesem Gedanken musste ich mal kurz grinsen. Das verging mir ganz schnell wieder, als er dann davon sprach, dass ich es hoffentlich zu schätzen wüsste, dass Rom mich am Leben gelassen habe. Pah, solche Sprüche fehlten mir jetzt gerade noch!
"Ich hatte nicht darum gebeten!" murmelte ich genervt vor mich hin. 'Meine Träume von Rebellion', sagte er. Mir wurde gerade richtig schlecht! Anscheinend war es meine Schuld, was diese Schweine in Cheddar veranstaltet hatten. Ja, offenbar dachte er das und er erzählte mir dann auch gleich, was dem Dorf blühte, wenn es sich bewahrheiten sollte, dass ich oder das Dorf schuldig sein sollte. "Ich nichts zu gestehen!" entgegnete ich gereizt. Wenn er ins Dorf kam, würde er von den Leuten schon hören, was passiert war!

Glücklicherweise erreichten wir dann auch schon Cheddar. Wir ritten an den Schmierereien vorbei, die die Soldaten mit Blut hinterlassen hatten. Zwar wusste ich nicht, was diese Zeichen zu bedeuten hatten, aber ich konnte mir schon denken, dass sie nichts Gutes verhießen. Der Römer starrte eine Weile darauf. Offenbar fürchtete sogar er diese Zeichen.
Wir ritten in das Dorf hinein. Mir kam der Gedanke noch einmal zur Schmiede zu gehen, um dort noch einige Dinge zu erledigen. Doch er meinte, ich solle die Leute auf dem Dorfplatz versammeln lassen, weil er zu ihnen sprechen wollte. 
Natürlich blieb unser Erscheinen in Cheddar nicht unbemerkt. Mütter kamen aus ihren Häusern gerannt und brachten ihre spielenden Kinder in Sicherheit. Einige Männer traten auf uns zu und folgten uns mit ihren Blicken. "Owain, warum bringst du uns noch mehr Römer nach Cheddar?" rief mir einer in unserer Sprache hinterher. "Er will mit euch reden," erwiderte ich.

 "Werden diese Schweine bestraft werden?" fragte mich eine ältere Frau, die mir vor wenigen Stunden das alte Jagdmesser ihres verstorbenen Mannes gegeben hatte. "Was glaubst du denn?" antwortete ich mit einer Gegenfrage. Denn jeder hier im Dorf wusste, dass die Plünderungen und Vergewaltigungen keine Konsequenzen für die Schuldigen mit sich ziehen würden. Im Gegenteil. Wahrscheinlich würden die Römer sogar noch einen Grund finden, um wieder zu kommen.

Als der Römer dann zu seinem Kind und seiner Frau ritt, die er hier im Dorf hatte, ritt ich schnell noch zur Schmiede. Dort war noch alles so, wie wir es verlassen hatten. Ich ging ins Haus und sah mich nach meiner Tunika um. Sanft glitten meine Finger über das Bett, in dem ich heute Nacht noch mit Aglaia gelegen hatte. Ich seufzte und ging wieder hinaus. Draußen fand ich nach einiger Suche unsere Schuhe wieder. Ich zog meine wieder an und war froh, diese Holzschuhe von den Füßen zu bekommen. An der Feuerstelle kniete ich mich nieder. Mit den Händen grub ich in der noch warmen Asche, bis ich ein völlig verformtes Stück Metall herausfischte. Ich sah es einen Moment an, dann drückte ich es an mein Herz und begann zu schluchzen. Ich bat die Götter darum, dass sie meine Bitte während des Opfers letzte Nacht, nicht erhört hatten. Hoffentlich hatten sie Aglaias Schoß nicht geöffnet, damit er nicht vom Samen dieses Dreckskerls besudelt worden war.
Ich packte das Metallstück, Aglaias Schuhe und die Holzclogs in die Tunika und machte ein Päckchen daraus, welches ich dann mit zum Dorfplatz nahm.

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