11-09-2024, 03:33 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
Ich war sehr erleichtert, als wir das Schlafzimmer und das Gespräch, welches wir darin geführt hatten, hinter uns gelassen hatten. Nun folgte ich Leander, der mich zur Bibliothek führte.
Als er ganz vorsichtig die Tür zur Bibliothek öffnete, nahm ich kurz darauf einen seltsamen süßlich schweren Geruch wahr, dem ein heftiger Husten folgte. Offenbar war sein Vater inzwischen aufgewacht und rauchte seine Pfeife.
Mein Herz begann schneller zu schlagen, als ich Leander in die Bibliothek folgte und neben ihm stehen blieb. Er hatte mich noch vorgewarnt, aber nichts hätte mich auf den Anblick dieses alten, fast zerbrechlich wirkenden Mannes vorbereiten können, der dennoch mit einer Art verbissener Entschlossenheit seine Pfeife rauchte und immer wieder hustete.
Als Leander mich als seine Verlobte vorstellte, spürte ich, wie mein Herz einen Moment aussetzte, und erwartete eine Reaktion. Doch anstelle von Anerkennung oder Freude blickte er mich verwirrt an und schien mich kaum wahrzunehmen. Dann schüttelte er leicht den Kopf und murmelte mit verärgerter Stimme, dass er keine Besucher mochte. Ich wechselte einen schnellen, fragenden Blick mit Leander, unsicher, ob ich mich vorstellen oder lieber schweigen sollte. Doch bevor ich eine Entscheidung treffen konnte, richtete sein Vater den Blick auf mich, als sähe er mich zum ersten Mal, und sprach mich mit einem Namen an, der mir fremd war.
Tertia nannte er mich und schimpfte, ich solle nicht in der Bibliothek herumlungern. Für einen Moment wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte. Aber die Verwirrung und der leichte Trotz in seinen Augen erinnerten mich an jemanden, der in einem Nebel aus Erinnerungen gefangen war. Ich vermutete, Tertia war der Name seiner Tochter. Schließlich nahm ich mir ein Herz und trat einen Schritt näher.
Mit einem sanften, respektvollen Lächeln nickte ich ihm zu. "Salve, Plautius Seneca, ich danke dir für den Empfang." Ich versuchte, ruhig und klar zu sprechen. "Mein Name ist Norbana Orestilla. Ich bin die Verlobte deines Sohnes, Leander. Ich freue mich, dich kennenzulernen." Ich merkte, wie meine Hände ein wenig zitterten, und verschränkte sie fest vor mir, um nicht meine Nervosität zu zeigen.
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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11-09-2024, 05:47 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
“Das weiß ich doch!“ sagte ich etwas ungehalten und paffte nochmal an meiner Pfeife, als das Mädchen sagte, sie sei die Verlobte von Leander. Das hatte der nichtsnutzige Bursche doch gerade eben gesagt! Ich war doch nicht senil!
Allerdings wurde mein Ärger mit einem weiteren Hustenanfall belohnt, und als ich mir von der ebenfalls nutzlosen Sklavin ein Tuch reichen ließ, war mir, als wäre in dem graugelben Schleim auch ein wenig Rot. Na wundervoll! Kam meine Lunge doch noch heraus!
Ich brummelte etwas unverständliches über die Nutzlosigkeit aller Personen in meinen Bart und sah das Mädchen nochmal an. Sie schaute aus, als würde sie gleich gefressen. “Sie ist zu dünn, du solltest sie mehr füttern“, sagte ich zu Leander. Wenn Mädchen zu dünn waren, waren sie bitter und kratzbürstig, wie meine Alimenta es zu Anfangs gewesen war. Nach drei Kindern und mit etwas Speck auf den Rippen war sie ein wenig erträglicher, auch wenn sie dafür jetzt dauernd Besuch empfangen wollte. Ich hasste Besuch.
Und das sagte ich dem Mädchen auch. “Ich mag keinen Besuch. Wenn meine Frau dich also auf ihre Seite zieht, sag ich gleich, dass mich auch Tränen nicht erweichen werden. Ihr beide könnt Leander mit den Nachbarn quälen, wenn ich mal nicht mehr da bin, und ich hoffe, ihr quält ihn ordentlich. Er soll auch die Freuden einer Ehe mitbekommen, he he he he.“ Oh ja, das würde meinen Schatten beruhigen, zu wissen, dass Leander sich dann mit Bittstellern und komischen Fragen rumärgern durfte und nicht mehr ich. Ich hatte meine Pflicht mehr als erfüllt.
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11-09-2024, 09:38 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
Ich fühlte mich, als würde der Boden unter mir schwanken. Leanders Vater schien mich mit seinen ungeduldigen Worten und dem grummelnden Ton geradezu durchzuschütteln. Dann überkam mich auch noch der Ekel, als sein heftiger Husten einen graugelben Schleim hervorbrachte, den er in ein Tuch wischte, das ihm eine Sklavin gereicht hatte. Dieser körperliche Verfall, den er so trotzig zur Schau trug, gemischt mit seiner Verwirrung über die Realität, berührte mich auf eine Weise, die ich nicht hatte voraussehen können.
Ich bemühte mich, meine Fassung zu bewahren, doch mein Lächeln wurde etwas unsicherer, als er mich mit einem kritischen Blick musterte und von meiner angeblichen Dünne sprach. Fast automatisch verschränkte ich die Arme vor meinem Körper, als könnte das seine Einschätzung irgendwie mildern.
Er machte auch mir gegenüber wirklich kein Geheimnis daraus, dass er keinen Besuch mochte. Ich musste mir eingestehen, dass ich mich wohl noch besser auf seine ruppige Art einstellen müsste. Doch nun mischte sich neben dem Ekel eine Spur von Mitleid in mein Empfinden. Er sprach von seiner Frau, als wäre sie nur einen Raum weiter. Auch Leander kam nicht ungeschoren davon. Doch bei seinem leicht hämischen Lachen konnte ich auch ein leises Kichern nicht ganz unterdrücken. Immerhin schien er Humor zu besitzen, wenn auch in einer Form, die für mich noch gewöhnungsbedürftig war.
"Ich verstehe" sagte ich mit einem schüchternen Lächeln. "Ich verspreche, dass ich mich nicht allzu oft hier blicken lassen werde, werter Plautius Seneca. Aber vielleicht…" Ich suchte nach den richtigen Worten und sah dabei kurz zu Leander, "vielleicht könnte es dir ja irgendwann gefallen, wenn ich ein wenig Zeit mit dir verbringe. Vielleicht bei einem Becher verdünnten Wein?" Ich hoffte, dass die Aussicht auf eine kleine Geste der Höflichkeit ihm ein wenig gefallen könnte.
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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11-10-2024, 07:00 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
Ich schaute sie mir nochmal an und entschied, dass sie definitiv zu zart war. Beim ersten Kind würde sie wahrscheinlich sterben. Leander sollte es doch eigentlich besser wissen! Na, egal, so lange sie ihn bis dahin nur ordentlich quälte. Das würde mir gefallen.
Dass sie versprach, mich nicht zu stören, gefiel mir und wurde mit einem zustimmenden Grunzen quittiert. Aber kurz darauf machte sie den positiven Eindruck auch schon wieder gänzlich zunichte. Sie wollte Wein trinken! Als ob ich guten Wein verschwenden würde!
“Unter meinem Dach trinkt ihr Frauen keinen Wein!“ schimpfte ich. “Oh, ich weiß, Alimenta denkt, ich kriege das nicht mit, aber da irrt sie sich. Und wenn ich nochmal eine von euch dreien dabei erwische, wie ihr heimlich welchen trinkt, leg ich euch übers Knie! Mir egal, wie alt ihr seid!“ entrüstete ich mich rechtschaffen. Was dachten die Mädchen sich nur dabei? Mir war es egal, ob sie jammerten, dass alle ihre Freundinnen Wein trinken durften, in meinem Haus gab es das ganz sicher nicht!
Oh, ich ärgerte mich, weshalb ich gleich nochmal husten musste vor lauter Aufregung.
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11-10-2024, 07:35 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
Heute war zwar kein ganz schlechter Tag, aber auch nicht einer der besseren. Immer wieder drifteten Senecas Gedanken sichtlich zu seiner Familie ab und er verwechselte Orestilla wiederholt mit seinen Töchtern. Als Seneca sich schließlich über das sicher freundlich gemeinte Angebot sichtlich aufregte und hustete, trat Leander schnell vor und klopfte ihm sachte auf den Rücken, um das Abhusten zu erleichtern. Ja, Plautius Seneca würde diesen Winter wahrscheinlich nicht überleben. Und wenn er so weitermachte, würde seine Schwiegertochter – sofern sie nach dieser begegnung noch gewillt war – ihn wohl nicht stark vermissen.
“Niemand hier trinkt Wein, Seneca. Deine Gebote diesbezüglich werden geachtet“, versicherte Leander ruhig und wartete, bis sein Vater wieder Luft bekam und sich im Sessel erschöpft zurücklehnte.
Leander richtete sich ruhig wieder auf und bedachte Orestilla mit einem beschwichtigenden Gesichtsausdruck. “Ich denke, wir sollten ihn wieder etwas ruhen lassen“, meinte er ruhig und führte die junge Frau wieder aus der Bibliothek hinaus zum Atrium.
“Du musst meinem Vater verzeihen. Wie ich gesagt habe: Er mag keinen Besuch und seine Gedanken springen zwischen Gegenwart und Vergangenheit zunehmend hin und her. Ich hoffe, er hat dich nicht zu sehr erschreckt.“
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11-10-2024, 09:56 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
Anfangs war ich noch guter Dinge, überzeugt davon, dass mein Versprechen, ihn nicht oft behelligen zu wollen, Seneca ein wenig besänftigt hatte. Er reagierte auf meine Worte mit einem mürrischen Grunzen, das ich wohl als Zustimmung deuten konnte. Doch als ich dann einen weiteren, wohl zu kühnen Vorstoß wagte, explodierte er regelrecht und begann, mich mit scharfen Worten zu beschimpfen.
Als er mich mit unverhohlenem Zorn bedachte, schoss mir das Blut ins Gesicht. Die Worte brannten, und ich fühlte mich wie ein kleines Kind, das für ein unschuldiges Vergehen zurechtgewiesen wurde. Ich stand da, stocksteif, und wusste weder, wohin mit meinem Blick noch, was ich tun sollte. Alles in mir drängte mich zur Flucht, aber meine Beine schienen wie angewurzelt zu sein. Gerade als ich das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen, trat Leander zwischen uns und besänftigte seinen Vater mit seiner ruhigen Stimme. Er warf mir einen beschwichtigenden Blick zu und führte mich nach draußen ins Atrium.
Kaum draußen angekommen, ließ ich die angestaute Luft in einem tiefen Seufzen entweichen und kämpfte gegen die Tränen, die mir in die Augen stiegen. Ich war bemüht, die Fassung zu bewahren, was mir aber nicht so richtig gelingen wollte. "Er… ich meine, ich…" stammelte ich und wischte mir eine Träne von der Wange.
"Entschuldige bitte, ich ... ich bin so..." schluchzte ich. "Es… es war nur etwas unerwartet." In Wahrheit fühlte ich mich tief erschüttert und fragte mich, ob so meine Zukunft aussah.
Ich warf Leander einen vorsichtigen Blick zu. "Ich hoffe nur, er… ich meine… ich hoffe, er wird eines Tages…" Ich brachte den Satz nicht zu Ende, da ich erkannte, dass es nie ein 'eines Tages' geben würde. Plautius Seneca würde wohl nicht mehr lange genug leben, damit sich das Verhältnis zwischen uns verbessern konnte. Das war der Moment, in dem mir schmerzlich bewusst wurde, wie fehl am Platz ich hier gerade war.
"Ich… ich glaube, ich sollte jetzt besser gehen," sagte ich schließlich, immer noch viel zu aufgewühlt. Ich wollte einfach nur noch nach Hause, diesen Tag so schnell wie möglich hinter mir lassen und ihn einfach nur zu vergessen.
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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11-11-2024, 06:12 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
Der Besuch hatte leider die Wirkung, die Leander befürchtet hatte. Natürlich könnte er ihr nochmals versichern, dass sie nur wenig Berührungspunkte mit Plautius Seneca zu haben brauchte und keine Angst zu haben brauchte und überhaupt, es nur eine Frage der Zeit war, bis das Problem sich von selbst auf natürliche Weise erledigt hatte, aber Leander glaubte zum einen nicht, dass das etwas nützen würde, und zum anderen war ein klein wenig Resilienz durchaus etwas, das er von einer Ehefrau eigentlich erwartete.
“Er wird sich nicht ändern. Und wie ich bereits sagte, es ist ein ziemlich sicherer Weg, unglücklich zu werden, das eigene Glück von der Zuneigung Dritter abhängig zu machen“, meinte Leander sanft, wohl wissend, dass Orestilla selbiges gerade sehr stark tat.
Als sie gehen wollte, nickte er. Natürlich hätte er sich gewünscht, dass der Besuch heute anders verlaufen wäre. Angefangen dabei, dass sie körperliche Anziehung ihm gegenüber empfinden möge und ihn wenigstens hätte küssen wollen, über die vielen Unsicherheiten hinweg bis hin zu Seneca, der so ruppig wie eben immer gewesen war. Allerdings war es nun einmal so, wie es war, und Leander war niemand, der Realitäten verleugnete.
Dennoch war er entschlossen, diese Ehe einzugehen, wenngleich er durch diesen Tag heute erhebliche Zweifel daran hatte, dass sie lange halten würde. Aber er hatte Orestilla sein Wort gegeben, ihr zu helfen, und das würde diese Ehe für sie ermöglichen. Und vielleicht täuschte ja sein Eindruck über ihr unsicheres Verhalten ja auch und es war nur Nervosität, weil sie einander nicht gut kannten. Man würde sehen. Allerdings war ihm auch bewusst, dass es nicht ganz unwahrscheinlich war, dass sie nun davon Abstand nehmen würde, weil sie doch zu romantisch verklärte Vorstellungen hatte. Deshalb sagte er: “Natürlich. Ich lasse deine Sklaven rufen, damit sie sich dir anschließen können.“
Es dauerte auch nicht lange, eben das zu tun, denn so groß war das Haus ja nicht. “Ich hoffe sehr, dich morgen immer noch in der Curia zu treffen. Sollten aber andere Umstände dazu führen, dass du nicht kommen kannst, sende ruhig einen Boten. Ich verstehe es in diesem Fall auch ohne persönliche Erklärung“, bot er ihr einen Ausweg an, der in erster Linie ein hysterisches Auftreten vor dem Duumvir auch verhindern sollte, mit dem sie sich selbst in Anbetracht dessen, dass dieser Mann ihr Vormund bis auf weiteres war, keinen Gefallen tun würde.
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11-12-2024, 09:31 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
Die Begegnung mit Plautius Seneca lag mir noch schwer in den Knochen, während Leander ruhig weitersprach. Es war, als spürte er meine Unsicherheit, doch anstatt sie direkt anzusprechen, machte er mir nur noch einmal unmissverständlich klar, dass sich nichts ändern würde. Das wusste ich ja selbst. Er erinnerte mich erneut daran, dass es mein Unglück nur vergrößern würde, mein Glück von der Zuneigung anderer abhängig zu machen. Ich biss mir auf die Lippen, versuchte die Flut an Gefühlen zu unterdrücken, die diese Worte in mir auslösten. Würde ich hier überhaupt je so etwas wie Glück finden? Im Augenblick zweifelte ich daran, doch blieb mir überhaupt eine Wahl?
Er ließ meine Sklaven rufen, die sich bald darauf wieder im Atrium einfanden. "Wir gehen jetzt," sagte ich, an Phineas gerichtet, doch meine Worte galten allen, die mich begleitet hatten.
Leander machte keinen Versuch, mich zu beschwichtigen oder zum Bleiben zu überreden. Vielleicht war ich ihm längst lästig geworden. Das Gefühl, dass ich ihn enttäuscht hatte, ließ mich nicht los. Vermutlich war ich für ihn nur ein Mittel zum Zweck, um später das Erbe seines Vaters ohne Schwierigkeiten antreten zu können.
Als er kurz darauf meinte, er hoffe, mich morgen in der Curia zu sehen, nickte ich unsicher. "Ich… ich werde morgen da sein," versprach ich und verabschiedete mich mit einem "Vale bene."
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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