10-28-2024, 09:39 PM,
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Empfang der Verlobten
Das Haus war so weit vorbereitet, wie es eben ging. Die Sklaven waren alle angewiesen, sich schon einmal mit den mitgebrachten Sklaven von Norbana Orestilla zu unterhalten und sie ein wenig herumzuführen und ihnen Einblicke zu erlauben, in der Hoffnung, dass auch sie positiv angesprochen sein würden und so ihrer Herrin gut zureden würden, was diese Ehe anging. Leander schätzte Harmonie und Zufriedenheit bei allen ihm Untergebenen. Das hatte sich mit seiner Freilassung nicht geändert, ebenso wenig seine Neigung, die Dinge in diese Richtung auch zu lenken.
Für heute war für Norbana Orestilla und ihn in dem kleinen Triclinum ein kleines Mittagsmahl vorbereitet: Brot vom heutigen Tag, etwas Käse, ein paar gekochte Eier, etwas aufgeschnittener Schinken, ein wenig für den Winter bereits in Honig eingelegte Beeren. Kein allzu protziges Essen, eines Mittagessens noch angemessen, und doch mehr als, nunja, Oliven. Weder wollte Leander protzen, noch Orestilla für ihre Gastfreundschaft vor drei tagen beschämen. Aber er wollte allen die Möglichkeit geben, sich satt zu essen – denn in der Küche stand auch mehr von allem für die Sklaven bereit und wartete darauf, verspeist zu werden.
Als Hector an der Porta genug Radau machte, um Leander dezent vorzuwarnen, erhob dieser sich auch von dem Korbsessel, in welchem er bis gerade eben in der Bibliothek neben seinem schlafenden Vater gesessen hatte und ließ den alten Mann in der Bibliothek unter der Aufsicht der Sklavin Innogen weiterschlafen, während er sich ins Atrium begab, um dort Norbana Orestilla zu begrüßen.
“Ah, Orestilla! Lass mich dich in meinem Zuhause begrüßen“, grüßte Leander auch gleich freundlich. “Ich habe eine Kleinigkeit zu Essen im Triclinum dort drüben herrichten lassen, falls du hungrig bist. Oder ich gebe dir eine kleine Hausführung, wie es dir lieber ist. Deinen Sklaven steht es natürlich auch frei, sich solange etwas umzusehen oder in der Culina dort drüben eine Kleinigkeit zu sich zu nehmen. Nur die Bibliothek sollten wir noch ein wenig meiden, weil mein Vater dort gerade schläft“, setzte er sie also über die Möglichkeiten schnell ins Bilde und hoffte, dass die Sklaven die Gelegenheit ergreifen würden, in der Küche etwas zu essen und zu plaudern, und ihnen beiden so ebenfalls etwas Privatsphäre genau hierfür gewähren würden.
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10-29-2024, 03:47 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
Als ich das Atrium betrat, konnte ich nicht anders, als mich interessiert umzusehen. Das Haus war einladend und ruhig gestaltet, mit einer klaren, schlichten Eleganz, die mir auf Anhieb gefiel. Es passte zu dem Bild, das ich mir insgeheim von ihm gewünscht hatte.
Als ich dann das Atrium betrat, lächelte ich meinem Verlobten höflich zu und versuchte, die Aufregung, die mich beherrschte, zu verbergen. Sein herzlicher Empfang und seine ruhige Stimme ließen mich etwas entspannter werden, während ich seinen Worten lauschte. Dass er sogar an meine Sklaven gedacht hatte und ihnen die Möglichkeit gab, sich ebenfalls wohlzufühlen, beeindruckte mich und zeigte, dass er ein durchdachter und aufmerksamer Mensch war.
Es war für mich noch ungewohnt, als er mich lediglich mit meinem Cognomen ansprach. Doch ja, wir waren ja nun verlobt! So sparte auch ich mir die Förmlichkeiten und verzichtete ebenso auf den Gentilnamen.
"Danke Leander," erwiderte ich sanft und versuchte, meine Stimme ruhig und sicher klingen zu lassen. "Ich denke, ein kleines Mahl im Triclinum wäre eine schöne Gelegenheit, miteinander zu sprechen."
Kurz wandte ich mich noch an Phineas und die anderen Sklaven, die mir mit einem gewissen Abstand gefolgt waren und nun aufmerksam hinter mir standen. "Ihr habt es gehört! Seht euch um, unterhaltet euch mit den Sklaven meines Verlobten, oder wenn ihr mögt, stärkt euch in der Culina." Mit einem Nicken entließ ich sie und wartete darauf, Leander ins Triclinum folgen zu können.
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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10-29-2024, 07:49 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
Dass Orestilla ihn auch beim Cognomen nannte, registrierte Leander mit einem kleinen Schmunzeln. Sie waren vermutlich auf einem guten Weg, trotz ihrer Unterschiede. Leander wartete also einen Moment mit einer einladenden Geste, dass Orestilla sich in die von ihm aufgezeigte Richtung wandte, ehe er sich ihr anschloss und geflissentlich so tat, als würde er die norbanischen Sklaven nicht weiter bemerken. Er hoffte, dass sie die Chance nutzen und sich mit den anderen Sklaven unterhalten würden, und noch mehr, dass sich alle verstehen würden. Aber mehr als hoffen konnte er erst einmal nicht.
Er führte also Orestilla in das Triclinum, in welchem U-förmig die Klinen an der Wand standen und in der Mitte den freien Platz ließen für den Tisch und die bedienenden Sklaven. Es war kein riesiges Triclinum für weitschweifende Partys mit mehr als neun Gästen und eigenen Sitzkreisen für Damen und dergleichen, sondern nur ein praktisches Minimum und im Grunde schon ein Zugeständnis von Plautius Seneca, der Besuch verabscheute und seine Speisen am liebsten sitzend in der Bibliothek einnahm.
“Da wir nur zu zweit sind, nimm bitte Platz, wo es dir am bequemsten erscheint“, lud Leander sie also ein, sich dahin zu legen, wo es ihr genehm war.
Er wies auf eine junge Keltin mit rotem Lockenkopf. “Morwen wird uns bedienen. Wenn du also etwas möchtest, sag es ihr einfach“, stellte Leander die Sklavin vor. “Hector hast du ja schon kennen gelernt, er kam mit uns aus Rom. Dann gib es noch Innogen, die gerade auf meinen Vater aufpasst, und unsere Köchin, Tamsin. Und das war es im Grunde schon. Wir sind ein überschaubarer Haushalt.“ Plautius Montanus hatte sicher über einhundert Sklaven allein an seinem Wohnsitz, die alles am Laufen hielten. Aber Reichtum verpflichtete auch dazu, ihn entsprechend zur Schau zu stellen. Plautius Seneca hingegen war eher sehr sparsam und minimalistisch.
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10-30-2024, 12:51 AM,
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RE: Empfang der Verlobten
Ich nickte Leander dankbar zu, als er mich einlud, Platz zu nehmen. Da wir beide alleine speisen würden, nahm ich auf der Kline neben der des Gastgebers meinen Platz ein. Das Triclinum erinnerte mich ein wenig an unser eigenes, zuhause in Massilia, wenngleich dieses hier etwas schlichter gehalten war. Meine Mutter hatte stets Wert darauf gelegt, unsere Räume mit dekorativen Stoffen, kleinen Kunstgegenständen oder Blumen aus unserem Garten zu schmücken. Dass ich nun allein mit meinem Verlobten speiste – die stille, rothaarige Sklavin zählte ich nicht mit – hätte meiner Mutter sicherlich nicht gefallen. Doch sie war nicht hier, und da mein Vater mir Cassia beraubt hatte, gab es keine Begleitung,die schützend über mich wachte. Doch ich hatte Leander bisher als einen ehrbaren und aufrichtigen Mann kennengelernt. Gewiss würde er diese Situation nicht ausnutzen.
Er begann über die Sklaven im Haus zu sprechen und stellte mir das rothaarige Mädchen vor, das sich wie eine Statue im Hintergrund hielt und auf unsere Wünsche wartete. "Ich hätte gerne etwas Posca", sagte ich mit schüchternem Lächeln in ihre Richtung. Eigentlich mochte ich gar kein Posca, sondern bevorzugte verdünnten Birnensaft oder Rhodomeli. Doch ich traute mich nicht so recht danach zu bitten.
"Nun, ich habe heute Phineas, unseren Maiordomus, Corinna, unsere Köchin, und Evenor sowie Nicander mitgebracht." entgegnete ich meinem Verlobten. Schließlich sollten die Sklaven meine Mitgift darstellen. "Letzterer kam erst kürzlich zu uns. Mein Vater hat ihn in Londinium bei unserer Ankunft erworben, da er ein begnadeter Schauspieler ist und wunderbar Gedichte rezitieren kann." Ich zögerte kurz, unsicher, ob ein solcher Sklave für meinen Verlobten als nützlich gelten würde. "Er ist jedoch auch ein guter Begleiter, wenn ich in der Stadt unterwegs bin," fügte ich schnell hinzu. "Insgesamt sind es fünf Sklaven, denn es gibt auch noch Corax, unseren Ianitor, den ich zu Hause gelassen habe, falls jemand während meiner Abwesenheit an unsere Tür klopfen sollte." Noch immer hatte ich die Hoffnung nicht aufgegeben und hielt eine Rückkehr meines Vaters für möglich.
Leicht verlegen lächelte ich, denn ich wollte das Gespräch am Laufen halten. "Wie lange hast du in Rom gelebt? Ich stelle es mir sehr aufregend vor, mitten in der urbs aeterna zu leben. Leider war ich selbst noch nie dort. Meine ganze Familie stammt aus Massilia." Kaum hatte ich die Frage ausgesprochen, überkam mich ein Hauch von Unsicherheit. Während seiner Zeit in Rom war Leander noch ein Sklave gewesen. Vermutlich hatte das Leben dort für ihn weit weniger reizvolle Seiten gehabt, als ich mir je ausmalen konnte.
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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10-30-2024, 08:20 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
Ein Maiordomus, eine Köchin, ein Ianitor und ein Schauspieler. Nun, das würde vermutlich ein wenig Gerangel um die Posten hier im Haus geben, wobei Leander Hector auf seiner Position belassen würde, schon allein, weil nicht auszuschließen war, dass Orestillas Vater doch noch auftauchen und zumindest einen Teil der Sklaven zurückfordern würde. So wohl auch den Maiordomus, auf dessen Erfahrung Leander in der Zwischenzeit aber durchaus gerne bauen würde. Die Köchinnen sollten die Rangordnung unter sich ausmachen, da würde er sich nicht einmischen. Das hatte Leander schon als Sklave gelernt, dass man Frauen, die täglich mit langen, scharfen Messern hantierten, besser nicht in ihre Arbeit reinredete.
Bei dem Wort Schauspieler hob er allerdings kurz die Augenbrauen. “Ich hoffe, er tritt nicht öffentlich auf?“ fragte Leander dann doch einmal nach. Gegen etwas Unterhaltung innerhalb der eigenen vier Wände, insbesondere für die Damen, hatte er nichts. Aber er war nun auch Rechtsanwalt und hatte da einen Ruf zu verlieren, weshalb er natürlich infames Verhalten nicht befeuern durfte. “so lange es zu deiner privaten Zerstreuung dient oder der Unterhaltung deiner Freundinnen, habe ich keine Einwände. Aber jeglicher öffentliche Auftritt, insbesondere gegen Geld, wäre unserer Reputation in der Stadt abträglich.“
Sie wollte Posca trinken und Leander deutete mit einem Fingerzeig an, dass er auch ein Glas nehmen wollte. Morwen machte sich auch gleich an bedienen und fragte nur einmal kurz an Orestilla gewandt: “Mit Honig?“ Immerhin kannte sie den Gast ja nicht und wusste nicht, wie gesüßt Orestilla ihre Posca mochte. Leander bevorzugte seinen Posca nur leicht gesüßt, was sie wusste.
Orestilla fragte also noch nach Rom und Leander, der sich züchtig auf die Kline des Gastgebers begab, ihr zugewandt, blickte versonnen zu ihr hinüber. Ein klein wenig bedauerte er, nicht bei ihr auf der Kline zu liegen, aber das wäre dem Gespräch wohl eher abträglich gewesen, da sie sich sonst verrenken oder einer von ihnen beiden verkehrt hätte liegen müssen, damit sie sich ansehen könnten. Und vermutlich war diese Art von Nähe noch ein wenig viel für sie, und definitiv recht ablenkend für Leander. Orestilla war zwar jung, definitiv jünger als sein sonstiger Geschmack, aber ihr Körper war definitiv mit sanften Rundungen an allen interessanten stellen ausgestattet, an die Leander gerade der Konversation willen nicht denken wollte.
“Nun, es war anders als hier und gab mir durchaus Grund dafür, Frieden und Abgeschiedenheit zu schätzen“, fing er schmunzelnd an und überlegte, was er erzählen sollte. “Ich wurde im Haus Caius Plautius Verax, dem Vater von Caius Plautius Seneca, geboren. Und die meiste Zeit meines Lebens verbrachte ich auch dort. Wir sind erst vor zwei Jahren hierher nach Britannia gezogen. Das Haus ist um einiges größer, etwa dreimal so groß wie dieses. Zwei Stockwerke, ein größeres Triclinum, ein eigenes, kleines Bad...“ Etwas, das dieses Haus hier nicht besaß. Allerdings war das nächste Badehaus direkt schräg gegenüber, die Thermen etwa zehn Minuten Fußweg entfernt und für die ganz harten Fälle gab es im Hof einen ziemlich robusten Zuber. Eigene Bäder waren Luxus und allgemein absolut unüblich. Manche Personen bauten sich in ihre Häuser halbe Thermen mit tiefen Becken ein, aber sicherlich nicht der überwiegende Großteil der Leute, nicht einmal die wohlhabenden.
“Ich bin in etwa im Alter von den Töchtern meines Vaters und war so die ersten Jahre ihr Spielkamerad und durfte auch dem Lehrer lauschen, wenn sie Unterricht hatten. Ich lernte ansonsten von meinem Vorgänger die Regeln zur Führung eines Haushaltes, wurde dann der Schreiber meines Vaters und lernte so die Rechtskunde. Schließlich wurde ich Maiordomus vor mittlerweile acht Jahren.“ Soviel zum Kurzabriss seines Werdeganges, nun zu Rom. “Rom selbst war in der Zeit nicht immer ein angenehmer Wohnort. Es gab viele Brände, zuletzt der große unter Nero, bei dem der ganze Caelius und der Aventin abgebrannt sind. Das Haus steht am Rand des Esquilin und entging dem Feuer knapp. Das Vierkaiserjahr hingegen war nicht ganz so gnädig und wir mussten zwischenzeitlich zu freunden aufs Land fliehen. Erst mit Vespasianus war es wirklich sicher, dort zu bleiben.
Nachdem aber die Frau meines Vaters verstorben war und seine Töchter alle schon lange verheiratet sind, wollte er weg aus Rom und kein so großes Haus mehr unterhalten. Mein Vater hat kein vergnügen an Festen und dergleichen. Zu ihrer Lebzeit hat seine Frau ihn dazu genötigt, aber als Witwer wollte er das nicht mehr. Und das effektivste Mittel, allen Nachbarn und verwandten zu entfliehen, schien ihm der Umzug in eine junge Provinz, in der nur ein entfernter Verwandter beheimatet war, der selbst so reich war, dass er ihn nicht wegen Erbschaftsangelegenheiten oder dergleichen behelligen würde.“
Das war vermutlich weniger glamourös, als sie es sich vorgestellt hatte, aber es war die Wahrheit.
“Ich selbst muss auch zugeben, dass mir Britannia da bislang besser zusagt als Rom. Viel weniger Sicherheitsbedenken, weniger Intrigen und Politik. Auch wenn ich manchmal darüber nachdenke, vielleicht nach Londinium zu ziehen. Allerdings würde ich das definitiv zuvor ausführlich besprechen und deine Wünsche dabei natürlich berücksichtigen.“
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10-31-2024, 12:41 AM,
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RE: Empfang der Verlobten
Als ich Nicander erwähnte, hob Leander überrascht die Augenbrauen, und ein Anflug von Skepsis schlich sich in seinen Blick. "Natürlich tritt Nicander nicht öffentlich auf," beeilte ich mich zu erklären. "Das hätte Papa sicher nie erlaubt! Er rezitiert seine Texte nur für mich. Aber wenn er spricht, dann bringt er die Worte wirklich zum Leben, fast so, als würde ich in eine andere Welt eintauchen. Oft, wenn ich mich etwas verloren gefühlt habe, hat mir das geholfen." Ich spürte, wie meine Wangen leicht heiß wurden, als ich von Nicanders Fähigkeiten zu schwärmen begann, aber ich hielt Leanders Blick stand. Es war für mich ungewohnt, so ehrlich über meine Gefühle zu sprechen, und trotzdem fühlte es sich richtig an, ihn wissen zu lassen, wie es mir ging. Ebenso, dass ich meine neue Umgebung und seine Gesellschaft trotz allem zu schätzen wusste.
Leander ließ sich ebenfalls Posca einschenken und bedeutete der Sklavin, ihm ein Glas zu reichen. Als sie mich fragte, ob ich ihn mit Honig gesüßt haben wollte, weiteten sich meine Augen. Honig! Der war uns schon vor Wochen ausgegangen. Der verräterische Glanz in meinen Augen war kaum zu unterdrücken. "Oh ja, bitte! Mit Honig!" entgegnete ich erfreut bei der Aussicht auf diesen kleinen Luxus.
Mit Interesse hörte ich seinen Erzählungen über das Haus zu, in dem er als Sklave aufgewachsen war und wie er vom Spielkameraden der Töchter seines Herrn zum Anwalt wurde. Als er über die Unruhen in Rom sprach, die politische Instabilität und das große Feuer unter Nero, fühlte ich mich ein wenig verloren. Politik war für mich immer ein undurchdringliches Thema gewesen, vielleicht auch ein wenig beängstigend, und ich wusste kaum etwas über die Ereignisse, die dort vor meiner Geburt oder in meiner frühen Kindheit geschehen waren.
Vor zwei Jahren war er schließlich nach Britannia gekommen und sein Vater hatte Londinium einem kleinen Provinzkaff vorgezogen, was ihm auch zupass kam, obschon er über einen Umzug in die Provinzhauptstadt nachdachte.
"Es klingt, als wäre dir und deinem Vater hier in Britannia eine große Last von den Schultern gefallen," sagte ich schließlich nachdenklich.
"Weißt du," begann ich leise, "manchmal frage ich mich, ob es klug war, nach Britannia zu kommen. Ich wollte nur weg aus Massilia… weg von meiner Mutter und ihren Vorstellungen, wer der passende Ehemann für mich sein sollte." Ich hielt inne und suchte nach den richtigen Worten. "Damals dachte ich, Britannia wäre ein Abenteuer, und alles klang so aufregend. Das Unbekannte schien so verlockend." Ein trauriges Lächeln huschte über mein Gesicht. "Aber jetzt weiß ich, wie naiv das war." Ich wagte einen scheuen Blick zu ihm. "Vielleicht finde ich hier dennoch ein Zuhause. Es ist beruhigend zu wissen, dass ich jemanden wie dich habe, mit dem ich reden kann." Ich lächelte ihm dankbar zu.
Doch als ich daran dachte, was er über seinen Vater erzählt hatte, kamen mir plötzlich Zweifel. Er schien ein kauziger alter Mann zu sein, der wenig Wert auf Gesellschaft legte. Stattdessen zog er die Ruhe und Zurückgezogenheit seines Hauses vor. Mir kam eine weitere Frage in den Sinn, die ich zögernd aussprach: "Denkst du, dass dein Vater mich überhaupt mögen könnte?"
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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10-31-2024, 01:19 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
Sie musste ein sehr einsames Leben bislang geführt haben. Leander hoffte doch, dass sie trotz seiner Arbeitszeiten nach der Hochzeit genug Sozialkontakte pflegen würde, um auf den Trost durch Schauspieler nicht angewiesen zu sein. Vielleicht war es aber auch eher sexuelles Verlangen, was sie antrieb – wogegen er grundsätzlich nicht einmal Einwände hatte, wie er ihr auch schon direkt gesagt hatte. Solange sie es diskret hielt und auf Zeiten oder Praktiken beschränkte, in denen sie kein Kind von ihm empfing. Nun, sie würden sehen.
Morwen gab einen Klecks Honig in Orestillas Posca und rührte sachte um, bis dieser sich gelöst hatte, ehe sie die Getränke servierte und dann weiter wartete, bis irgendjemand etwas zu essen haben wollte.
Derweil ging das Gespräch weiter, und sie kamen auf Plautius Seneca zu sprechen. Leander nahm das kleine Kompliment, ein guter Zuhörer zu sein, mit einem freundlichen Nicken hin und überlegte dann, wie er am besten auf Orestillas frage antworten sollte, ohne sie zu erschrecken. Aber bislang waren sie ehrlich miteinander gewesen, da wollte er jetzt nicht mit Halbwahrheiten anfangen.
“Caius Plautius Seneca mag niemanden so wirklich, oder zumindest gibt er sich die allergrößte Mühe, diesen Anschein zu erwecken. Weder seine Frau, noch seine Kinder wurden je mit zärtlicher Herzlichkeit bedacht, also solltest du besser nicht erwarten, dass er sich dahingehend äußert. Allerdings ist das keine Böswilligkeit oder etwas wie Hass, sondern… sagen wir einfach, er hat schon viel zu viel von menschlichen Abgründen in seinem Leben erfahren, um zu beschließen, mit all dem nichts zu tun haben zu wollen. Wäre er ein Philosoph, wäre er wohl neben Diogenes ebenfalls in eine Tonne gezogen, nur um sich dann über die Nachbarschaft zu beschweren.“ Leander schmunzelte kurz, um den letzten Teil als Scherz kenntlich zu machen.
“Aber keine Sorge, er wird mit dir als Braut einverstanden sein und keinerlei Einwände gegen die Hochzeit haben. Wahrscheinlich wird er dich eher auffordern, mich als Ehefrau auch ordentlich zu piesacken, wie seine Frau es seiner Meinung nach mit ihm getan hat. Und ehrlicherweise ist seine Gesundheit mittlerweile auch so schlecht, dass die Ärzte wenig Hoffnung haben, dass er den Winter übersteht. Und selbst dann wäre er zwar ein grummeliger Zeitgenosse, aber zufrieden, wenn man ihn mit seiner Pfeife und seinen Büchern einfach nur in Frieden lässt und nicht zu gesellschaftlichen Tätigkeiten zwingt.“ Oder anders ausgedrückt, Orestilla würde damit warten müssen, ehe sie Feste geben konnte, wenn sie dies denn unbedingt tun wollen würde. Aber ansonsten bestand für sie keine große Gefahr.
“Ich habe den ersten Entwurf eines Ehevertrages auch schon aufgesetzt. Er enthält ziemlich viel juristische Fachsprache, aber die für dich wesentlichen Punkte sind, dass es eine manusfreie Ehe sein soll, deine Mitgift die Sklaven sein werden, die du mitbringst, und deren Namen wir dann noch einfügen müssen an der passenden stelle, und dass dein Vater alle Sklaven zurückkaufen kann. Ich habe dabei die etwas schwammige Formulierung zu einem angemessenen Preis gewählt, um deinem Vater möglichst große Freiheiten diesbezüglich einzuräumen. Solltest du für irgendeinen Sklaven wünschen, dass dieser nicht zurück an deinen Vater gehen können soll, müsstest du mir das mitteilen, damit ich die Klausel anpassen kann.“ Dabei spielte Leander auf diesen Nicander an. Sofern Orestilla ein romantisches Interesse an dem Sklaven hegte, wollte sie vermutlich nicht von ihm getrennt werden.
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10-31-2024, 11:20 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
Morwen reichte mir das Getränk und der süß herbe Duft des Honigs stieg mir in die Nase. Ich nahm einen kleinen Schluck und ließ die milde Süße auf der Zunge zergehen, die den sauren Geschmack des Poscas sanft überdeckte. Dann wandte ich mich wieder Leander zu, während er von seinem Vater sprach und ein Bild eines kalten und distanzierten Mannes zeichnete, der selbst für seine Familie kaum Wärme zeigte. Ich spürte eine Mischung aus Mitgefühl und leiser Beklommenheit und schluckte, bevor ich nach den richtigen Worten suchte, um nicht taktlos zu erscheinen.
"Es klingt, als hätte dein Vater ein schweres Herz," sagte ich schließlich leise und hielt kurz inne. "Hattest du jemals das Gefühl, dass er vielleicht trotzdem stolz auf dich war oder Zuneigung für dich empfand? Selbst wenn er es nie offen gezeigt hat?" Meine Stimme klang fast scheu, während ich versuchte, ihn nicht zu verletzen.
"Mein Vater war so ganz anders," fügte ich nachdenklich hinzu und schüttelte den Kopf. "Ich kann gar nicht zählen, wie oft er über seine eigenen Interessen hinweggegangen ist, nur um mir etwas zu ermöglichen. Manchmal habe ich das Gefühl, er hätte alles für mich getan, auch wenn es vielleicht nicht immer das Richtige war." Ein schwaches Lächeln umspielte meine Lippen, als ich an meine Reise nach Britannien dachte.
Leander schmunzelte plötzlich, und sein Vergleich seines Vaters zu Diogenes ließ mich überrascht blinzeln. Die Vorstellung, wie ein älterer Herr mürrisch in einer Tonne lebte und sich über die Nachbarn beschwerte, war so absurd, dass ich für einen Moment brauchte, um es zu begreifen und dann leise, aber herzlich zu lachen begann. "Das ist eine... sehr anschauliche Vorstellung," antwortete ich, kaum in der Lage, mein Grinsen zu unterdrücken. "Aber irgendwie auch beruhigend. Solange ich mich nicht wie seine Nachbarin fühle, stehen unsere Chancen vielleicht gar nicht so schlecht, dass wir gut miteinander auskommen."
Meine Zweifel lösten sich dann endgültig, als Leander mir versicherte, ich müsse mir keine Sorgen machen, dass mich sein Vater ablehnen würde. Doch mein Lächeln verblasste leicht, als er beiläufig erwähnte, dass es mit seiner Gesundheit nicht gut stand. Ich zögerte, da ich mir unsicher war, wie viel Trost oder Nähe gerade angebracht war.
"Das tut mir leid, Leander," sagte ich schließlich sanft. "Es muss schwer sein, das zu erleben, selbst wenn…" Wieder hielt ich kurz inne und suchte die passenden Worte. "Selbst wenn die Beziehung zu ihm nicht immer ganz einfach war."
Dann kam er auf den Ehevertrag zu sprechen und erklärte, dass er die Grundzüge bereits ausgearbeitet hatte. Meine Mitgift sollten die Sklaven sein, die ich mitbrachte, aber mein Vater könnte sie zu einem angemessenen Preis zurückkaufen. Eine eigentümliche Erleichterung überkam mich, als er den Punkt erwähnte, dass man diese Klausel individuell anpassen könne, falls ich verhindern wollte, dass ein bestimmter Sklave an meinen Vater zurückging. Auch bemerkte ich, dass er mich dabei aufmerksam ansah. Ich wurde das Gefühl nicht los, er könnte dabei an Nicander denken, auch wenn er seinen Namen nicht aussprach.
Doch ich tat es. "Nicander sollte bitte von einer Rückgabe ausgeschlossen werden. Papa hat ihn nur für mich gekauft und ich möchte ihn unbedingt behalten."
Noch einmal nippte ich an meinem Getränk und hoffte insgeheim, dass mir damit niemand mehr Nicander wegnehmen würde. Schließlich hob ich den Kopf und sah Leander mit einem schüchternen Lächeln an.
"Also..." begann ich zögernd, "wenn du schon den ersten Entwurf des Ehevertrages vorbereitet hast, dann bedeutet das wohl, dass wir bald heiraten werden, nicht wahr?" Ich hielt kurz inne und biss mir auf die Lippe, bevor ich weitersprach: "Hast du schon einen bestimmten Zeitpunkt im Kopf? Dann könnte ich bald mit dem Weben meines Brautkleides beginnen." Ich spürte, wie mein Herz ein wenig schneller schlug, während ich seine Antwort erwartete.
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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11-01-2024, 05:44 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
Entweder hatte Orestilla keinen Hunger, oder sie traute sich nicht, ihrem Hunger Ausdruck zu verleihen. Leander beschloss, es ihr etwas einfacher zu machen und ließ sich etwas Brot, ein Ei und ein wenig Schinken auflegen und fing an, nebenbei in kleinen Happen zu essen.
Bei ihrer Erzählung über ihren Vater wurde Leander ein klein wenig misstrauisch. Er hoffte, dass sie nicht von ihm verlangte, dass er sich jeder ihrer Launen beugte. Er war gern im Rahmen des Vernünftigen bereit, sie zu unterstützen in ihren Wünschen, aber er war sicher niemand, der unsinnige Wünsche ohne Rückfragen unterstützte oder sich Launen hingab. Grenzen waren wichtig. Nicht, um andere Personen zu gängeln und auch nicht mit Gewalt, aber sie gaben Menschen auch Sicherheit. Einen Rahmen, innerhalb dessen sie in Sicherheit wachsen konnten. Einen Halt in schwierigen Zeiten. Wer immer nur seinen Launen folgte, war wie ein Schiff bei Sturm, getrieben von einem Ort zum anderen, ohne Ziel vor Augen und den Gezeiten schutzlos ausgeliefert. Das fand er nicht im mindesten erstrebenswert.
Da war auch die frage etwas verwirrend, ob Seneca ihm gegenüber Zuneigung empfand oder nicht. Leander unterbrach sein Mahl und sah etwas verwirrt auf. “Ich strebte nie nach gezeigter Zuneigung oder geäußertem Stolz. Ich weiß, dass ich die Dinge, die ich gemacht habe, gut gemacht habe, völlig unabhängig von der Zuneigung anderer, insbesondere der von Caius Plautius Seneca. Sich von der Zuneigung anderer abhängig zu machen, erscheint mir als recht sicherer Weg, unglücklich zu sein. Und würde Caius Plautius Seneca mich für ungeeignet halten, hätte er mich denke ich nicht freigelassen und als Erben benannt.“
Vermutlich war das nichts, was eine junge Dame mit romantischen Vorstellungen so hören wollte. Allerdings konnte Leander da auch nicht lügen. Und abgesehen von jungen Damen wüsste er auch niemanden, der sich ernsthaft darum sorgte, ob andere ihn mögen könnte. Nach Anerkennung zu streben war in gewisser Weise recht unrömisch. Daher hatte er bis zu eben jener Frage noch nicht einmal darüber nachgedacht.
Daher war es für ihn auch nicht so schwer, jetzt mitzuerleben, wie Seneca langsam aber sicher starb. “Er hatte ein sehr erfülltes Leben, dessen Erinnerung ich aufrecht erhalten werde. Ich denke, er ist durchaus zufrieden mit dem, was er erreicht hat. Lediglich, dass er sein Buch nicht selbst beenden kann, grämt ihn mehr, als er zugeben möchte. Zumindest erweckt er an seinen guten tagen diesen Anschein.“ An den schlechten tagen erinnerte er sich nicht immer, wer er war oder wer Leander war. Da gab es dringlichere Probleme als Rechtsschriften.
Das Thema schien hinreichend erörtert, weshalb Leander sein Essen wieder aufnahm und kleine Stücke Brot vom Teller zupfte. Und wie er vermutet hatte, wollte Orestilla Leander behalten. “Ich werde den Absatz entsprechend anpassen“, meinte er nur freundlich. Das Gespräch über akzeptable Sexpraktiken mit diesem Sklaven konnte warten, im Moment würde so viel Ehrlichkeit sie womöglich überfordern.
Als sie fragte, wann er heiraten wollte, weil sie erst noch weben wollte, war Leander dann aber doch noch einmal etwas überrascht. Da sie sich entschieden hatten, auf Feier und damit auf Zeremoniell zu verzichten, hatte er angenommen, dass auch solche Dinge wie das Weben einer Tunica recta entfallen konnten. Aber offenbar nicht.
“Ich wollte gerne möglichst bald in die Ehe eintreten. Angesichts deiner momentanen Situation fand ich das für uns beide als vorteilhaft.“ Er sah Orestilla freundlich an. “Daher ist eher die Frage, wie lange du zum Weben benötigst, wenn du das gerne tun möchtest. Ich persönlich glaube dir deine Fertigkeiten im Weben auch ohne selbstgewebte Tunika.“
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11-02-2024, 07:18 PM,
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RE: Empfang der Verlobten
Ich beobachtete Leander, wie er sich von Morwen Brot, Schinken und ein Ei auf den Teller legen ließ und in kleinen Bissen zu essen begann. Da merkte ich, dass ich auch etwas essen könnte, obwohl ich mir nicht sicher war, ob es Hunger oder Appetit war.
"Für mich bitte auch etwas Brot, Schinken und Käse", sagte ich zu der Sklavin, und während sie mir den Teller herrichtete, hörte ich Leanders Ansichten weiter zu. Seine Einstellung dazu war nüchtern und pragmatisch. Er schien keinen Wert auf die Zuneigung und Anerkennung anderer zu legen, sondern handelte aus einem inneren Antrieb heraus. Er war ein Mann, der seinen Wert nicht an der Meinung anderer maß, sondern an der Qualität seiner eigenen Arbeit.
"Ich verstehe", sagte ich schließlich leise, in meiner Stimme lag mehr Nachdenklichkeit als Zustimmung. "Für mich ist das nur ... schwer vorstellbar." Meine Augen suchten die seinen, als wollte ich herausfinden, ob er mich für naiv hielt. Mein Leben war so anders verlaufen. Als jüngstes Kind meiner Eltern war ich das Nesthäkchen der Familie gewesen. Da meine Geschwister viel älter waren, genoss ich oft die ungeteilte Aufmerksamkeit meiner Mutter. Sie hatte mich zwar streng und pflichtbewusst erzogen, immer darauf bedacht, mich auf meine Rolle als zukünftige Ehefrau eines angesehenen Mannes vorzubereiten. Aber hinter der Strenge verbarg sich auch Zuneigung. Die Wärme einer Mutter, die meine Bedürfnisse erkannte und darauf einging. Mein Vater, der oft abwesend war, schien mir immer seine Großzügigkeit und Nachsicht zu schenken, um mich für die versäumte gemeinsame Zeit zu entschädigen.
Als Leander schließlich von Seneca sprach, der sein Lebenswerk nicht mehr selbst vollenden konnte, fühlte ich ein leises Bedauern in mir aufsteigen. Der Gedanke, dass jemand im Alter sein Werk unvollendet hinterlassen musste, machte mich traurig. "Das ist bedauerlich. Aber du wirst sicher sein Vermächtnis vollenden", antwortete ich schließlich sanft.
Als Leander sich wieder dem Essen zuwandte, folgte ich seinem Beispiel und stellte fest, dass es eigentlich mehr Hunger als Appetit war, der mich zum Essen trieb. Der Käse und auch der Schinken waren sehr schmackhaft und das Brot rundete beides hervorragend ab. Dann fiel mein Blick auf die eingelegten Beeren. Ich liebe Süßes und fragte mich, ob es wohl sehr unverschämt war, wenn ich mir davon noch einige geben lassen würde.
Dann ging Leander auf meine Frage nach dem Hochzeitstermin ein und überraschte mich mit seiner Antwort. Offensichtlich hatte er erwartet, dass ich auf die Tradition des Webens einer tunica recta verzichten würde. Dabei war das Weben des Brautkleides der wichtigste Teil der Vorbereitungen - zumindest wenn es nach meiner Mutter ging. Aber aus Leanders Worten schloss ich, dass es ihm nicht viel bedeutete. Er wollte bald heiraten, und da würde mir nicht viel Zeit zum Weben bleiben. Meine Wangen röteten sich leicht und ich senkte kurz den Blick, bevor ich leise antwortete: "Ich werde wohl ein paar Monate dafür brauchen. Aber ..." Ich zögerte und sah dann zu ihm auf. "Wenn du bald heiraten willst, kann ich das auch darauf verzichten."
Die letzten Tage hatten mein Leben bereits völlig auf den Kopf gestellt. Nichts war mehr so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Warum also sollte ich jetzt noch auf einer tunica recta bestehen? Leanders nüchterne Sicht der Dinge ließ keinen Platz für romantische Traditionen oder Mädchenträume.
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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