Eine der kleinen, regelmäßigen Feiern im Statthalterpalast
Lucius Petilius Rufus tat so, als hätte er einen unbeschwerten Abend.
In regelmäßigen Abständen kam der Statthalter Britanniens auch seinen sozialen Verpflichtungen nach und lud Teile der Oberschicht Londiniums oder der Verwaltung (oder gemischte Gruppen aus beiden Bereichen) zu einem offiziell informellen Abendessen in den Statthalterpalast ein, um Beziehungspflege zu betreiben, wie es so schön hieß. Dabei war die Teilnehmerzahl stets auf insgesamt neun teilnehmende Herren beschränkt, so dass es als ein informelles Essen im Triclinum durchgehen konnte, auch wenn es nicht im Triclinum stattfand, sondern dem großen, säulengestützten Atrium im Privattrakt des Praetoriums nach der Empfangshalle, so dass die Herren auch die dazugehörigen Damen mitbringen konnten, die daneben bequem in Korbstühlen dinieren konnten mit seiner eigenen Gattin, und gegebenenfalls sogar noch irgendwelchen Klienten, die in der Empfangshalle verköstigt wurden, bis sie zum geselligen Teil nach dem eigentlichen Essen und den wichtigen Gesprächen, die dabei geführt wurden, dann hinzukommen durften.
Der gefräßige Teil war auch schon erledigt, so dass sich alle erheben und im Raum herumspazieren oder sich zu den Latrinae zurückziehen konnten. Ein paar Wachen sorgten dafür, dass niemand wirklich in die privaten Bereiche des Praetoriums vordringen konnte, der dort nicht hingehörte, und einige eifrige Sklaven kümmerten sich noch um die ganz durstigen. Das Thema des Abends war natürlich neben der wirtschaftlichen Lage auch die sicherheitstechnische Lage. Und hier war Rufus dann doch sehr erfreut, endlich die Meldung zum allgemeinen Klatsch freigeben zu können, dass die XX Valeria Victrix unter Fabius Priscus diese vermaledeite Druideninsel vor der Küste zum zweiten Mal nun eingenommen hatte. Dieses Mal auch mit sehr viel weniger Gegenwehr, denn allem Anschein nach waren die dortigen Krieger so sehr von der römischen Fähigkeit, hinüberzuschwimmen, beeindruckt gewesen, dass sie sich kampflos ergeben hatten. Rufus kam das durchaus sehr gelegen, er war im allgemeinen nicht blutrünstig und hatte ganz sicher nichts gegen eine einfache Eroberung.
Die XX Valeria Victrix war also auf dem weg nach Norden zur IX Hispania bei Eburacum, von wo aus sie den Norden endlich noch weiter befrieden wollten. Rufus hingegen war auf dem Weg von einem nun eher beiläufigen Gespräch zum anderen und hoffte, dass dieser Abend sich nicht allzu lange hinziehen würde, denn er hatte sich mittlerweile von einem Sklaven schon den kleinen Lederball bringen lassen, um etwas zum zudrücken zu haben, wenn sein Gegenüber ihn mit Belanglosigkeiten folterte und dessen Hals leider als Ziel dieses Impulses ausfiel. So knetete er also unauffällig hinter seinem Rücken den kleinen Ball, während er von einem Gespräch zum nächsten schlenderte.
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