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[Tiberius Furius Saturninus]

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Saturninus hatte Corvus Unterlagen vor sich liegen und starrte darauf. Schwer wog die Empfehlung des Excenturios Sabinius Merula. Der Mann war ein Kriegsheld. Sein Wort hatte Saturninus genügt. Die Bürgerurkunde, die eine Abschrift des Originales aus Calleva Atrebatum war, sah aus, wie solche Abschriften nun einmal aussahen. Saturninus hoffte sehr, dass es eine plausible und gute Erklärung für Corvus Verhalten geben würde. Hoffentlich ist es eine Weibergeschichte, dachte er. Oder von mir aus auch was mit einem Kerl. Er hätte es mir einfach sagen sollen....

Valentinus kam nun mit einem Bürger herein, den Saturninus noch nie zuvor gesehen hatte. Soweit sich der Furius erinnerte, stand heute kein Termin an, aber die Wachen hatten ihn anscheinend passieren lassen.

Saturninus legte die Schriftrolle und  die Tabulae beiseite und schaute mit einiger Neugier den Besucher an. Wer Provinzialbeamter war, grüßte nicht zuerst, der wurde gegrüßt.

Sein Gegenüber: Römisch, gut gekleidet, tadellose Haltung. Keine patrizischen Insignien. Ein Ritter vielleicht? Einen Ritterring trug der Mann aber auch nicht. Also Plebs.

[Lucius Caecilius Taurus]

Lucius sah sich um. Für seinen Geschmack nahmen sich die Beamten hier etwas zu wichtig, doch andererseits sprach dies dafür, dass sie hier nicht auf allzu viele Annehmlichkeiten verzichten mussten. Iscalis verstand sich offensichtlich als Außenposten der römischen Zivilisation. Diese Provinzler hatten ja offenbar sogar begonnen, professionelle Wagenrennen zu veranstalten.
Und vor ihm ein Beamter wie er im Buche stand, einige Jahre jünger als er selbst. Stocksteif und mit diesem kühlen Blick, den die Patrizier so gut beherrschten, denn er zeigte ihm, dass er was besseres war. Gesocks allesamt.
"Salve", grüßte der Neuankömmling höflich und mit einem ebenso kühlen Lächeln. "Mein Name ist Lucius Caecilius Taurus und ich bin mit meiner Familie erst vor kurzem hergezogen. Und zwar in das Anwesen im Neubaugebiet. Sei mir gegrüßt."

[Tiberius Furius Saturninus]

Saturninus lehnte sich zurück und brachte es fertig, einen fragenden Gesichtsausdruck anzunehmen - nicht ärgerlich, sondern ein wenig perplex, wie wenn man bei einem barbarischen Fest bei völlig unsinnigen Dingen, die die Einheimischen vollführten,  zuschaute, aber Haltung bewahrte, weil man ja eingeladen worden war:
"Neubaugebiet? Aha. Ich hoffe, dass Du dich dort schon gut eingelebt hast, werter Bürger Caecilius Taurus", sprach er in jenem akzenturierten Latein, das seine gute Bildung verriet*:
"Bist du eventuell näher mit Caecilius Iucundus in Pompeji verwandt? Dann spräche dir mein Beileid aus zu diesemVerlust"
Die Gens Caecilia hatte im Gegensatz zu der Furia aktuell einige bedeutende Politiker. Jener Iucundus aber war ein reiner Geldhai gewesen - gewesen, weil Saturninus annahm, dass auch er bei dem großen Vulkanausbruch umgekommen war. In der Lava waren auch hoffentlich  die furischen Schuldscheine verglüht, die dieser Mann besessen hatte. Zumindest die kleine furische Ferienvilla hatte ja dieses Schicksal ereilt . 
Da der Besucher kein Anliegen geäußert hatte, zeigte Saturninus wieder sein höfliches, aber leicht irritiertes Lächeln, während sich seine dunklen Augen bereits auf die nächste Tabula richteten. 
Wusste der Geier, warum Valentinus diesen Neu-Iscaler angeschleppt hatte? Und warum die Wache ihn überhaupt durchgelassen? Eventuell sollte man die Neuerung einführen, dass sich die Leute nicht nur Termine geben sondern auch den Grund ihres Vorsprechens nennen sollten. Das würde ihm, Saturninus, unnütze Unterhaltungen, ersparen.

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*Sim off: Oxfordenglisch   

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[Lucius Caecilius Taurus]

Taurus war zufrieden, denn sein Gegenüber verhielt sich genau wie der Emporkömmling, der er war. Dieses merkwürdige Lächeln erkannte er jedes Mal wieder. Sie alle lächelten so, zu Beginn. Sobald sie erkannten, wozu er fähig war und was sie von ihm brauchten, änderten sich die Dinge meist schnell. Und im Vergleich zu Rom gab es hier nur sehr wenige Patrizier, denen er demonstrieren musste, wie die Dinge lagen.
"Caecilius Iucundus? Entfernt, ja. Ein Geldverleiher, nicht wahr? Wir standen nicht eng im Kontakt, wenngleich sein Tod natürlich... bedauerlich ist."
'Bedauerlich' war ein gedehnter Begriff. Sein Onkel hatte früher häufig versucht, sich in die erfolgreichen Operationen von ihm und seinem Bruder einzumischen, doch war dieser nutzlose Kerl immer viel zu unwichtig gewesen, um seine Teilnahme auch nur in Erwägung zu ziehen. Dennoch war er Familie. Und die Katastrophe von Pompeji hatte noch viele mehr Opfer gefordert.
Nun, er hatte die wenigsten davon gekannt, warum sich also zu sehr ablenken lassen?
"Tatsächlich habe ich mich gut eingelebt. Die Baumeister haben den Domus genau entsprechend meiner Vorgaben hergerichtet. Er ist vollkommen angemessen für meine Familie." Was bedeutete, dass das Ding verboten dekadent war. "Ich lade dich gern dorthin ein, immerhin will ich den Großen und Mächtigen dieser Stadt in angemessener Weise meine Aufwartung machen. Für heute hätte ich jedoch ein Anliegen.
Tatsächlich befindet sich neben meinem Haus auch mein Geschäft und Lagerhaus im Neubaugebiet. Ich bin Spediteur und erhoffe mir hier im Norden reiche Geschäfte. Und für alles, was ich erstehe, gibt es Interessenten, weshalb ich auch ein Handelshaus in der Stadt besitze. Leider ist die Straße dorthin noch nicht wirklich... ausgebaut. Das will ich gern ändern, schnellstmöglich, wenn es geht."

[Tiberius Furius Saturninus]

"Wenn ich einmal in diesem Sektor zu tun habe, werde ich gewiss einen Besuch machen, werter Caecilius Taurus", erwiderte Saturninus mit jener Geduld, die man mit solchen Leuten haben musste, die glaubten, dass die Furier jegliche Einladung annahmen. 
Doch das Geschäft des Mannes weckte Saturninus Interesse:
"Spediteur? Das ist ein Gewinn für Iscalis.  Welche Waren beförderst du?", fragte er einen Tick freundlicher.
 Saturninus hätte nämlich gerne für den Rennstall Pferde aus dem Ausland eingekauft.  Er hatte gelesen, dass das Volk der Parther im Osten  unvergleichliche starke Tiere mit goldenem Fell züchtete, "Himmelsdrachen" nannte man sie. Solche Himmelsdrachen wollte er zu gerne in die eigene Zucht einzukreuzen; goldene Felle mussten in einer Quadriga einfach großartig aussehen. Es gab nur einen Schönheitsfehler: Das Partherreich befand sich mehr oder weniger im Dauerclinch mit dem Imperium Romanum. Bestimmt würden sie so etwas Kriegswichtiges wie Pferde nicht an ihre potentiellen Gegner verkaufen.
Aber der Mann wollte noch mehr. Er wollte eine neue Straße von der Hauptstraße zu seinem Lager- und Warenhaus.
Saturninus wiegte den Kopf leicht hin und her. Wie jeder gute Staatsbeamte saß er auf dem Staatssäckel:
"Wie es dir sicherlich bekannt ist, werden in Britannien wie in anderen Provinzen auch, vier Typen von Straßen angelegt. Staatsstraßen und Provinzstraßen werden von Rom beziehungsweise von der Provinzverwaltung geplant und gebaut. Städtische Straßen, die plant und finanziert das hiesige Rathaus. 
Aber das Neubaugebiet und deine Domus liegen so weit außerhalb des Stadtkerns, dass es sich bei deinem Anliegen vermutlich um den Fall einer Via Privata handelt, einer rein privaten Straße.
Es bleibt dir natürlich unbenommen, den vorhandenen Weg  auf eigene Kosten zu verbreitern und zu pflastern. Pass beim Verbreitern nur auf, dass nicht irgendeine Insula in der Nachbarschaft einstürzt. Das würde hässlich"
Saturninus lächelte wieder freundlich:
"Ich bedaure sehr, dir keine günstigere Auskunft geben zu können" 
Ich hoffe doch sehr, dass dieser Taurus jetzt nicht auf irgendeinem Gutachten besteht, um zu schauen, zu welcher Klasse seine Straße gehören würde, dachte er.

[Lucius Caecilius Taurus]

Caecilius Taurus lebte nach einer Devise: Wenn du wütend bist, verletzt, jemanden demütigen willst oder einfach beim Verhandeln, lächle. Lächeln verschaffte Kontrolle über eine Situation und verwirrte den Gegner. Und für einen Mann wie ihn war beinahe jeder ein Gegner, in welcher Hinsicht auch immer.
Er verlor sein Lächeln nicht, obwohl er genau erkannte, dass der Furier ihn hier nicht nur belehrte, sondern ihm auch noch eine Abfuhr erteilte. Doch eines nach dem anderen.
"Du fragst, welche Waren ich befördere. Ich frage, welche nicht?", sagte er. "Ich habe meine Geschäfte vor meine Reise hierher merklich ausgebaut. Es war mir wichtig, selbst für das Fortkommen meiner neuen Heimat einen Anteil zu leisten, sodass meine Karawanen höchstselbst den Großteil der Lieferungen in dieses Städtchen handhaben - und bald auch von hier fort, wie ich hoffe."
Die Implikationen entgingen dem Furier hoffentlich nicht, obwohl Patrizier bekanntermaßen sehr singuläre Gedankengänge besaßen, dachte Taurus, ohne eine Miene zu verziehen. Er ging davon aus, weitaus mehr Beachtung zu finden, hatten erst alle Beteiligten verstanden, wie unangenehm das Leben sein konnte, wenn der Lieferant nicht mitspielte.
Als ihm der Furier die Abfuhr erteilte, seufzte Taurus, scheinbar enttäuscht.
"Das ist schade", seufzte er. "Die Straßen im Neubaugebiet sind noch nicht wirklich... angemessen und ich fürchte, mit den Lieferungen könnten sich Verzögerungen ergeben, solange dies sich nicht ändert. Immerhin, welcher Lieferant würde glauben, dass sich das Lager an einem Ort befindet, der so schwer zugänglich ist..."

[Tiberius Furius Saturninus]

Wieder änderte Saturninus seinen Ton. Von freundlich zu geradezu fast liebenswürdig:
"Karawanen sagst du, werter Caecilius Taurus? Es hat nichts mit der Straßenangelegenheit zu tun, sondern ich frage nur aus rein persönlichem Interesse? Wie gut sind deine Kontakte in den weiten Osten? Nach Duros Europos beispielsweise?" 
Duros Europos war die bedeutende Grenzstadt zwischen römischem und Partherreich. Sie gehörte mal mehr dem einen oder dem anderen. Zur Zeit wurde sie von einem gewissen Seleukos verwaltetr, der den Titel "Strategos" führte. Ihre Lage hatte die Stadt zu großem Wohlstand geführt, denn trotz allem: Die Römer brauchten die Parther und umgekehrt. Vom Osten kam begehrte Ware, vom Westen her begehrtes Gold. Wenn Saturninus an seine goldfelligen Pferde gelangen wollte, musste er jemanden kennen, der Strategos Seleukos kannte.
Caecilius Taurus gab jetzt zu bedenken, dass es Lieferkettenschwierigkeiten geben könnte, wenn die Straße nicht ausgebaut war.
Saturninus sah etwas betroffen drein. Sein Blick fiel auf die süßen Datteln, von denen immer eine Silberschale auf seinem Tisch stand. Importware waren sie.
Er nahm die Schale und bot Taurus eine an:
"Ich hoffe doch nicht, dass es dann Probleme bei der Dattellieferung gibt", sagte er dabei in größter Harmlosigkeit, als würde er sich nur für Süßigkeiten interessieren.

[Lucius Caecilius Taurus]

"Duros Europos, sagst du?", fragte Taurus nachdenklich. "Hm, ich würde sagen, ganz gut. Mein Bruder war es immer, der mehr nach Osten expandieren wollte, während es mich in den Norden zog. Heh, glücklicherweise sind wir zu Zweit, sodass beides kein Problem darstellte. Aus dem Osten kommen die Waren die wir gern hätten und im Norden werden wir sie wieder los. Ich müsste ihn fragen, doch vermutlich wird er in der Stadt einige sehr bedeutende Kontakte pflegen, bedenkt man ihre Bedeutung für den Handel. Ich denke, du könntest Glück haben. Je nachdem, was du von dort zu erwerben wünschst."
Taurus ließ es sich nicht anmerken, doch er war höchst zufrieden mit der Richtung, die dieses Gespräch nahm.
"Dattellieferungen... Hm, ich weiß nicht, ob es solch unbedeutende Dinge wie Datteln betrifft, obwohl ich es natürlich nicht hoffe. Die Zwischenlagerung in unserem Lager ist wichtig für die genaue Katalogisierung und wenn die Lieferanten es wegen dieser Lage nicht finden, führt das zu unliebsamen Komplikationen. Je nach Ware womöglich sogar zu einem Rücktransport bis nach Londinium. Und das will natürlich keiner."

[Tiberius Furius Saturninus]

Unwillkürlich tauschten sich die Rollen, jetzt hatte Saturninus das Gefühl, Caecilius Taurus Informationen aus der Nase ziehen zu müssen.  Warum hielt er sich so bedeckt, was den Bruder anging? Jeder andere hätte mit Kontakten zum Strategos von Dura angegeben. Wollte der vielleicht nicht? Dachten sie, sie kämen an den Iscaler Furiern vorbei oder die Geschäfte, die ihn interessierten, wären nur Kleinigkeiten? 
" Ich hätte dann durchaus eine größere Sache für den Herren Bruder. Sogar eine sehr große. Keine Datteln, überhaupt nichts Essbares. Im übrigen werden die, wenn man sie nach Londinium zurück schickt, irgendwann auch einmal schlecht. Es ist keine ewig haltbare Ware.
Was ich will, ist nicht verderblich. Bei meinen Geschäftsbeziehungen möchte ich mich jedoch weniger von Glück leiten lassen als vom Wissen.
Also wäre dein Bruder beispielsweise in der Lage, mir zwei jener goldfelligen Pferde zu besorgen, für deren Zucht die Parther berühmt sind?"

 Jetzt war die Katze aus dem Sack beziehungsweise das Pferd aus dem Stall. Saturninus machte sich nichts vor. Die beiden Pferde konnten ein Vermögen kosten. Aber was tat man nicht alles für die geliebte Veneta. Der Furius hatte allerdings schon eine Idee, wie er seine Kosten senken konnte. Zum Beispiel durch die Bewilligung einer schönen, breiten Provinzialstraße bis in das Neubaugebiet hinein zum Kontor  seines neuen Geschäftspartner... aber nur falls, falls der die Himmelsdrachen beschafften konnte....

"Apropo: Interessierst du dich eigentlich für Wagenrennen, werter Caecilius Taurus?"

[Lucius Caecilius Taurus]

Taurus wartete, bis der Furier wegsah und rollte mit den Augen.
"In der Tat, ihre Verderblichkeit macht einen Rücktransport von Datteln eben zu einem nicht wünschenswerten Szenario", sagte er mit einer geduldigen Stimme, die verbarg, wie sehr ihn diese Nennung des Offensichtlichen innerlich aufregte. Er hasste es, wenn Menschen ihm nicht folgen konnten - was zugegebenermaßen meist der Fall war, denn er setzte bei anderen dieselbe Kombinationsgabe voraus, die er selbst besaß. Das haute nicht immer hin. "Eben drum sollte alles getan werden, dass eine problemlose Zuordnung in Iscalis möglich ist, nicht wahr?"

Nun jedoch wurde es wirklich interessant, denn der Furier hatte eine große, eine wirklich groooße Bestellung vor, die ihn teuer zu stehen kommen konnte. Diese Viecher waren nicht billig. Er war mehr ein Hundefreund denn ein Pferdenarr, doch selbst er hatte von dieser Rasse gehört und wusste, dass die Parther nicht eben gern mit ihnen, nun... parteten.
"Ob ich Wagenrennen mag?", fragte Taurus und schnaubte lächelnd. "Nun, ich sehe sie mir an und genieße die gesellschaftlichen Events, aber mein Sohn, Cursor, schwärmte schon in Rom dafür. Er ist ein richtiger Rennnarr. Ich selbst bin mehr ein Freund der eigenen körperlichen Ertüchtigung.
Ich habe schon gehört, dass diese Stadt sich bezüglich der Wagenrennen sehr zufriedenstellend zu entwickeln scheint. Vielleicht unterstütze ich diese Bemühungen, sobald es meine Lage zulässt. Gladiatoren besitzt ihr noch nicht?"
Die Kampfkunst interessierte ihn persönlich mehr als Rennen, doch im Grunde kam er persönlich ohne beides aus.
"Aber zurück zu deinem Anliegen. Ich bin zuversichtlich, dass mein Bruder die Tiere beschaffen kann. Doch ich kann nicht versprechen, dass sie preiswert - oder auch nur annehmbar - sein werden. Das wird eine teure Angelegenheit."
Und wenn zwei solche Preistiere zurück nach Londinium gebracht werden mussten, weil eine Straße noch nicht breit genug war... Tja, das wäre ärgerlich.