Mein schlauer Plan war nach hinten losgegangen. Ich hatte geplant gehabt, dass Cassia und ich uns hier als
Scheinsklaven einen guten Lenz machen würden. Wir hätten in der unfreundlichen Jahreszeit, die in Britannien länger dauerte als in unserer Heimat Syria, ein Dach über dem Kopf, ein Bett und immer genug zu essen. Im Sommer aber würden wir dem Dominus eine lange Nase drehen und unser altes Straßentheaterleben wieder aufnehmen.
Was ich nicht bedacht hatte: Auch wenn ich ein freier Peregrinus war, Cassia war ja wirklich eine Sklavin. Die junge Domina mochte sie allerdings gerne und behandelte sie eher wie eine kleine Freundin.
Doch plötzlich wurden Umstrukturierungen in der Familia angegangen, und es wurde beschlossen, dass Maiordomus Phineas Cassia auf dem Sklavenmarkt verkaufen sollte. Eine Akrobatin als Gesellschafterin schien nicht angemessen für ein junges Mädchen, das gut heiraten sollte.
Ich aber hatte schon länger andere Aufgaben im Haus, von mir war keine Rede.
Alle Leichtigkeit, alle Schönheit waren dahin, als man meine liebe kleine Cassia fortführte. Ich fühlte mich wie eine Demeter, der Persephone von Hades geraubt wurde, und klagend wie Demeter irrte ich umher und weinte.
Dann klopfte ich immer noch tränenüberströmt an Norbana Orestillas Zimmertür und ermahnte sie in Versen aus einer Tragödie, dass immer noch die Unsterblichen über uns Arme und Heimatlose wachten. Selbst der Geringste konnte zu ihnen Zuflucht nehmen:
"Domina, o Domina,
Das eiskalt Bildnis eines guten Herren
Blutloser Rest des edlen Hauses
Vergönnt sei es mir, dich nun anzurufen
Damit du des armen Nicanders Klage hörst.
Des Vaters Hand, die diese Wunden schlug.
Grausam der Mund, die die Befehle gab
Grausam das Herz, das Herz hatte es zu tun!
Grausam das Blut, das Cassia nun verstieß.
Heilloses Schicksal trifft die Elende,
Die gebunden nun ihr Heim verlassen muss,
Verwahrlost und in fremde Hände jetzt gegeben
so unschuldig wie ihr nun schuldig seid.
Das Erbe seiner Unmenschlichkeit
beschwöre ich die Manen, zu bestrafen,
doch dich bitte ich inniglich o Domina
zum strengen Vater noch einmal zu flehen“*
* sehr frei nach Shakespeare: Richard III