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Ein Schlüssel ist keine Magie
05-29-2024, 09:37 AM,
Beitrag #1
Ein Schlüssel ist keine Magie
Ich war schwanger. Und ich war unglücklich. Cato sah ich fast gar nicht mehr, er lebte ganz offen mit seiner Geliebten. Wie gerne hätte ich diese Farce von Ehe hinter mir gelassen. Doch ich war nicht einmal fähig gewesen, Cato zu vergiften! Ich hatte mir nur gewünscht, dass er mich lieben würde.
Und ich  wagte es nicht, mit meinem Vormund über eine Scheidung zu sprechen. Was hätte er mir gesagt? Liebes Kind, du hast es so wollen! Hatten dich nicht einige vor dem Charakter deines Ehemanns gewarnt? Hast du nicht gedacht, ihn zähmen zu können? Und - der wichtigste Punkt: Kann man dem Sämann vorwerfen, dass er sein Feld nicht bestellt hat? Das hat er, wie man sehen kann.
Meine Schwangerschaft verlief so, dass man lange sehr wenig sah. Tatsächlich nahm ich in der ersten Zeit sogar ab - denn ich übergab mich morgens ständig.
Anaxarete tröstete mich: "Mein armes Lämmchen, mein armes Täubchen" und dann sehr sorgenvoll: "Bestimmt wird es ein Mädchen. Das sind die langen Haare, die deinen Magen kitzeln...."
Ich riss gespielt entsetzt die Augen auf: "Du meinst, ich habe ein kleines Mädchen fix und fertig im Bauch? Mit langen Haaren? Hat es etwa sogar Sandalen an?"
Ja, das war das Geschwätz von abergläubischen Sklavinnen. Ich wusste doch, dass es ein Junge würde, die keltische Hexe hatte es mir vorausgesagt. 
Mir war Morgens also regelmäßig schlecht, und daher dauerte es immer eine Weile, bis ich mich zurecht gemacht hatte und fertig war. Nefertem kümmerte sich um den Haushalt. Mir fiel die Decke auf den Kopf. Seit dem Frühlingsfest bei Furia Stella war ich nicht mehr aus gewesen:
"Ich lasse mich jetzt in die Thermen tragen, mir ist langweilig", verkündete ich, und da Anaxarete am Weben war, nahm ich sie nicht mit, sondern eine iulische Badesklavin namens Rosula.
So war ich angekommen. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, und mir wurde warm. 
Als ich aber durch das Tor hineingehen wollte, schossen zwei Thermendiener auf mich zu:
"Edle Dame, du kannst jetzt leider nicht eintreten", sagte einer.
Ich runzelte die Stirn: "Und warum nicht?", fragte ich.
"Es ist schon nach der sechsten Stunde des Tages. Bald kommen die Herren, Domina"
Nicht nur der Sonnenstand, auch eine Sonnenuhr sagte mir, dass sie recht hatten. Trotzdem wünschte ich ihnen in diesem Moment die Pest an den Hals....
ich wollte mich wortlos abwenden, da merkte ich, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Seit wann war ich so nahe am Wasser gebaut? Verflixte Schwangerschaft.... und wie fad war es mir....
[Bild: 3_15_08_22_9_35_15.png]
Vormund (Tutor):  Manius Claudius Menecrates
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05-29-2024, 03:40 PM,
Beitrag #2
RE: Ein Schlüssel ist keine Magie
Mein Plan, mich an eine der höhergestellten Damen der gesellschaft ranzuschmeißen und mir ihre Freundschaft mit meinem kleinen Schlüssel zu erkaufen, war bislang nicht aufgegangen. Die meisten der Iscaler Frauen waren durchaus zufrieden damit, früh aufzustehen, um in den Thermen zu verweilen, während die Männer arbeiteten und hatten wenig Bedürfnis danach, daran etwas zu ändern. Und während die normale Mittelschicht sehr gerne mit mir redete und Gerüchte austauschte, weigerte sich die Elite beharrlich, mich wirklich anzuerkennen und bedachte mich mit abschätzigen, eifersüchtigen Blicken. Vertrocknete alte Schnepfen, alle miteinander. Bei ihren Ehemännern hätte ich durch meinen Zugang zu den abendlichen Thermen wesentlich bessere Chancen, mir ihre Gunst zu sichern, wäre da dieser verfluchte Vertrag nicht.
Nach einem also einigermaßen erfolglosen Vormittag hatte ich beschlossen, zum Abschluss meines Besuches noch eine Taberna im Frontbereich der Thermen aufzusuchen. Neben zig Tuchmachern, Wein- und Ölverkäufern, Kerzenziehern und Barbieren gab es dort tatsächlich eine geschäftstüchtige Frau – ich vermutete, sie wollte aus Ägypten kommen, zumindest schminkte sie sich derartig und hatte sich einen relativ falsch klingenden, griechischen Akzent antrainiert – die hochwertige Perücken und Kosmetik nicht nur anbot, sondern einen auch schminkte und die Nägel schön machte. Für Perücken hatte ich nun nicht so viel Verwendung im Moment und schminken lassen wollte ich mich nicht, aber eine ordentliche Pediküre und Maniküre war schon etwas für sich, und das nahm ich gerne in Anspruch.

Ich saß also gerade auf einem äußerst bequemen Korbstuhl, der sich erfreulich sanft nach hinten wölbte, während besagte Ägypterin gerade meine Zehennägel leicht feilte und anschließend ölte, als ich das sich anbahnende Drama an der Eingangstüre zur Therme mitbekam.
Das war doch Claudia Sabina? Oh, nicht dass ich mal mit ihr gesprochen hätte. Sie war mit diesem Widerling Iulius Cato verheiratet, der zwar Narcissus durch die Laken gescheucht hatte, allerdings Aglaia mehrfach bedroht hatte. Und seiner Frau jeglichen Umgang mit uns verboten hatte, wenn cih das richtig mitbekommen hatte.
Allerdings war der Mann auch nie da. Er war immer bei der Legion, und ja, es gab einiges an Gerüchten mittlerweile. Über ihn und über seine Frau. Das arme Ding, wird von ihm in seiner Stadtwohnung eingesperrt. Empfängt nie Besuch, kommt nie in die Thermen! Ihr Mann läd alle Einladungen ab! Und dabei lebt er in der Castra mit seiner Sklavin wie mit einer Ehefrau! Der Schuft, der Gauner! Dass sie sich nicht schon längst hat scheiden lassen bei dieser schändlichen Behandlung! Bestimmt erpresst er sie! So oder so ähnlich war die einhellige Meinung der Damen in den Thermen.

Und andere mochten Mitleid oder Schadenfreude dabei empfinden, was sich jetzt abspielte mit der weinenden Claudia, ich aber sah vor allen Dingen eines: Eine sich bietende Gelegenheit.
Ich überlegte also nur kurz, als die junge Frau anfing, auf offener Straße zu weinen, und erhob freundlich trällernd meine Stimme. “Domina Claudia! Oh, Domina Claudia! Darf ich dich einladen, dich zu mir zu setzen?“ Ich deutete auf den baugleichen, noch unbesetzten Korbstuhl direkt neben mir und setzte mein allerfreundlichstes und unschuldigstes Lächeln auf, als würde ich gar nicht bemerken, dass hier eine edle Patrizierin gerade mitten auf dem Thermenvorplatz in Tränen ausbrechen wollte.
[Bild: 1_27_01_24_7_06_00.jpeg]
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05-30-2024, 01:36 PM,
Beitrag #3
RE: Ein Schlüssel ist keine Magie
Ich kämpfte wie gesagt mit den Tränen und hoffte, dass die Szene gerade niemand gesehen hatte. Es gab nichts Schöneres als Schadenfreude, und dass man der Claudia quasi die Tür vor der Nase zuschlug, hätte bestimmt so manche erfreut. Schon weil sonst nicht viel passierte. Hier war eben nicht Alexandria oder Rom; Iscalis war klein, und die hier ansässigen römischen Damen enorm konservativ. Auch in ihrer Kleidung, da hinkten sie für gewöhnlich so zwei, drei Jahre der Mode hinterher. Viele mochten Cato nicht. Doch was schlimmer war als Ablehnung, war das teils aufrichtige, teils geheuchelte Mitleid, das mir neuerdings entgegen schlug: Claudia Sabina, die grüne Witwe....

Ich wollte mich wieder in die Villa Iulia zurücktragen lassen, als ich eine angenehme Stimme sagen hörte:

“Domina Claudia! Oh, Domina Claudia! Darf ich dich einladen, dich zu mir zu setzen?“


Die Stimme hatte etwas ganz und gar Fröhliches und schien aus einer der Tabernae zu kommen. Der Kontrast zum Sonnenlicht war stark, und ich hielt mir eine Hand vor die Augen, um sie zu beschatten. Die Stimme kam aus einem zum Platz hin offenen Ladengeschäft und  gehörte zu einer jungen Dame, die mir bisher nicht vorgestellt worden war. 
Sie war etwas älter als ich, stammte wie ich annahm, aus Nubien und saß in einem Korbsessel, während eine Ornatrix, die ihr Haar blauschwarz (mit Indigo?) eingefärbt hatte, vor ihr kniete und die zierlichen dunklen Füßchen bearbeitete.
An der Nubierin war nichts provinziell, das sah ich sofort. Sie hatte jene lässige Eleganz, die man nur bekam, wenn man wirklich schon was von der Welt gesehen hatte, ein süßes Gesicht und wie gesagt, eine nette Stimme. Ihren Stand hätte ich nicht so recht einordnen können, aber ihre Redeweise war ehrerbietig. 

Ich begriff sofort: Wenn man in einer blöden Situation steckt, war es am besten, so zu tun, als sei es Absicht.  Nun tat ich eben so, als hätte ich genau nach dieser Taberna gesucht.

"Salvete", grüßte ich freundlich und winkte Rosula, mich zu begleiten: " Ist DAS die Taberna der... aegyptischen Kosmetikerin? Ich wollte schon immer einmal herkommen, hatte nur zu viel zu tun"

Das war glatt gelogen, der Laden fiel mir das erste Mal auf.
Ich setzte mich langsam  in den mir angebotenen Korbsessel, nachdem Rosula ihn mir zurecht gerückt hatte:

"Puh, ist das heute warm. Man könnte glauben, am Nil zu sein, und nicht am Iscafluss. Bitte für mich die gleiche Behandlung wie für die Dame neben mir", sagte ich und streckte die Füße aus. Eine Fußmassage konnte nie schaden:

"Es tut mir  Leid, dass ich mich nicht deines Namens entsinne", sagte ich vorsichtig zu meiner Nachbarin. Nefertem, der oft den Dienst eines Nomenclators versah, war nicht mitgekommen. Ich hatte ja auch nur in die Thermen gehen wollen. Aber die schöne Nubierin kannte mich, so mochte es sein, dass ich sie auch kennen musste. Vielleicht war sie sogar eine Bekannte von meinem Mann, der sich gerne mit exotischen Leuten umgab.
[Bild: 3_15_08_22_9_35_15.png]
Vormund (Tutor):  Manius Claudius Menecrates
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05-31-2024, 08:20 PM,
Beitrag #4
RE: Ein Schlüssel ist keine Magie
Sie kam tatsächlich! Mein Lächeln wurde eine Spur ehrlicher und ich wartete geduldig, bis sie sich in den Korbsessel neben mir gesetzt hatte und so tat, als wäre das von Anfang an ihr Plan gewesen. Oh, wenn sie so tun mochte, als wären wir hier verabredet, dann sicher, konnte ich mitspielen. Immerhin schuldete sie mir dann einen Gefallen, und man konnte nie genug Gefallen ansammeln. Man konnte nie wissen, wann man sie einmal brauchte.

“Kiki“, meinte ich ganz fröhlich beiläufig, als sie mich nach meinem Namen fragte, auch wenn das die Illusion der Verabredung ein wenig zerstörte. Aber solange ich auch so tat, als wäre das ganz normal, meinen Namen zu vergessen, machte das nicht, wie ich schon oft festgestellt hatte. Solange man so tat, als wäre das eigene Vorgehen genau so geplant und alles einfach nur ein großer Spaß, fingen die Leute um einen herum an, einem das irgendwann zu glauben.

“Und es freut mich, dass du jetzt die Zeit gefunden hast. Die gute Teti hier hat ein wundervolles Talent, einem hübsche Nägel zu zaubern. Und wie ich immer sage, nichts macht eine feine Dame mehr aus, als der Zustand ihrer Nägel.“ Eigentlich hatte ich mir das gerade frisch ausgedacht, aber es klang so wie etwas, das ein reiches Mädchen so sagen könnte.

Ich wartete einen Moment, bis besagte Frau, die höchstwahrscheinlich nicht Teti hieß, sondern sich nur so nannte, um mehr Kunden anzulocken mit einem exotischen Namen, kurz ein weiteres Fußbad für Claudia Sabina anrührte und damit kurz soweit außer Hörweite war, dass es schicklich war, verschwörerisch zu werden. Ich lehnte mich also etwas zu ihr hinüber, als wären wir alte Freundinnen, und senkte etwas meine Stimme.
“Ich hoffe, du findest mich nicht zu aufdringlich. Ich hab dich nur gerade gesehen, wie unhöflich diese kleinen Türsteher zu dir waren. Das war wirklich zu gemein, und bevor die alten Klatschweiber wieder was zum lästern finden, dachte ich so bei mir Kiki, hilf der netten jungen Claudia. Ich würde ja auch wollen, dass man mir hilft, wenn so ein Rüpel sich nicht zu benehmen weiß.“
Erstmal langsam vorantasten und abchecken, ob sie mir wohlgesonnen – oder besser den alten Schachteln etwas nachtragend gegenüber – war, damit ich wusste, wie ich weiter vorgehen sollte. Man durfte nur nicht zu schnell mit der Tür ins Haus fallen.
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06-02-2024, 04:57 PM,
Beitrag #5
RE: Ein Schlüssel ist keine Magie
"Kiki ist ein hübscher Name. Bedeutet er nicht 'Kind vom Maulbeerbaum?`" sagte ich, denn ich hatte den Namen Kiki in Alexandria ab und an gehört:
"Und eine aegyptische Teti gibt es hier auch! Das ist ja ein Zufall!"
So viel alexandrinisches Flair hatte ich seit zwei Jahren nicht mehr um mich herum gespürt. Eine feine Dame war ich allerdings, die Wert auf gepflegte Fußnägel legte, und ich wollte mich vor Kiki nicht lumpen lassen, so ließ mir von Rosula nun die Schuhe ausziehen. Teti lächelte kurz, als ich ihren Namen lobte, dann ging sie, mir ein Fußbad anzurühren.
Meine neue Bekannte beugte sich zu mir und sagte in verschwörerischer Weise:
“Ich hoffe, du findest mich nicht zu aufdringlich. Ich hab dich nur gerade gesehen, wie unhöflich diese kleinen Türsteher zu dir waren. Das war wirklich zu gemein, und bevor die alten Klatschweiber wieder was zum lästern finden, dachte ich so bei mir Kiki, hilf der netten jungen Claudia. Ich würde ja auch wollen, dass man mir hilft, wenn so ein Rüpel sich nicht zu benehmen weiß“

Ich schüttelte den Kopf:

"Ich bin dir im Gegenteil dankbar, dass Du mir den Tag gerettet hast, werte Kiki. Ich wäre jetzt nach Hause gegangen und hätte mich den Rest des Tages fürchterlich gelangweilt. 
Der dumme Badesklave aber hatte vermutlich nur seine Befehle. 
Ich schlafe zu gerne lange aus und komme regelmäßig für die Damenbadezeit zu spät. Der Sklave kann mich ja schlecht in die Thermen hinein gehen lassen,  wenn dort lauter nackte Männer baden"

Ich wollte jedoch nicht, dass mich Kiki für ein unerfahrenes, junges Mädchen hielt, und so fügte mit einigem Stolz an:
"Nicht, dass ich noch nie einen nackten Mann gesehen hätte. Ich bin schließlich schon länger eine Matrona und weiß gut Bescheid"

... noch besser würde ich Bescheid wissen, wenn mein Ehemann meine Gesellschaft öfter suchen würde, dachte ich.

Ich merkte plötzlich, dass ich inwendig fast platzte, weil ich niemanden hatte, mit dem ich offen reden konnte. 
Meine Cousine Serena war so ehrpusselig und kritisierte ihren drögen Saturninus kein einziges Mal, obwohl der sich nicht nur mit Frauen sondern auch Männern befasste.  Auch meine Freundin Prisca war eine so gute Matrona, und ich glaube, dass Sabinius Merula sie sehr liebte, denn ich hatte nie gehört, dass er andere Frauen auch nur ansah. Und meine andere Freundin Furia Stella und ihr Mann Gabinius Secundus waren geradezu ein Herz und eine Seele, zwischen die kein Papyrus passte. 
(Ich war die einzige Unfähige in dieser Runde)
Meine alte Anaxarete war zwar lieb, aber nur eine Sklavin, und die anderen Honoratiorengattinnen waren eben genau das - Klatschweiber, die die Leere ihres Geistes mit bösem Tratsch überspielten.

"Bist du denn auch verheiratet?", fragte ich Kiki und stützte mein Kinn in beide Hände.
[Bild: 3_15_08_22_9_35_15.png]
Vormund (Tutor):  Manius Claudius Menecrates
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06-02-2024, 08:51 PM,
Beitrag #6
RE: Ein Schlüssel ist keine Magie
“Wunderbaum, nicht Maulbeere“, korrigierte ich noch immer leicht dahinlächelnd. Eigentlich hatte ich mir vor langer Zeit diesen Namen ausgesucht, weil er so schön einfach war, nicht wegen seiner Bedeutung. Wer benannte sich schon nach einem stark giftigen Strauch? Ich hätte auch nicht gedacht, dass irgendwer jemals die Bedeutung kennen würde. Aber egal, ein Name war so gut wie ein anderer, was mich betraf, und Hauptsache, die Claudia mochte mich und fand mich sympathisch, denn das war der Zweck dieser Übung.

Und dann kicherte ich, als sie meinte, sie könne ja schlecht in die Thermen, wenn da lauter nackte Männer wären. “Oh, warum nicht? Es sind ja nicht nur alte Männer da. Den ein oder anderen Mann beim Sport zu sehen, könnte ziemlich ästhetisch sein“, meinte ich mit einem kleinen Zwinkern. Ich hoffte, dass sie nicht ganz so schlimm verstockt war wie die alten Weiber, die über jede noch so kleine Abweichung von den Sitten die Nase rümpften. Aber hey, die olympischen Spiele wurden nackt ausgetragen, auf dem Sklavenmarkt waren die meisten Sklaven nackt, auf sämtlichen Wandmalereien, Vasen und sogar Öllampen sprangen einem nackte Menschen förmlich entgegen. Als wenn man in die Therme gehen müsste, um einen Penis zu sehen, wo die Kerle doch damit überall herumwedelten, als wären die Dinge wahre Wunder!

Sie fragte mich schließlich nach meinem Familienstand, und ich lächelte sehr unschuldig. Offensichtlich wusste sie nicht, wer und was ich war, aber das war durchaus von Vorteil, so hatte sie bestimmt auch noch nicht das Geschwätz soeben schon erwähnter vertrockneter Matronen erreicht, die sich für etwas besseres hielten.
“Oh nein, ich bin nicht verheiratet und habe es auch nicht vor. So ein Mann, so nützlich er auch sein mag in vielen Belangen, kann einem doch in genauso vielen Kummer bescheren. Ich bleibe also nur so lange bei einem Mann, wie er mir nützt und meine Gunst durch Geschenke aufrecht erhält. Ansonsten genieße ich meine Freiheit, mir einen Mann mit mehr Verstand und großzügigerem Wesen zu suchen.“ Denn genau das taten wir Hetären. Wir suchten uns einen oder zwei Verehrer aus, denen wir unsere Gunst schenkten, waren ihnen aber nur so lange verpflichtet, wie sie diese Gunst auch verdienten. Uns im Haus einsperren wie eine Ehefrau? Niemals. Uns Vorschriften machen, wie wir uns zu benehmen hatten? Nur, wenn der Gegenwert stimmte.
“Und zufälligerweise hat ein Mann meine Gunst durch ein besonderes Geschenk gesucht“, redete ich verschwörerisch weiter und wagte dann, meinen Köder auszuwerfen. “Ich kann auch Abends in die Therme“, flüsterte ich der Claudia zu und hoffte, dass sie anbiss.
[Bild: 1_27_01_24_7_06_00.jpeg]
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06-04-2024, 04:26 PM,
Beitrag #7
RE: Ein Schlüssel ist keine Magie
"Aha", platzte ich auf Kikis Erklärung hin heraus: "Du bist demnach eine ἑταίρα"

Wäre Anaxarete da gewesen, hätte sie spätestens in diesem Augenblick  zum Aufbruch gedrängt. Aber sie war genauso wenig da wie Nefertem, der - vielleicht  - jeden meiner Schritte seinem Dominus Iulius Cato berichtete.

Ich hatte das griechische Wort für Gefährtin gebraucht, und nein, ich errötete nicht. Ich sah Kiki sehr neugierig an. Ich wusste mittlerweile, was eine Hetäre machte, aber so wie meine neue Bekannte es beschrieb, hatte ich es noch nicht gesehen. Sie sprach dort von Freiheit, wo Ehefrauen nur von Schande sprechen würden:
"Du bist  infam, macht dir das nichts aus?" Ich schlug eine Hand vor den Mund, denn ich wusste, dass meine fast männlich direkte Art Leute manchmal überforderte:
 "Entschuldige, ich wollte dich keinesfalls beleidigen. Es interessiert mich tatsächlich"
Es interessierte mich wirklich. 
Und dann sagte Kiki etwas, was mich bass erstaunte. Sie hatte einen Thermenschlüssel und konnte baden gehen, wann immer sie wollte. Das schien mir der Gipfel von Lässigkeit:
"Einer deiner Freunde ist der Thermenpächter Vibius? Was für ein Glück...", und da ich heute unter keiner Fuchtel stand:
"Würdest du mich denn bitte einmal heimlich in die Thermen mitnehmen, werte Kiki?", Das war ein aufregender Gedanke und herrlich verrucht und garantiert nicht langweilig.
[Bild: 3_15_08_22_9_35_15.png]
Vormund (Tutor):  Manius Claudius Menecrates
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06-04-2024, 08:29 PM,
Beitrag #8
RE: Ein Schlüssel ist keine Magie
Inzwischen war die selbsternannte Teti mit ihrem Fußbad so weit und kniete sich zu Sabinas Füßen, um eben jene in duftenden Ölen einzuweichen, ehe sie Hornhaut und Nägeln mit Feilen zu Leibe rücken wollte. Da die Füße der Claudia noch einweichen mussten, kümmerte sie sich also erst einmal um meine restlichen Zehen mit geschickten Fingern und geübtem Schwung der feinen, kleinen Feile.
“Warum sollte es mir etwas ausmachen, infam zu sein?“ antwortete ich also fröhlich und nicht im mindesten beleidigt auf ihre Frage. “Ich habe ja schon gesagt, dass ich nicht verheiratet bin und es auch nicht vorhabe. Kinder habe ich auch keine, und im Theater sitze ich so oder so neben meinem Mäzen oder hinten bei allen anderen Damen, fein oder nicht, je nachdem. Da ich keinen ehrbaren Nachwuchs mit Karriereabsichten hervorbringen muss, hat es für mich keinerlei Nachteile, infam zu sein. Höchstens, dass diese spießbürgerliche Stadt mich deshalb nicht als Bürgerin in die Liste nimmt. Aber davon abgesehen?“ Ich zuckte mit den Schultern. Für mich war das tatsächlich absolut unerheblich, ob ich infam war oder nicht. Es änderte sich dadurch exakt nichts. Ich hatte nicht solche Ambitionen, wie Aglaia sie gehegt hatte. Mir war es egal, keine römische Bürgerin zu sein, denn mal ehrlich, wenn ich irgendjemandem genug missfiel, war ich eher tot in der Gosse als vor Gericht. Und mir reichte es vollkommen, meine Männer zu lenken. Ich musste nicht selbst irgendwo in Erscheinung treten.

Wahrscheinlich hörte sich das für die Claudia gerade alles sehr neu an, denn ganz sicher war ihr stets eingebläut worden, nur ja sittsam genug zu sein und nur schön artig Kinder zu bekommen. Tja, und was war jetzt? Ich schätzte, sie war ein oder zwei Jahre jünger als ich, schwanger von einem Ehemann, der lieber seine Geliebte vögelte als sie, und während ich meine Geschenke zählte, weinte sie beinahe vor geschlossener Thermentür. Nein, ich beneidete sie da ehrlich nicht.

Und wie ein braver Fisch biss sie auch an und schluckte meinen Köder. Ich kannte das Spiel zu gut und zu lange, als dass ich mir meinen Triumph ansehen lassen würde, stattdessen setzte ich die Maske der unschuldigen, fröhlichen Sorglosigkeit auf und lächelte sie an.
“Oh, es würde mich freuen, mein Glück mit einer Freundin teilen zu können! Wenn es dir nichts ausmacht, dass wir dann nur unter uns und ein paar Sklaven sind. Wenn du einen Haarausreißer brauchst, müsste ich das auch vorher wissen, damit einer da ist. Aber ansonsten wären es nur wir zwei Hübschen und nicht die… nun… gesitteten, älteren Matronen, wenn du verstehst.“
Ich zwinkerte ihr leicht zu und war gespannt auf ihre Reaktion zu den gesitteten Matronen gespannt, damit ich wusste, ob eher die ganz freche oder nur die naive Kiki ihr Wohlwollen erhalten würde. Ich wollte sie ja für mich gewinnen und nicht erschrecken.
[Bild: 1_27_01_24_7_06_00.jpeg]
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06-06-2024, 05:25 PM,
Beitrag #9
RE: Ein Schlüssel ist keine Magie
Ich versuchte Teti mit den paar Worten Demotisch aus der Provinz Aegyptus, das einiges mit dem Griechischen gemein hatte, zu erfreuen, aber sie lächelte nur geheimnisvoll, während sie meine Füße erst einmal in einem wohlduftenden Öl einweichte. Dann feilte sie Kikis helle Nägel mit einer ganz feinen Feile. Ich hatte schon den Eindruck, dass Teti weder des Griechischen mächtig war noch überhaupt aus Aegyptus stammte. Aber solange sie mir die Fussnägel genauso hübsch abfeilen würde wie meiner neuen Bekannten, war mir das nicht so wichtig.

Kiki schien mir eine patente Person zu sein. Sie wollte es anscheinend gar nicht anders haben wie sie es hatte. Meinem Lehrer Agamedes hätte diese Genügsamkeit der Existenz gefallen. Aber ich wusste nicht so recht, ob ich für solch ein Leben geeignet wäre:

"Das hört sich alles... irgendwie einfach an", sagte ich etwas zweifelnd: "Leider taugt es für mich nicht. Ich bin eine Claudia. Man erwartet von mir, ein Vorbild von Würde und Tugend zu sein. Wenn ich zu meinem Vormund sagen würde, dass ich infam bin, würde er mir vermutlich raten, mein Leben eigenhändig zu beenden, um dieser Schande zu entgehen", ich schnitt eine Grimasse:

" Ob mein Ehemann klug oder dumm ist, gutmütig oder ein Aas, das ist gleich. Er trägt einen alten und großen Namen, und meine Aufgabe ist es,  soviele kleine Iuliusse wie möglich auf die Welt bringen" 
Oh, das klang wütender als alles, was ich je zuvor gesagt hatte. Ich errötete und legte eine Hand auf meinen Bauch: Entschuldigung, kleiner Iulius. Die Mami hat es nicht so gemeint:

"Ich will gerne Kinder haben", sagte ich. Und das war wahr. Ich hatte die Gefährtin meines Ehemanns sein  ihm in guten und schlechten Zeiten zur Seite stehen und seine Kinder zur Welt bringen wollen. Das war meine Aufgabe als Vertreterin des weiblichen Geschlechts. Ich wollte meine Pflicht als Mater Familias erfüllen. Doch was geschah, wenn es nicht so lief, wie ich mir das vorgestellt hatte?
"Willst du denn wirklich gar keine, werte Kiki? Nicht einmal einen einzigen Sohn? Wer sorgt für dich, wenn du alt und grau geworden bist?"

Zu der verwegenen Idee des nächtlichen Thermenbesuches nickte ich zustimmend:

"Es macht mir nichts aus, wenn nur wir beide gehen. Die alten Matronen können sich anderswo die Mäuler zerreißen. 
Ich hoffe jedoch, dass du nicht etwa planst, mich aus den Thermen zu entführen und Lösegeld zu verlangen, werte Kiki. Mein Mann ist ein Militärtribun, ein Laticlavius. Er würde bis zu den Gestaden des Flusses Acheron hin alles in Bewegung setzen, mich zu befreien"

Anaxarete war wie gesagt nicht hier. Ich war jedoch gerade meine eigene Anaxarete. Sie hielt alle Fremden tagsüber für eine sittliche Gefahr und ab dem Dunkelwerden für Raubmörder. Sie hatte mich mit ihren Bedenken angesteckt.

Ich lachte leise. 

Cato würde nämlich gewiss alles in Bewegung setzen. Nicht weil er mich unbedingt zurück haben wollte, sondern weil es für ihn ein persönlicher Affront wäre, würden Kriminelle seine Frau verschleppen. Außerdem war ich mit seinem Erben schwanger.
[Bild: 3_15_08_22_9_35_15.png]
Vormund (Tutor):  Manius Claudius Menecrates
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06-07-2024, 04:30 PM,
Beitrag #10
RE: Ein Schlüssel ist keine Magie
“Es muss ziemlich schwer sein, eine Claudia zu sein“, versuchte ich eine kleine Schmeichelei, wurde dann aber wieder fröhlicher. “Aber da ich keine bin und kein Vormund mir etwas sagen kann, ist es für mich tatsächlich so einfach.“

Natürlich bemerkte ich den Blick auf ihren Bauch, als sie von kleinen Iuliussen sprach, die sie zu gebären hatte. Gerade war da wohl auch einer drin, wenn mein Auge und die Gerüchte der Stadt nicht trügten.
“Nein, ich werde wirklich gar keine Kinder in meinem Leben haben, und wenn ich alt und grau bin, habe ich entweder einen Gönner, der so in mich vernarrt ist, dass er bis zum Ende bei mir bleibt, oder ich sorge eben einfach für mich selbst. Da ich mein Vermögen ja keinem Kind hinterlassen muss, kann ich es auch gleich für mich verbrauchen“
Und wenn ich mir so anhörte, welchen Zwängen die Claudia neben mir allen unterworfen war und wie wenig sie das eigentlich mochte, dann war ich durchaus recht froh, dass mir das alles erspart bleiben würde und ich mir keine Gedanken um ein Vermächtnis zu machen brauchte. Überhaupt hatte ich schon sehr früh gelernt, dass das Leben jederzeit auch einfach vorbei sein konnte und es wesentlich schlimmere Dinge als den Tod gab. Von daher hatte ich auch keine Angst, notfalls die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, sollte sich die Notwendigkeit dazu ergeben.

Dass sie mir dann aber halbherzig drohte, ließ mich doch meine Augenbrauen nach oben ziehen. “Wieso sollte ich versuchen, dich zu entführen, wo du doch ohnehin weißt, wie ich heiße und wer ich bin und das deinem Mann und deinen Sklaven auch einfach sagen kannst, wo du hingehst?“ immerhin hatte sie mich gebeten, mitkommen zu dürfen. Ich hatte zwar den Köder ausgelegt, aber mitkommen wollte sie ja selbst. Da verstand ich diese Anschuldigung aus dem Nichts heraus gerade nicht – und allgemein verstand ich Misstrauen sehr wohl. “Du könntest auch einfach einen Sklaven mitbringen. Vorzugsweise etwas stattliches und gut gebautes. Aber wenn du nicht mitwillst und es dir anders überlegt hast...“ eröffnete ich ihr einen Fluchtweg – oder besser eine Beteuerung, dass sie mitwollte. Aber betteln würde ich jetzt auch nicht.
[Bild: 1_27_01_24_7_06_00.jpeg]
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