10-25-2024, 01:13 PM,
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RE: Speisezimmer (Triclinium)
Peigi achtete darauf, dass Louarn tüchtig zulangte. Er sah halb verhungert aus. Erst als sie sich sicher war, dass nicht das kleinste Krümelchen mehr in seinen Magen passte, erzählte sie, was in Louarns Abwesenheit geschehen war:
"Es ist viel passiert. Ein großes Glück ist Atreus widerfahren. Der reiche Römer Plautius will ihn als Sohn annehmen. Er ist nämlich der Sohn dessen Bruders. Es scheint, dass der Onkel wieder gut machen möchte, dass der Bruder die Mutter verlassen hat. Außerdem hat er keine eigenen Kinder, und unser Atreus ist ein prächtiger Junge"
Sie nannte Calum Atreus, denn das war der Name, unter dem der Schmied hier bekannt war. Und was sie erzähle, war die Version der Geschichte, die sich in Iscalis allmählich herumsprach und immer weiter ausgeschmückt wurde. Jeder hielt Atreus Schicksal für außerordentlich, ein wahres Glück:
" Der reiche Römer hat auch den Medicus bei sich aufgenommen. Der wusste ja auch nicht, wie es hier mit dem Haus weitergeht, nachdem Centurio Octavius vermutlich tot ist. Und mit Atreus war er sowieso unzertrennlich. Er behält die Praxis im Neubaugebiet, aber für unsere Dienste hat er keine Verwendung mehr. Hier, das ist deine Abfindung, Louarn, und viele Grüße und Danke soll ich dir sagen, und Medicus Pü würde sich freuen, wenn Du sie beide in der Villa des Plautius besuchen kommst"
Sie gab ihm einen Geldbeutel mit fünfzig Denaren:
"Ein dreifacher Monatslohn für Dich. Auch ich habe einen guten Teil erhalten. Ich kann also gehen oder bleiben, wie es mir beliebt, denn ich bin nun eine wohlhabende Frau. Vielleicht braucht man aber anderswo eine Haushälterin, das wäre mir am liebsten. Ich habe gute Empfehlungsschreiben.",
Peigi zuckte die Schultern, doch es war ihr anzumerken, dass sie nicht so recht wusste, wohin und dass sie Flavianus Pytheas, Wicho, Atreus und Louarn vermisste - besonders Louarn. Er war der einzige, mit dem sie über die Vergangenheit sprechen konnte. So jung er war, war es ihr, als sei er bei den alten Ereignissen dabei gewesen oder als wüsste er viel mehr darüber, als die Jungen für gewöhnlich wussten.
"Und du, Louarn, hast du getan, was du tun wolltest?", fragte sie forschend: "Geht es dir gut? Du bist ziemlich mager geworden, und ich sehe dir an, dass es nicht leicht für Dich gewesen ist"
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10-25-2024, 04:43 PM,
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Louarn
Schlechter Druide, guter Krieger
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RE: Speisezimmer (Triclinium)
Wenn Peigi bemerkte, dass ich nur ein halbes Stück Kuchen gegessen hatte, sagte sie zumindest nichts. Und ich war froh darüber, ich hatte gerade nicht wirklich die Kraft oder die Worte, es zu erklären. Ich verstand es ja selber kaum.
Dann fing sie an zu erzählen, und ich war froh, dass ich wenig gegessen hatte und schon saß, denn mit jedem weiteren Wort wurde mir übler. Calum, mein kleiner Bruder, der, zu dem ich immer das beste Verhältnis gehabt hatte, den ich so oft schon beschützt hatte, um Schaden von ihm abzuwenden, hatte sich entschieden, Römer zu sein. Der Erbe seines Vaters, der seine Mutter vergewaltigt hatte. Sohn eines reichen Römers. Kein Kelte mehr. Kein Falke mehr.
Auch wenn ich ihm nicht verübeln konnte, kein Falke mehr sein zu wollen, brach es mir das Herz, dass er sich nach allem, was geschehen war, nach allem, was wir gemeinsam überlebt und wofür wir so viel geopfert hatten, sich dazu entschieden hatte, unser Feind zu sein. Obwohl er wusste, was das bedeutete. Cathbad würde ihn töten für diesen Verrat. Er hatte gar keine andere Wahl, das Risiko war viel zu groß. Und ich konnte ihn davor nicht beschützen. Calum hatte die eine Sache gemacht, bei der ich ihm nicht folgen konnte. Bei der ich ihn nicht beschützen konnte. Und niemals wieder würde beschützen können. Oder mit ihm auch nur reden.
Ich war wohl irgendwie aufgestanden, und der Boden wankte. Peigi erzählte irgendwas von Geld. 50 Silberstücke für einen Bruder. War das ein Preis, damit ein Bruder den anderen verriet? Mein Magen revoltierte, und ich spürte einen Schmerz in meiner Brust, den ich nicht kannte. Ich ging, wohl eher wankte ein paar Schritte. Ich wollte hier raus, ich bekam keine Luft. Bilder stürzten auf mich ein. Helena auf dem Fest, und dann das brennende Wirtshaus. Dunduvan und eines seiner seltenen Lächeln, ehe er in die Mine rannte und die Blasen an meinen Händen, als ich im brennenden Stein nach ihm suchte. Niamh in meinem Arm in dem Haus, das ich für sie gebaut hatte, und dann in diesem Kleid, diesen Römer anhimmelnd, und in erdiger Umarmung mit meinem Bruder auf dieser Lichtung an Beltane. Alun und die langen Gespräche, irgendwo gegen eine Wand gelehnt, und dann sein vorwurfsvoller Blick an mich und die Vorwürfe, die Lügen, als er sich von mir Abwand. Und jetzt Calum, mein lieber Bruder und die vielen, vielen Male, als ich ihn von seiner Dunkelheit wieder weggerissen hatte, und dann der Moment, wo sie ihn verschlang und er Cathbad drohte. Und die Drohung jetzt wahr machte.
Es war zu viel. Stück für Stück wie hungrige Wölfe riss jedes Bild ein Stück aus mir heraus, bis alles, was übrig blieb, Schmerz war. Kein ich, keine Liebe, keine Familie. Nur Schmerz und Leid und die Vision von Flammen und Tod und Eisen und Dunkelheit. Es war zu viel. Ich konnte nicht mehr. Ich hatte so lange gekämpft, um alle zu beschützen, aber ich hatte verloren, jedes Mal wieder verloren, bis nichts mehr übrig blieb.
Ich spürte den Schmerz in meinen Knien, als ich auf den Boden sackte und mich nach vorne krümmte im zweifelhaften versuch, die Teile irgendwie zusammen zu halten, aber es ging nicht mehr. Ich konnte nicht mehr.
Und ich schluchzte.
Falke
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11-05-2024, 03:11 PM,
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RE: Speisezimmer (Triclinium)
Louarn ging es schlechter, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Das war mehr als nur die Erschöpfung durch eine lange Reise. Peigi, die seinen Zustand jedoch nicht mit dem, was sie ihm berichtet hatte, in Zusammenhang bringen konnte, tat das Einzige, was ihr einfiel, wenn jemand krank - an Leib oder Seele- war - sie bemühte sich, ihn auf die nächststehende Kline zu betten. Sie war eine starke Frau, und der Junge hatte abgenommen, dennoch fiel es ihr schwer, ihn auf das Liegebett zu bugsieren. Mit den beiden Decken, die zu Füßen der Klinen lagen, falls man sich an den kühlen britannischen Abenden ein wenig einkuscheln wollte, deckte sie ihn zu. Dann kniete sie sich neben das Liegebett. Sie legte ihre Hand auf Louarns Stirn, war sich aber unsicher, ob er fieberte:
"Mein Kleiner, mein Lieber, Peigi ist hier", murmelte sie und nahm Louarns Kopf in den Arm. Sie zitterte dabei - niemals zuvor hatte sie sich solche Zärtlichkeit erlaubt. Alle Liebe, die die alte Kriegerin für ihre Kinder gehabt hatte, stieg in ihr auf, brach sich Bahn:
"Hab keine Furcht, hier kommt niemand her", sagte sie. Ihr eigener Sohn wäre jetzt nur etwas älter als Louarn...
"Weine nur, weine, mein Lämmchen, mein Kleiner. Weine dich tüchtig aus.", auch ihr stiegen die Tränen in die Augen, während sie den großen Kelten wiegte, als sei er ein Kind...
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11-05-2024, 04:08 PM,
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Louarn
Schlechter Druide, guter Krieger
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Beiträge: 481
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Registriert seit: Dec 2022
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RE: Speisezimmer (Triclinium)
Ich fühlte mich, als wäre ich bei Sturm unter Wasser geraten. Alles um mich herum dröhnte und drückte mich tief in eine unbekannte Schwärze, die verheißungsvoll verkündete, dass ich bei ihr nichts mehr fühlen und nichts mehr denken musste. Aber ich dachte noch, und ich fühlte noch, und es tat weh. Ich war neunzehn Jahre alt und hatte nie gelebt und würde nie leben, und das tat weh. Alles, was ich liebte, war dazu verdammt, zu sterben und unterzugehen, und das tat weh. Und ich konnte absolut nichts dagegen machen. Alles, was ich getan hatte, war nur immer und immer wieder vergebens gewesen, und all das zog mich nur immer tiefer hinab unter Wasser, bis ich drohte, zu ersticken.
Ich merkte gar nicht wirklich, wie Peigi an mir herumzerrte. Irgendwann hatte sie mich soweit, dass ich auf die Füße taumelte und sie mich irgendwo hinsetzte. Sie wollte mich hinlegen, aber ich wankte nur und blieb sitzen, also warf sie mir so Decken um die Schultern. Ich merkte es erst, als sie meinen Kopf zu sich zog und ihn streichelte auf eine Art, von der ich nicht einmal mehr wusste, ob meine Mutter es so bei mir als Kind gemacht hatte. Ich konnte mich an keine einzige Zeit erinnern, dass mich jemals jemand so in den Arm genommen und getröstet hatte und mich beschützen wollte, nicht umgekehrt. Und das brachte mich für einen Moment nur viel stärker zum heulen, auch wenn ich meine eigene Schwäche verachtete. Irgendwie musste ich dabei dann wohl doch zur Seite gekippt sein, denn das nächste Mal, dass ich Luft holte, lag mein Kopf auf ihrem Schoß und ich zusammengekrümmt auf der Seite. Ich wollte aufstehen und ihr meinen Anblick ersparen. Wollte wieder stark sein und weiter kämpfen, wie ich immer weiter kämpfte, egal wie aussichtslos die Schlacht war. Ich schloss die Augen, um mich wieder daran zu erinnern, wer ich war und was ich sein musste. Aber alles, was ich sah, war ein kleiner, struppiger Fuchs, der auf einer spiegelglatten Wasseroberfläche saß und sich das Fell vom Wind zerzausen ließ. Kein großer Krieger. Niemand, der beschützen konnte. Nur ein kleines, zerbrechliches Wesen.
“Ich bin Druide, Peigi“, sagte ich, weiter liegend. Und sollte sie mich doch verraten und zu einem grausamen Tod dafür verdammen, dass ich das zugab. Meine Stimme war kratzig von den Tränen und ich hatte keine Kraft mehr, zu kämpfen. Sollte die Morrigan mich doch holen und mir die Augen herauspicken. Ich hoffte, sie fraß meine ganze Seele dabei auf, damit sie nicht wiedergeboren werden würde. Dann wäre es wenigstens vorbei.
Falke
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11-08-2024, 05:24 PM,
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RE: Speisezimmer (Triclinium)
Peigi aber erschrak zu Tode. Es war ihr, als sei eine Vergangenheit auferstanden, die sie schon längst in ihrem Herzen begraben hatte, eine große, eine bewegte Vergangenheit, als die Große Königin sich gegen Rom erhob, doch der Kampf hatte nur Asche und Vernichtung hinterlassen und Peigi alles gekostet, was sie je geliebt hatte. Vorsichtig hatte sie Louarn geliebt. Und nun war es ihr Lämmchen, ihr Junge, der die verhängnisvollen Worte sprach:
"Ich. bin. Druide."
Unwillkürlich schaute sich Peigi um. Aber sie waren ganz alleine im Haus der Octavier. Es gab niemanden hier als die alte Kriegerin und eben Louarn. Sie zweifelte keinen Augenblick. Es erklärte so manches, was sie sich nicht hatte zusammen reimen können, besonders die Magie seiner Lieder, die ihren Schmerz besänftigt hatte.
"Es gibt keine Druiden mehr südlich des Avons", flüsterte sie und legte ihre schwielige Hand auf die des Mannes:
"So etwas darfst du nie laut sagen, Louarn, hörst du. Nur Peigi kannst du es sagen", in ihrem Kopf jagten sich die Gedanken. Wenn Louarn ernsthaft krank war? Medicus Pü? Doch auch der war doch auf seine Weise einer von ihnen - Römer. Und Centurio Octavius, dem das Haus gehörte. Und Atreus, ach, du meine Güte, der war nun Plautius irgendwas. Sie waren umzingelt von Feinden.
" Du bleibst ganz ruhig hier. Ich kümmere mich", dem Medicus durfte sie nichts von "krank" sagen, sonst würde er verlangen, nach Louarn sehen zu dürfen. Und wenn er dann wieder sprach - mittlerweile konnte Pytheas genug Bretonisch, um diesen Satz zu verstehen, nein, es war gefährlich. Aber wenn Louarn ein Druide war, würde er sich vielleicht selbst heilen können. Er brauchte nur Zeit. Zeit würde Peigi ihm verschaffen. Sie strich ihm übers rote Haar:
"Du bist in Sicherheit ...Herr", durfte sie einen Druiden denn weiterhin Lämmchen nennen?
"Schlaf dich gesund. Ich wache über dich. Hier kommt keiner her, mein Lieber"
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11-08-2024, 07:55 PM,
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Louarn
Schlechter Druide, guter Krieger
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RE: Speisezimmer (Triclinium)
Ich schloss die Augen und brachte nicht mehr zustande, als lange und resigniert auszuatmen, als sie meinte, ich dürfe das niemals laut sagen. Es gibt keine Druiden südlich des Avon. Wie oft hatte ich das gesagt, wohl wissend, dass es eine Lüge war? Sehr oft. Aber es wurde immer mehr war. Auch Calum war jetzt nicht mehr Calum, kein Druide mehr. Dunduvan war tot. Caradoc war tot. Wir wurden weniger. Mit jedem verstreichenden Monat und jedem Jahr wurden wir weniger. Noch etwas, das durch meine Finger rann wie Wasser, das mich nur niederdrückte, welches ich aber nicht halten konnte.
Erst, als Peigi mich auf einmal Herr nannte, öffnete ich die Augen wieder und richtete mich langsam auf. Irgendwie tat mir gerade jeder einzelne Muskel im Körper weh, so dass selbst diese einfache Bewegung, sich seitlich wieder in eine sitzende Position zu schieben, unendlich langsam und so schwer schien. “Nenn mich bitte nicht so“, bat ich sie leise und traurig, weil ich das Gefühl hatte, dass mir gerade noch eine weitere Sache aus den Händen geglitten war. Noch etwas, das ich nicht hatte festhalten können.
Ich saß mit gesenktem Kopf, die Ellbogen auf den Beinen, und betrachtete einen langen Augenblick einfach meine nutzlosen Hände. “Ich bin niemandes Herr, Peigi. Ich bin weniger als gar nichts. Ich...“
Ich wollte sie nicht mit meinem ganzen Müll belasten. Ich machte sowas immer mit mir allein aus. Ich war immer der Starke, der für alle anderen da war. Wenn ich das nicht war, wer war ich dann? Wenn ich das nicht mehr hatte, was war dann mein Leben? Aber auch das entglitt mir, und auf einmal sprudelten auch die ganzen Worte wie Wasser aus mir heraus, weil sie sich nicht weiter halten ließen.
“Ich wollte immer nur alles zusammen halten. Dass es allen anderen gut geht, dass wir zusammenhalten. Aber ich kann es nicht. Caradoc ist tot, und ich war nicht da. Und Dunduvan… ich hätte ihn aufhalten müssen, aber ich war nicht schnell genug. Und dann war er einfach… weg. Und ich hab nicht einmal seine Leiche gefunden, um ihn ordentlich begraben zu können. Und so sehr ich es auch versuche, alles richtig zu machen und alle zu beschützen, es führt immer nur dazu, dass sie sich abwenden und in ihr Verderben laufen. Niamh… ich… ich hab sie geliebt, Peigi...“ Es war das erste Mal, dass ich es laut aussprach, und verdammt, es tat weh bis ins Mark, es auch nur einmal laut auszusprechen, anzuerkennen, dass ich so gefühlt hatte, dass es mich quälte und ein Loch in meine Seele gerissen hatte, das ich nicht schließen konnte. “Aber ich konnte und durfte es ihr nicht sagen, weil es sie nur in Gefahr gebracht hätte. Weil… mein Meister, wenn er es erfahren hätte, hätte er….“ ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf, um die Bilder loszuwerden, die meine Angst mir zeigte. Cathbad hätte Niamh getötet. Ganz sicher. Er duldete für keinen von uns ein normales Leben. Nicht in dem Sinne, dass wir uns von unserer Aufgabe entfernen würden. Weshalb er über bedeutungslose Liebschaften hinwegsah, bei den Zwillingen auch über diverse Kinder, weil er wusste, dass die nichts bedeuteten. Aber die Dinge, die etwas bedeuteten… das war etwas ganz anderes.
“Und wenn er hört, dass Ca…. Dass Atreus, der zur Hälfte ein Kelte ist, gänzlich zum Römer wird… Er wird ihn zum Verräter erklären. Er wird….“ Wieder schloss ich die Augen und schüttelte die Bilder aus meinem Kopf. Ich wollte nicht daran denken, was er Calum antun würde, was er vielleicht sogar den restlichen von uns auftragen würde, zu tun. Ich konnte nicht daran denken. Ich hatte nicht die Kraft, daran zu denken.
“Ich kann das alles nicht mehr, Peigi. Es ist so viel… Ich weiß, es wird niemals ein Mag Mell für mich geben.“ Mag Mell war der Platz in der Unterwelt, den sich alle wünschten, aber an den nur die wenigsten je gelangten. Mannanan herrschte dort über ein Land des ewigen Frühlings. Die Zeit stand dort still. Man konnte in seinen heißen Quellen baden, und es gab so viel süßes Bier, wie man wollte. Umsonst. Ja, im keltischen Himmel gab es Freibier. Nehmt das, Römer!
“Ich bin dazu geboren worden, ein Werkzeug zu sein für die Druiden. Ich weiß das. Wäre ich ein Mädchen gewesen, hätten sie mich nach der Geburt gleich getötet. Und ich weiß, dass mein Leben nicht ins große Gewebe eingebunden wurde, so dass ich nicht wiedergeboren werde.“ Zumindest hatte Cathbad all das uns immer und immer wieder gesagt. Ich hatte keine Ahnung, ob es stimmte. Ich konnte das Gewebe der Welt nicht sehen, und ich würde niemals einen Druiden danach fragen. Oder Ciaran, der das sicher sehen konnte. Ehrlicherweise wär ich ganz froh, wenn all das hier mit mir enden würde.
“aber ich kann das nicht mehr. Es ist so viel. Ich bin neunzehn Jahre alt und habe noch nicht einmal richtig gelebt. Und jetzt… es entrinnt mir, Peigi. Egal was ich tue. Alles entgleitet mir.“
Ich wusste, dass sie von der Hälfte der Sachen keine Ahnung hatte, von denen ich sprach. Aber ich musste einfach einmal mit jemandem reden, der zuhörte. Etwas, das meine Brüder nie gekonnt hatten. Nicht ein einziges Mal. Immer wollten sie mich drängen, irgend etwas zu tun. Das, was sie tun wollten, wie ich wusste. Genauso verantwortungslos zu handeln wie sie. Aber das konnte ich auch nicht. Ich konnte einfach gar nichts, wie es schien.
Falke
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11-09-2024, 06:22 PM,
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RE: Speisezimmer (Triclinium)
Peigi hörte zu. Ab und zu murmelte sie: "Du lieber Himmel" , als Louarn Namen entfuhren, die sie nicht kannte, Namen aus seiner Vergangenheit, von anderen Druiden....wie viele gab es? Caradoc, Dunduvan, ein Meister, dessen Namen er nicht nannte,.. aber bei Atreus sah sie auf und presste kurz ihre Hände vor den Mund:
"Atreus - Plautius Caelinus, ist auch einer von euch?", sie schüttelte den Kopf:"Und du solltest getötet werden, wenn du ein Mädchen gewesen wärst? Und er soll getötet werden, weil er jetzt ein Römer ist? Wer sollte so schreckliche Dinge tun? Soll ich ihn besser warnen?"
Peigi verstand all diese komplizierten Zusammenhänge nicht recht. Aber sie musste auch nicht verstehen. Ihr Liebling litt Höllenqualen, und sie begann wieder, seine Hand zu streicheln:
"Lou...", begann sie, denn er hatte ihr gesagt, dass er nicht Herr genannt werden wollte, obgleich er zum höchsten Stand von Albion gehörte:
"... es mag sein, dass du... eine Bürde trägst, die kein Mensch alleine tragen sollte. Es ist bitter, die Toten mit sich herumzutragen. Sie wiegen so schwer, dass sie einem die Luft abschnüren beim Atmen", Peigi wusste, von was sie sprach:
" Lass sie alle endlich gehen in ihr Mag Mell, diesen Caradoc und Dunduvan wie sie alle heißen. Du konntest sie vielleicht nicht retten. Aber jetzt lässt du sie nicht fort, und sie wachsen und sie nähren sich von Dunkelheit.
Ich habe meine Kinder auch gehen lassen. Am letzten Samhain habe ich noch einmal mit ihnen gesprochen. Meinem Sohn habe ich ein hölzernes Wägelchen geopfert. Meiner Kleinen Blumenketten - sie liebte Blumen. Sie sind jetzt glücklich wo sie sind. Lass die Toten ruhen!",
Peigi streichelte die Decke über Louarns Schultern:
"Zu Zeiten meiner Jugend hätten Könige und Fürsten deinen Rat gesucht. Nun musst du das Geschwätz von Peigi anhören:
Die Silberfäden der Welt sind so verschlungen. Wer kann schon wissen, wohin sie alle führen? Du bist doch noch so ein Lämmchen, so ein ein Kücken, mein lieber Lou"
Ihr mütterliches Herz floss über, sie tupfte sich die Augen mit einem Zipfel ihres Gewandes ab.
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11-09-2024, 07:04 PM,
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Louarn
Schlechter Druide, guter Krieger
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Beiträge: 481
Themen: 11
Registriert seit: Dec 2022
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RE: Speisezimmer (Triclinium)
Ich stutzte kurz und überlegte, was ich gesagt hatte. Ich wollte Peigi nicht anlügen, aber ich wollte auch trotz allem Calum schützen. “Nein, er… weiß nur von uns. Und das reicht auch schon aus….“
Mir wurde gerade klar, dass ich Peigi gerade in meinen ganzen Mist mit hineinzog, und ich hob kurz verzweifelt den Blick, um sie anzusehen. Ich wollte sie nicht in Gefahr bringen. “Es tut mir leid, dass ich dich in Gefahr bringe“ sprach ich einfach aus, was ich dachte, und raufte mir noch einmal die Haare, weil das alles so viel war, dass es meinen Geist zum zerspringen brachte. Ich seufzte. "Er weiß, dass seine Entscheidung ihn zum Feind der Druiden macht. Er wusste es immer. Und hat es dennoch getan. Du musst ihn nicht warnen, Peigi, er weiß es schon."
Peigi versuchte, mich zu trösten, aber sie verstand mich falsch. “Ich mach mir nicht um die toten Sorgen, Peigi. Die Lebenden machen mir Sorgen. Und ich würde die Toten gerne gehen lassen...“ Wenngleich ich wusste, dass sie nicht in Mag Mell waren. Die keltische Anderswelt war ein riesiges Land. Warum auch sollte sie klein sein und alle an denselben Ort kommen? Es blieben ja nichtmal alle da, sondern die meisten wurden immer wieder geboren, häufig genug auch als Tiere. Aber auch sonst gab es so viele Orte in der Anderswelt: Tir nAill, Tir na Nog, Tir fo Thuinn, Tir, na mBeo, Mag Findargat, Mag Argatnel, Mag Ildatthach, Mag Ciuin, Emain Ablach…. Und wo auch immer die Morrigan ihre Opfer hinverschleppte. Und selbst diese Länder und Ebenen waren nur das, was wir kannten, da die wenigsten sich an ihre Zeit hinter dem Schleier erinnern konnten und nicht mal die Druiden alles wussten.
Aber ich wusste, dass Dunduvan in keiner dieser Ebenen war, wenn das stimmte, was Cathbad über unsere Seelen und die der Römer prophezeit hatte, und ich wusste auch, dass caradoc nicht in Mag Mell war, obwohl ich es ihm gegönnt hatte. Woher ich wusste, dass Caradoc nicht dort war, wusste ich nicht. Ich verstand den seltsamen Traum, den ich über ihn und komische fliegende Füchse gehabt hatte, verstand ich immer noch nicht. Aber ich wusste einfach, dass er wo anders war.
“… ich wünschte mir nur, sie würden mich auch gehen lassen“, schloss ich seufzend und müde. Einen langen Moment lang atmete ich einfach mit hängenden Schultern, bis ich meinte, wieder genug meiner Selbst zusammen gesammelt zu haben. “Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Alles, was ich will, zerrinnt mir unter den Fingern.“
Falke
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