>>> Nachdem Rhian den Römer verabschiedet hatte, war sie wie gelähmt an Ort und Stelle verblieben und hatte dem sich entfernenden Hufschlag gelauscht. Bis dieser nicht mehr zu vernehmen war. Erst dann hatte sich die junge Königin aus ihrer Starre gelöst und ihr Kinn empor gereckt. Oh nein! Von diesem elenden Römer würde sie garantiert nicht den Nacken beugen. Niemals. Und ihr Volk sah dies genauso, auch wenn man in deren Augen Sorge, Angst und Panik allzu deutlich erkennen konnte. Sämtliche Emotionen die auch Rhian tief in sich spürte, die sie jedoch nicht an die Oberfläche ließ. Sie war ihre Königin und würde ihr Volk beschützen. So atmete Rhian tief durch und ließ ihren Blick über ihr Volk streifen.
“Ihr braucht euch nicht zu sorgen. Wir werden euch beschützen. Wir sind ein starkes Volk.“ Beschwor Rhian die Brigantes und bemerkte wie der eine oder andere zwar noch immer zweifelnd dreinblickte, der Großteil ihr jedoch zunickte und beipflichtet. Sie würde alles für ihr Volk geben.
“Keine weiteren Sorgen mehr.“ Waren Rhians letzte Worte, als sie sich langsam herumdrehte. Ihre Schritte würde sie auf direktem Weg in ihr gemeinsames Gemach führen. Dort würde sie auf Cahir warten, um ihm die schreckliche Nachricht des römischen Packs zu überbringen. Im Ehegemach angekommen, konnte Rhian nicht stillstehen oder sich gar hinsetzen. Die junge Frau begann ziellos durch das Zimmer zu tigern. Sorgenvoll der Ausdruck auf ihrem Gesicht. Wie würde Cahir reagieren, wenn sie ihn mit dieser Schreckensbotschaft konfrontierte? Die Angst im Gesicht der Brigantes hatte Rhian deutlich vor Augen und auch ihre Miene spiegelte düstere Sorge wider.
“Elendes Römerpack!“ Murmelte die junge Frau und war froh, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt alleine in diesem Zimmer befand. Nicht auszudenken, wenn eine der Dienerinnen an ihrer Seite wäre und die Königin diese herzhaften Flüche ausstoßen hörte.
Nachdem sich Rhian etwas beruhigt hatte, fokussierte sie sich und atmete tief durch. Neun Tage hatte ihr dieser Römer gegeben. Neun verdammte Tage! Wie sollten sie in neun Tagen nur hundert Zentner Weizen und tausend Kühe in die Castra liefern? Und ab diesem Tag würde dieses Vorhaben jährlich von statten gehen müssen. Erneut war es ein wüster Fluch ihrer südlichen Heimat der Rhian über die Lippen entwich. Doch aufgeben war für die junge Frau keine Option. Sie würde nicht zulassen das ihr Volk in die Sklaverei verkauft wurde. N i e m a l s! Sie würde alles in ihrer Macht stehende tun, damit ihrem Volk diese Schmach erspart bleiben würde.
“Ich werde mein Volk beschützen, Mit allem was ich habe. Dies habe ich geschworen.“ Murmelte Rhian mit leiser Stimme und griff schließlich nach der Silberschale. Jener Schale, in der sie das Gesicht der Göttin zu erblicken hoffte. Auch wenn sich Rhians Gedanken in hellster Aufregung befanden und sich ihr Geist wohl nicht so schnell fokussieren würde. Doch ein Versuch war es wert und so atmete Rhian langsam ein und wieder aus. Ein und wieder aus. Während sie die Wasseroberfläche der Silberschale fokussierte und ganz langsam spürte, wie sie hinab gezogen wurde. Wie sich die Welt um sie herum veränderte. Es war nicht mehr das gemeinsame Ehegemach, in dem sie sich befand. Es war ein Hügel. Der Grabhügel von Cahirs Mutter, der verstorbenen Königin? Oder? Nein. Es war ein anderer Hügel. Denn dieser Hügel war von wild wuchernden Blüten überzuckert und es befand sich kein Grab auf diesem Hügel. Vergangenheit? Zukunft?
“Meinem Volk darf nichts geschehen. Meinem Ehemann darf nichts geschehen. Uns darf nichts geschehen.“ Wisperte Rhian mit leiser Stimme, wobei sie bei dem Wörtchen -uns- ihre schmale Hand auf ihre Körpermitte bettete.